TEUFELSJÄGER: Die 8. Kompilation - Wilfried A. Hary - E-Book

TEUFELSJÄGER: Die 8. Kompilation E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

TEUFELSJÄGER: Die 8. Kompilation W. A. Hary: „Diese Kompilation beinhaltet die Bände 36 bis 40 der laufenden Serie!“ Kompilationen sind Sammlungen mehrerer Romane in einem Buch. Das gibt es auch für die Serie TEUFELSJÄGER Mark Tate. Enthalten in der 7. Kompilation: 36 »Böse Geister spuken besser« 37 »Roboter gegen das Böse« 38 »Die Schwarze Mafia« 39 »Monsterparty im Jenseits« 40 »Ein Dämon rechnet ab« Alle von W. A. Hary!

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

TEUFELSJÄGER 036

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

Epilog

TEUFELSJÄGER 037

1

2

3

4

5

6

7

8

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10

11

12

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TEUFELSJÄGER 038

1

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8

9

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TEUFELSJÄGER 039

1

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5

6

7

8

Epilog

TEUFELSJÄGER 040

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Epilog

Titelbeispiele

Titel

Wichtiger Hinweis

Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li) ist jederzeit nachbestellbar.

TEUFELSJÄGER

Die 8. Kompilation

W. A. Hary: „Diese Kompilation beinhaltet die Bände 36 bis 40 der laufenden Serie!“

Enthalten in der 8. Kompilation:

36 »Böse Geister spuken besser«

37 »Roboter gegen das Böse«

38 »Die Schwarze Mafia«

39 »Monsterparty im Jenseits«

40 »Ein Dämon rechnet ab«

Impressum

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3329

Copyright dieser Fassung 2018 by www.HARY-PRODUCTION.de

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

Covergestaltung: Anistasius

TEUFELSJÄGER 036

Böse Geister spuken besser

von W. A. Hary

Mark Tate ist ein tausendfach Wiedergebo­rener. Also gibt es hier und heute mehr als nur einen direkten Nachfahr von ihm. Einen ganz besonders: Dr. Toy Fong! Weil Mark Ta­te zur Zeit in der jenseitigen Sphäre ORAN verschollen ist, erfuhr er von seiner beson­deren Bestimmung, Mark Tate vorüberge­hend auf Erden zu vertreten. Das tut er im vorliegenden Roman erneut. Macht euch auf einiges gefasst!

Euer W. A. Hary

1

»Guten Tag!« sagte der freund­liche Herr und lüftete seinen Hut.

Toy Fong blinzelte verwirrt. Unter dem Hut zeigte sich kein Haarschopf, sondern ein großes, dunkel gähnendes Loch!

Ehe Toy Fong den Anblick ver­arbeiten konnte, wurde das Loch wieder bedeckt.

»Sie sind doch Dr. Fong, nicht wahr?«

Toy Fong vermochte nur zu ni­cken.

Er blickte in das Gesicht des freundlichen Herrn. Es kam ihm unbekannt vor und doch er­schienen ihm die Züge vertraut. Als würde er jemandem ähneln, den er sehr gut kannte.

Im nächsten Moment verschwand dieser Eindruck.

Alles in Toy Fong begehrte auf.

»Wer sind Sie denn?« fragte er grob.

Der Herr verlor nicht seine Freundlichkeit.

»Nur ein Bote. Ich soll Sie zu einem Mann begleiten, der gern Ihre Bekanntschaft machen möchte.«

»Und wer soll das sein?«

Toy Fong kam die eigene Frage albern vor.

Der Fremde lächelte unver­bindlich.

»Ihre Schwarze Eminenz!«

Toy Fong gewann seine Selbst­beherrschung zurück.

»Keinen Namen?«

»Nein, Ihre Schwarze Eminenz hat keinen.« Der Fremde lachte leise.

In Toy Fongs Ohren klang es hämisch.

»Dann richten Sie ihm aus, ich sei bereit. Ich warte hier im Hotel auf ihn.«

Der Fremde schüttelte den Kopf. »Das geht leider nicht. Er besteht darauf, Sie sofort zu se­hen. Und Sie müssen sich zu ihm bemühen. Er selbst ist leider verhindert.«

Toy Fong überlegte kurz. Er blickte zum Fenster der Hotel­halle. Strahlender Sonnen­schein. Mittagszeit. Die ganze Sache kam ihm reichlich merkwürdig vor.

»Also gut!« entschied er.

Der Fremde wandte sich ab. Gemeinsam traten sie auf die hitzeflimmernde Straße hinaus.

Für diese Jahreszeit war es wirklich ungewöhnlich warm. Am Abend zuvor war er erst in Pensing eingetroffen. Viel hatte er von dem kleinen Ort noch nicht gesehen, doch das wenige hatte genügt, in ihm eine eigenartige Atmosphäre zu erzeugen.

Er war fremd hier, hatte Pensing noch nie zuvor besucht. Außer ihm gab es keine Touristen hier. Trotzdem achtete niemand auf das fremde Gesicht. Man ignorierte ihn und die Leute im Hotel befleißigten sich einer Un­verbindlichkeit, die schon fast an Unhöflichkeit grenzte.

Ich bin gespannt auf die Schwarze Eminenz, dachte Toy Fong. Dabei war ihm einen Moment lang, als besäße sein Führer statt Hände Fischflossen.

*

Auf der Straße herrschte kaum Betrieb. Die alten Häuser waren mit roten Ziegelsteinen erbaut. Ein klappriges Auto passierte Toy Fong. Er wandte den Kopf.

Kein Fahrer!

Aber dann musste er sich be­richtigen. Das vom Seitenfenster reflektierte Sonnen­licht hatte ihn wohl geblendet.

Das Hotel blieb hinter ihnen zurück.

Kein einziges Mal blickte sich der Fremde um. Er vergewisserte sich nicht, ob ihm Toy folgte. Of­fenbar war er seiner Sache sicher.

Toy musste seine Schritte beschleunigen, damit sich der Abstand nicht vergrößerte.

Ärger stieg in ihm empor, Ärger über den Fremden, über die seltsame Kleinstadt mit ihren noch seltsameren Bürgern, über sich selbst... Was war nur mit ihm los?

Die Straße vollführte eine Bie­gung nach rechts. Die Häuser wi­chen noch weiter von der Fahr­bahn zurück. Die Vorgärten ge­wannen an Raum, wurden schmucker, bunter.

In der Kurve verließ der Fremde den Bürgersteig. Toy Fong blieb nichts anderes übrig, als ihm nachzulaufen. So sehr er sich bemühte, es gelang ihm nicht, an die Seite des Fremden zu kommen.

Sie traten auf die Fahrbahn­mitte.

Die Hitze wurde unerträglich, schnürte Toy Fong die Luft ab. Er griff sich an den Kragen, hakte die Finger ein. Es nutzte nichts. Sein Schritt wurde taumelnd. Er öffnete den obersten Kragenknopf und zerrte den Schlips auf.

Der Rücken des Fremden war ein dunkles Viereck, das rhyth­misch auf und ab ging.

Für nichts anderes hatte Toy Fong mehr Augen.

Motorgeräusch, das sich rasch näherte. Ein durchdringendes Hupen.

Toy Fong reagierte in keiner Weise. Er stierte mit brennenden Augen auf diesen Rücken, der immer größer zu werden schien.

Gellendes Lachen peinigte sei­ne Ohren, quietschende Reifen. Ein Schatten raste auf ihn zu.

Toy Fong taumelte weiter. Sein Atem ging keuchend. Schweiß perlte heiß auf seiner Stirn.

Staub geriet in seine Kehle. Er hustete, fasste sich an den Hals, verhielt den Schritt.

Der Rücken tanzte immer noch auf und ab, ohne sich je­doch von ihm zu entfernen.

Abermals das gellende Lachen, das Toy durch und durch ging. Wie eine Sturmflut überrollte es ihn.

Toy Fong verlor den Halt. Er schaffte es einfach nicht mehr, aufrecht stehen zu bleiben.

Erst sank er auf die Knie. Dumpfer Schmerz.

Rufende Stimmen erreichten ihn. Er achtete nicht darauf.

Ohne sich mit den Händen abzufangen, kippte er vornüber. Etwas schnürte ihm die Kehle zu.

Staub wirbelte auf, vernebelte ihm die Sicht.

Sein Verstand wurde wieder etwas klarer, befreite sich ein wenig von dem Druck, der auf ihm lastete.

Da war keine Straße mehr. Glühender Wind strich über ihn hinweg, trieb nadelfeine Staub­körner vor sich her, die ihm in Augen, Mund und Nase drangen, ihn erneut husten ließen.

Der Rücken war noch da. Keine Beine.

Kein Kopf, nur ein dunkles Viereck, das sich nun hin und her bog, dabei anscheinend jenes furchtbare Lachen produzierend.

Plötzlich das Gesicht des Fremden, vor ihm. Jetzt wusste Toy Fong, warum es ihm so be­kannt vorgekommen war.

Es war eine Karikatur seiner selbst!

Der Fremde lüftete freundlich seinen Hut und das dadurch ent­stehende pechschwarze Loch verschlang Toy Fong wie ein hungriges Monster.

Toy Fong wollte schreien. Doch es war zu spät. Die Sinne schwanden ihm. Er wurde eins mit dem Nichts.

2

Ein Flüstern. Ganz leise ein Name.

Etwas lauter wurde die Stimme, deutlicher: »Toy Fong!«

Er wollte antworten, merkte jetzt erst, dass er über keinen Körper mehr verfügte!

Panik nahm von ihm Besitz, doch vermochte er nicht einmal mehr zu schreien.

»Toy Fong!«

Es war jetzt genau hinter ihm, schwebte um ihn herum.

Eine diffuse Gestalt. Die Kon­turen schälten sich langsam aus der Schwärze.

»Habe keine Furcht, Toy, es ist alles gut!«

Alles gut? Er wollte auf begeh­ren.

»Gib dir keine Mühe, Toy, ich verstehe dich, auch wenn du die Worte nur denkst.«

»Was ist geschehen?« fragte Toy Fong.

»Ich weiß es nicht, aber der Kontakt kam zustande. Was hast du erlebt? Wo befindest du dich?«

»Ich - ich weiß es nicht!« Vergeblich marterte Toy sein Ge­hirn.

»Bist du nach Pensing ge­reist?«

»Ja - ich glaube, ja!«

»Du weißt nicht, warum ich dieses Ansinnen hatte?«

»Nein, du erschienst mir nur ganz kurz.«

Aufatmen.

»Es ist gut, dass du mich er­kennst!«

»Ja, du bist mein Urvorfahr, den man damals schon Toy Fong nannte. Er heiratete. Seine Frau wurde schwanger und starb spä­ter..., um inzwischen viele Male wiedergeboren zu werden. Ihr Geist wanderte von Körper zu Körper - weibliche und männliche -, was er vorher auch schon getan hatte, Jahrtausende lang. Und hier und heute ist es... der Geist von TEUFELSJÄGER MARK TA­TE! Aber auch du: Ein ruheloser Geist, der nur mit mir Kontakt aufzunehmen vermag und auch das nicht immer, weil es Gesetzen unterworfen ist, die ein Mensch nie begreift. Was willst du von mir?«

»Mark Tate ist nach wie vor verschollen im jenseitigen Land ORAN und ich... spüre die Anwesenheit einer bösen Macht. Im Augenblick kommt sie nicht an dich heran, doch vermag ich sie nicht sehr lange zurück zu drängen. Du musst dich selber dagegen wehren. Setze deine ma­gischen Kräfte ein, die ich dir vererbte - und handele als wahrer Erbe von Mark Tate in seinem Namen und während seiner Abwesenheit!«

»Ich will es versuchen. Aber warum hast du mich nach Pensing gehen lassen?«

»Ein Verdacht. Dort, wo ich mich befinde, gelingt mir oftmals der einseitige Kontakt mit dem Diesseits. Das weißt du. Ich emp­fing Bilder, Stimmen, Geräusche. Szenen des Grauens. Es gelang mir nicht, sie zeitlich und räum­lich einzuordnen. Aber von Pensing geht etwas aus. Es könnte damit zu tun haben.«

»Sage mir mehr!« forderte Toy Fong.

»Dann sehe, was ich sah!«

Toy Fong befand sich plötzlich an einem anderen Ort. Die Nach­mittagssonne strahlte hell, aber nicht so heiß. Eine junge Frau mit einem Kind, einem kleinen Mädchen. Sie gingen Hand in Hand spazieren, kamen an ein weites Blumenfeld...

*

»Sieh mal, Tante Martha, die herrlichen Blumen!« rief Katy Reynolds mit ihrer hellen Stimme.

Martha Hendrix nickte lä­chelnd. »Ja, Katy, sie sind herr­lich.«

»Sollen wir einen schönen Strauß pflücken für Onkel Tom?«

Martha Hendrix betrachtete die achtjährige Tochter ihrer Schwester. Dann blickte sie stirn­runzelnd zum Himmel. Am Hori­zont ballten sich Wolken zu­sammen. Zog ein Unwetter auf? Laut Wetterbericht müsste es eigentlich schön bleiben. Aber konnte man sich darauf immer verlassen?

Sie zuckte die Achseln. »In Ordnung, warum nicht? Aber wir beeilen uns lieber.«

Ein Blick zum nahen Wald­rand. Die Bäume standen dicht und dunkel, bedeckten eine weite Fläche, bis über den Hügel hin­aus, dessen relativ steilen Hänge zu einer Höhe von dreihundert Yards stiegen. »Und bleibe stets in meiner Nähe, hörst du?« fügte Martha Hendrix hinzu.

Katy folgte der Richtung ihres Blicks und fragte ungezwungen: »Was ist mit dem Hügel?«

Martha schüttelte heftig den Kopf. »Nichts, Kleines, überhaupt nichts!«

Katy beobachtete sie misstraui­sch. Sie war mit der aus­weichenden Antwort nicht zu­frieden, sagte aber nichts mehr.

»Hey!« rief sie aus und sprang mit zwei Füßen auf die Wiese.

»Vorsicht!« rief Martha la­chend. »Du zertrampelst mehr als du pflücken kannst.«

Sie ging ebenfalls auf das bun­te Feld und bückte sich.

Nur die schönsten Blumen pflückte sie.

Anfangs behielt sie Katy stän­dig im Auge. Dann wurde sie sorgloser. Katy wich nicht von ih­rer Seite.

Und dann kam der Zeitpunkt, an dem Martha Hendrix einen schönen Strauß gepflückt hatte.

Sie richtete sich ächzend auf. Ihr Rücken schmerzte leicht.

Martha blickte zur Seite.

Ein paar abgepflückte Blumen lagen verstreut umher. Niederge­tretene Pflanzen deuteten eine Spur an, die schnurstracks zum Waldrand führte.

Und Katy Reynolds war nicht mehr da!

Gleichzeitig mit dieser Er­kenntnis zuckte ein Blitz nieder.

Martha warf den Kopf in den Nacken. Eine dunkle Wolke hatte sich über den Hügel geschoben. Ja, sie hing genau über dem Hügel. Ringsum war der Himmel strahlend blau.

»Katy!« schrie Martha entsetzt.

Wie hatte sie übersehen können, dass sich die Kleine von ihr entfernte? Wie viel Zeit war eigentlich inzwischen vergangen?

Sie schaute auf die Uhr. Aber die stand schon seit zwei Stunden.

»Katy!« schrie Martha Hendrix erneut. Ihr Herz pochte wie ra­send.

Sie war ganz sicher, dass der Kleinen etwas Furchtbares zuge­stoßen war.

Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten, drückte sie gegen ihren bebenden Busen.

»Katy!« Diesmal war es nur noch ein ohnmächtiges Stöhnen.

Ein paar Tränen schwammen in ihren Augen, lösten sich, kullerten über die schreckensblei­chen Wangen.

Sie hatte Angst vor dem Wald­rand. Und dennoch folgte sie der Spur des Kindes.

»Katy!« Noch immer blieb die Antwort aus.

Martha erreichte den Wald, zögerte einen Moment. Die Bäu­me wirkten irgendwie drohend.

Eine Windböe erfasste ihre Wipfel, schüttelte sie.

Ein verdorrtes Blatt schwebte zur Erde - langsam, fast zögernd, als würde es von Geisterhand ge­tragen.

Martha schluchzte verzweifelt und warf sich der Mauer aus Bäumen entgegen. Sie kämpfte sich durch zähes Dickicht, das an ihren Kleidern zerrte, sie zu zer­reißen drohte.

Düsterheit umgab sie. Nur wenige verirrte Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch das dichte Blätterdach.

Ein zweiter Blitz, dem ein ur­weltliches Donnergrollen folgte.

Erschrocken zuckte Martha Hendrix zusammen. Die Erde erbebte.

Martha lief weiter.

Eine Waldlichtung. Brenn­nesseln, Ginsterbüsche, bi­zarre Hecken, mit dünnen Ver­ästelungen wie ein Gespinst aus mageren Fingerknochen.

Hier wäre das Licht stärker, aber die drohende Wolke verhinderte es.

Im Irrlichtern weiterer Blitze erkannte Martha eine schmale Gestalt inmitten der Lichtung, ein kleines, weißes Gesicht mit großen, runden Augen.

»Katy!« Martha stand stock­steif, wagte es gar nicht, sich zu nähern.

»Katy!«

Noch immer keine Reaktion. Die Augen schauten sie bewe­gungslos an.

Langsam taumelte Martha Hendrix näher.

»Mein Gott, was ist mit dir?«

Der Himmel verdunkelte sich noch mehr. Die Schatten der Bäume verschlangen die schmale Gestalt.

Martha Hendrix war heran. Ih­re Hände griffen vor.

Dornen drangen in ihr Fleisch. Sie schrie auf, zog die Hände zu­rück.

Blau zuckte das Licht des Himmelsfeuers auf sie herab.

Nur ein Dornenbusch und kein achtjähriges Mädchen!

Martha Hendrix heulte. Sie fühlte sich wie in einem schreckli­chen, nicht mehr enden wollenden Alptraum.

»Tante Martha!«

Eine helle Stimme in ihrem Rücken.

Sie wirbelte herum.

Jemand lief auf sie zu.

»Katy!«

Und diesmal wurde der Ruf er­widert!

»Oh, Tante Martha, wie ist es hier so unheimlich!«

Die Kleine flog in ihre Arme. Martha drückte sie ganz fest. Der Körper des Mädchens fühlte sich eiskalt an.

»Frierst du denn nicht?«

»Doch!«

»Aber warum hast du dich von mir entfernt? Ich habe es gar nicht bemerkt.«

»Ach, ich musste mal, Tante Martha.«

»Ich rief die ganze Zeit nach dir!« sagte Martha Hendrix vor­wurfsvoll.

Die Kleine drückte sie von sich. Ihre Wangen waren vor Eifer gerötet.

»Ich - ich habe nichts gehört. Wirklich, Tante Martha.« Sie schöpfte tief Atem. »Tante Martha, ich habe etwas entdeckt. Es ist nicht weit von hier.«

Mit dem ausgestreckten Arm deutete sie in eine Richtung. »Das muss ich dir zeigen!«

Und schon riss sie sich los und rannte davon.

»Bleib hier!« Martha erschrak zutiefst. »Sofort kommst du zu­rück!«

Die Achtjährige hörte nicht, verließ die Lichtung.

Martha Hendrix blieb nichts anderes übrig, als hinterher zu ei­len, wollte sie die Kleine nicht ganz aus den Augen verlieren.

Deutlich hörte sie das Knacken im Unterholz. Die Acht­jährige selber war bald nicht mehr zu sehen, so sehr sich Mar­tha Hendrix auch bemühte.

Immer wieder rief sie den Namen des Mädchens. Aber Katy Reynolds ließ sich nicht beirren.

Und dann stellte Martha fest, dass es hügelan ging.

Wohin wollte sie Katy Reynolds führen?

Etwas schimmerte durch Äste und Blätter hindurch. Es war rund, ballgroß.

Martha Hendrix verhielt im Schritt. Ein eigenartiges Gefühl beschlich sie.

Plötzlich zuckten Blitze nieder. Mehrere gleichzeitig, alles taghell erleuchtend.

Wind packte die Bäume, rüttelte sie.

Ein ballartiges Ding fiel vom Ast.

Ein gellender Schrei entrang sich der Kehle der jungen Frau. Der Wind blies ihr kalt ins Gesicht, wie der Atem eines To­ten, spielte mit den langen, dun­kelblonden Haaren, ließ sie flattern.

Das ballartige Ding entpuppte sich als Gesicht, ein wahres Voll­mondgesicht.

Schrecklich daran war, dass der Körper fehlte. Als hätte je­mand eine Maske an den Baum gehängt.

Doch die Augen lebten. Sie blickten hin und her, blieben schließlich an Martha Hendrix hängen. Der Mund öffnete sich, aus dem glucksendes Lachen drang.

Das Gesicht hing nicht an dem Baum. Es schwebte frei in der Luft, sank jetzt langsam tiefer, als wollte es Martha Hendrix näher betrachten.

Der Schrei von ihren Lippen hallte schaurig wider, riss ab.

Martha war unfähig, sich von der Stelle zu rühren.

Wie aus weiter Ferne hörte sie das Knacken im Unterholz: Katy Reynolds, die sich immer weiter von ihr entfernte.

Zu keinem Laut war Martha mehr in der Lage.

Das Gesicht blieb in der Luft hängen, rührte sich nicht.

Dann begann es zu wackeln, flatterte davon wie ein Geistervo­gel, gewann an Höhe, bahnte sich geschickt einen Weg durch Äste und Zweige hindurch, folgte dem Knacken im Unterholz.

Martha überwand ihre Erstar­rung. »Katy!« brüllte sie aus Leibeskräften. Sie hatte schreckli­che Angst vor dem unheimlichen Gesicht. Aber noch mehr sorgte sie sich um die Achtjährige.

Das Gesicht zeigte ihr als heller Fleck im dunklen Dickicht den Weg.

Martha Hendrix achtete nicht darauf, dass sie sich an Dornen Gesicht und Hände zerkratzte. Sie hetzte weiter vorwärts, immer höher den Hügel hinauf, nur von dem einen Gedanken beseelt, Ka­ty aus dieser entsetzlichen Umge­bung zu befreien.

Plötzlich war das Knacken im Unterholz wie abgeschnitten. Nichts war mehr zu hören.

Keuchend blieb Martha Hendrix stehen, um sich neu zu orientieren.

Etwas Großes, Nasses klatsch­te ihr ins Antlitz und zersprang.

Abermals schrie Martha Hendrix.

Schon wieder fiel ein Etwas vom Himmel, verfehlte sie diesmal allerdings.

Das war Wasser. Unglaublich dicke Tropfen, wie Tennisbälle, die am Boden mit einem Ton zer­platzen, das wie Lachen klang.

Donnergrollen erschütterte die Erde. Ein Unwetter bahnte sich an, wie es Martha Hendrix noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.

Und sie steckte mittendrin!

»Katy!« schluchzte sie.

Auf einmal wurde ihr bewusst, wie unsinnig sie sich verhielt. Was war mit der Achtjährigen los? Hatte sie eine unheimliche Macht bereits in den Klauen und wollte jetzt auch sie, Martha, in die Falle locken?

Sie versuchte, sich zu orientieren.

Aussichtslos. Nur das Himmelsfeuer spendete ein wenig Licht. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Selbst den Weg, den sie gekommen war, konnte sie nicht mehr erkennen.

Sie schritt weiter, diesmal langsamer.

Dichter fielen die Tropfen.

Das flatternde Gesicht war wieder da. Und dann schwebte es wie festgenagelt vor ihr, als würde es auf etwas warten.

Martha biss die Zähne zu­sammen. Sie ging mutig auf das Gesicht zu, das sie ruhig beob­achtete.

Es veränderte seine Stellung, driftete auf einen bestimmten Punkt zu.

Nacktes Grauen packte Mar­tha, als sie das Ziel des Gesichtes erkannte.

An einem besonders dicken Ast hing ein Mann. Ein alter Strick war um den Hals ge­schlungen. Ein Mann, erhängt.

Es war Martha unmöglich, den Blick von dem grausigen Bild zu lösen.

Bläuliches Irrlichtern, von Blitzen gespeist, zuckte gespens­tisch über die Szene.

Das unheimliche Gesicht verzerrte sich.

Ein Knarren klang auf, fuhr Martha durch Mark und Bein.

Der unheimliche Mund formte sich zu einem runden Loch, aus dem ein abgrundtiefes Stöhnen drang.

Der Erhängte starrte Martha aus gebrochenen Augen an. Dann hob er langsam die Rechte und winkte ihr zu.

»Tante!« rief eine helle Stimme.

»Katy!« murmelte Martha ersterbend.

Sie erwachte wie aus einem bösen Traum. Der Erhängte löste sich einfach auf.

Martha rannte los.

Der Wald war zu Ende. Sie trat im strömenden Regen auf eine Lichtung. Inmitten eine windschiefe Hütte.

Hatte die Achtjährige von dort­her gerufen?

Keine Spur von der Kleinen!

Zögernd schritt Martha näher. Die Hütte flößte ihr Furcht ein. Dennoch blieb sie nicht stehen.

Sie erreichte das roh zu­sammengezimmerte Gebäude.

Eine Tür schwang knarrend auf und zu. Vom Wind bewegt?

War es das Knarren, das sie vorhin vernommen hatte?

Dumpf schlug die Tür abermals zu, dass Martha be­fürchten musste, die Hütte bre­che im nächsten Augenblick in sich zusammen. Doch die Bohlen und Balken hielten der Bean­spruchung stand.

Martha musste dreimal schlu­cken, ehe sie einen Ton heraus­brachte.

»Ist - ist da jemand?«

Als wäre dies ein verabredetes Zeichen gewesen, verstärkte sich der Regen noch. Aber die Tropfen waren ganz normal. Und sie waren warm wie im Hochsommer, wenn die Natur nach Feuchtigkeit lechzte.

Martha leckte sich die spröden Lippen. Ihr Gesicht war unnatür­lich bleich. Ihre Hände zitterten, als sie die Arme nach der Tür ausstreckte.

Die Tür schwang auf, schlug wieder krachend zu. Es ächzte in allen Fugen.

»Katy?«

Keine Antwort.

»Bist du hier, Katy?«

Wieder nichts.

Entschlossen machte Martha einen Schritt nach vorn, drückte das Türblatt in das Innere des finsteren Raumes.

Es gab keinen Widerstand.

Das Holz fühlte sich rau an, aber nicht hart.

Wie die Körperoberfläche eines Tieres! durchzuckte es Martha Hendrix.

Sie brauchte große Über­windung, weiterzugehen, die Hütte zu betreten.

Kaum war sie im Innern, schlug die Tür hinter ihr zu.

Erschrocken wirbelte sie her­um. Sie wollte wieder hinaus.

Vergeblich suchte sie nach einer Türklinke.

Etwas wie Atem streifte ihren Nacken.

Sie warf sich mit dem Rücken gegen die Wand, hob abwehrend beide Arme.

In der Dunkelheit entstand ein flackerndes Licht.

Langsam ließ Martha ihre Ar­me wieder sinken.

Eine Lichtinsel. Katy Reynolds!

Die Achtjährige hatte völlig trockene Kleider. Sie trug in beiden Händen einen Kerzen­ständer. Die Kerze brannte. Kon­zentriert blickte Katy darauf. Wie eine Nachtwandlerin durchquerte sie den Raum.

Gegenstände konnte Martha keine erblicken. Das flackernde Licht vermochte nicht einmal die Wände zu beleuchten.

Katy blieb stehen und wandte sich Martha voll zu.

Sie hob den Kopf. Martha schaute direkt in ihre Augen.

Da erst bemerkte sie, dass die Pupillen fehlten. An ihre Stelle waren kleine Löcher getreten, hinter denen sich etwas bewegte.

Verwirrt schüttelte Martha den Kopf.

Jetzt erschien alles normal.

Was war nur mit ihr los? Bildete sie sich denn alles nur ein? Erlebte sie einen einzigen Alptraum?

Sie vermisste das Trommeln des Regens auf das Dach der Hütte.

Aber ihre Kleidung war noch immer völlig durchnässt. Wenigs­tens das war echt gewesen.

»Vielleicht hättest du nicht kommen sollen, Tante Martha«, sagte Katy tonlos.

»Nicht - nicht kommen sollen?« wiederholte Martha.

Katy nickte ernst.

»Du weißt doch, dass man dies im Volksmund den Hügel des Schreckens nennt!«

»Katy!« sagte Martha mit be­bender Stimme. »Wo... woher weißt du das? Ich habe doch nie...«

»Das war eben dein erster Feh­ler, Tante Martha. Der zweite war, so nahe hierher zu spazieren. Aber vielleicht hast du den Lock­ruf des Bösen gespürt und folg­test ihm?«

Martha schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie fürchtete sich vor der Achtjährigen, die ihr so fremd vorkam. Nein, das war nicht die Katy, die sie kannte.

»Sirenen der Verderbnis lo­cken die Menschen zu nicht fest­gelegten Zeiten. Das Böse braucht neue Energien und schafft sich Diener des Grauens.«

»Was redest du da?«

»Tante Martha, du kennst doch die Geschichten, die man sich erzählt. Es heißt, der Hügel frisst Kinder und spuckt sie wieder aus und sie sind danach wie vorher und können sich an nichts erinnern. Aber für jedes Kind kommt ein Erwachsener in die Klauen der Hölle.«

»Ja, ich weiß es, habe das alles schon oft gehört. Es ist eine böse Legende, mehr nicht!«

»Warum hattest du dann stets Angst vor dem Hügel, wenn es nur eine Legende ist?«

»Katy, bitte, wir gehen jetzt weg von hier. Der Regen hat auf­gehört. Wir verlassen diesen grausigen Ort, gehen nach Hause.«

»Nach Hause?« echote Katy Reynolds. »Dann weißt du also nicht, dass es für dich das alte Zuhause nicht mehr gibt?«

»Hör auf!« Martha presste beide Hände gegen die Ohren. »Ich kann den Unsinn nicht mehr hören.«

Das Mädchen schaute sie an und die Augen wirkten unendlich traurig.

»Es tut mir leid um dich, Tante Martha. Du warst sehr gut zu mir. Ich würde dir gern helfen, aber es steht nicht in meiner Macht. Ich wollte das alles nicht. Aber die Kräfte, die hier herr­schen, sind stärker als mein Wollen.«

Die Kerze erlosch.

Es war still in der Dunkelheit, unbarmherzig still.

Martha wusste genau, wo das Mädchen gestanden hatte. Sie sprang in diese Richtung, stieß sich aber nur den Kopf an der gegenüberliegenden Wand.

Katy Reynolds war nicht da!

Sie tastete umher, erfühlte et­was im Dunklen.

Kleidung, die einen Körper verhüllte. Ihre Finger tasteten sich höher. Ein rundes, grinsendes Vollmondgesicht, ein zernarbter Hals.

»Nein!« kreischte Martha Hendrix.

3

Irgendwie fand sie die Tür. Diesmal gab es eine Klinke. Mar­tha Hendrix entwischte nach draußen.

Kein Regen. Im Licht der un­tergehenden Sonne glitzerten Wasserlachen, als wären sie mit Diamanten gefüllt.

Martha Hendrix stürmte hügelabwärts.

Da war eine deutliche Schneise. Gebrochene Äste und Zweige. Eine Spur, die sie beim Kommen gelegt hatte und die ihr jetzt den Abstieg erleichterte.

Martha Hendrix langte mit ste­chenden Lungen an der Stelle an, an der sie mit Katy Reynolds Blu­men gepflückt hatte. Wie eine Ewigkeit kam ihr die Zeit vor, die seitdem vergangen war.

Weinend lief sie über den Weg in Richtung ihres Hauses. Keine drei Meilen waren es noch. Eine Strecke, die ihr im Augenblick unendlich erschien.

Sie schaffte es dennoch, nach­dem die Sonne längst hinter dem Horizont verschwunden war.

Blasses Mondlicht übergoss die Landschaft mit silbrigem Licht.

Vollmond!

Und war heute nicht auch Walpurgisnacht, die Nacht der Hexen und Dämonen?

Martha Hendrix wurde es nicht bewusst.

Ihr Haus, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Tom Hendrix be­wohnte, stand am Ortseingang. Straßenlaternen spendeten genügend Licht.

Martha wankte zur Haustür.

Sie suchte nach ihrem Schlüs­sel, merkte erst jetzt, das ihre Ta­sche gar nicht vorhanden war und klingelte Sturm.

Schritte näherten sich von jenseits der Tür.

Die Tür wurde geöffnet.

Tom Hendrix, ihr Mann?

Ja, er war es!

»Tom!« ächzte Martha mit heiserer Stimme. Mehr brachte sie einfach nicht heraus. Sie fühl­te sich müde, ausgelaugt, mit ih­ren Kräften total am Ende.

»Ja, Sie wünschen?« Er be­trachtete sie, wie man eine Fremde betrachtet, die sich wunderlich benahm und nicht ge­rade den besten Eindruck mach­te.

Sie prallte von seinem Ge­sichtsausdruck zurück.

Die Tür stand weit offen.

»Aber, Tom, wie kannst du...?« Sie vollendete den Satz nicht.

»Hören Sie, ich kenne Sie wirklich nicht.«

Forschend betrachtete er sie. Er zuckte die Achseln.

»Sie sind auch nicht von hier. Soll das ein neuer Trick sein? Verkaufen Sie Zeitschriften oder...?«

Weiter kam er nicht. Mit einem Aufschrei warf sich Martha nach vorn, stieß ihn beiseite.

In der Garderobe hing ein Spiegel.

Wie mit magischer Gewalt zog sie dieser Spiegel an. Ehe Tom Hendrix reagieren konnte, war sie an ihm vorbei.

Sie stierte in den Spiegel hin­ein. Nichts! Kein Antlitz blickte ihr entgegen! Als würde es sie gar nicht geben!

Tom Hendrix wurde wütend. Er packte die Eingedrungene an den Schultern und bugsierte sie unsanft nach draußen.

Martha ließ es willenlos über sich ergehen. Sie sagte kein Wort.

Nicht ein einziges Mal wandte sie sich um, als sie davon schritt.

Verständnislos blickte Tom Hendrix der Frau nach, die er nie im Leben gesehen zu haben glaubte. Sie ging den Weg entlang, den sie gekommen war.

Tom kratzte sich verlegen am Kopf. Hatte er sich falsch benom­men? War er zu weit gegangen, als er die Fremde hinaus bugsiert hatte?

Er hatte echte Gewissensbisse.

Aber wie hätte er sonst rea­gieren sollen?

»Eine Verrückte«, murmelte er vor sich hin.

Trotzdem ließ er sie nicht aus den Augen, bis er sie nicht mehr sehen konnte. Dann erst schloss er die Haustür.

Am Spiegel blieb er stehen.

»Was hatte sie nur mit ihm?«

Auch das verstand er nicht.

»Wer war das denn, Tom?« fragte jemand aus dem Wohnzimmer.

Der Fernseher lief. Man hörte dramatische Musik, die langsam abschwoll, schließlich verstumm­te.

Die entstandene Stille wurde von einem peitschenden Schuss zerfetzt. Stöhnen, Keuchen, ein Poltern.

»Tom?«

»Ja, ich komme ja schon!« er­widerte er halb ärgerlich. Irgend­wie wollte ihm die Fremde nicht aus dem Sinn gehen.

Er betrat das Wohnzimmer.

»Irgendeine Verrückte. Ehr­lich, ich habe keine Ahnung, was sie eigentlich von uns wollte.«

Seine Frau blickte ihm vom Sessel aus entgegen. Die flimmernde Bildröhre des Fernse­hers goss unnatürlich bleiches Licht über sie.

Irgendwie erscheint sie in diesem Licht unwirklich, dachte Tom Hendrix.

Er ärgerte sich über diesen Gedanken und schob ihn weit von sich.

»Es hat wieder mal einen Mord gegeben«, sagte Martha Hendrix vom Sessel aus.

»Die unheimliche, unbekannte Macht hat wieder zugeschlagen.«

Mit dem ausgestreckten Arm deutete sie auf den Fernseher.

»Ganz schön spannend, der Krimi!«

Tom Hendrix räusperte sich. Es klang verlegen.

»Ich will einmal nach Katy se­hen. Hoffentlich wurde sie nicht von der Türglocke aufgeweckt.«

Er wandte sich ab und schritt zur Tür.

»Die hat einen anstrengenden Tag hinter sich und schläft be­stimmt wie ein Murmeltier«, rief ihm seine Frau nach.

Er ließ sich nicht aufhalten, ging über den kurzen Flur zum Kinderzimmer.

Selber hatten sie keine Kinder, weshalb sie manchmal in den Fe­rien Katy Reynolds zu sich nahmen.

Katy war ein angenehmes Kind, aufgeweckt, nicht zu über­triebenen Scherzen aufgelegt. Sie waren bisher immer gut mit ihr ausgekommen. Sie freuten sich stets über Katys Besuch.

Tom Hendrix öffnete die Kinderzimmertür und lauschte.

Tiefe, regelmäßige Atemzüge.

Tom wagte es, die Flurbe­leuchtung einzuschalten. Ein schmaler Lichtstreifen fiel quer über das Kinderbett.

Oh, dachte Tom, Katy ist wirklich groß geworden. Das nächste Mal passt sie nicht mehr in dieses Bett. Wir müssen ihr ein größeres besorgen.

Er schob die Tür noch ein Stückchen weiter auf.

Das hineinfallende Licht be­rührte die Schlafende.

Katy Reynolds lag halb auf der Seite, in ihren Armen einen zer­rupft aussehenden Teddy. Ihr Gesicht war entspannt. Friedlich schlief sie.

Der Schlaf der Unschuldigen und Gerechten! dachte Tom Hendrix im stillen.

Er betrat das Zimmer und zupfte die Bettdecke zurecht.

Katy Reynolds erwachte nicht davon.

Tom Hendrix wollte das Zimmer verlassen. Da wuchs plötzlich ein hoher Schatten vor ihm auf.

Aber es war nur seine Frau.

»Alles in Ordnung?« flüsterte sie.

Tom legte den Zeigefinger an den Mund und bedeutete ihr, ru­hig zu sein.

Er schloss hinter sich die Tür. Sie standen zu zweit im Flur.

»Ja, sie schläft tief und fest.«

»Ich sagte doch schon, sie hat eine Menge erlebt heute. Das macht müde.«

In Toms Ohren klang das ir­gendwie zweideutig. Er konnte es sich nicht erklären.

Er nahm seine Frau in die Ar­me. Ihr Körper war warm und weich - real. Was bildete er sich bloß ein?

Sein erwachtes Misstrauen verflüchtigte sich bei einem leidenschaftlichen Kuss.

»Ist der Krimi schon vorbei?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nein, aber das interessiert mich im Moment nicht beson­ders.«

Sie küsste ihn abermals.

Er verstand. Auch seine Leidenschaft wuchs. Sie gingen vom Kinderzimmer weg und be­gaben sich in ihren eigenen Schlafraum.

Tom Hendrix fiel in dieser Nacht nur auf, dass seine Frau schon lange nicht mehr so leiden­schaftlich gewesen war. Als hät­ten sie sich lange Zeit nicht mehr gesehen und feierten jetzt Wieder­sehen.

Tom machte sich keine Ge­danken darüber. Er genoss viel­mehr das heiße Temperament sei­ner Angetrauten.

Für ihn war die Welt in Ord­nung.

Aber war sie das wirklich?

*

Die Bilder verschwanden. Schlagartig fand Toy Fong in die Wirklichkeit zurück.

Es war nur eine Vision ge­wesen - erzeugt vom Geist seines Vorfahren.

Was hatte er ihm damit sagen wollen? Wo hatte sich das Drama mit Martha Hendrix und Katy Reynolds abgespielt?

Mit dem Ende der Vision war auch der Kontakt mit dem Geist abgerissen. Toy Fong kon­zentrierte sich darauf. Vergebens.

Er schlug die Augen auf.

Mit dem Rücken lag er auf der Straße. Sein unbekannter Führer beugte sich über ihn.

»Ist Ihnen nicht gut?« fragte er besorgt.

Hilfreiche Hände unterstützten Toy Fong beim Aufstehen.

Er schüttelte die Hilfe ab. »Danke, es geht schon wieder.«

Verständnislos blickte er um­her.

»Was ist eigentlich passiert?«

»Oh, Sie sind plötzlich zu­sammengebrochen. Ich kann es mir nicht erklären. Beinahe wä­ren sie noch überfahren worden. Dadurch erst wurde ich auf den Umstand aufmerksam.«

Drei Schritte weiter stand ein Fahrzeug. Die Bremsspur ging knapp an Toy Fong vorbei.

Der aussteigende Fahrer ges­tikulierte wild mit den Armen.

»Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?« rief er er­zürnt. »Bei Gegenverkehr hätte ich nicht mehr ausweichen können. Passen Sie gefälligst auf, wenn Sie...«

Toy Fongs Führer beschwichtigte ihn: »So regen Sie sich doch nicht auf. Es ist alles gut verlaufen. Das ist die Haupt­sache. Mein Freund brach zu­sammen. Ihm wurde plötzlich schwarz vor Augen.«

Der Fahrer beäugte Toy Fong misstrauisch. »Hat er das denn öfter?«

Toy Fong mischte sich ein. Er deutete mit dem Daumen zum Himmel.

»Die Sonne! Ich war zu lange in der Sonne. Da hat es mich um­gehauen. Tut mir leid.«

»Aber, Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen. Kann ja wirklich mal passieren. Besser, wenn Sie zum Arzt gehen. Könnte schließlich bleibender Schaden entstehen.«

»Werde es beherzigen!« ver­sprach Toy Fong.

Der Mann blickte sie beide noch einmal misstrauisch an. Dann stieg er in sein Auto und brauste davon.

Toy spürte eine Hand am Arm.

»Sind Sie sicher, dass es nur von der Sonne kommt?«

Toy Fong schaute in das besorgte Gesicht. »Ja, wovon denn sonst?«

»Wie steht es mit dem Arzt? Ein guter Vorschlag, finde ich!«

»Sollen wir denn Seine Schwarze Eminenz warten lassen?«

»Nun, es ist weder ihm noch Ihnen gedient, wenn Sie den nächsten Zusammenbruch veran­stalten. Ihre Gesundheit geht vor alles.«

»Freut mich zu hören, aber ich fühle mich wirklich wieder ganz in Ordnung.«

Der Führer zuckte die Achseln. Er wandte sich ab. »Nun gut, wie Sie wollen, Dr. Fong.«

»Hören Sie!« rief Toy Fong hin­terher. »Wie heißen Sie eigentlich?«

Keine Antwort.

Toy Fong folgte. Er schaute sich um. Jetzt erschien die Stadt fast normal. Als hätte jemand den Schleier des Unheimlichen davon weggezogen.

Vielleicht habe ich mir das vorhin nur eingebildet und bin tatsächlich erholungsbedürftig? überlegte er.

Aber dann dachte Toy Fong an den Geist seines Vorfahren, der ihn her gebeten hatte. Und die Vision war auch eindringlich genug gewesen.

Wie lange hatte sie eigentlich gedauert? Nach Lage der Dinge konnte er nur wenige Sekunden am Boden gelegen haben.

Toy Fong beschäftigte sich nicht weiter damit. Er war neu­gierig auf die Schwarze Eminenz.

Vielleicht brachte diese omi­nöse Figur ein wenig Licht in das Dunkel der Ereignisse?

4

Die Schwarze Eminenz hatte ihr Domizil inmitten der Kleinstadt. Das Haus war umge­ben von einer Fußgängerzone. Ein eiserner Zaun verwehrte un­gebetenen Gästen den Zutritt.

Quietschend öffnete sich das Tor, als Toy Fongs Führer dagegen drückte. Zielstrebig ging er auf den Hauseingang zu.

Ein Gefühl wie Beklemmung entstand in Toy Fong. Er zögerte. Aber dann riss er sich zusammen und schloss sich seinem Führer an.

Die Haustür schwang selb­ständig auf.

Und dann betrat Toy Fong eine Welt, die ihn an das Compu­terzentrum von Cap Kennedy denken ließ.

Das Gebäude hatte von draußen alt und ehrwürdig ge­wirkt. Und jetzt das...

Was suchte eine solche Ein­richtung in einer kleinen, unbe­kannten Stadt wie Pensing?

Toy Fong wirbelte blitzschnell um die eigene Achse. Ein leises Zischen hatte seine Aufmerksam­keit erregt.

Sein Führer war verschwunden! Als hätte er sich mit jenem Geräusch in Luft auf­gelöst!

Keine Tür war zu sehen, auch kein Fenster. Die Wände waren bedeckt mit Paneelen, an denen seltsame Apparaturen hingen.

Jetzt wirkte der Raum nicht mehr wie ein Computerzentrum, sondern fremdartiger. Der erste Eindruck trügte.

Mein Gott, wo bin ich denn hier gelandet? dachte Toy Fong bestürzt. Und er zweifelte nicht mehr daran, dass er geradewegs in eine Falle getappt war.

Seine Schwarze Eminenz hatte es nicht einmal geschickt anzu­stellen brauchen.

Toy Fong hatte das Gefühl, je­mand hätte einen stetigen Druck von seinem Kopf genommen. Plötzlich konnte er viel klarer denken.

Etwas oder jemand hatte ihn seit seiner Ankunft in Pensing be­einflusst.

War ihm deshalb alles so un­wirklich und seltsam erschienen?

Wer steckte dahinter und was hatte dies hier mit den Vorgängen beim Hügel des Schreckens zu tun?

Toy Fong fand keine Ant­worten auf seine Fragen. Er durchquerte den Raum, war dar­um bemüht, keine der Be­dienungselemente zu berühren. Er hatte keine Ahnung, was er damit hätte bewirken können.

Diese Einrichtung war mehr als nur futuristische Kulisse. Sie verfolgte einen bestimmten Zweck, der Toy Fong bis jetzt ver­borgen blieb.

Mitten im Raum blieb er stehen.

Die Räumlichkeit hatte eine Grundfläche von schätzungsweise acht mal zehn Yards.

Er betrachtete den Boden. Er war mit eigenartigen Zeichen versehen. Wenn man den verwir­renden Linien folgte, wirkte sich das lähmend auf den Verstand aus.

Magische Zeichen! Jemand hatte hier Supertechnik mit Schwarzer Magie verknüpft. Die Folgen waren unübersehbar. In diesem Raum manifestierte sich eine Macht unbekannter Größe.

In diesem Augenblick erwach­ten die Computerrelais, Arma­turen, Anzeigen und Bedienungs­elemente zum Leben!

Schalter legten sich knackend um, Hebel bewegten sich von ih­rer Stelle, rasteten hörbar ein. Summen und Brummen, Klicken und Rattern erfüllten die Luft.

Panik überfiel Toy Fong. Doch er sah keinen Ausweg.

Und dann hatte er das Gefühl, in einen finsteren Abgrund zu stürzen. Der Boden gab unter sei­nen Füßen nach. Alles drehte sich um ihn, immer schneller.

Die Kulisse des futuristisch eingerichteten Raumes löste sich in Nichts auf.

Ein irres Kreischen drang aus der Tiefe zu ihm herauf, schwang die Tonleiter empor, bis es fast unerträglich wurde.

Gesichter umringten Toy Fong, verschwanden wieder wie platzende Seifenblasen.

Und dann war alles vorbei, kam die Umgebung wieder zur Ruhe.

Toy Fong sah sich um. Er hatte eine Reise ins Unbekannte angetreten und wusste nicht mehr, wo er sich befand.

Verwundert blickte Toy Fong zu seinen Füßen hinab. Er stand auf einem metallisch glänzenden Boden und dieser gehörte zu einem langen, kreisrunden Gang. Nirgendwo eine Lichtquelle und doch war alles gut ausgeleuchtet.

An der Stirnseite des Ganges befand sich eine Tür aus dem gleichen Material, aus dem auch der Boden bestand. Von einem Öffnungsmechanismus war nichts zu sehen.

Toy Fong schaute zur Decke empor.

Ein Schacht, der ins Dunkel führte. Ein leichter Luftzug strich über ihn hinweg und dann war die Öffnung geschlossen, fügte sich nahtlos in das Ganze.

Toy wagte es nicht, sich zu be­wegen. Er befürchtete, den Ein­stieg in diesen Gang nicht wieder­zufinden.

Doch das war unbegründet, denn links und rechts des Ganges befanden sich Symbole. Toy Fong war sicher, sie nie zuvor gesehen zu haben. Aber als er sie betrachtete, brannten sie sich in sein Gehirn ein und wurden ver­ständlich.

Er wusste auf einmal, was sie bedeuteten.

Er befand sich in einer Transportröhre!

Zwar hatte er keine Ahnung, was es damit auf sich hatte, doch nahm er sich vor, dies zu ergründen.

Toy Fong richtete sein Augen­merk auf das gegenüberliegende Gangende. Auch hier eine Tür ohne Öffnungsmechanismus.

Handelte es sich überhaupt um eine Tür?

Toy bekämpfte das be­klemmende Gefühl, in einer dicht verschweißten Röhre zu stecken, aus der es niemals mehr ein Ent­rinnen gab.

Er tat einen vorsichtigen Schritt.

Sobald sich sein Fuß vom Boden löste, packten ihn leichte Schwindel. Nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte der Spuk an. Eine eigenartige, unbestimm­bare Kraft zog und zerrte an sei­nem Körper, brachte ihn in die Schwebe. Der Gang schien weg­zukippen, so dass der eine Abschluss plötzlich zu seinen Fü­ßen lag.

Er raste heran, berührte seine Schuhe.

Toy Fong konnte nichts dagegen tun. Hilflos musste er es mit sich geschehen lassen. Er war den Mächten ausgeliefert, die hier mit ihm ihr Spiel trieben.

Er dachte an die Worte des Geistes, der ihm die Vision vom Hügel des Schreckens gesendet hatte. Er bat Toy Fong, seine eigenen Kräfte einzusetzen, um sich zu wehren. Doch Toy fühlte sich leer und ausgehöhlt, unfä­hig, seine Magie anzuwenden. Et­was hemmte ihn in dieser Umge­bung.

Auch dagegen konnte er nichts tun!

Die Kräfte ließen von ihm ab.

Mit den Fingerspitzen tastete Toy Fong über die gewölbte Gang­wand. Sie fühlte sich glatt und warm an - warm wie ein leben­diges Wesen.

Der Vergleich weckte Abscheu in Toy. Er zog die Hand zurück.

Seine Unsicherheit, hervorge­rufen durch die Unbeschreiblich­keit seiner Situation, wuchs. Er schaute hoch und - erschrak. Auch das andere Gangende hatte sich genähert. Er stand nun in einer Röhre, die nur etwas höher als zwei Yards war. Rechts und links von ihm befanden sich noch immer Symbole für Transportröh­re - magisch verschlüsselt in un­bekannter Art und Weise.

Wenn sich Toy Fong auf die Zehenspitzen stellte, lief er Gefahr, mit dem Kopf anzu­stoßen.

Er war groß und durch­trainiert. Fünfundachtzig Kilo Muskeln, Sehnen und Knochen.

Und er hatte einen über­ragenden Verstand, der ihm allerdings im Augenblick wenig nutzte.

Oder etwa doch?

Er kratzte sich hinter dem Ohr. Unwillkürlich musste er an den Raum mit der komplizierten Einrichtung denken. Technik, verknüpft mit starken magischen Kräften.

Auch hier?

Vielleicht befand er sich in einer Art Gebäude? Dies hier war eine Transportröhre. Irgendein Mechanismus erkannte, dass er allein war. Die Röhre passte sich daraufhin an.

Doch lag er damit wirklich richtig? Wie sollte er die Röhre wieder verlassen? Bedienungs­elemente fehlten.

Mit den Fingerspitzen tastete er noch einmal das warme Metall ab. Diesmal erfüllte ihn der Kon­takt nicht mehr mit Abscheu.

Irgendwie hatte er dabei die Symbole berührt. Plötzlich be­gannen sie zu blinken, proji­zierten Zahlen direkt in seine Augen.

Wohin er den Blick auch wendete - die Zahlen befanden sich deutlich vor ihm.

Sie leuchteten auf, verwandelten sich in nächstnied­rigere.

Toy Fong lernte schnell. Er legte die Handflächen auf die ma­gischen Symbole. Die Zeichen erloschen. Als er die Hände zu­rückzog, sah er für Sekunden eine goldene Sieben auftauchen.

Was bedeutete sie? Hatte sie ebenfalls mit Magie zu tun?

Ein sanfter Lufthauch. Damit tat sich eine Öffnung auf. Sie war groß genug, um Toy Fong hin­durchzulassen.

Er tat es dennoch nicht.

Was er sah, schlug ihn in sei­nen Bann.

Im Gang außerhalb standen zwei Menschen! Ein Mann und eine Frau.

Sie schauten kurz auf, sahen ihn, nickten ihm freundlich zu, unterhielten sich weiter.

Toy Fong verstand jedes Wort, doch die Bedeutung der Worte drang nicht bis zu seinem Be­wusstsein durch.

Lachend und scherzend kamen die beiden zu ihm herein.

Es war auf einmal Platz genug für alle drei vorhanden. Die Röhre hatte sich gedehnt, ohne dass es Toy Fong bemerkt hatte. Sie war jetzt ein wenig größer.

Der Mann legte die Hände auf ein Symbol. Die Zahlen blinkten wieder auf.

Toy Fong war unfähig, etwas zu unternehmen. Die Situation erschien ihm so unmöglich und verwirrend, dass er nichts anderes tat, als sich in sein Schicksal zu fügen.

Die Reise endete bei zwei­hundertvierunddreißig. Noch immer unterhielt sich das Paar unbeschwert. Sie verließen die Röhre - nicht bevor sie Toy Fong abermals freundlich grüßten.

Die Öffnung schloss sich hin­ter ihnen nahtlos.

Toy Fong war fassungslos. Das Erlebte passte in kein Konzept.

Träumte er denn die ganze Zeit - träumte er seit seiner Ankunft in Pensing?

Und wer steuerte diese Träu­me? Seine Schwarze Eminenz - wer immer sich auch dahinter verbarg?

Zum ersten Mal fragte sich Toy Fong nach dem Motiv für alles. Es ergab einfach keinen Sinn, keine praktischen Konse­quenzen.

Der Begriff Transportröhre fiel ihm wieder ein. Es konnte bedeu­ten, dass er sich in einer Art Lift befand. War das hier das zwei­hundertvierunddreißigste Stock­werk?

Er fühlte sich versucht, den beiden zu folgen, die mit ihm hier hergereist waren, doch wusste er nicht, wie er die Röhre öffnen konnte. Deshalb legte er seine Hände auf die Symbole. Bei Sieben stoppte er ab.

Hier war das Pärchen zuge­stiegen.

Im Nachhinein erschienen sie ihm wie zwei Gespenster.

Die Öffnung. Toy Fong trat auf den Gang hinaus.

Als er sich umschaute, deutete nur das bekannte Symbol auf die Transportröhre hin. Die Öffnung hatte sich geschlossen.

Toy Fong fühlte sich nicht recht wohl in seiner Haut, als er weiterging.

Immer wieder fragte er sich nach dem Motiv. Es blieb für ihn unbegreiflich - so unbegreiflich wie alles hier.

Doch das Karussell der un­heimlichen Ereignisse hatte eben erst begonnen. Eine Menge Über­raschungen wartete auf ihn.

Toy Fong blieb vor einem wei­teren Symbol stehen. Es hatte unbestimmbare Formen. Sobald Toy darauf sah, verwandelte es sich, drang in seinen Verstand ein.

Und dann kannte er die Be­deutung: »Speiseraum!«

In einem Anflug von Galgen­humor sagte er sich, dass die beiden, denen er begegnet war, unmöglich Gespenster sein konn­ten. Solche Wesen pflegten im all­gemeinen keine Nahrung zu sich zu nehmen.

Er spürte Hunger in sich auf­steigen.

Mit dem Bedecken des Sym­bols tat sich eine Tür auf. Der Raum dahinter maß zweimal drei Yards und war völlig kahl - bis auf einen Sessel und einen Tisch, der direkt aus der Wand kam. Die Möbel bestanden aus dem glei­chen Material wie Boden, Wand und Decke.

Toy Fong ging zu dem Sessel und setzte sich.

Ehe er erschrocken auf­springen konnte, hatte sich der Sessel genau seinen Körperkon­turen angepasst.

Auch er war warm und weich und schien zu leben.

Toy Fong überwand sich und blickte zur gegenüberliegenden Wand. Sie veränderte sich zu einem Schaufenster. Speisen der unterschiedlichsten Art und Zu­bereitung lagen aus. Eines hatten alle gemeinsam: ihre absolute Fremdartigkeit.

Toy Fong deutete mit dem ausgestreckten Arm auf ein Me­nü. Es war ein Experiment, dass sich als erfolgreich erwies. Das Bild erlosch. Gleichzeitig verwandelte sich der Tisch in ein »Tischlein-deck-dich«.

»Schwarze Magie hat auch sei­ne Vorzüge«, bemerkte er lä­chelnd.

Toy Fong nahm sich vor, sich nicht mehr ins Boxhorn jagen zu lassen. Es war nicht das erste Mal, dass er mit magischen Dingen konfrontiert wurde.

Trotz der Fremdartigkeit der Mahlzeit ließ er sich nicht ab­schrecken.

Er fand ein passendes Besteck und kostete. Es mundete vorzüg­lich.

Toy Fong begann zu essen.

Er war rasch satt.

Kaum ließ er von den Speiseresten ab, als diese schein­bar im Nichts verschwanden.

Leise Musik ertönte aus un­sichtbaren Lautsprechern. Sie wirkte einschmeichelnd.

Ein Geräusch durchbrach die entstehende Atmosphäre der Be­haglichkeit und Entspannung. Ein Mann trat ein. Er lächelte, als er Toys ansichtig wurde und nickte grüßend.

Plötzlich war der Raum größer und besaß einen weiteren Tisch mit einem bequemen Sessel.

Toy Fong beobachtete den Mann.

Der Sessel erwachte zum Leben, sobald er berührt wurde. Er passte sich seiner Körperform genau an.

Toy schauderte es bei dem An­blick leicht.

Der Mann ließ sich nichts anmerken. Er bestellte und be­gann zu essen.

Toy Fong stand auf. Er knirschte mit den Zähnen.

Mit vier Schritten hatte er den Nachbartisch erreicht.

Prompt verstummte die Musik.

Toy Fong baute sich vor dem Essenden zu einer drohenden Gestalt auf. Er spürte Zorn in sich aufkommen. Endlich wollte er wissen, warum man dieses Spiel mit ihm trieb. Da nur dieser Mann in Reichweite war, nahm er sich vor, mit ihm einmal ein erns­tes Wort zu reden.

»Niemand scheint sich zu wundern, dass ich hier bin«, sagte er beherrscht. »Also ist es mit ein­geplant. Man hat mich in eine Falle gelockt und deportiert. Warum? Und wo befinde ich mich?«

Der Speisende blickte auf. Sei­ne Miene war überaus freundlich.

»Du bist ein Mensch, also heißen wir dich willkommen, weil auch wir Menschen sind!«

Abermals knirschte Toy Fong mit den Zähnen.

Er konnte sich nicht mehr be­herrschen.

Blitzschnell griff er zu, packte den anderen an den Schultern.

Der Mann verzog das Gesicht. Die Berührung schien ihm nicht zu gefallen.

Und dann löste er sich einfach auf - wie zuvor die Speisereste!

Der Vergleich trieb Toy Fong den Schweiß auf die Stirn.

Erschrocken blickte er sich um.

Er war allein im Raum!

Etwas schnürte Toy Fong die Kehle zu. Er japste nach Luft, lief zum Ausgang.

Er musste weg hier, hinaus auf den Flur, vielleicht auch weg von dieser unheimlichen, fremd­artigen, unbegreiflichen Umge­bung. Länger hielt er es nicht mehr aus.

Der Gang tat sich vor ihm auf. Toy Fong rannte zum Lift.

Erst dort kam er wieder zu sich.

Es war sinnlos, was er tun wollte. Es gab einfach keinen Ausweg. Er war in die Falle ge­tappt und sie war zugeschnappt.

Aus eigener Kraft würde er daraus nicht entkommen!

Er schloss die Augen und dachte intensiv an seinen Vorfahr.

Der Magier Toy Fong hatte vor undenklichen Zeiten eine Sphäre der Ruhe und des Friedens ge­schaffen, das reinste Paradies. Ir­gendwo im Himalaja. Das Tal der Träume nannte er sein Reich, in das niemand Zutritt hatte, weil es von einem magischen Schutzschirm umgeben war. Hier lebte er mit seinem kleinen Volk abgeschnitten von der Welt.

Mittelpunkt vom Tal der Träu­me war der Garten der Düfte, ein Blumengarten von unbeschreibli­cher Exotik und der Duft, den diese Pflanzen ausströmten, hatte magische Wirkung. Hierher kam der Magier Toy Fong, wenn er alt und verbraucht war. Und wenn er den Garten der Düfte verließ, hatte er sich in einen jungen Bur­schen verwandelt.

Doch eines Tages kam ihm ein anderer Magier ins Gehege: Lord Gilbert Guinness. Mit seinen Mannen knackte er den ma­gischen Schutzcode und drang in das Tal der Träume ein. Die Be­wohner waren den waffenstar­renden Gesellen hilflos aus­geliefert.

Die Regentschaft der Gewalt ließ den Garten der Düfte verdor­ren. Im entscheidenden Kampf, aus dem kein endgültiger Sieger hervorging, wurde der Rest des Paradieses, dass sich hier einst befand, zerstört.

Der Magier Toy Fong zog nach Europa, um sich bitter zu rächen. Er vertrieb Lord Gilbert Guinness von seinem Schloss und wartete dort auf ihn.

Im Verlauf der weiteren Jahre heiratete er die Tochter des Lords, die ihm einen Sohn gebar. Die Tochter war die damalige In­karnation des Goriten Mahsa - und die heutige war... MARK TA­TE! Der Toy Fong der Gegenwart stammte in direkter Linie von jenem Sohn ab und war somit so­wohl der Nachfahr vom alten Toy Fong als auch von der damaligen Inkarnation Mark Tates!

Und dann kehrte der Lord zu­rück - mit einer auserlesenen Schar von Magiern.

Ein erneuter Kampf entbrann­te. Rechtzeitig schickte Toy Fong seine junge Frau in Sicherheit. Sie sollte zu ihm zurückkehren, wenn er sie rief.

Die Magier starben allesamt und nur Toy Fong und sein Gegenspieler blieben übrig. Doch auch diesmal ging der Kampf un­entschieden aus. Die beiden wurden in eine Sphäre des Grauens verbannt.

Die junge Frau des Magiers Toy Fong starb. Ihr Geist wurde wieder frei - um in einen anderen Körper zu fahren und heute Mark Tate zu sein, Jahrhunderte spä­ter.

Vor kurzem erst führten dringende Geschäfte den Ex­perten für Marketing und Doktor der Betriebswirtschaft Toy Fong zum Schloss von Lord Gilbert Guinness. Er, der Toy Fong der Gegenwart, wusste nichts von dem Drama, dass sich hier in der Vergangenheit abgespielt hatte. Und es war kein Zufall, dass er hierher gerufen wurde: Mark Tate war nicht mehr auf der Erde. Also würde er nicht eingreifen können!

Durch Toys Anwesenheit wurde ein Teufelskreis ge­schlossen. Das Tor zur Hölle öff­nete sich und spuckte die beiden Widersacher von damals aus.

Diesmal musste der Lord gegen zwei Toy Fongs kämpfen - und unterlag.

Seitdem befand sich der Toy Fong der Gegenwart sporadisch in Verbindung mit dem ruhelosen Geist eines Vorfahren, der trotz des Sieges nicht die erhoffte Erlö­sung gefunden hatte.

Denn er hatte nicht nur Gutes getan, sondern auch Böses in sei­ner Gegnerschaft mit Lord Gilbert Guinness. Außerdem: so lange Mark Tate nicht wieder zurückge­kehrt war, hatte er die Aufgabe, den Toy Fong der Gegenwart zu unterstützen!

Die ganze Geschichte ging Toy Fong durch den Kopf.

Es nutzte ihm nichts. Die Ver­bindung kam nicht zustande.

War sie abgerissen für immer? Konnte ihm der Geist nicht mehr helfen?

5

Von dem Gang führten mehre­re Türen ab, die sich nahtlos in die Wände einfügten. Gegenüber dem Essensraum befand sich das Symbol für Entspannung. Eben­falls magisch.

Toy Fong folgte seiner Neu­gierde und öffnete.

Es war, als hätte er eine Wunderbüchse aufgemacht. Selt­same Klänge drangen an seine Ohren. Sie lockten.

Kein Raum befand sich hinter der Öffnung, sondern eine Wald­lichtung!

Verständnislos schaute sich Toy Fong um.

Die Öffnung war verschwunden. Ringsum Bäume, Gras, Blumen, Büsche - und diese seltsamen Klänge, die zu ihm herüberwehten. Ihr Ursprung war verborgen.

Toy widerstand dem Be­streben, ihnen entgegenzueilen. Er wehrte sich gegen das, was sich seinen Blicken darbot, rieb sich die Augen.

Als er sie wieder aufschlug, hatte sich seine Umgebung er­neut verändert.

Von den Bäumen keine Spur!

Ein kahles Zimmer mit einer primitiven Liege.

Toy Fong verstand.

Dieser Raum hier diente der Ruhe, der Entspannung, aber auch der Ablenkung. Wenn man es wünschte, bekam man auf ma­gische Weise Trugbilder vorgegau­kelt, Dinge, die nicht Wirklichkeit waren.

Wie im Traum befand man sich mitten im Geschehen, aber man hatte die Möglichkeit, je­derzeit auszusteigen. Es genügte der Wunsch. Toy Fong hatte es am eigenen Leib erfahren.

Er ging zur Liege und streckte sich nieder.

Er war hier Gefangener und sah nicht ein, warum er nicht die Möglichkeiten auskosten sollte, die man ihm darbot.

Er schloss die Augen und sag­te laut vor sich hin: »Wo befinde ich mich?«

»Auf einem Raumschiff der Zu­kunft«, antwortete prompt eine Stimme.

Er hob den Kopf.

Vor ihm stand ein uralter, weise aussehender Mann. Die wässerigen Augen ruhten auf Toy Fong.

»Auf einem Forschungsschiff«, erklärte der Alte.

Im Hintergrund sah Toy Fong eine lange Schalttafel, an der un­gezählte Lichter blinkten. Anfang und Ende der Tafel verloren sich in der Ferne.

Toy Fong lag noch immer auf der Liege. Seine Umgebung war diesmal ein breiter Gang, dessen eine Seite eben von der Schalt­tafel gesäumt wurde.

»Forschungsschiff?« fragte er verwundert.

Der Alte nickte und war im nächsten Moment verschwunden. Seine Stimme blieb. Toy Fong wunderte sich über nichts mehr.

»Unser Auftrag ist die Erfor­schung der barbarischen Welt Sydt. Die Sydter sind unsere Feinde. Sie kamen aus den Tiefen des Alls, um die Erde zu unterjo­chen. Im eigentlichen Sinne ist dies hier ein Forschungsschiff mit Kampfauftrag. Es kommt ganz darauf an, wie sich die Sydter uns gegenüber verhalten.«

»Was ist mit der Schalttafel?«

Der Alte materialisierte wieder.

Er lächelte nachsichtig.

»Die Waffen von uns Men­schen der Zukunft sind furcht­bar, obwohl sich die Sydter zu­nächst überlegen gezeigt haben. Doch es gab Neuentwicklungen. Alles Wissen steckten wir in dieses Schiff, damit es seinen Auftrag wahrnehmen kann. Es besitzt die Möglichkeit, das ge­samte Imperium der Sydter aus­zurotten!«

»Ganz allein?« fragte Toy Fong ungläubig.

Der Alte schüttelte den Kopf. »Warum eigentlich nicht?«

»Aber wenn diese Sydter wirklich so überlegen waren, wieso...?«

»Habe ich es dir nicht eben er­klärt? Nun, es ist natürlich nicht sicher, ob die Sydter inzwischen noch auf dem gleichen waffen­technischen Stand sind. Eine Un­sicherheit, die uns letztlich das Leben kosten kann.

Dennoch haben sich alle frei­willig gemeldet. Es war nicht möglich, in der kurzen Zeit, die zur Verfügung stand, eine ganze Flotte aufzustellen. Wir mussten uns mit diesem einen Schiff be­gnügen. Hoffen wir das Beste. Hoffen wir, dass es nicht zum Kampf kommt und das Schiff seinem eigentlichen Zweck zugeführt wird: nämlich zu forschen!«

Der Alte entmaterialisierte. Die Schaltwand setzte sich in Bewe­gung.

Erst jetzt bemerkte Toy Fong, dass sie leicht gewölbt war. Der Gang, in dem er sich befand, bildete also einen Ring. An den Instrumenten saßen Menschen, die irgendwelche Schaltungen vornahmen. Plötzlich tauchte ein großer Fernsehschirm auf.

Toy Fong sah erstaunt, dass sich in Wirklichkeit seine Liege in Bewegung gesetzt hatte. Sie tat das in völliger Lautlosigkeit und ruckte nicht einmal.

Er setzte sich auf. Das Polster machte die Bewegung mit und er­schien jetzt auch nicht mehr so primitiv.

Die Liege verwandelte sich in einen überaus bequemen Sessel.

Das Bild einer Planetenkugel projizierte sich auf die Oberfläche des Schirms, sehr plastisch, als handelte es sich um ein Fenster ins All hinaus.

»Die Welt der Sydter«, erklärte die Stimme des Alten aus dem Unsichtbaren. »So nahe sind wir natürlich nicht wirklich. Wie du weißt, verfügen wir über ausge­zeichnete Ortungsgeräte.«

»Noch ein Lichtjahr!« rief der Mann vor dem Schirm.

Er wirkte gegenüber der Bild­einrichtung wie ein winziger Zwerg.

Beeindruckend! fand Toy Fong im stillen.

Ein zweiter Mann saß in einem Sessel auf einem erhöhten Podest, von dem aus er alles überblicken konnte.

»Ortung?«

»Bis jetzt noch keine«, ant­wortete der dritte, der sehr beschäftigt wirkte.

Toy Fong fragte sich gerade, was der Mann eigentlich tat, da glitt er auch schon näher heran. Deutlich sah er, wie der Mann an einer Unzahl von Hebeln und Knöpfen manipulierte. Über Oszil­loscheiben huschten Blips hin und her und auf und ab. Ein fas­zinierender Anblick. Der Mann beobachtete alles und schien sich damit ausgezeichnet zurechtzu­finden.

»Da!« rief er auf einmal erregt.

Eine rote Lampe leuchtete grell auf.

»Gehirn!« schnappte der erhöht Sitzende.

»Der Kommandant!« flüsterte jemand am Ohr von Toy Fong.

Er erschrak nicht darüber, denn es war die weise Stimme des Alten.

»Soll - ich - Bild - projizieren?« erkundigte sich ein monotones, metallisch klingendes Sprech­organ.

»Nebenschirm!« befahl der Kommandant.

Toy Fong spürte eine leichte Gänsehaut. Das Ganze wirkte auf ihn kitschig. Dennoch beobachte­te er weiter. Er erhoffte sich eine Erklärung für die bisher erlebten Ereignisse und übte sich in Ge­duld.

Mehrere Fernsehschirme flammten gleichzeitig auf. Wäh­rend sie zumeist Ausschnitte des sternenübersäten Weltraums zeigten, war auf einem ein Spindelraumer zu erkennen. Er war gespickt mit Waffentürmen.

»Die verdammten Sydter!« knurrte der Mann an den Schirmen.

»Ich verbiete Ihnen solche Re­densarten!« fauchte ihn der Kommandant an. »Vergessen Sie nicht, dass wir zunächst einen friedlichen Auftrag haben. Erst wenn die Sydter...«

»Sie schießen!«

Der Mann an den Ortungsin­strumenten hatte es ausgerufen.

Aus einem der Waffentürme löste sich eine Art von Wasser­tropfen, der aber ständig seine Form veränderte, bis er zu einer bunt schillernden Seifenblase wurde.

Doch das Aussehen sug­gerierte falsche Harmlosigkeit. Das Ding raste heran.

»Annähernd Lichtgeschwindig­keit!« erläuterte der Ortungs­ingenieur prompt.

»Es ist da!«

Alle hielten sich fest. Eine ge­waltige Erschütterung durchlief das Schiff. Auch Toy Fong in sei­nem Sessel wurde gründlich durchgeschüttelt. Beinahe wäre er aus dem Polster gekippt.

»Gottlob!« keuchte der Kom­mandant. »Unsere Schutzschirme halten!«

»Meine Zuversicht schwindet und macht blankem Pessimismus Platz«, schnarrte der Mann an den Schirmen. »Diese Waffe haben sie uns noch nicht vorge­führt. Haben wir die verdammten Sydter unterschätzt? Haben sie uns technisch schon überholt, während wir noch an diesem Schiff bastelten?«

»Ich verbiete Ihnen noch ein­mal...«, begann der Kommandant.

Weiter kam er nicht. Ein zweiter Tropfen löste sich, entwickelte sich beim Herankommen zu einer schillernden Blase.

Gleichzeitig materialisierten mindestens hundert weitere Spindelraumer.

»Wir erwidern das Feuer!« bellte der Kommandant.

Die »Seifenblase« erreichte ihr Ziel nicht.

Ein Energiestrahl ließ sie vor­her zerplatzen.

Eine Sonne entstand, die rasch expandierte und dabei wieder an Leuchtkraft verlor, bis sie ganz erlosch.

Ein zweiter Schuss traf den Spindelraumer und löste ihn in seine atomaren Bestandteile auf,

»Großartig!« rief der Mann an den Schirmen begeistert.

»Ich habe zwar keine Ahnung, wie die Sydter aussehen, aber jetzt möchte ich ihre Gesichter se­hen - falls überhaupt welche vor­handen sind.«

»Feuer einstellen!« befahl der Kommandant.

»Ein Spruch geht herein«, meldete der Funkingenieur.

Gleichzeitig erschien auf einem der Nebenschirme das übergroße Bild einer Spinne.

Eine Spinne in Uniform?

»Also doch kein Gesicht«, stellte der Mann an den Bildgerä­ten sichtlich enttäuscht fest.

Toy Fong schüttelte den Kopf.

Er hielt es nicht mehr länger aus, sprang aus seinem Sessel und rief: »Was soll das alberne Schauspiel?«

Das Ganze mutete an wie ein billiger utopischer Film.

Kaum hatte er die Worte aus­gesprochen, als die Umgebung, die Zentrale des Raumschiffs, ver­puffte.

Toy Fong stand mutterseelen­allein inmitten dem kahlen Raum, direkt neben der primi­tiven Liege.

Er begriff augenblicklich.

Eine Art Unterhaltungsfilm!

Verwirrt strich er sich über die Stirn.

Er hatte die Frage gestellt, wo er sich befand. Prompt hatte ihm eine unbekannte Macht diese Vision aufgedrängt, in dem der Alte die Rolle des Erzählers spielte.

Ein perfekter Traum, aber bei aller Perfektion eben doch kit­schig und für Toy Fong unbefrie­digend.

War er vielleicht tatsächlich auf einer Art Forschungsschiff?

Wo befand es sich? Was war der Auftrag? Wie lange würde es unterwegs sein?

Toy Fong bildete sich all­mählich eine Theorie. Aber sie hatte noch nicht richtig Gestalt angenommen.

Im Augenblick hatte es wenig Zweck, sich mit der Theorie weiter auseinander zu setzen. Er wollte endlich etwas tun.

Sofort verließ er den Raum und stieg in die Transportröhre.

Magische Kräfte und eine un­begreifliche Technik transportierten ihn davon.

Er wählte das Stockwerk zwei­hundertvierunddreißig.

Das Pärchen hatte die Erho­lungsebene verlassen, um sich hierher zu begeben. Was befand sich auf dieser Ebene?

Vielleicht kam Toy Fong der Lösung der Rätsel jetzt endlich einen kleinen Schritt näher?

Auf jeden Fall mussten sich hier mehr Menschen befinden. Möglicherweise hatten sie gegen eine Befragung nichts einzu­wenden?

Das hoffte Toy Fong zu­mindest.

Das hier war sein phantas­tischstes Abenteuer überhaupt - auch ohne dass er Genaues über die Hintergründe wusste.

6

Der Gang war anders als der vorhin verlassene. Hier herrschte hektische Betriebsamkeit. Die Öffnungen zu drei Räumen waren ständig offen. Menschen eilten hin und her.

Toy Fong verließ die Transportröhre.

Niemand achtete auf den ein­samen Eindringling.

Die Wände des Ganges waren übersät mit Messanzeigen, Hebeln, Knöpfen, Schaltern.

Wie in dem Raum in Pensing, in dem alles begonnen hat! dach­te Toy unwillkürlich.

Er wich einem Mann aus, dem er im Wege stand. Der Mann ignorierte ihn. Er war in Aufzeich­nungen vertieft, die er in beiden Händen hielt.

Toy Fong wandte sich der Tür am Kopfende des Gangstücks zu. Etwa acht Schritte war sie von der Transportröhre entfernt.

Wallende Nebel schienen sich dahinter zu bilden. Milchiger Schein drang nach draußen. Toy Fongs Neugierde war geweckt.

»Noch fünf Minuten bis zur ersten Phase«, meldete eine gleichgültige Stimme über einen unsichtbaren Lautsprecher. Keiner der Menschen achtete dar­auf.

Welche Phase? fragte sich Toy Fong. Eine ungeheuerliche Idee kam ihm. Vielleicht befand er sich in einem Schiff, das durch die Dimensionen des Satans schwamm, im Zwischenreich der Dämonen?

Er wusste von seinem Vorfahr, was ihn da Schreckliches erwarten konnte.