Texas Ranger 13: Der Comanchen-Jäger - Alfred Wallon - E-Book

Texas Ranger 13: Der Comanchen-Jäger E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Sam Sheridan ist kein Texas Ranger mehr. Jetzt jagt er die Kotsoteka-Comanchen, die seine Kameraden in einen Hinterhalt gelockt und getötet haben. Diese Comanchen haben auch Jane Crawford und ihre beiden Kinder entführt. Die Stunde der Abrechnung ist nicht mehr fern.

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In dieser Reihe bisher erschienen

4701  Alfred Wallon Tod am Rio Blanco

4702  Alfred Wallon Canoma muss sterben

4703  Alfred Wallon Die erste Rebellion

4704  Alfred Wallon Kampf ohne Gnade

4705  Alfred Wallon Die Helden von Alamo

4706  Alfred Wallon Vergeltung für Alamo

4707  Alfred Wallon Überfall auf Parkers Fort

4708  Alfred Wallon Gefahr am Little River

4709  Alfred Wallon Rinder für Texas

4710  Alfred Wallon Das Fort am Colorado River

4711  Alfred Wallon Entscheidung am Elm Creek

4712  Alfred Wallon Hinterhalt am Trinity River

4713  Alfred Wallon Der Commanchen-Jäger

4714  Alfred Wallon Der Ritt nach Laredo

4715  Alfred Wallon Blutiger Sommer (Frühjahr’25)

4716  Alfred Wallon Tödlicher Herbst (Frühjahr’25)

DER COMANCHEN-JÄGER

TEXAS RANGER

BUCH 13

ALFRED WALLON

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

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Copyright © 2024 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Redaktion: Alfred Wallon

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7592-1579-6

4713 vom 11.08.2024

INHALT

Riskante Geschäfte

Ein entscheidender Hinweis

Fluchtgedanken und Rache

Zeichen des Todes

Unerwartete Hilfe

Die Befreiung

Quälende Ungewissheit

Ein verhängnisvoller Zwischenfall

Die Verfolger im Nacken

Der Einsatz der Texas Ranger

Der entscheidende Kampf

Historische Anmerkungen zum vorliegenden Roman

Über den Autor

RISKANTE GESCHÄFTE

15. März 1837

In der Comancheria

Mittags gegen 13:00 Uhr

„Mir gefällt diese Stille nicht“, sagte der junge Ted Cutler und blickte schon zum wiederholten Mal in Richtung der Hügel, wo vor einer knappen halben Stunde die Konturen eines Reiters zu sehen gewesen waren. „Warum zum Teufel lassen sich die Comanchen nicht endlich blicken? Schließlich wollen sie doch was von uns.“

„Du bist zu ungeduldig, Ted“, sagte der stoppelbärtige Matt Nolan mit einem abfälligen Grinsen. „Vergiss nicht, dass die Comanchen den Zeitpunkt bestimmen, an dem sie mit uns reden wollen. Wir sind in ihrem Land, und da gelten ihre Regeln. Aber eins ist so sicher wie das Amen in der Kirche, Junge. Sie werden kommen, und zwar schneller, als du denkst. Schließlich dürften sie längst wissen, dass wir auf dem Weg zu ihnen sind. Warten wir einfach ab, bis Felipe wieder zurück ist, okay?“

„Matt hat recht, Junge“, fügte der untersetzte Roscoe Evans hinzu. „Du musst nur noch etwas Geduld haben. Und bis dahin machst du dir keine Gedanken. Bleib lieber ganz ruhig und halte dich zurück. Und vor allen Dingen lass dir nicht ansehen, dass du ängstlich bist. Wenn es etwas gibt, das die Comanchen nicht mögen, dann sind es Angsthasen.“

„Ist schon gut, Roscoe“, erwiderte Cutler und schob sich den breitkrempigen Hut tiefer in die Stirn, weil ihn die grelle Mittagssonne blendete. Er schwitzte stark und hatte schon wieder Durst, weil sich seine Kehle ganz trocken anfühlte. Aber er musste damit warten, bis er, Nolan und Evans am Ziel ihrer Reise angekommen waren. Lange würde das nicht mehr dauern. Vielleicht noch eine oder höchstens zwei Stunden, und so lange musste er eben Geduld haben. Aber die Zeit bis dahin schien für einen ungeduldigen und zusehends nervöser werdenden Mann wie Ted Cutler viel zu langsam zu vergehen.

Cutler war das erste Mal mit dabei. Er kannte Evans von früher her, und der hatte bei Matt Nolan ein gutes Wort für ihn eingelegt. Aber jedes Mal, wenn Cutler Nolan beobachtete, dann bemerkte er dessen abfälligen Blick. Er schien es mittlerweile zu bereuen, dass Evans ihn überredet hatte, Cutler mit ins Boot zu nehmen. Wäre es nach Nolan gegangen, dann hätte dieser Cutler wahrscheinlich schon längst weggeschickt. Aber mittlerweile lag die letzte weiße Siedlung schon einen Tagesritt hinter ihnen, und jetzt befanden sie sich längst in der Comancheria, dem Landstrich im westlichen Texas, in dem die meisten Comanchenstämme lebten. Wer sich hierher traute, der musste entweder verrückt oder ziemlich abgebrüht sein. Denn sich auf Geschäfte mit den Comanchen einzulassen, beinhaltete immer ein großes Risiko.

Matt Nolan wusste das. Er machte nicht zum ersten Mal Geschäfte mit den Comanchen. Geschäfte, von denen die Texas Ranger oder die weißen Siedler niemals etwas erfahren durften. Denn Nolan versorgte die Indianerstämme mit Gewehren, Pulver und Blei und weiteren nützlichen Waren. Der Mexikaner Felipe Chavez war der Vierte im Bunde. Er kannte die Comancheria am besten und entdeckte selbst dort noch Spuren, wo kein anderer etwas bemerkt hätte. Außerdem konnte er sich in seiner Muttersprache mit den Comanchen verständigen und kannte auch ein paar Brocken von deren Sprache. Umso wichtiger war Chavez für das Gelingen dieser Aktion.

„Felipe kommt zurück!“, rief Roscoe Evans und zügelte die beiden Pferde, die den Pritschenwagen mit seiner schweren Ladung zogen. Auf der Ladefläche befanden sich mehrere Kisten mit Kentucky Rifles und der dazugehörigen Menge an Pulver und Bleikugeln. Zwar handelte es sich um ältere Modelle, aber sie funktionierten noch einwandfrei, und die Comanchen würden immer noch einen guten Preis für sie zahlen. In Gold!

Matt Nolan hatte diese Waffen aus einem Arsenal der texanischen Armee bekommen, weil derjenige, der dort in San Antonio das Lager verwaltete, auf diese Weise einen Zusatzverdienst hatte, weil er selbst immer knapp an Geld war und der Sold nicht ausreichte, um seinen privaten Neigungen nachgehen zu können. Matt Nolan hatte nicht lange gebraucht, um diese Schwachstelle zu erkennen und mit dem Mann ins Gespräch zu kommen. Was er ihm dann vorgeschlagen hatte, war für den Mann eine Chance, die er sofort genutzt und diesem Geschäft zugestimmt hatte.

In einer nebligen Nacht hatten Nolan und seine Kumpane unbemerkt die Kisten mit den Rifles und die Fässer mit Pulver und Blei auf einen Wagen geladen und waren dann in Richtung Nordwesten aufgebrochen. Der Mann hatte Nolan versichert, er brauche sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob irgendjemand etwas bemerkte, dass zehn Kisten mit Gewehren praktisch über Nacht verschwunden waren. Er würde sogar seine Listen fälschen, sodass man nichts bemerken würde. Es sei denn, jemand würde akribisch alles ganz genau nachprüfen, aber angesichts der augenblicklichen Bedrohung durch verschiedene Indianerstämme hatte niemand Zeit, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Der Mann, der sich mit Nolan auf dieses Geschäft eingelassen hatte, galt nach außen hin als zuverlässig und vertrauenswürdig. Niemand würde ihm so etwas zutrauen.

Ted Cutler schob seine trüben Gedanken beiseite und blickte nun ebenfalls, genau wie Nolan und Evans dem näher kommenden Reiter entgegen, der es mächtig eilig hatte. Staub wirbelte unter den Hufen des Pferdes auf, und er winkte seinen Kumpanen schon von Weitem zu.

„Hast du was entdeckt?“, fragte ihn Nolan mit gezwungener Ruhe, während Chavez sein Pferd zügelte und erst einmal tief durchatmete.

„Si“, erwiderte der Mexikaner. „Ich habe Spuren von vielen Pferden gesehen. Mit unbeschlagenen Hufen, Matt. Es muss ein großer Kriegertrupp sein. Die Spuren führen weiter nach Nordwesten. Ich bin ihnen ein Stück gefolgt.“ Er hielt einen kurzen Moment inne, um sich ein paar Schweißtropfen aus der Stirn zu wischen, bevor er schließlich fortfuhr. „Das Lager des Stammes kann nicht mehr weit entfernt sein.“

„Haben die Comanchen dich bemerkt?“, fragte Evans.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Chavez mit einem kurzen Schulterzucken. „Ich habe mich jedenfalls bemüht, in sicherer Entfernung zu bleiben.“

„Das sieht man“, kommentierte Matt Nolan diese Aussage mit gepresster Stimme und zeigte in die Richtung, aus der der Mexikaner gekommen war. „Nun ja, es spielt ohnehin keine Rolle mehr.“

Chavez Blicke folgten Nolans Hinweisen, und dann sah er es auch. In der hitzeflimmernden Luft bemerkten die Männer die Konturen von zehn Reitern, die ihre Pferde auf einer Hügelkuppe gezügelt hatten und von dort aus die Männer beobachteten. Als wenn sie von Anfang an gewusst hätten, dass es bald zu einer Begegnung kommen würde.

„Ted, du reißt dich jetzt zusammen!“, richtete Matt Nolan noch einmal das Wort an ihn, weil er bemerkt hatte, dass der Junge wieder nervös wurde. Und das konnte er nur schlecht verbergen. „Alles wird gut ablaufen. Du darfst bei diesen roten Halunken nur keine Schwäche zeigen, sonst bist du schneller tot, als du vermutest. Geht das jetzt endlich in deinen Schädel rein?“

„Ja“, murmelte Cutler. „Ja, Matt. Ich strenge mich an.“

„Hoffentlich“, meinte nun auch Felipe Chavez. „Sonst sind wir nämlich alle geliefert.“

Cutler versicherte nochmals, dass er sich zusammenreißen würde und seine Kumpane von ihm keine Probleme erwarten würden. Damit war die Sache geklärt.

„Worauf warten die noch?“, murmelte Roscoe Evans vor sich hin. „Die haben uns doch gesehen.“

„Sie bestimmen, wie das Ganze ablaufen wird“, antwortete Matt Nolan. „Aber lassen wir ihnen den Triumph. Sie werden schon bald näher kommen. Wir reiten einfach weiter, als wäre gar nichts geschehen, Leute. Dann sehen sie wenigstens, dass wir keine Angst vor ihnen haben.“

Er schaute dabei insbesondere Ted Cutler an, den er immer noch für das schwächste Glied in der Kette hielt. Hoffentlich geht das gut, dachte er im Stillen. Ich hätte Roscoes Bitte ablehnen sollen. Der Junge ist noch ziemlich grün hinter den Ohren. Selbst wenn er gut schießen kann, dann könnte immer noch ein Fehler passieren.

Seine Gedanken brachen ab, als er sein Pferd antrieb und das Tier sofort in einen Trab fiel. Chavez und Cutler schlossen sich ihm an, und auch die beiden Pferde im Gespann des Pritschenwagens setzten sich jetzt in Bewegung. Nur wenige Augenblicke später taten das auch die Indianer oben auf der Hügelkuppe. Sie schienen es gar nicht eilig zu haben, als sie sich den vier Männern näherten.

Ihr ganzes Verhalten dokumentierte absolute Gewissheit, dass sie die Herren der großen Region waren, die auch unter dem Namen Comancheria bekannt war. Es waren stolze Reiter, deren Blicke das widerspiegelten, was sie auch dachten. Sie würden von jetzt an entscheiden, ob die Männer am Leben bleiben oder getötet würden.

Matt Nolan kannte dieses Machtspiel und wusste damit umzugehen. Das galt auch für Roscoe Evans und Felipe Chavez sowieso. Schließlich war es schon das dritte Mal, dass sie zu den Comanchen kamen, um ein vielversprechendes Geschäft mit ihnen zu machen. Nolan wusste, dass die Comanchen darauf angewiesen waren, dass sie zusätzliche Waffen bekamen, um im Kampf gegen die weißen Siedler und vor allem gegen die Texas Ranger Siege erringen zu können. Und diese Waffen würden sie nur von denjenigen bekommen, die sich über sämtliche Gesetze und Richtlinien der Regierung von Texas hinwegsetzten und dabei nur an ihren eigenen Vorteil dachten.

Die zehn Reiter hatten ihre Gesichter bemalt. Einige der Comanchen hielten Lanzen in den Händen, während andere nach ihren Bögen griffen und Pfeile auflegten. Jetzt war der kritischste Moment überhaupt. Wenn sie den nicht überstanden, dann war es aus und vorbei. Und zwar ganz schnell!

„Mow-way“, murmelte Matt Nolan, als er den Anführer der Kotsoteka-Comanchen erkannte. „Sag ihm, dass wir uns freuen, ihn zu sehen, und dass wir genügend Rifles und Munition dabeihaben, Felipe.“

Der Mexikaner nickte und wandte sich sofort an Mow-way. Dessen starre Miene ließ nicht erkennen, was er in Wirklichkeit dachte. Aber was ihm Chavez jetzt sagte, schien ihn zufriedenzustellen. Deshalb gab er seinen Kriegern ein Zeichen, und die Anspannung ließ ein wenig nach. Anschließend ergriff Mow-way das Wort und redete mit kehliger Stimme auf den Mexikaner ein. Es war eine Mischung aus ein paar spanischen Brocken und der Sprache der Kotsoteka. Nolan, Evans und Cutler verstanden kein Wort, aber Chavez schien erfreut darüber zu sein, denn er lächelte kurz, zeigte auf seine Kumpane und den Pritschenwagen und fuhr dann fort.

Mow-way nickte und sagte ebenfalls etwas, das Chavez nun für seine Kumpane übersetzte.

„Ich habe Mow-way gesagt, dass wir Gewehre, Pulver und Blei bei uns haben und sein Stamm dadurch mächtig wird. Er will jetzt schon sehen, was wir mitgebracht haben. Wir sollten das tun, Matt.“

„Von mir aus“, erwiderte dieser. „Hat er auch das Gold dabei? So wie es beim letzten Mal vereinbart worden ist?“

„Das habe ich ihn noch nicht gefragt“, meinte Chavez. „Ich würde damit noch etwas warten, sonst sieht das zu gierig aus. Uns bleibt nichts anderes übrig, als seinem Wort zu vertrauen.“

„Wohl oder übel“, meinte Nolan und seufzte kurz. „Roscoe, mach eine von den Kisten auf und zeig ihnen, was wir anbieten können.“

Evans hatte sofort verstanden, was jetzt auf dem Spiel stand. Er ließ die Zügel los und stieg rasch vom Bock des Wagens, nach hinten zur Ladefläche, wo sich die Kisten befanden. Er schob die Plane beiseite, griff nach einem scharfen Eisen und öffnete eine der Kisten. Währenddessen hatten Mow-way und zwei weitere Krieger ihre Pferde direkt zu dem Wagen dirigiert und beobachteten ganz genau, was Evans jetzt tat. Ihre Mienen waren ausdruckslos, aber es bestand kein Zweifel darin, dass sie sofort angreifen würden, wenn die Weißen ihre Befehle nicht befolgten.

Matt Nolan sah das und spürte, dass sich etwas verändert haben musste. Etwas, das er nicht mitbekommen hatte. Selbst Mow-way, mit dem er eigentlich immer gut zurechtgekommen war, verhielt sich sehr zurückhaltend, und seine Augen blieben kalt. Nolan wünschte sich insgeheim, dass er den Grund für das ablehnende Verhalten des Anführers der Kotsoteka-Comanchen gerne gewusst hätte. Jetzt blieb ihm und seinen Leuten nichts anderes übrig, als sich auf die veränderte Situation einzustellen und ja keinen Fehler zu machen, denn der würde sie unweigerlich das Leben kosten.

Roscoe Evans hatte zwischenzeitlich eines der Gewehre aus der Kiste geholt und reichte es Mow-way. Der nahm die Rifle entgegen, betrachtete sie prüfend und sagte dann etwas, das Evans natürlich nicht verstand. Deshalb übersetzte Chavez nun die Worte des Anführers.

„Er will wissen, wie das alles funktioniert, Roscoe“, sagte er zu ihm. „Lade die Rifle einfach, und ich erkläre es ihm dann. Nun mach schon!“

Evans nickte und tat das, wozu Chavez ihm geraten hatte. Er ließ sich von Mow-way die Rifle wieder aushändigen. Nur wenige Augenblicke später hatte er die Waffe geladen. Mow-way hatte ihn die ganze Zeit über genau beobachtet, und in seinen Gesichtszügen spiegelte sich nur ganz kurz ein freudiger Ausdruck wider. Weil er jetzt wohl begriffen hatte, wie man mit diesen Rifles umging. Die Kotsoteka-Comanchen kannten natürlich andere Rifles und hatten das Prinzip verstanden. Trotzdem wollte Mow-way ganz sichergehen und hatte deshalb darauf bestanden, sich alles noch einmal zeigen zu lassen.

„Hier!“, sagte Evans und reichte dem Kotsoteka-Comanchen die Rifle. „Sie ist jetzt geladen.“

Mow-way sagte nichts, sondern nahm die Waffe entgegen, hob sie an die Schulter und zielte damit auf einen verdorrten Strauch in der Nähe. Das Aufbellen des Schusses zerriss die angespannte Stille, und die Kugel traf einen der Äste. Mit einem zufriedenen Grinsen nahm Mow-way die Waffe wieder herunter, während die anderen Krieger ebenfalls anerkennend nickten.

„Er meint, es ist eine gute Waffe“, übersetzte Chavez nun die Worte des Anführers, nachdem dieser ein paar Worte gesagt hatte. „Wir sollen mit ins Lager kommen, damit er uns das Gold geben kann.“

„Das gefällt mir nicht“, meinte Evans und schaute dabei kurz zu Nolan. „Warum schließen wir das Geschäft nicht gleich hier ab?“

„Wir sollten besser tun, was Mow-way uns vorschlägt“, sagte Nolan. „Also folgen wir ihm. Bleibt alle ruhig, dann kann uns gar nichts passieren. Dieser Ratschlag gilt ganz besonders für dich, Ted. Hast du das verstanden?“

„Ja, Matt“, versicherte ihm Cutler sofort. Nach außen hin war er jetzt ganz ruhig und gelassen, weil er begriffen hatte, wie dieses Spiel ablief. Aber was er in Wirklichkeit dachte, das wollte er Nolan lieber nicht sagen. Cutler war klar, dass die Comanchen in der Überzahl waren und dass er und seine Kumpane nicht den Hauch einer Chance hatten, wenn es jetzt zum Kampf kommen sollte. Aber wenn sie sich alle ruhig verhielten und sich nicht anmerken ließen, was sie dachten, dann konnte eigentlich nichts passieren. Zumindest hoffte Cutler das.

Wieder sagte Mow-way etwas und zeigte dabei in Richtung Nordwesten.

„Das Lager ist nicht mehr weit entfernt“, übersetzte Chavez die Worte. „Es wird ein Fest geben, denn der Stamm hat gute Waffen bekommen. Von nun an werden die Kotsoteka unbesiegbar sein.“

Nolan erwiderte nichts darauf, sondern nickte nur. Roscoe Evans stieg wieder auf den Bock des Wagens und griff nach den Zügeln. Die Pferde setzten sich sofort wieder in Bewegung. Nolan, Chavez und Cutler ritten ebenfalls los. Die Krieger des Kotsoteka-Stammes flankierten den Wagen und die Männer, die ihn begleiteten. Für Ted Cutler sah das jedoch so aus, als würden die Krieger ihn und seine Kumpane auf Schritt und Tritt beobachteten. Er selbst hatte jedenfalls immer mehr den Eindruck, dass Mow-way und seine Krieger ihnen von Anfang an keine Wahl gelassen hatten. Was immer das auch bedeuten mochte.

Cutler drehte sich kurz im Sattel um und blickte zurück in die Richtung, aus der er und die anderen Männer gekommen waren. Irgendwo jenseits des Horizontes befand sich die Zivilisation, die ihm vertraut war. Aber sie war jetzt eine Ewigkeit entfernt!

* * *

15. März 1837

Im Lager der Kotsoteka-Comanchen

Am Nachmittag gegen 14:30 Uhr

Jane Crawford wusste, dass sie beobachtet wurde. Auch wenn sie sich innerhalb des Lagers frei bewegen konnte, so fühlte sie dennoch Dutzende von Augenpaaren auf sich gerichtet, die jede ihrer Bewegungen auf Schritt und Tritt verfolgten. Es war eine gespenstische und sehr bedrohliche Situation für sie und ihre siebenjährige Tochter Caroline. Ihr jüngstes Kind Louise war gerade mal fast vier Monate alt, und Louise begriff noch nicht, was um sie herum geschah. Aber sie schrie und weinte jetzt öfters. Vielleicht war das doch ein Zeichen für die Veränderung, die auch sie erfasst hatte.

An diesem Tag spürte Jane jedoch, dass irgendetwas anders war als sonst. Über dem gesamten Lager hatte sich eine unerklärliche Spannung ausgebreitet, und ihr war nicht entgangen, dass der Anführer mit zehn Kriegern losgeritten war. Es sah aber nicht so aus, als wenn sie auf die Jagd gehen würden, obwohl sie alle mit Lanzen, Pfeilen und Bögen bewaffnet waren. Ob sie einen weiteren Raubzug planten und wieder mit Beute und möglicherweise anderen Gefangenen zurückkehren würden? Jane wusste es nicht, aber sie beschloss, Augen und Ohren offenzuhalten, denn in ihrer Situation war es überlebenswichtig, sich rechtzeitig auf nahende Veränderungen einzustellen.

Die siebenjährige Caroline hatte es verlernt, unbeschwert und fröhlich zu sein, und zwar mit jedem weiteren Tag immer ein Stück mehr. Sie wurde von den gleichaltrigen Kindern im Stamm gemieden und schlecht behandelt, genau wie ihre Mutter. Selbst ein kleines Mädchen wie Caroline wurde sofort bestraft und geschlagen, wenn sie die Befehle von anderen Frauen nicht sofort ausführte, und Jane konnte nichts dagegen tun, weil sie selbst zu viel mit Louise zu tun hatte. Auch Jane Crawford hatte sich schon Prügel eingehandelt, wenn sie nicht schnell genug oder schlecht arbeitete. Das begann mit dem Zubereiten von Mahlzeiten und endete mit solchen Dingen wie Tipis auf- oder abzubauen. Das war bei den Comanchen Frauensache, und für Jane war das völlig ungewohnt. Ihr blieb aber nichts anderes übrig, als sich mit den veränderten Lebensgewohnheiten abzufinden, denn Caroline und Louise brauchten sie jetzt umso mehr.

Sie hatte die Blicke einiger Krieger noch in guter Erinnerung, die bei dem Überfall auf ihre Familie mit dabei gewesen waren. Einer der Comanchen hatte versucht, ihr Louise zu entreißen. Seine Blicke waren eindeutig gewesen. In seinen Augen hatten sich nur Hass und Gewalt widergespiegelt, und es bedurfte keiner großen Phantasie, um sich vorzustellen, was der Comanche mit Louise vorgehabt hätte, wenn Jane nicht eingeschritten wäre. Mutig und tapfer hatte sie sich dem Krieger entgegengestellt und ihn angeschrien, wohlwissend, dass sie für dieses Verhalten eigentlich hätte umgebracht werden können.⁠1

Der Comanche war im ersten Moment überrascht gewesen, aber wer weiß, was geschehen wäre, wenn der Anführer dieser Kriegerbande ihn nicht gestoppt hätte. Wenn man so wollte, verdankten ihm Jane Crawford und ihre beiden Kinder ihr Leben. Trotzdem änderte das nichts an der ausweglosen Situation, in der sie sich befand. Vor einigen Wochen war sie mitten aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen und ihre Familie grausam ermordet worden. Aber die Zeit hier im Lager der Comanchen kam ihr vor wie in einer anderen Welt. Manchmal träumte sie nachts noch von dem blutigen Überfall, und dann weinte sie leise vor sich hin. In der Hoffnung, dass es Caroline nicht bemerkte, denn auch sie musste jetzt sehr tapfer sein, sonst würde sie es nicht schaffen, am Leben zu bleiben.

Ihr Gedanken brachen plötzlich ab, als sie draußen vor dem Tipi laute Stimmen hörte. Sie hielt in ihrer Arbeit inne, erhob sich und sah, dass auch Caroline bemerkt hatte, dass die anderen Stammesmitglieder auf einmal sehr laut waren. Die kleine Louise hatte von all dem noch nichts mitbekommen, denn sie schlief tief und fest auf einem Lager aus Fellen. Das konnte sich aber jeden Augenblick ändern.

„Ma, was ist da draußen?“, fragte Caroline mit ängstlicher Stimme.

„Ich weiß es nicht, Kind“, erwiderte Jane. „Ich schaue nach. Bleib hier und warte, bis ich wieder zurück bin. Schau inzwischen nach Louise. Hast du verstanden?“

Caroline nickte, und ihre Mutter verließ das Tipi. Sie kam jedoch nur wenige Schritte weit. Dann stellten sich ihr drei Frauen in den Weg und redeten mit drohenden Gebärden auf sie ein. Jane verstand kein Wort, aber die Blicke und Gesten waren eindeutig, und als sie nicht schnell genug reagierte, kam eine der Frauen auf sie zu und versetzte Jane einen Schlag ins Gesicht, der sie erschrocken aufschreien ließ. Ihre Unterlippe platzte auf, und Blut trat hervor, während die Comanchenfrau weiterhin die rechte Faust zu einem weiteren Schlag erhoben hatte. Dazu kam es aber zum Glück nicht, weil Jane diese Drohung verstanden hatte. Sie ging wieder zum Tipi zurück, wischte sich kurz das Blut von der Unterlippe und verschwand im Inneren.

„Was haben diese bösen Leute getan, Ma?“, fragte Caroline mit zitternder Stimme. „Du blutest ja!“

„Es ist nicht schlimm, Caroline“, sagte Jane. „Es tut auch nicht mehr weh. Wir müssen im Tipi bleiben. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber wir müssen das jetzt tun.“ Sie wollte noch mehr sagen, brach dann aber als, als sie hörte, wie sich die kleine Louise mit einem Wimmern bemerkbar machte. Und dann fing sie an zu schreien.

Jane wandte sich jetzt sofort dem kleinen Mädchen zu, hob es vom Felllager hoch und wiegte es sanft in den Armen, während sie beruhigende Worte von sich gab. In diesem Moment kam eine der Comanchenfrauen ins Zelt, vermutlich deswegen, weil man das Schreien des Kindes draußen auch gehört hatte. Sie blickte nur ganz kurz zu Jane und vollzog mit der rechten Hand eine waagrechte Bewegung über ihre Kehle. Jane wusste, was das bedeutete, und betete inständig im Stillen, dass Louise jetzt wieder still wurde. Und das geschah dann zum Glück auch. Aus dem Geschrei wurde ein Wimmern, und dann war das Kind ganz still, schien sogar wieder eingeschlafen zu sein.

Der Blick der Comanchenfrau war aber noch immer sehr feindlich und drohend, sodass Jane wusste, welches Schicksal ihr blühte. Aber warum in aller Welt musste die kleine Louise jetzt so ruhig bleiben? Es sah fast so aus, als wenn niemand etwas davon wissen sollte, dass sie mit ihren beiden Kindern hier war. Aber der Stamm weiß das doch, kam ihr der logische Gedanken nur wenige Sekunden später. Dann bedeutet das nichts anderes, als dass sich jemand dem Lager nähert. Jemand, der das nicht wissen darf!

„Ma, da kommen Leute ins Lager!“, riss Jane die Stimme ihrer Tochter aus den Gedanken. „Sie haben einen Wagen dabei!“

Jane legte Louise ganz vorsichtig wieder aufs Lager zurück. Sie war tatsächlich eingeschlafen. Deshalb riskierte sie jetzt einen Blick aus dem Tipi und bekam so mit, wie der Kriegertrupp, der vor einiger Zeit das Lager verlassen hatte, jetzt zurückkehrte. Sie waren aber nicht allein gekommen, sondern vier Weiße befanden sich bei ihnen. Einer saß auf dem Bock des Pritschenwagens und lenkte das Pferdegespann, während die anderen drei Männer neben dem Wagen ritten.

„Wollen uns die Männer hier rausholen, Ma?“, fragte Caroline sofort, weil ihr natürlich auch ein solcher Gedanke beim Anblick der Neuankömmlinge durch den Kopf gegangen war. „Sie sind doch deswegen hier, oder? Endlich ...“

„Ich glaube nicht, Caroline“, fiel ihr Jane ins Wort, als sie bemerkte, dass der Anführer des Kriegertrupps einige Befehle erteilte, denen die vier Weißen Folge leisten mussten. Das Ganze wirkte sehr bedrohlich auf sie, und Jane hatte den Eindruck, als wenn die Männer etwas eingeschüchtert waren.

Sie entluden nun den Pritschenwagen. Es waren längliche Kisten, die sie nun auf dem Boden neben dem Wagen abstellten. Sind das Händler?, dachte Jane verwundert. Aber es heißt doch, dass niemand mit Indianern handeln darf. Was ist in den Kisten?

Nur wenige Augenblicke später wurde aus dem Anfangsverdacht eine schreckliche Gewissheit. In den Kisten befanden sich Rifles, die für die Comanchen bestimmt waren. Triumphierende Kriegsschreie waren zu hören, als der Anführer Mow-way eine dieser Waffen hochhob und sie seinem Stamm präsentierte. Was er sagte, konnte Jane zwar nicht verstehen, aber die Gesten waren eindeutig.

Caroline begriff jedoch noch nicht, auf was das Ganze hinauslief. Ehe sie ihre Mutter daran hindern konnte, war das Mädchen auch aus dem Tipi gekommen und wollte zu dem Wagen laufen, wo sich die weißen Männer befanden.

„Nehmt uns mit! Bitte!“

Sie rief so laut, dass es jeder der anwesenden Comanchen bemerkte. Und das entging natürlich den Waffenhändlern auch nicht.

* * *

15. März 1837

Im Lager der Kotsoteka-Comanchen

Am Nachmittag gegen 15:30 Uhr

Ted Cutler wurde zusehends nervöser, weil er sich von Dutzenden Comanchen umringt fühlte. Er hatte bis jetzt vierzig Krieger gezählt, die sich rund um den Pritschenwagen aufhielten und ungeduldig abgewartet hatten, bis die Kisten entladen wurden. Als Mow-way dann voller Stolz und Triumph die Rifle seinem Stamm präsentierte, war der Jubel so groß, dass es in Cutlers Ohren widerhallte.

Ab und zu schaute er zu Matt Nolan, Roscoe Evans und dem Mexikaner Felipe Chavez, aber die schienen im Gegensatz zu Cutler gar keine Probleme damit zu haben, dass sie von einer vielfachen Zahl an Kriegern umgeben waren. Cutler kam sich aber so vor wie im Netz einer gewaltigen Spinne, aus dem er sich mit eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Feine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet, während die Indianer nun alle Rifles an sich nahmen. Es gab ein großes Gedränge bei den Kisten, und keiner achtete für einen kurzen Moment auf die vier Männer, die die Waffen gebracht hatten.

Ausgerechnet in diesem Moment erklang von einem der Tipis auf einmal eine helle Stimme: „Nehmt uns mit! Bitte!“

Im ersten Moment glaubte Cutler, geträumt haben, weil es Worte in Englisch waren, und sie kamen von einem Kind! Er blickte in die betreffende Richtung und sah ein Mädchen aus einem der Tipis kommen, und eine weiße Frau eilte Sekunden später auf sie zu, packte sie an beiden Armen und zog sie wieder zurück ins Zelt. Das Mädchen protestierte heftig dagegen und schrie noch einmal um Hilfe, weil sie wohl dachte, dass die vier Männer ihm und ihrer Mutter helfen würden.

Das Jubelgeschrei der Comanchen verstummte auf einmal, praktisch von einer Sekunde zur anderen. Wütende Blicke richteten sich auf die weiße Frau und das Mädchen, und zwei Krieger rannten sofort auf das Tipi zu. Sie schrien die Frau an und drohten ihr mit den Fäusten. Das schüchterte die Frau so sehr ein, dass sie sich sofort wieder ins Tipi verzog. Aber leider zu spät. Cutler und seine Kumpane hatten bemerkt, dass hier im Stamm eine weiße Frau mit ihrer Tochter lebte. Und im Tipi weinte jetzt ein Baby. Also waren sie vermutlich zu dritt.

Dutzende von Gedanken gingen Ted Cutler innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf. Natürlich wusste er, dass die Comanchen auch schon weiße Frauen und Kinder entführt hatten und dass viele von ihnen in der Weite der Comancheria einfach verschwunden waren und höchstwahrscheinlich niemals wieder zu ihren Familien zurückkehren würden.

„Habt ihr das gesehen?“, wandte sich Cutler an seine Kumpane. „Was sollen wir jetzt tun, Matt?“

„Halt den Mund, Ted!“, unterbrach ihn Nolan stirnrunzelnd, während er zu dem Mexikaner schaute, der ebenso überrascht war.

„Sie trägt noch keine Indianerkleidung“, fuhr Cutler fort. „Das heißt, dass sie und das Kind noch nicht lange hier sind.“

„Herrgott, Ted!“, erwiderte Nolan mit gepresster Stimme. „Ich habe dir doch gesagt, dass du die Schnauze halten sollst. Überlass das Denken lieber denen, die was davon verstehen!“

Sein Ton war so scharf, dass das auch den umstehenden Comanchenkriegern nicht entging. Unruhe entstand am Wagen, und einige Stammesangehörige riefen Mow-way etwas zu, das alles andere als freundlich klang.

„Was ist los, Felipe?“, fragte Nolan, dem auch nicht entgangen war, dass sich die Stimmung gedreht hatte.

„Es könnte Ärger geben, Matt“, antwortete der Mexikaner. „Die Krieger wollen nicht, dass wir wieder wegreiten.“

„Wie bitte?“, entfuhr es Nolan. „Rede mit Mow-way, Felipe. Nun mach schon! Wir haben uns auf sein Wort verlassen, dass wir das Gold bekommen, nachdem wir die Rifles und die Kugeln mit dem Pulver geliefert haben. Sag ihm, dass uns nicht interessiert, ob sich hier andere Weiße im Lager befinden. Wir sind hier, um Geschäfte zu machen. Jetzt beeil dich, verdammt!“

Seine Stimme klang hitzig, und das war Mow-way natürlich nicht entgangen. In seinen Augen blitzte es kurz wütend auf, aber er blieb ruhig und wartete erst einmal ab, was Chavez zu sagen hatte. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Der Tonfall war entsprechend gereizt, und was er dem Mexikaner dann zu sagen hatte, war alles andere als erfreulich.