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Knallharte Verhandlungen sind die größte Herausforderung des Geschäftslebens. Doch nur Wenige beherrschen diese Kunst. Die meisten Menschen sind zu harmoniesüchtig, nicht auf Eskalationen vorbereitet oder schätzen die Machtverteilung falsch ein. Sie legen sich zu früh fest, verfolgen ihre Ziele nicht konsequent oder sind inhaltlich zu gut vorbereitet. Der renommierte Verhandlungsprofi Matthias Schranner benennt die sieben größten Fehler der Verhandlungsführung und leitet daraus wirksame Strategien ab. Anhand vieler Beispiele aus seiner langjährigen Praxis in der Wirtschaft, der Politik und bei der Polizei gewährt er aufschlussreiche Einblicke in die Welt der Verhandlungstaktik. Ein Buch für alle, die souverän und erfolgreich verhandeln möchten.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Für das beste Verhandlungsteam der Welt: meine Kinder
Ich bin nicht Schranner. Ich bin unsichtbar, ich stehe im Schatten, bin für Sie nicht zu erkennen. Im Hintergrund analysiere ich Verhandlungen und entwickle darauf aufbauend Strategien und Taktiken.
Zudem suche ich im Auftrag meiner Kunden nach Fehlern der Verhandlungsführung. Solche Fehler beruhen meist auf Fehleinschätzungen, auf Irrtümern.
Einer der größten Irrtümer ist der Glaube daran, dass beide Seiten gewinnen können, dass eine »Win-win«-Vereinbarung möglich ist.
Diese Annahme ist gefährlich. Denn es muss immer einen Sieger geben. Im Sport, im Business und in der Politik.
In einer Verhandlung ist es nicht anders, es gibt einen, der den Sieg davonträgt, und einen, der eine Niederlage einstecken muss.
Mit diesem Buch möchte ich mein Wissen und meine Erfahrung aus der Begleitung von schwierigen Verhandlungen an Sie weitergeben. Ich möchte Sie gerne unterstützen, zum Siegertypen bei Verhandlungen zu werden.
Meine Kunden rufen mich, wenn sie in einer scheinbar unlösbaren Verhandlungslage sind und keinen Ausweg sehen. Obwohl sie meist erfahrene und professionelle Verhandlungsführer sind, gibt es immer Situationen, in denen sie nicht weiterwissen. Sie rufen mich, weil sie auf den Rat eines nicht involvierten Experten angewiesen sind. Sie möchten nicht, dass jemand von meiner Unterstützung erfährt. Denn mein Name und unser Institut stehen für eine konsequente Verhandlungsführung.
Und die ist im Zeitalter von Win-win nicht gerade en vogue. Heute glauben viele, nach langfristiger und erfolgreicher Partnerschaft für beide Seiten streben zu müssen.
Nach außen hin, etwa in Pressekonferenzen, kommunizieren auch meine Kunden ebendieses Ziel der gleichberechtigten Partnerschaft. Im Hintergrund entwerfen wir jedoch Strategien, um zu einem Erfolg zu kommen – wenn möglich mit der Gegenseite, wenn aber nicht, auch ohne sie.
Konsequent heißt jedoch nicht unfair und trickreich.
Sie sollten immer fair und partnerschaftlich verhandeln. Wenn Ihr Partner auch an einer partnerschaftlichen Einigung interessiert ist, dann freue ich mich mit Ihnen.
Wenn er jedoch gegen Sie gewinnen möchte, dann sollten Sie sich das nicht gefallen lassen.
Sie können von meinen Erfahrungen im Hintergrund profitieren und von den Fehlern meiner Kunden lernen.
Zudem möchte ich Ihnen Tipps geben, wie Sie die schwierigsten Situationen noch besser meistern können. Sie bekommen am Ende jedes Kapitels eine Zusammenfassung mit allen Verhandlungstipps. Dabei wird der Verhandlungsprozess über das Buch hinweg chronologisch abgehandelt:
In Kapitel 1 beschäftigen wir uns mit Ihrer Einstellung zu schwierigen Verhandlungen.
In Kapitel 2 verknüpfen wir die inhaltliche mit einer strategischen Vorbereitung.
In Kapitel 3 weisen wir den beteiligten Verhandlungsführern strategische Rollen zu.
In Kapitel 4 steigen wir in die Verhandlung ein und fokussieren uns auf die ersten drei Minuten.
In Kapitel 5 testen wir die Machtverteilung in der Verhandlung.
In Kapitel 6 lernen wir die wichtigsten Taktiken kennen und fokussieren uns auf das Führen der Verhandlung.
In Kapitel 7 zeige ich auf, worauf es in aussichtslosen Verhandlungen ankommt.
Zusätzlich können Sie per E-Mail an
weitere Informationen und eine Checkliste zur Vorbereitung auf eine Verhandlung anfordern.
Bitte bedenken Sie, dass ich bei meiner gesamten Arbeit als Consultant, als Stratege im Hintergrund, absolute Geheimhaltung vereinbart habe. Deshalb werde ich auf Firmennamen und Personennamen verzichten und die angeführten Beispiele abstrakt halten. Erlauben Sie mir bitte, dass ich Sie direkt als Verhandlungsführer anspreche. Der besseren Lesbarkeit wegen benutze ich in allen Beispielen die männliche Form, was natürlich nicht bedeutet, dass nur Männer solche Fehler machen.
Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie sich für dieses Buch interessieren, und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Matthias Schranner
Gleich zu Beginn möchte ich entgegen der Annahme von Sozialromantikern aufzeigen, warum es in schwierigen Verhandlungen keine Win-win-Situationen geben kann.
Win-win gehört neben »strategischer Partnerschaft« zu den meistmissbrauchten Formulierungen in heiklen Verhandlungen.
Obwohl die Herbeiführung einer solchen Situation aufgrund unterschiedlicher Interessen schlicht und ergreifend nicht möglich ist, wird sie als goldener Schrein vor Verhandlungen hergetragen.
So sagen die meisten meiner Kunden, für sie sei es das mit Abstand Wichtigste, eine Vereinbarung zu erzielen, bei der beide Seiten gewinnen, damit die Partnerschaft sich langfristig gestaltet und »wir uns auch beim nächsten Treffen noch in die Augen schauen können«.
Grafisch sieht diese Annahme so aus:
Doch was ist eine Win-win-Vereinbarung eigentlich?
Ihre Grundlagen wurden in den Jahren 1970–1980 an der Harvard Universität erforscht. Wissenschaftler testeten Verhandlungsmethoden und suchten nach einer Variante, die beide Seiten glücklich macht. Sie entwickelten die Methode des »sachgerechten Verhandelns«: »Win-win«, auch als »Harvard-Konzept« bekannt geworden. Doch dabei setzten sie voraus, dass keine fundamentalen Interessensgegensätze zwischen den verhandelnden Parteien bestehen. Nur so kann eine Situation entstehen, in der alle beteiligten Akteure als Sieger aus der Verhandlung hervorgehen.
Wenn jedoch beide Verhandlungspartner ähnliche Interessen haben, dann – erlauben Sie mir bitte die Bemerkung – ist Verhandeln auch nicht schwer!
In schwierigen Verhandlungen sind divergierende Interessen die absolute Regel. Das Win-win-Konzept greift hier höchstens indirekt, indem Sie sich selbst eine Win-Win-Situation erschaffen:
Stellen Sie sich bitte vor, ich verhandele mit Ihnen darüber, wo wir uns zu einem Consulting-Einsatz treffen sollten. Für mich wären Zürich und München gut geeignet. Sie träfen sich lieber in Freiburg, können sich aber auch München vorstellen. Ich würde die Verhandlung so strukturieren, dass München als Zugeständnis an Sie im Rennen bleibt und bringe zudem Zürich ins Spiel, so dass mir am Ende der Verhandlung zwei gleichberechtigte Orte als Option zur Verfügung stehen. Ich biete Ihnen also großzügig zwei Optionen, die für mich beide gleich hervorragend geeignet sind. Egal, ob wir uns in Zürich oder München treffen, beides bedeutet für mich eine Win-Situation. Ich gestalte unsere Verabredung also zu einer Win-win-Verhandlung, einer »Zürich-München«-Verhandlung mit zwei für mich gleichwertigen Optionen.
Spannend werden Verhandlungen dann, wenn es unterschiedliche Interessen gibt, sich beide Seiten dessen bewusst sind und die Verhandlung zu einer Machtfrage wird. Die Macht in der Verhandlung ist dann auf Ihrer Seite, wenn Sie wissen, wie Sie Konflikte strategisch und konsequent lösen können. Und nicht, wenn Sie an eine Win-win-Vereinbarung glauben und damit hoffen, dass die Gegenseite schon vernünftig werden wird. Wird sie nicht!
Ein Konflikt beruht immer auf unterschiedlichen Interessen und der Annahme, dass die eigenen Interessen die richtigen Interessen sind. Was dazu führt, dass die gegnerische Partei falsche Interessen hat.
Sicherlich hört sich das banal an, ist aber die Grundlage aller Probleme bei schwierigen Verhandlungen. Das Bewerten der eigenen Interessen als »richtig« und die daraus folgernde Bewertung der gegnerischen Interessen als »falsch« schafft einen Konflikt, der kaum lösbar ist.
In einer Verhandlung sollten Sie handeln können. Wer nicht handeln kann, kann nicht verhandeln und kein Ergebnis erreichen. Um jederzeit handeln zu können, sollten Sie sich von den Bewertungen »richtig« und »falsch« lösen können.
Erlauben Sie mir bitte einen kurzen Rückblick auf die Lehre von Sokrates. Er unterschied zwischen Wahrheit und Gewissheit.
Sokrates wies seine Athener Bürger darauf hin, dass sie sich zwar vieler Dinge gewiss seien, dass sie aber in der Tat so gut wie nichts über die Wahrheit der Dinge wüssten. Sie seien nicht in der Lage, die Dinge so zu erkennen, wie sie tatsächlich sind. Heute unterscheiden wir in Anlehnung an die sokratische Einsicht zwei Reihen von Begriffen: semantische Eigenschaften und psychologische Zustände.
In einer »Win-win«-Verhandlung können Sie aus meiner Sicht keine Lösung im Sinne einer semantischen Eigenschaft finden. Es geht nicht, dass beide Parteien tatsächlich gewinnen (Wahrheit, Wissen, Realität). Möglich ist es jedoch, dass beide glauben, gewinnen zu können oder auch gewonnen zu haben (Gewissheit, Meinung, Wirklichkeit).
Nehmen wir an, Sie möchten Ihr Auto verkaufen. Sie überlegen sich einen maximalen Preis, den sie erzielen möchten, und einen minimalen, mit dem sie leben können. Das Maximumziel inserieren Sie in der Zeitung oder im Internet. Nehmen wir an, Sie kommunizieren den Preis von 10 000 € für Ihr Auto.
Nicht kommuniziert wird natürlich Ihr Minimumziel, also jener Preis, bei dem Sie mit Bauchschmerzen und Zähneknirschen gerade noch zustimmen würden. Sagen wir mal, das wären 9000 €.
Es ist Samstagvormittag, und das Telefon klingelt. Ein interessierter Käufer ruft an, Sie treffen ihn, er schaut sich das Auto in Ruhe an, fährt es Probe und beschließt, das Auto zu kaufen.
Sie sagen, Sie möchten 10 000 Euro für dieses Auto haben, und der Käufer stimmt sofort zu. Er unterschreibt den Kaufvertrag und händigt Ihnen die Summe aus.
Mal ehrlich, wie geht es Ihnen jetzt? Sind Sie glücklich, weil Sie Ihr Maximumziel erreicht haben? Nein, Sie sind unglücklich, weil Sie das Gefühl haben, es wäre noch mehr möglich gewesen.
Das ging zu glatt über die Bühne. Sie wissen nicht, wie viel mehr der Käufer eventuell bereit gewesen wäre zu bezahlen. Diese Ungewissheit stört Sie, Sie ärgern sich über Ihren zu niedrigen Preis und Ihr schnelles Zustimmen.
Wo liegt für Sie nun die Wahrheit? Ob Sie ein wahrhaft gutes Geschäft abgeschlossen haben, können Sie sich jedenfalls nicht mit Sicherheit beantworten. Und ungewiss, ob Sie noch einen höheren Preis hätten erzielen können, sind Sie zudem.
Wie geht es dem Käufer, der mit dem neuen Auto nach Hause fährt? Er ist zunächst wahrscheinlich glücklich und zufrieden. Schwierig wird es für ihn erst, wenn er in sein soziales Umfeld zurückkommt. Wenn er gefragt wird, wie viel er für dieses Auto bezahlt hat. Wenn er vielleicht ausgelacht wird, wie er so viel Geld für solch einen Wagen bezahlen konnte. Auch der Käufer kann also nicht in den Besitz der Wahrheit über den gerade getätigten Deal gelangen. Ihm bleibt bestenfalls die Gewissheit darüber. Und die ist fragil.
Jede Verhandlung ist von mannigfachen Unwägbarkeiten bestimmt. Wir können viele Elemente nicht beherrschen, nicht analysieren, nicht im letzten Detail vorbereiten. Vor allem in schwierigen Situationen sind wir von Emotionen getrieben und verlieren zunehmend die rationale Kontrolle.
Die Wahrheit können wir somit in einer Verhandlung ohnehin niemals finden.
Daher sollten wir auch konsequent aufhören, sie zu suchen. Die Aufmerksamkeit muss vielmehr der Gewissheit gelten. Und zwar der des Verhandlungspartners. Es ist von größter Wichtigkeit, in Erfahrung zu bringen: Wieso hat unser Verhandlungspartner die Gewissheit, dass er zu seinem Standpunkt berechtigt ist?
Es gilt also, seine Gewissheit zu hinterfragen und seine Meinung und seinen Blick auf die Wirklichkeit zu analysieren.
Eine Gewerkschaft fordert in einer Tarifverhandlung eine Lohnerhöhung von 5 % für alle Angestellten. Die Arbeitgeberseite verweist auf die schlechte konjunkturelle Lage und warnt vor einer Erhöhung der Bezüge in diesen Zeiten. Diese könne zum Ruin des Unternehmens führen. Sie bietet deshalb eine Null-Runde an.
Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen versichern, dass jede Partei glaubt, im Recht zu sein. Dieses Recht wird dann als Wahrheit kommuniziert.
Wer sich im Recht wähnt, beharrt auf seinem Standpunkt und kommuniziert diesen sehr deutlich nach außen. Beide Parteien – in unserem Beispiel Gewerkschaft und Arbeitgeber – kommunizieren in der Presse und vor den Mitarbeitern die eigene Sicht der Dinge und belegen sie mit Argumenten. Argumente liegen jedoch im Bereich der Gewissheit, nicht in dem der Wahrheit.
In schwierigen Verhandlungen werden immer nur Standpunkte dargestellt und gegebenenfalls mit drohenden Sanktionen verknüpft:
»Wenn wir keine Lohnerhöhung über 5 % erhalten, dann streiken wir!«, kommuniziert die Gewerkschaft. »Bei einer Lohnerhöhung müssen wir die Produktion ins Ausland verlagern!«, schallt es aus dem Arbeitgeberlager.
Wie könnte hier eine sogenannte Win-win-Vereinbarung getroffen werden? Bitte kommen Sie mir jetzt nicht mit einem Kompromiss!
Bei einem Kompromiss bewegen sich beide Parteien aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Die Frage ist nur: in welcher Mitte? Bei einer Ausgangslage von 0-5 % Lohnerhöhung läge der Kompromiss mathematisch gesehen bei 2,5 %. Beide Seiten hätten gewonnen, jede hätte nachgegeben, aber ihr Ziel immerhin auf gerechtem, halbem Wege erreicht. Von wegen.
Wie sieht es in Wahrheit um die Löhne aus? Kann die Arbeitgeberseite wirklich nur 0 % geben oder wären 3 % auch möglich? Würde die Gewerkschaft wirklich streiken, verfügt sie über genügend Zustimmung in den eigenen Reihen, vor allem in solch schwierigen Zeiten?
Waren die 5 % eine echte, begründete Forderung oder nur ein taktisches Mittel, um die Arbeitgeberseite unter Druck zu setzen? Was wäre passiert, wenn die Gewerkschaft 10 % gefordert hätte? Hätte die Win-win-Vereinbarung dann bei 5 % gelegen?
Eine Differenz der Lohnkosten von 2,5 % macht in den Bilanzen eines Unternehmens einen gewaltigen Geldbetrag aus. Hätte das Unternehmen bei 2,5 % gewonnen, bei 3 % oder 5 %? Was hätte ein langfristiger Streik gekostet, wären vielleicht sogar 6 % noch günstiger als ein Streik gewesen?
Ich darf Ihnen sagen, dass noch keiner unserer Kunden alle Eventualitäten durchspielen konnte. Keiner konnte für sich herausfinden, wo das Gewinnen und Verlieren im Sinne der Wahrheit beginnt. Aber alle konnten eine bestimmte Grenze benennen, bei der sie zustimmen oder abbrechen würden. Diese Grenze ist nun immer eine Grenze im Sinne der Gewissheit, nicht der Wahrheit.
Wir können nur glauben, dass an einem bestimmten Punkt die Grenze liegen muss, wissen können wir es nicht. Müssen wir auch nicht.
Es kann nicht das Ziel der Verhandlung sein, eine tatsächliche Grenze ausfindig zu machen. Es geht um das Herausfinden von Grenzen im Sinne der Gewissheit.
Sich bei Verhandlungen auf die Gewissheiten zu konzentrieren hat einen unschätzbaren Vorteil: Anders als die Wahrheit kann man sie beeinflussen: durch das bewusste Erhöhen der Stressdosis oder durch das bewusste Einsetzen von Emotionen.
Um die Gewissheits-Grenzen des Verhandlungspartners ausmachen und beeinflussen zu können, müssen Sie Ihr Gegenüber gründlich analysieren.
Die Analyse von Verhandlungspartnern ist faszinierend. Durch sie gewinnen Sie ständig neue Informationen, neue Sichtweisen, neue Gewissheiten. Aus meiner Erfahrung ist die Analyse nicht sonderlich schwierig, es gilt nur einen sehr großen Fehler zu vermeiden: zu denken, Sie wissen bereits genug!
Viele Verhandlungsführer brechen die Analyse viel zu früh ab, weil sie glauben, genug zu wissen, das Gegenüber bereits vollkommen verstanden zu haben. Diese Annahme ist ein dramatischer Fehler, weil Sie von nun an keine Informationen mehr aufnehmen, sondern nur noch abwarten, bis Ihr Gegenüber endlich zu reden aufhört.
Ganz konkret: Gehen Sie in jede Verhandlung mit einem leeren Blatt Papier, ohne Laptop, Powerpoint, Imagebroschüren …
Schreiben Sie Informationen mit, vor allem viele Zitate.
Und beginnen Sie erst dann, ein erstes Fazit Ihrer Analyse zu ziehen, wenn Sie eine DIN-A4-Seite mit Informationen über die Gegenseite vollgeschrieben haben.
Ich darf Ihnen sagen, das ist viel schwieriger, als Sie jetzt glauben!
Die relevanten Informationen über den Gegner liegen dabei nicht im Bereich der Zahlen, Daten und Fakten. Denn Sie sind ja nicht an der kommunizierten »Wahrheit« des Gegenübers interessiert, sondern an seiner Gewissheit und damit an seinen Überlegungen, Argumenten, Wünschen und Zweifeln.
Auf den ersten Blick erscheint eine Verhandlung wie in der Grafik dargestellt. Die Positionen scheinen unüberbrückbar, und es gibt keinen Ausweg.
Es ist nun aber so, dass Ihr Gegenüber nicht ausschließlich Aspekte bedenkt, die Ihrem eigenen Verhandlungsziel zuwiderlaufen. In einigen Punkten kommt er Ihnen innerlich entgegen. Er hat also ein gewisses Verständnis für Ihre Position, Ihre Argumente, Wünsche und Zweifel:
Das Ziel Ihrer Analyse sollte sein, die positiven und negativen Gewissheiten Ihres Gegenübers herauszufinden.
Die positiven Annahmen sind die entscheidenden Elemente auf dem Weg zu einer Einigung. Die negativen müssen Sie kennen, ohne sie jedoch zu verhandeln. Das ist nicht einfach, jedoch zwingend notwendig.
Sie möchten mit dieser Analyse ein bestimmtes Ziel erreichen. Neben den für Ihr Verhandlungsziel positiven und negativen Gewissheiten möchten Sie herausfinden, was genau für Ihr Gegenüber wichtig ist, was ihn antreibt und natürlich wie weit er gehen wird.
Erstellen Sie bitte vor der Verhandlung einen Fragenkatalog, in dem Sie Ihre Erkenntnisziele in eine Reihenfolge bringen. Die Fragen sollten nicht wörtlich vorformuliert sein, sondern nur als Stichpunkte dienen.
Die stichpunktartigen Fragen bilden die Grundlage für eine Agenda, eine Art Struktur der anstehenden Verhandlung, die Sie Ihrem Gegner vor der Verhandlung zusenden oder zu ihrem Beginn vorstellen. Teilen Sie ihm Ihre Agenda mit und fragen Sie bitte sofort nach, ob sie für Ihr Gegenüber so akzeptabel ist.
Wenn ja, dann sind Sie der Chef im Ring und ab jetzt Verhandlungsführer.
Eine unstrittige Agenda, durch die sich der Verhandlungspartner nicht zu sehr herausgefordert sieht, löst natürlich weniger Widerstand aus und führt dazu, dass ihr schneller zugestimmt wird. Deshalb bitte immer eine unstrittige Agenda vorstellen.
Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass Sie niemals selbst irgendeine Form von Agenda akzeptieren dürfen. Sie würden Ihrem Gegenüber signalisieren, dass Sie an der Verhandlungsführung kein Interesse haben und sich gerne führen lassen. Dies wäre ein verhängnisvoller Fehler!
Ein Einstieg in die Verhandlung könnte so aussehen:
Vielen Dank für die Teilnahme an der heutigen Verhandlung. Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit Ihnen die nächsten Schritte besprechen zu können.
Aus unserer Sicht wären drei Punkte wichtig:
Wir würden gerne verstehen, was genau Ihnen an der bereits kommunizierten Forderung so wichtig ist.
Dann würden wir unsere Sichtweise gerne darstellen.
Im Anschluss sollten wir gemeinsam einen Maßnahmenplan erarbeiten.
Wir hatten uns 60 Minuten für diese Verhandlung vorgenommen, wir sollten uns für jeden Punkt 20 Minuten Zeit nehmen.
Ist diese Vorgehensweise für Sie so in Ordnung?
Diese Agenda ist unstrittig, weil relativ schwammig, und wird erfahrungsgemäß so angenommen. Ab jetzt sind Sie der Verhandlungsführer und können immer wieder auf die von beiden Seiten angenommene Agenda verweisen.
Doch Vorsicht, nehmen Sie auch solche unstrittigen Agenden niemals selber an!
Auch auf die Gefahr hin, dass Sie meine Tipps als banal erachten, möchte ich Sie dazu auffordern: Wenn Sie etwas wissen möchten, fragen Sie einfach!
Ich halte dieses ganze Getue um Fragetechniken für übertrieben. Ob geschlossene, offene, alternative Frage, wichtig ist nur, dass Sie ein ernsthaftes Interesse am Gegenüber zeigen und wirklich etwas erfahren wollen.
Für viel wichtiger als die Art der Frage halte ich die Hinführung zur Frage. Sie sollten nicht nur eine Frage stellen, sondern Ihrem Gegenüber auch zu erkennen geben, warum Sie eine Frage stellen werden bzw. stellen müssen.
Stellen Sie deshalb bitte keine Frage wie: »Was muss ich tun, damit Sie zustimmen können?«
In ihr sind zwei große Fehler enthalten:
Ihr Gegenüber weiß nicht, warum Sie diese Frage stellen. Welche Gedankengänge treiben Sie zu dieser Frage? Eine bessere Variante der Hinführung wäre beispielsweise: »In Vorbereitung zu dieser Verhandlung habe ich einen Bericht über Ihr Unternehmen gelesen, darin wurden die dramatischen Änderungen in den Rohstoffpreisen genannt. Es wäre für mich sehr wichtig zu wissen, welchen Einfluss die Rohstoffpreiserhöhung auf unsere Verhandlung hat.«
Ihr Gegenüber hat einen zu großen Spielraum für seine Antwort und kann etwas antworten, was Sie definitiv nicht gebrauchen können.
Wenn ich beispielsweise meine Kinder frage, was sie essen möchten, dann bekomme ich zur Antwort: Pommes, an zweiter Stelle rangieren Süßigkeiten. Ich stehe nun vor der Herausforderung, meine Kinder wieder von Pommes und Süßigkeiten wegzuverhandeln. Besser wäre es, einen Korridor für die Antwort vorzugeben.
Wenn Sie beispielsweise eine Preisdiskussion vermeiden möchten, dann dürfen Sie nicht fragen, wie sich Ihr Kunde die weitere Zusammenarbeit vorstellt. Sie bekommen zur Antwort: eine Preisreduzierung um 5 %!