The Brooklyn Years - Wonach wir uns sehnen - Sarina Bowen - E-Book

The Brooklyn Years - Wonach wir uns sehnen E-Book

Sarina Bowen

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Beschreibung

Sich in ihn zu verlieben stand nicht auf ihrer Liste

Am Vorabend ihres dreißigsten Geburtstags beschließt Sportagentin Bess Beringer, ihr Leben zu verändern. Bewaffnet mit einem Fünfjahresplan will sie die Liebe mit der gleichen Zielstrebigkeit angehen wie die Arbeit in ihrer erfolgreichen Agentur. Doch dann macht ihr Mark "Tank" Tankiewicz, der große, gut aussehende Eishockeyspieler, der vor Kurzem zu den Brooklyn Bruisers gewechselt ist, einen Strich durch die Rechnung. Die beiden hatten vor Jahren eine heiße Affäre, und die alte Anziehungskraft ist mit einem Schlag wieder da - aber Tank ist nicht an etwas Festem interessiert. Eigentlich müsste Bess es besser wissen, als sich auf ihn einzulassen ...

"THE BROOKLYN YEARS ist der perfekte Sports-Romance-Mix: charmante Eishockey-Hotties, prickelnde Momente und spritzige Dialoge - diese Feelgood-Reihe macht hochgradig süchtig." SPARKLESANDHERBOOKS

Band 7 der Sports-Romance-Reihe THE BROOKLYN YEARS von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Sarina Bowen

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Seitenzahl: 417

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

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Die Autorin

Die Romane von Sarina Bowen bei LYX

Impressum

SARINA BOWEN

The Brooklyn Years

WONACH WIR UNS SEHNEN

Roman

Ins Deutsche übertragen von Wiebke Pilz und Nina Restemeier

ZU DIESEM BUCH

Bess Beringer ist endlich am Ziel angelangt: Sie hat eine erfolgreiche Sportagentur gegründet und sogar einige Spieler der Brooklyn Bruisers unter Vertrag genommen. Doch als ihr dreißigster Geburtstag näher rückt, merkt sie, dass ihr etwas fehlt. Sie sehnt sich nach einem Partner, jemandem, mit dem sie ihr Leben teilen und eine Familie gründen kann. Deshalb beschließt sie, ihr Liebesleben mit der gleichen Zielstrebigkeit anzugehen wie ihren Job, und erstellt einen Fünfjahresplan. Ausgerechnet da tritt Mark »Tank« Tankiewicz wieder in ihr Leben – der definitiv nicht auf ihrer Liste stand. Mit dem gut aussehenden Neuzugang der Brooklyn Bruisers hatte Bess zu Beginn ihrer Karrieren eine kurze, aber heiße Affäre. Zwar lässt Tank selbst nach all den Jahren ihr Herz noch gefährlich schnell schlagen, aber er hat eine schlimme Trennung hinter sich und ist nicht an etwas Festem interessiert. Eigentlich müsste Bess es besser wissen, als sich auf ihn einzulassen, doch das Herz hält sich an keinen Plan …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

1

Bess

Cinderella steigt in eine Limousine

September

Als die schwarze Limousine vor mir anhält, spüre ich eine vertraute Spannung direkt hinter dem Brustbein.

Limousinen haben immer diese Wirkung auf mich. Das Gleiche passiert in teuren Hotels und edlen Restaurants. Für einen Moment habe ich das Gefühl, es handele sich um einen Irrtum – und dieses Mädchen von der falschen Seite Detroits gehöre nicht hierher.

Als sich die Fahrertür öffnet, erwarte ich beinahe, dass einer von Cinderellas Dienern aussteigt. Aber es ist nur Duff, der Bodyguard meiner Freundin Alexandra. »Hey, Bess! Wie geht’s Ihnen?«

»Super, Duff. Die Tür kriege ich aber auch selbst auf.«

»Ich mache nur meinen Job«, sagt er und ist schon halb um die Motorhaube des Wagens herumgekommen. Er entriegelt die Tür mit einem Transponder und öffnet sie schwungvoll. »Schönen Freitag.«

»Ihnen auch. Danke, dass Sie mich abgeholt haben«, sage ich und steige in den schnittigen Wagen.

»Die Freude ist ganz unsererseits«, sagt Alex, die mir von einer der beiden langen Ledersitzbänke zuwinkt. Ihre zehn Monate alte Tochter Rosie sitzt angeschnallt in einem Kindersitz. Als sie mich sieht, brabbelt sie zur Begrüßung und streckt mir ihre kurzen Ärmchen entgegen.

»Hallo, meine Hübsche«, gurre ich und setze mich ihr gegenüber. »Wie geht es euch?«

»Uns geht es gut«, sagt Alex. »Abgesehen davon, dass eine von uns zahnt. Pass auf das schöne Kleid auf, wenn du sie auf der Party hältst.«

»Ach, was ist schon ein bisschen Sabber unter Freunden?« Ich schaue auf mein Sommerkleid und frage mich, ob ich nicht doch lieber eine Jeans hätte anziehen sollen. Die Party findet in einem Garten statt. Dem Garten eines Milliardärs. Ich mache mich nie schick, aber meine Schwägerin Zara hat mich überredet, dieses Kleid zu kaufen, und es wäre ein Verbrechen, es im Schrank verschimmeln zu lassen.

Alex trägt auch ein schönes Outfit – einen fließenden Rock und ein passendes schickes Oberteil. Sie sieht immer aus wie aus Reich und Schön. Was wohl daran liegt, dass sie reich und schön ist. Wenn wir die Cinderella-Metapher noch ein wenig weiterspinnen, ist Alex die Prinzessin, die an elegante Kleider gewöhnt ist, und ich bin das Bauernmädchen, das ihr Leben lang nur Lumpen getragen hat, bevor sie durch das Königreich reiste, um ihr Glück unter Rittern und Räubern zu machen.

Rosie beschwert sich leise, also nehme ich ihre kleine Hand und streichele mit dem Daumen ihr pummeliges Handgelenk.

Ehrlich gesagt beneide ich Alex viel mehr um ihr Baby als um ihren Mercedes. Ich will unbedingt mit der Kleinen kuscheln. Allerdings wäre es sehr unhöflich, ein Kind aus seinem sicheren Kindersitz zu nehmen, nur um das eigene hormongesteuerte Babykuschelbedürfnis zu befriedigen. Deshalb muss ich mich damit begnügen, Rosies Hand zu halten und ihr tief in die braunen Augen zu schauen.

»Ich will alles wissen«, sagt Alex. »Wie war dein Urlaub? Wie war es in Vermont? Warst du wirklich zehn Tage lang offline?«

»Absolut. Und es war ungefähr genauso seltsam, wie man erwarten würde.«

»Hattest du Entzugserscheinungen?« Alex ringt die Hände.

Ich kneife die Augen zusammen. »Du weißt schon, dass ich nur offline war, oder? Ich war nicht heimlich in der Suchtklinik.«

Sie lacht. »Ich weiß. Aber zehn Tage auf mein Smartphone zu verzichten, wäre eine echte Herausforderung für mich. Und mir gefällt nicht, was das über mich aussagt. Schließlich würde die Welt nicht untergehen, wenn ich mal ein paar Tage nicht erreichbar wäre.«

»Geht mir ähnlich. Ich kam mir immer total dämlich vor, wenn ich vergeblich nach meinem Handy gegriffen habe.«

Allerdings leitet Alex auch ein milliardenschweres IT-Unternehmen mit über tausend Angestellten, die sich auf sie verlassen. Im Gegensatz dazu besteht meine Firma aus zwei Personen – mir selbst und Alex’ Freund Eric Bayer. Aber da meine fünfunddreißig Klienten daran gewöhnt sind, Tag und Nacht anrufen zu können, fühlt es sich nach mehr an.

Deshalb hat Eric mich aufgefordert, im Urlaub für eine ganze Woche offline zu gehen. »Du hast mich angestellt, damit du ab und an mal abschalten kannst«, hatte er gesagt. »Worauf wartest du noch?«

Und weil er recht hatte, buchte ich meinen Urlaub und ließ mein Smartphone zu Hause.

Mir gegenüber brabbelt das Baby, und ich brauche keinen Übersetzer, um es zu verstehen. Bitte nimm mich aus diesem fiesen Fünf-Punkt-Gurt. Und als ich keine Anstalten mache, die Kleine zu befreien, beschwert sie sich lauthals.

»Nur noch ein paar Blocks«, sagt Alex und streichelt ihrer Tochter über die flaumigen Haare. »Dann treffen wir Daddy, und du kannst im Gras herumkrabbeln.«

»Apropos Daddy«, sage ich. »Wo stecken Eric und Dave überhaupt?«

»Eric und dein Bruder haben früh Feierabend gemacht und sind schon zur Party gegangen. Wir treffen uns dort.«

»Okay.« Ich zögere. »Also, du, äh, hast mein Handy nicht, oder?«

»Nö!«, sagt Alex fröhlich. »Du musst noch fünf Minuten warten, bis du dein Schätzchen zurückbekommst. Aber ich soll dir das hier von Eric geben.« Sie greift in ihre Laptoptasche und zieht einen großen beigen Umschlag heraus. FÜR BESS, steht darauf. Gesammelte Notfälle. Erst nach der Party öffnen! Nicht schummeln! Wir haben eine Abmachung.

Ich drücke den Umschlag zusammen und stelle fest, dass er ziemlich dick ist. Ich lege ihn neben mich, während die Limo sich im Schneckentempo durch den Verkehr schiebt.

Ich halte es tatsächlich zehn Sekunden aus, dann schnappe ich mir den Umschlag, schiebe den Finger unter die Klappe und reiße ihn auf.

»Oh oh«, sagt Alex. »Ich dachte, du solltest nicht …«

»Psst!«, zische ich. »Verpfeif mich nicht, okay? Mädchenkodex.« Ich ziehe die Seiten aus dem Umschlag. Auf der obersten steht: ERWISCHT! Und als ich die nächste aufblättere, lese ich: ES GAB GAR KEINE NOTFÄLLE. Und auf der darunter: JETZT MUSST DU MICH ZU SUSHI EINLADEN.

»Verdammt!«, quietsche ich. »Dein Mann ist so ein Schweinepriester!«

»Was hat er … Oh Gott.« Alex hält sich die Hand vor den Mund und lacht. »Tut mir leid. Das ist echt fies.«

»Er hat mich reingelegt«, stammele ich. »Vor Gericht hätte er damit keine Chance.«

»Oh, Bess«, sagt Alex. »Hast du das nicht kommen sehen?«

Wütend lasse ich den Umschlag auf den Ledersitz fallen. »Das ist einfach gemein. Ich habe im Urlaub kein einziges Mal geschummelt. Ich habe meine E-Mails nicht abgerufen und keine Eishockeynachrichten gelesen.«

Zum ersten Mal, seit ich vor sechs Jahren mein Unternehmen gegründet habe, habe ich alles hinter mir gelassen und meinen Bruder und meine Schwägerin in Vermont besucht. Es war an der Zeit, einige Veränderungen in meinem Leben vorzunehmen, und der Urlaub war der erste symbolische Schritt.

Alex schnappt sich den Umschlag und stopft ihn zurück in ihre Tasche. Dann holt sie ihr Smartphone heraus. »Ich texte ihm, dass wir fast da sind. Und auch – als Schiedsrichterin –, dass ich das für unlauteren Wettbewerb halte.«

»Total unlauter«, schmolle ich.

Sie steckt das Telefon weg und lächelt mich an. »Sei Eric nicht böse. Er ist auf deiner Seite.«

»Ich weiß«, gebe ich zu. »Und man kriegt zwar den Kerl aus der Umkleide, die Umkleide aber nicht aus dem Kerl.« Im Profisport ist Streichespielen eine der grundlegenden Fähigkeiten.

»Eric wird es wiedergutmachen müssen. Er soll dir etwas Ausgefallenes zum Geburtstag schenken. Hast du morgen etwas Besonderes vor?«

Mein Geburtstag. Die große Drei-Null. Ehrlich gesagt, will ich gar nicht daran denken. »Mein Bruder führt mich zum Essen aus. Und am nächsten Tag fährt er zurück nach Vermont.«

»Dave soll dich in ein Musical einladen«, schlägt Alex vor. »The Book of Mormon ist lustig.«

Ich lache laut auf. »Kannst du dir vorstellen, dass sich mein Bruder freiwillig ein Musical anschaut?«

»Dann solltest du ihn erst recht fragen. Es ist immerhin dein erster Geburtstag in New York!«

Das stimmt nicht. Und das ist der andere Grund, warum ich nicht darüber nachdenken will. Nach dem College lebte ich drei Jahre in Manhattan, bevor ich zurück nach Detroit zog, um mein Unternehmen zu gründen.

Einen Monat nachdem ich meine Karriere als Sportagentin in New York begonnen hatte, war ich einundzwanzig geworden. Der Abend meines Geburtstags war unerwartet magisch. Sie begann mit einem Geschäftsessen und endete in den muskulösen Armen eines attraktiven Fremden.

An meinem Geburtstag denke ich immer an diese Nacht, aber in diesem Jahr verfolgt mich die Erinnerung geradezu. Ich werde dreißig, bin immer noch Single und wage einen Neubeginn in New York. Wahrscheinlich macht mich das besonders wehmütig. Mit einundzwanzig blickte ich optimistisch und mit leuchtenden Augen in die Zukunft. Ich war überzeugt, dass mein Leben für immer aus schicken Abendessen und leidenschaftlichen Küssen bestehen würde. Die schicken Abendessen gibt es immer noch. Ich bin auf dem Weg zu der Gartenparty eines Milliardärs. Mein Leben ist fantastisch.

Aber die Leidenschaft? Die hat sich als kurzlebig erwiesen.

Daran arbeite ich, versichere ich mir selbst. Ich habe bereits einige Änderungen vorgenommen. Für den Anfang bin ich nach Brooklyn gezogen und habe Eric eingestellt.

Die weiteren Veränderungen sind nicht so einfach zu bewerkstelligen. Mein Unternehmen floriert, aber mein Privatleben verkümmert. Deshalb habe ich in meinem Urlaub einen neuen Fünfjahresplan für mein Leben entwickelt. Er hat ein Inhaltsverzeichnis und ist farblich gekennzeichnet. Ich bin bereit.

»Wir sind da, Ladys!«, sagt Duff vom Fahrersitz aus. Er hält vor der Villa der Kattenbergers am Pierrepont Place.

Sofort öffnet Eric Bayer die Tür der Limousine, beugt sich hinein und lächelt uns an. »Hey! Alle meine Lieblingsfrauen auf einem Haufen.«

Bei seinem Anblick zappelt Rosie vor Freude.

»Schau an, Mister Beliebt«, schnaubt Alex. Sie öffnet den Sicherheitsgurt ihrer Tochter.

»Bei mir ist er nicht so beliebt«, grummele ich, nehme aber trotzdem Erics Hand und erlaube ihm, mir auf den Bürgersteig zu helfen.

»Du bist drauf reingefallen, stimmt’s?« Er lacht schadenfroh.

»Das war unfair«, beschwere ich mich.

Er lacht, nimmt Alex die Kleine ab und hebt sie in die Luft, und sie schenkt ihm ein pausbäckiges Lächeln.

»Na klar«, sagt Alex. »Ihn lächelst du so lieb an.«

Und ich schmelze dahin. Eric dabei zuzusehen, wie er mit seinem Kind spielt, haut mich jedes Mal um. Bei meinem Bruder und meiner Nichte ist es genauso. Eigentlich bin ich nicht nah am Wasser gebaut, aber wenn Rosie Eric anlächelt oder Nicole Dave, kommen mir fast immer die Tränen.

Mit dem Alter wird man wohl emotional. Na toll.

»Ich nehme sie«, bietet Alex an. »Ihr zwei habt einiges nachzuholen. Ich suche Nate und sage Hallo.«

Eric küsst erst seine Freundin Alex und das Baby. Dann wendet er sich mir zu. »Willkommen zu Hause, Bessie. Du siehst übrigens toll aus. Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt.«

»Warum? Weil ich mal kein Handy vor der Nase habe? Apropos, krieg ich es endlich wieder?«

»Nein, weil du ein Kleid trägst. Hammer.«

»Ach, hör doch auf.« Ich spüre die Hitze auf meinen Wangen, als ich unwillkürlich einen Blick auf das blaue Batikkleid werfe. Zara hat mich quasi gezwungen, es anzuprobieren, als wir letzte Woche in Montreal shoppen waren. »Hör auf, Kleider für deine zweijährige Nichte zu kaufen, und gönn dir selbst mal eins«, hatte sie gesagt. »Mein Kind hat genug schicke Sachen, um die Königin zu treffen. Aber du trägst immer dasselbe Red-Wings-T-Shirt.«

Damit hatte sie nicht unrecht. Aber ich stehe nicht gern im Mittelpunkt.

»Der Look steht dir«, sagt Eric. »Und herzlichen Glückwunsch, dass du mal zehn Tage nicht im Büro warst. Bist du sicher, dass du nicht lieber elf Tage draus machen willst? Abgesehen von dem kleinen Ausrutscher vorhin hast du dich tapfer geschlagen.«

»Das war kein Ausrutscher! Du hast mit unfairen Methoden gespielt. Jetzt mach schon und gib mir mein Handy wieder. Und erzähl mir, was ich verpasst habe. Ist es möglich, dass keiner meiner Spieler in meiner Abwesenheit verkauft, verletzt oder verhaftet worden ist?«

Er lacht. »Glaubst du, das würde ich dir verheimlichen?«

»Nein. Aber es ist schon erstaunlich, wie ruhig es war.« Sonst gibt es jede Woche irgendeinen Aufruhr oder Nervenzusammenbruch. Es ist, als müsste ich auf fünfunddreißig überdrehte Kinder aufpassen. Irgendjemand macht immer etwas kaputt.

»Niemand wurde verhaftet. Aber Nifty Silva ist mit der Stadt Buckhead in Georgia aneinandergeraten.«

Ich erstarre. »Oh mein Gott. Was hat er angestellt? Warum hast du mich nicht angerufen?«

»Weil ich es geregelt habe.« Eric lacht. »Und ich habe jede Minute genossen. Nifty hat Überziehungsgebühren der örtlichen Bibliothek in Höhe von achtzehnhundert Dollar nicht bezahlt. Rate mal, warum.«

»Warum?«, keuche ich. »Der Typ verdient fünf Millionen im Jahr.«

Eric lacht in sich hinein. »Vor fünf Jahren hat er sich Feld der Träume auf DVD ausgeliehen. So wie es aussieht, berechnen die Bibliothekare in Buckhead einen Dollar Strafe pro Tag.«

»Und er war zu sehr damit beschäftigt, Rekorde auf dem echten Baseballfeld aufzustellen, um einen verdammten Film zurückzugeben?« Also ehrlich, manchmal komme ich mir vor wie eine Kindergärtnerin, ich verdiene bloß mehr.

»Nicht ganz. Nachdem er den Film gesehen hat, gelang ihm sein erster No-Hitter. Also hat er den Film …«

»… nicht zurückgegeben. Verstehe. Er ist ein abergläubischer Irrer. Also, wie können wir das ausbügeln? Hat die Presse schon Wind davon bekommen?«

»Das war zu erwarten. Er hat in Panik im Büro angerufen. Aber ich habe es geregelt, Bess. Ich habe mich nett mit den Bibliothekarinnen unterhalten und ihnen gesagt, dass Nifty für jeden Dollar seiner Schulden zehn Dollar spenden wird, und ihnen vorgeschlagen, die Strafe weiterlaufen zu lassen.«

»Oh, Eric!« Ich muss lachen. »Das ist perfekt. Genauso hätte ich es auch gemacht.«

Er gibt mir einen Hüftcheck auf dem Bürgersteig. »Ich weiß, Boss. Und ich hatte sehr viel Spaß, mich mit der Bibliothekarin mit diesem süßen Südstaatenakzent zu unterhalten. Es ist also alles gut.«

»Danke«, sage ich, als wir um Nates und Beccas Villa herumgehen. Sie sind meine einzigen Bekannten in New York, die eine große Gartenparty schmeißen können. Weil sie die Einzigen mit einem großen Garten sind. »Danke, dass ich mir so lange freinehmen konnte.«

»Kein Ding«, sagt er. »Alle machen ständig Urlaub. Gewöhn dich ruhig dran.«

Ich frage mich, ob ich das jemals schaffe. Meine Kindheit war voller Gefahren. Dave und ich waren zu sehr damit beschäftigt, den Fäusten meines Vaters auszuweichen, um zu bemerken, dass niemand je mit uns nach Disneyland fuhr. Oder zum Zelten. Oder irgendwohin, wo Familien so hinfahren. Die Sommerferien bedeuteten zu viel Zeit mit unserem wütenden Vater.

Auf dem College war es besser. Doch ich musste zu viel arbeiten, als dass ich mich hätte entspannen können. Und nach dem Abschluss hielt mich mein Traumjob auf Trab. Woran sich bis heute nichts geändert hat.

»Und sonst?«, frage ich Eric. »Gab es noch andere komische Anrufe?«

»Da ist dieser Rookie, der gerade in Ottawa im Trainingscamp angekommen ist. Rollins?«

»Ja?« Mein Blutdruck schnellt in die Höhe. »Geht es ihm gut?«

»Ihm geht es gut«, erwidert Eric schnell. »Aber in seiner ersten Nacht hat er Panik bekommen. Er hat sich aus seiner neuen Wohnung ausgesperrt und wusste nicht, was er tun sollte.«

»Oh.« Rollins ist erst neunzehn. Er kommt aus einer Stadt in Kanada, in der es mehr Kühe gibt als Menschen. »Hast du ihm einen Schlüsseldienst geschickt?«

»Natürlich. Ich war an dem Abend mit dem Baby zu Hause und habe durch die Kanäle gezappt, als er anrief. Ich habe mir Ohrstöpsel reingesteckt, mich mit dem Baby in den Schaukelstuhl gesetzt und anderthalb Stunden mit dem Rookie gesprochen, während er auf den Schlüsseldienst wartete. Der Junge brauchte einfach jemanden, der ihm versicherte, dass alles wieder gut wird.«

»Wow. Danke. Du hast was gut bei mir.«

»Das war super, Bess. Es hat mir gezeigt, wofür dieser Job gut ist. Das Aushandeln der Verträge ist nur die halbe Miete. Er ist ein Kind in einer fremden Stadt, und ich hatte ganz vergessen, wie das ist. Er kann nur zwei Sachen kochen: Spiegeleier und Spaghetti.«

»Herrje. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, sorge ich dafür, dass er einen Salat isst. Sonst noch was? Irgendwelcher Klatsch? Wenn nicht, höre ich wohl ein Glas Sangria meinen Namen rufen.« Rebecca Rowley-Kattenberger, die neue Eignerin der Brooklyn Bruisers, macht eine tolle Sangria.

»Oh, da gäbe es etwas.« Eric lacht in sich hinein, als er mir endlich mein Smartphone wiedergibt.

»Was denn?«, frage ich und streichele das Telefon wie einen lange vermissten Liebsten.

»Das musst du schon selbst herausfinden.« Er öffnet das Gartentor und bedeutet mir, voranzugehen.

2

Tank

Im Garten des Milliardärs

Puckrakers Blog: Transfer News

Ein mürrischer Dallas-Spieler hat Brooklyn gerade noch gefehlt

Die Fans der Brooklyn Bruisers kratzen sich dieser Tage am Kopf, seitdem bekannt wurde, dass Mark »Tank« Tankiewicz von Dallas nach Dumbo wechselt. Auch wenn die Mannschaft Verstärkung in der Abwehr dringend nötig hat, ist Tankiewicz eine teure Wahl.

Einerseits ist es ganz schön raffiniert, einen Spieler abzuwerben, der im letzten Jahr dazu beigetragen hat, Brooklyns Meisterschaft zu vereiteln. (Und die weiblichen Fans dürfte es freuen: Tankiewicz wirbt für Jockers-Herrenunterwäsche.)

Andererseits: Hat Tank den richtigen Charakter für diesen Job? In der letzten Saison ist er auf dem Eis so oft ausgerastet, dass die Dallas-Fans ihm den Namen Arschvoll-Tank verpasst haben.

Und Gerüchten zufolge hat er sich tatsächlich Ende der letzten Saison mit seinem Co-Kapitän geprügelt. Die Auseinandersetzung zwischen Tankiewicz und Palacio könnte der Grund für seinen plötzlichen Wechsel sein.

Die Zeit wird zeigen, ob sich die riskante Investition für Brooklyn auszahlt.

Es bleibt jedenfalls spannend.

»Willkommen in Brooklyn.« Die Yogalehrerin des Teams gibt mir die Hand.

»Vielen Dank. Ich freue mich, hier zu sein.« Das habe ich in den letzten zehn Minuten schon zehnmal gesagt.

Arianas Grinsen verrät mir, dass sie meine Lüge durchschaut hat. »Wir haben uns heute Morgen schon beim Yoga getroffen. Du erinnerst dich bestimmt.«

»Wie könnte ich das vergessen? Meine Oberschenkelmuskeln werden dir nie verzeihen.« Ich schenke der Frau, die sich so sehr bemüht, nett zu mir zu sein, ein aufgesetztes Lächeln. Sie kann nichts dafür, dass ich bei einer Party bin, bei der ich nicht sein will, in einer Stadt, in die ich nie zurückkehren wollte.

»Ich bringe euch nicht nur drei Tage die Woche ins Schwitzen, ich bin auch die Masseurin der Mannschaft. Wir sollten uns in den nächsten Tagen mal zusammensetzen und eventuelle Muskelprobleme und mögliche Therapien besprechen.«

»Danke. Ich mache einen Termin.« Und schon gehen uns die Gesprächsthemen aus. »Das ist eine tolle Party. Eröffnet ihr die Saison immer so?«

»Jedes Jahr«, antwortet Ariana lächelnd. »Wenn ich so einen Garten hätte, würde ich auch jede Menge Partys schmeißen.«

»Ich auch. Richtig schön.« Und das ist es wirklich. Es ist ein perfekter Septemberabend, und wir stehen auf einer üppigen Rasenfläche, die an drei Seiten von hohen Mauern umgeben ist. Rosenbüsche und Efeu ranken daran hoch. An der vierten Seite steht die Villa, in der die Eignerin meiner neuen Mannschaft mit ihrem milliardenschweren Mann wohnt.

Es ist wunderschön hier, trotzdem möchte ich einfach nur nach Hause. Aber das kann ich nicht, weil ich kein Zuhause mehr habe.

Vor drei Monaten stand ich noch in meinem eigenen Garten in Texas. Die Saison war gerade mit einer unerfreulichen Niederlage gegen L. A. zu Ende gegangen. Meine dringendsten Termine waren ein Golfausflug mit meinen Teamkameraden und ein Friseurbesuch.

Und dann sagte meine Frau plötzlich: »Ich finde, du solltest ausziehen.«

Und das war noch nicht alles. Ein paar Wochen später rief mich mein Manager an. »Mark, setz dich besser. Ich muss dir was sagen. Du bist nach Brooklyn verkauft worden«, eröffnete er mir. »Jetzt steh wieder auf und pack deine Sachen.«

Der schlimmste Sommerurlaub aller Zeiten.

Patrick O’Doul, mein neuer Mannschaftskapitän, kommt dazu und legt einen Arm um Ariana. »Alles okay hier?«

»Na klar«, sagt sie. »Aber wenn du noch ein Tablett mit diesen frittierten Krebsen vorbeischweben siehst, wink es gern für mich heran.«

»Mach ich.« O’Doul umarmt sie noch ein wenig fester. Die Geste ist deutlich. Ich Tarzan. Du Arschloch. Finger weg von Jane.

Ich unterdrücke ein genervtes Stöhnen. Schon klar, Alter, Botschaft ist angekommen. Ich wusste nicht, dass die Yogalehrerin mit dem Mannschaftskapitän zusammen ist, aber ich bin nicht so ein Arsch, der sich an die Mitarbeiterinnen des Teams heranmacht.

Aber offensichtlich hat O’Doul sich längst eine Meinung über mich gebildet. Mein schlechter Ruf eilt mir voraus. Es gab garstige Artikel über mich. Die Eishockey-Blogs überschlagen sich mit Gerüchten über mein Privatleben und meinen überstürzten Wechsel nach Brooklyn.

Dass ich ausgerechnet aus Dallas komme – dem Team, das die Bruisers besonders verabscheuen –, macht es nicht besser. Nichts davon sollte eine Rolle spielen, da ich nun ein Brooklyn-Trikot trage. Aber ich habe mich noch nicht bewährt. Und wenn das Training morgen genauso beschissen läuft wie das heutige, dann weiß ich nicht, wann ich jemals die Gelegenheit dazu habe.

Die letzten drei Monate waren ein Albtraum, aus dem ich immer noch nicht aufwachen durfte. Ich weiß, ich sollte lächeln und mich einfach noch ein wenig mehr bemühen. Aber ich bin so verdammt müde. Ich wollte nie der Neue in der Stadt sein. Auch wenn diese Stadt mir streng genommen gar nicht so neu ist. Mit dreiundzwanzig bin ich zum ersten Mal am JFK aus einem Flugzeug gestiegen. Ich war Rookie bei dem Team direkt auf der anderen Seite des Flusses. Weitere Rivalen von Brooklyn. Ich habe meine gesamte Karriere bei den beiden Mannschaften verbracht, die man hier am wenigsten leiden kann.

»Hast du schon eine Wohnung?«, fragt Ariana freundlich.

»Nein«, seufze ich. »Im Moment wohne ich im Hotel. Ich wollte mich erst mal aufs Training konzentrieren, bevor ich mir Gedanken um eine feste Bleibe mache. Ich habe gehört, der Wohnungsmarkt in Brooklyn soll nicht einfach sein.«

»Das stimmt. Kennst du schon Heidi Jo?« Ariana winkt eine hübsche junge Frau heran, die auf der Party herumwuselt. »Sie arbeitet für den Geschäftsführer. Aber was noch viel wichtiger ist, sie findet für jedes Problem eine Lösung. Sie weiß bestimmt, an welchen Immobilienmakler du dich wenden musst. Heidi! Wir brauchen dich hier.«

»Ihr habt geläutet?«, fragt Heidi, als sie auf uns zugeschossen kommt. »Hey! Mark ›The Tank‹ Tankiewicz. Wir haben uns mal vor einer Ewigkeit bei einer Party meines Vaters kennengelernt.«

Jetzt, wo sie es sagt, habe ich eine vage Erinnerung an die Tochter des Ligapräsidenten. »Du warst ein Teenager«, fällt mir wieder ein. »Mit Zahnspange.«

»Okay, neue Regel.« Heidi verdreht gutmütig die Augen. »Wie wäre es damit: Du erwähnst meine peinliche Teenagerzeit nicht, und ich spreche dich nicht auf deine Karriere als Unterwäschemodel an.«

»Abgemacht«, sage ich schnell. Ich bin erst seit ein paar Tagen in Brooklyn, habe aber schon viel Gekicher über meine Werbekampagne gehört.

Heidi lächelt mich fröhlich an. »Habe ich das richtig verstanden, dass du eine Wohnung suchst?«

»Ja. Ich bin erst am Dienstag angekommen. Im Moment wohne ich im Hotel. Aber irgendwann muss ich mich darum kümmern.«

Ihre Augen leuchten. »Ich liebe Wohnungssuchen. Wenn du ganz viel Glück hast, wird im Millionärswohnheim was frei. Das ist unser Haus auf der Water Street. Manche Jungs wohnen zur Miete, andere haben Eigentumswohnungen. Es sind nur zwei Minuten Fußweg bis zur Trainingsanlage.«

»Hört sich toll an.« Ganz ehrlich, das wäre das Einzige, was mir den Umzug nach Brooklyn versüßen würde. Zu Fuß zur Arbeit gehen zu können.

»Es ist allerdings gerade ziemlich voll dort. Silas’ Freundin hat gerade Dave Beringers alte Wohnung gekauft. Die einzige andere Wohneinheit, von der ich weiß, ist leider eine Einzimmerwohnung.« Sie legt O’Doul eine Hand auf die Schulter. »Unser furchtloser Kapitän will verkaufen, weil Ariana ein Haus in Vinegar Hill hat. Auch eine schöne fußläufige Entfernung. Fünf Minuten in die andere Richtung.«

»Ich überlege zu verkaufen«, grummelt der Kapitän. »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht behalte ich die Wohnung als Kapitalanlage.«

Als ob es ihn umbringen würde, an mich zu verkaufen. Er hält meinen Wechsel für einen Riesenfehler, genau wie ich. »Gut, dann mache ich mir besser keine Hoffnungen.« Ich gebe mir keine Mühe, nicht allzu bissig zu klingen. Der Typ soll mal locker bleiben.

»Na ja«, sagt Heidi, die Hände in die Hüfte gestemmt. »Die Wohnung wäre sowieso nicht groß genug für dich und deine Frau. Wie geht es Jordanna überhaupt?«

»Du hast ein unglaubliches Namensgedächtnis«, sage ich. Es ist bestimmt fünf Jahre her, dass wir uns zuletzt begegnet sind. »Aber ich muss Jordanna in meiner neuen Wohnung keinen Platz im Schrank freihalten. Sie will sich scheiden lassen.«

»Oh«, keucht Heidi und schlägt sich eine Hand vor den Mund. »Gott, das tut mir so leid. Scheiße, nach diesem Fauxpas habe ich das Recht verwirkt, mich Südstaatenmädchen zu nennen.«

Alle lächeln, ich auch. »Das konntest du doch nicht wissen. Bis Juni wusste ich es ja selbst nicht.«

»Ach, Tank!« Sie schlingt die Arme um mich. »Das ist ja schrecklich.«

»Schon gut, ich werde es überleben.« Ich tätschele ihr unbeholfen den Rücken. Genau in diesem Moment gesellt sich Jason Castro zu unserem Grüppchen und mustert Heidi Jo und mich mit zusammengekniffenen Augen.

»Alles okay hier?«, fragt er.

Nicht schon wieder. Ich löse mich von Castros Freundin und unterdrücke einen weiteren Seufzer.

»Gar nichts ist in Ordnung«, jammert Heidi. »Ich bin in ein Fettnäpfchen getreten. Wie peinlich.«

»Das wird ein kleiner Cocktail schon wieder richten«, sagt er und reicht ihr ein Glas. »Aber pass auf. Die sind stärker, als sie aussehen.«

Sie nimmt das Glas und trinkt einen ordentlichen Schluck. »Oh, lecker.«

»Schatz …«

»Ich weiß.« Sie seufzt. »Ich vertrage so viel wie ein Kätzchen.«

»Wir haben dich trotzdem lieb«, sagt Ariana. »So, wer möchte Boccia spielen?«

»Ich!« Heidis Hand schießt in die Höhe.

»Bist du darin so gut wie in Darts?«, fragt Castro.

»Finden wir’s heraus.« Sie hakt sich mit einem Arm bei mir und mit dem anderen bei Castro unter. »Wir machen es spannend. Einen Dollar pro Punkt. Wer tritt gegen mich an?«

»Warum nicht?«, sagt Jason. »Wer braucht schon Geld?«

Sie sind echt ein süßes Paar. Sie sind jung und stehen vermutlich ganz am Anfang ihrer Beziehung. Sie wissen noch nicht, wie vergänglich Liebe sein kann. Diese ersten Jahre, in denen man einander noch nicht enttäuscht hat.

Jordanna und ich waren auch mal so. Bestimmt waren wir das, sonst hätte ich sie wohl nicht geheiratet.

Jordanna sprach als Erste aus, dass unsere Ehe am Ende war, aber ich glaube, tief im Inneren habe ich es auch gewusst. Nach dem ersten Schock war ich vor allem erleichtert. Ich bin traurig, aber immerhin muss ich sie jetzt nicht mehr ständig enttäuschen.

Und jetzt bin ich hier in Brooklyn und lasse mich zur Boccia-Bahn führen, ein Streifen Sand im gepflegten Rasen. Das Ziel beim Boccia ist es, Kugeln auf das Spielfeld zu werfen und damit so nah wie möglich an die Zielkugel zu kommen. Für einen Grummel wie mich ist es eine gute Gelegenheit, eine halbe Stunde herumzubekommen.

Ein Spiel ist gerade vorbei. Gewonnen hat Dave Beringer. Er hat vor Kurzem seine aktive Karriere bei den Brooklyn Bruisers beendet – noch ein Typ, mit dem ich die letzten zehn Jahre immer wieder aneinandergeraten bin. Anfang der letzten Saison haben wir uns auf dem Eis geprügelt, nachdem er einen meiner Mannschaftskameraden gefoult hatte. Also habe ich ihm ins Gesicht geschlagen.

Und als wäre das nicht schon unangenehm genug, hatte ich vor neun Jahren mal was mit seiner Schwester. Nicht dass ich ihm das je verraten würde.

»Hey«, sagt er steif.

»Hey«, antworte ich, weil man mir wirklich nicht vorwerfen kann, dass ich ein Charmeur bin.

Peinliches Schweigen.

»Also, passt auf.« Heidi klatscht in die Hände. »Die erste Runde ist Tank gegen Castro. Ihr kriegt jetzt eure Bälle.« Sie kichert. »Der Witz wird einfach nie langweilig.« Dann drückt sie mir einen Satz schwerer Holzkugeln in die Hand. Ihrem Freund reicht sie auch einen.

Castro wirft den Pallino, die kleine Zielkugel. Sein erster Wurf landet etwa einen halben Meter vom Ziel entfernt.

Ich weiß, das kann ich besser, also werfe ich.

Eine halbe Stunde später habe ich alle Spieler besiegt, die gegen mich angetreten sind. Ich sollte vermutlich aufgeben und mal jemand anders gewinnen lassen, aber das wäre langweilig. Und beim Boccia abzuräumen ist besser, als Small Talk machen zu müssen.

Und dann tritt Heidi auf den Plan. »Okay, Großer. Es wird Zeit, dass dich jemand in die Schranken weist.« Sie wirft eine Kugel, die genau in der Mitte landet, einen Meter nach vorn rollt und zwei Zentimeter vor dem Pallino liegen bleibt.

»Schön«, sage ich anerkennend. »Da muss ich wohl andere Saiten aufziehen.«

»Zieh nur«, knurrt sie. »Ich bin bereit.«

Ich treffe ihre Kugel und schiebe sie ein paar entscheidende Zentimeter vom Ziel weg.

»Schön, schön«, sagt sie und wedelt mit der perfekt manikürten Hand. »Aber ich kriege dich noch.« Sie macht einen weiteren genialen Wurf und schiebt meine Kugel weg.

»Yeah!«, ruft die Menge. »Zeig’s ihm.«

Als gäbe es irgendeinen Zweifel daran, wem sie die Daumen drücken. Ich wäre auch für Heidi. Sie ist der Hammer. Aber ich darf jetzt nicht nachlassen. Heidi mustert mich mit blitzenden Augen. Sie will nicht, dass ich jetzt aufgebe. Also werfe ich erneut und schiebe ihre letzte Kugel aus dem Gefahrenbereich.

Dave Beringer tritt an die Bahn und beobachtet unser Spiel.

»Weiter so, Heidi. Sonst kann er dir gefährlich werden.«

»No problemo«, sagt sie fröhlich. »Ich habe meine Bälle im Griff.« Sie zwinkert ihrem Freund zu und setzt zum dritten Wurf an.

»Ooooooh!«, macht die Menge, als die Kugel zu weit zur Seite rollt.

Sie hat nur noch einen Wurf, um den Schaden zu beheben, und er gelingt perfekt. Sie manövriert ihre Kugel wieder ganz nah ans Ziel.

»Das wird schwer!«, ruft jemand. Denn meine Chancen, doch noch zu gewinnen, schwinden.

Mein erster vorsichtiger Wurf greift zu kurz, und die Männer lachen höhnisch.

»Jaja. Einen hab ich noch.« Ich klopfe mir die Hände ab und sinne über meine Strategie nach. Ich kann nur noch gewinnen, wenn ich meine Kugel an Heidis heranrollen lasse und sie beiseiteschiebe. Verdammt.

Ich bereite mich auf einen durchdachten Wurf vor, aber als ich gerade werfen will, erscheinen rote Locken in meinem Blickfeld. Ich drehe mich um, und das ist ein Fehler. Als ich die Kugel loslasse, habe ich nicht einmal das Ziel im Auge. Denn da steht Bess Beringer – die ich seit neun Jahren nicht gesehen habe – und starrt mich an.

Die Kugel verfehlt das Ziel. Um Längen. Heidi jubelt triumphierend, alle lachen.

Aber ich kann den Blick nicht von Bess abwenden. Sie ist ein Rotschopf, wie ihr Bruder, aber ihre Haarfarbe ist nicht das einzige Bemerkenswerte an ihr. Sie hat rosige Wangen und leuchtend blaue Augen, die dir immer verraten, woran du bei ihr bist.

Und die starren mich gerade voller Verwunderung an. Es ist fast ein Jahrzehnt her, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Aber verdammt, mir kommt es vor, als wäre überhaupt keine Zeit vergangen, denn sofort sehe ich vor meinem inneren Auge, wie sie sich in meinem Bett unter mir anspannte und dem nachjagte, was wir beide suchten und zusammen immer fanden: berauschende, süße Erlösung.

Sie blinzelt mich an, als dächte sie genau das Gleiche.

»Hey, Bess!«, sagt Heidi und wischt sich die Hände ab. »Schön, dass du wieder da bist. Wie war der Urlaub?«

»Ähm …« Sie schluckt. »Schön«, sagt sie schließlich. »Toller Urlaub.«

»Hast du die Wette gewonnen? Zehn Tage ohne Handy?«

»Yep.« Sie nickt, wirft mir aber immer noch verstohlene Blicke zu.

»Kennst du Mark Tankiewicz?«, fragt Heidi. »Mark, du kennst doch bestimmt Bess Beringer, die Star-Agentin?«

Ich wende mich Bess zu, und unsere Blicke treffen sich. Ihre Verblüffung ist so greifbar, dass ich ein Lachen unterdrücken muss. Wenn die ganze Welt um uns herumsteht und zuhört, muss ich meine Worte mit Bedacht wählen.

Bess kommt mir zuvor. »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagt sie und streckt eine Hand aus.

Äh, was? Ist das ihr Ernst?

Es dauert eine Sekunde, bis ich antworte. »Gleichfalls«, sage ich und ergreife ihre Hand. Als ihre schmalen Finger in meinen landen, kann ich nicht anders. Ich streiche ihr mit dem Daumen über die Innenseite des Handgelenks. »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.«

Nun verfärben sich ihre Wangen rapide zu einem dunklen Pink, und dieser Anblick weckt einige lange verschüttete Gefühle in meiner Brust. Bess und ich hatten eine heiße Zeit miteinander. Richtig heiß. Wir waren beide jung und neu in New York und waren uns so sicher, dass das Universum uns schon alles geben würde, wonach wir verlangten. Vielleicht hat Bess es ja bekommen. Ich wünsche es ihr.

Aber kein Ehering, stellt mein Arschlochhirn fest.

Bess zieht ihre Hand aus meiner und tritt einen Schritt zurück.

»Und du bist hier in Brooklyn, weil …?«

»Verkauft«, sage ich mürrisch.

»Nach Brooklyn.« Ihre Stimme ist mir so vertraut, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft.

»Genau.« Ich lache düster. »Als ich es erfahren habe, habe ich genauso schockiert geschaut wie du gerade.« Auch alle anderen lachen, und das reißt Bess aus ihrer Erstarrung. Sie strafft den Rücken, und es ist verblüffend, wie vertraut mir sogar ihre Körperhaltung ist. Ich war schon immer fasziniert von Bess. Hinter dem niedlichen Namen und dem nymphenartigen Körper verbirgt sich ein taffes Mädchen. Sie ist ein Musterbeispiel an sexy Widersprüchen.

Als wir uns kennenlernten, war Bess neu im Geschäft, die jüngste Mitarbeiterin in Henry Kassmans Agentur. Nach einem Geschäftsessen nahm ich sie mit in mein Hotelzimmer, wo wir diesen endlosen, wilden, alles versengenden Sex hatten, den junge Leute manchmal haben, aber nur selten zu würdigen wissen.

Einige Monate lang hatten wir eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Es war magisch. Mit keiner anderen Frau hat es so gut gepasst wie mit ihr.

Sie beendete die Geschichte, ohne mir einen Grund zu nennen, und ich war nicht allzu enttäuscht darüber. Natürlich fehlte sie mir, vor allem fehlte mir der Sex, aber ich war ein junger, erfolgreicher Profisportler in einer großen Stadt. An Aufmerksamkeit mangelte es mir nicht.

Aber, Mann, die Chemie zwischen uns beiden war etwas völlig anderes. Leider wusste ich das erst im Nachhinein zu würdigen. Und jetzt tut sie so, als würde sie mich nicht wiedererkennen? Autsch.

»Entschuldigt mich«, sagt Bess jetzt. Sie wendet sich ab und geht aufs Haus zu, verschwindet mit schwingenden Hüften in der Menge.

Oh, nein. So leicht kommt sie mir nicht davon. Ich betrachte die Villa und frage mich, wo Bess wohl als Nächstes hinwill.

»Wer braucht was zu trinken?«, fragt Heidi und lenkt meine Aufmerksamkeit zurück auf die Party. »Und wer traut sich, gegen die Siegerin anzutreten?«

»Ich habe Angst«, sagt Castro. »Aber ich mach’s.«

»So ist es richtig.« Heidi stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt ihm einen Kuss. »Ich hole uns einen Eimer kaltes Bier.«

»Ich helfe dir«, biete ich ihr an. »Nach dieser Abreibung kann ich eine Erfrischung vertragen.«

Darauf ertönt ein fröhliches Lachen. Wahrscheinlich war es ein guter Schachzug, gegen die Lieblings-Teamassistentin zu verlieren, auch wenn es keine Absicht war.

Ich gehe mit Heidi an die Bar. Während ich ihr helfe, ein paar Bierflaschen in einen Kübel mit Eis zu stecken, fühle ich mich beobachtet. Ich halte inne und schaue auf.

Erwischt. Da steht Bess Beringer am Büfett und sieht mich an. Beschämt wendet sie den Blick ab, als sie merkt, dass ich es bemerkt habe.

Ich verstehe nicht, warum sie so tut, als erinnerte sie sich nicht an mich, obwohl es doch so offensichtlich ist.

3

Bess

Ein verlockendes Angebot

Es sieht mir gar nicht ähnlich, in Panik zu geraten. Ich liebe Druck. Verdammt, ich bin Sportlerin. Auf dem College habe ich Sekunden vor dem Schlusspfiff Tore geschossen. Und in meinem Berufsleben habe ich Managern, die nicht zahlen wollten, fette Verträge abgerungen. Betrunkene übergriffige Sportmoderatoren habe ich mit Leichtigkeit dazu gebracht, ihre Pfoten bei sich zu behalten.

Aber Tank nach so vielen Jahren wiederzusehen? Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich war zur Salzsäule erstarrt. Diese tiefgründigen grünen Augen haben mir schon immer den Verstand geraubt. Und seine zweiunddreißig Jahre stehen ihm gut. Sein undurchdringliches, arrogantes Grinsen ist genauso wie früher, aber er hat sich in eine härtere, maskulinere Version des Mannes verwandelt, den ich einmal gekannt habe. Er ist nicht mehr so bullig, sondern eher durchtrainiert. Die Muskeln an seinen Unterarmen sind deutlich definierter als damals.

Ich werfe noch einen Blick auf ihn. Er sieht gefährlich aus. Auf eine gute Art. Er steht einfach nur mit einem Bier in der Hand auf dem Rasen, und wie damals verspüre ich den Drang, ihn wie einen Baum zu erklimmen.

Das Universum macht sich heute Abend über mich lustig. Weil mein Geburtstag naht, habe ich sowieso schon mehrmals an Tank gedacht. Er ist der Mann, der meinen einundzwanzigsten Geburtstag so besonders gemacht hat. Und es war nicht bloß diese eine Nacht. Unsere Affäre dauerte drei bis vier Monate. Ich beendete sie, als mir klar wurde, dass sie meiner Karriere schaden könnte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits meinen Traumjob als Assistentin bei Henry Kassman & Partner. Da ich in der Mittelstufe eine Klasse übersprungen habe, war ich bei meinem College-Abschluss noch sehr jung. Jung und unerfahren. Mein Spitzname im Büro war Rookie.

An meinem Geburtstag kamen gerade die Eishockey-Rookies ins Trainingslager. Weil ich in New York arbeitete, kannte ich einige derjenigen, die für New York und New Jersey spielten.

Tank war einer davon.

Am Abend meines Geburtstags hatte mein Chef ein paar der Rookies ins Sparks Steak House eingeladen. »Verbring deinen großen Abend mit uns!«, hatte Henry Kassman vorgeschlagen.

»Sie müssen mir kein Steak zum Geburtstag ausgeben«, protestierte ich.

»Hör mal, Rookie, darum geht es nicht«, erwiderte er. »Nach zwanzig Jahren in diesem Job brauche ich nicht noch ein Steak-Essen im Sparks. Ich gehe lieber nach Hause und lese einen Thriller, bis mir die Augen zufallen. Aber so ist das Geschäft. Ich muss ein paar Jungs in der Stadt willkommen heißen und dafür sorgen, dass sie eine gute Zeit haben. Du tust mir einen Gefallen, wenn du heute Abend mitkommst.«

»Oh«, sagte ich langsam und überlegte, ob ich ihm das glauben sollte.

»Magst du Rahmspinat?«

»Das weiß ich nicht.« Mit einundzwanzig hatte ich noch nicht viel Erfahrung mit edlem Essen.

»Der ist ausgezeichnet. Versprochen. Und für das Steak würde ich sterben. Komm mit. Trink ein Glas teuren Geburtstagswein auf meine Rechnung. Plaudere mit ein paar Rookies. Das wird großartig.«

Also ging ich hin und besorgte mir auf dem Weg ein ärmelloses Seidentop im Ausverkauf bei Bloomingdales. Ich probierte den Spinat, und er war köstlich. Ich aß ein Filet Mignon, und es war so zart, dass es mir auf der Zunge zerging wie Butter. Und ich trank zum ersten Mal in meinem Leben richtig guten Rotwein.

Jedes Mal, wenn ich mich in der Runde umsah, blieb mein Blick an einem heißen dreiundzwanzigjährigen Rookie aus Washington State namens Mark Tankiewicz hängen. Er war gut aussehend und forsch, mit einem durchdringenden Blick aus grün-grauen Augen. Er machte sich keine Gedanken darüber, welche Gabel man wann benutzte oder wie man Cabernet Sauvignon aussprach.

»Mein Motto ist ganz einfach«, sagte er am Tisch, und sein Weinglas war fast in seiner großen Hand verschwunden. »Ich frage mich in jeder Situation einfach: Wie viel kann ich mir erlauben? Und das mache ich dann.«

Alle lachten, aber bei mir blieb der Satz hängen. Bis heute erinnere ich mich an seine Worte, wenn ich unsicher bin. Wie viel kann ich mir erlauben? Für eine junge, ahnungslose Frau, die sich in der testosterongeschwängerten Welt des Profisports durchsetzen will, war das eine ordentliche Portion Weisheit.

Tank hatte sich in seiner Haut so wohl gefühlt. Als ich ihn über den Tisch hinweg ansah, entspannte ich mich zum ersten Mal, seit ich vor sechs Wochen meinen neuen Job angefangen hatte. Und nach dem Essen war ich ein bisschen betrunken und total verliebt in mein aufregendes Leben in New York City.

Und auch in Tank mit seinen gewellten braunen Haaren und den grüblerischen Augen hatte ich mich verguckt.

Henry Kassman hatte Wagen für uns organisiert, die draußen warteten, um uns alle nach Hause zu bringen. Aber ein Wagen hatte sich verspätet. »Nehmen Sie den hier, Mr Kassman«, hatte Tank angeboten. »Alter vor Schönheit. Ich brauche keinen eigenen, ich teile mir einen mit Bess. Sie kann mich auf dem Heimweg am Hotel absetzen.«

Als er meinen Namen aussprach, verspürte ich ein Kribbeln im Bauch.

»Klingt nach einem Plan, mein Sohn, falls Bess nichts dagegen hat«, sagte Henry. »Gute Nacht allerseits. Geht nach Hause und holt euch eine Mütze Schlaf, Jungs. Die könnt ihr für das Trainingscamp gebrauchen.«

Ich war mit Tank in das Auto gestiegen und hatte dem Fahrer die Adresse meiner winzigen Mietwohnung in dem Haus ohne Fahrstuhl in den West Fifties gegeben. »Aber wir machen einen Zwischenstopp beim …« Ich wandte mich an Tank.

Er hob meine Hand, küsste mich auf die Handfläche, und ein Kribbeln jagte durch meinen ganzen Körper. »Lass uns nur einmal anhalten. Dein Geburtstag ist schließlich noch nicht vorbei, richtig? Und ich bin echt gut im Feiern.«

Nachdem ich mich von der Überraschung erholt hatte, stammelte ich meine Zustimmung. Tank legte eine Hand auf mein Knie, drückte es vielsagend und bat den Fahrer, uns zum Marriot Marquis zu bringen.

Er hatte nicht gelogen. Er war außergewöhnlich gut im Feiern. In dieser und vielen weiteren Nächten.

Neun Jahre später schüttelte ich ihm die Hand und gab vor, mich an nichts zu erinnern.

Ich werfe noch einen Blick auf Tank und überlege, wie ich mich unter vier Augen entschuldigen kann.

Er schaut mich an, sein Blick verdunkelt sich und wandert mit kühner, besitzergreifender Langsamkeit meinen Körper hinunter.

Herrje. Mir wird heiß, und ich wende mich ab. Selbst nach all den Jahren ist die Erinnerung daran, wie ich mit den Händen über seine Brust fahre und alle Konturen seines muskulösen Oberkörpers ertaste, erschreckend präsent. Ich muss zugeben, dass ich alles, was ich über Sex weiß, von ihm gelernt habe. Er war zwar nicht mein erster Liebhaber, aber der erste gute. Wenn ich ehrlich bin, sogar der einzige gute.

Allerdings sollte ich wohl besser nicht darüber nachdenken. Ich weiß genau, dass er verheiratet ist. An dem Tag, an dem ich die Hochzeitsbilder in den sozialen Medien gefunden habe, habe ich zum letzten Mal nach ihm gegoogelt.

Ich suche den Garten nach seiner Frau ab. Ich habe sie nie kennengelernt. Aber vielleicht ist es an der Zeit. Es könnte meine Schwärmerei beenden.

Aber die Frauen im Garten kenne ich alle. Sie muss also im Haus sein. Und in der Zwischenzeit sollte ich besser meine Entschuldigung vorbereiten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich Tank in der Trainingsanlage treffe. Es tut mir leid, aber deine Sexyness ist mir kurzzeitig zu Kopf gestiegen.

Nein, es wäre unhöflich, dem Opfer die Schuld zu geben. Es tut mir leid, dass Erinnerungen kurzzeitig das Gehirn dieser sexhungrigen Frau in der Midlife-Crisis ausgeschaltet haben.

Das ist viel zu erbärmlich, um es laut auszusprechen. Auch wenn es stimmt.

Um Tank aus dem Weg zu gehen, esse ich mit meinem Bruder ein ausgezeichnetes Barbecue. Danach trage ich unsere Teller ins Haus. In der riesigen Küche wimmelt es nur so von Caterern, und einer nimmt mir die Teller ab. Auf dem Weg zur Tür entdecke ich meinen neuen Geschäftspartner, der sich im Esszimmer mit Rebecca Rowley-Kattenberger unterhält.

Ich gehe zu ihnen und begrüße sie. »Hey Leute! Was heckt ihr denn aus?«

»Bessie!« Eric winkt mich zu sich. Rosie sitzt in einer Babytrage an seiner Brust, und als sie mich erblickt, quietscht sie zur Begrüßung.

»Oh! Wie geht es meinem Mädchen?«, säusele ich.

»Mir geht’s prima, danke der Nachfrage«, scherzt Rebecca und umarmt mich. »Und dir? Hast du dich schon in deiner neuen Wohnung eingelebt? Ist sie schön?«

»Es wird langsam. Ich habe kaum Möbel, aber ich gehe nicht gerne einkaufen.« Ohne zu fragen, löse ich den Verschluss der Babytrage, damit ich Rosie auf den Arm nehmen kann.

»Also, ich gehe gern einkaufen«, sagt Becca und klatscht in die Hände. »Sag Bescheid, wenn du ein bisschen Unterstützung brauchst.«

»Du hast keine Zeit, um mit mir einen Couchtisch auszusuchen.« Ich halte Rosies Hände fest, als sie mich an den Haaren ziehen will.

»Ich könnte mir die Zeit nehmen«, sagt Becca. »Vor allem, wenn du auch Teppiche brauchst. Und Sofakissen. Übrigens – dein Kleid gefällt mir. So schlimm findest du Einkaufen wohl doch nicht.«

»Doch, tut sie«, sagt Eric. »Und ich habe sie noch nie in einem Kleid gesehen. Ich wusste nicht einmal, dass sie Knie hat.«

»Eric«, quietscht Becca. »So redet man doch nicht mit seinem Boss.«

»Machst du Witze? Sie ärgert mich den ganzen Tag«, erwidert er. »Das ist reine Selbstverteidigung.«

Ich gebe ihm einen leichten Schubs, und er lacht leise. Eric und ich kennen uns schon sehr lange. Ich war acht Jahre lang seine Agentin, nachdem Clove – Erics erster Agent – bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.

Clove war einer der Agenten bei Henry Kassman & Partner gewesen und hatte eine Menge Klienten – ungewöhnlicherweise sowohl Eishockey- als auch Baseballspieler. Einige von Cloves Sportlern verließen die Agentur nach seinem Tod, andere wurden von erfahreneren Agenten übernommen. Aber Eric und eine Handvoll weiterer wählten mich.

»Sie wissen, dass du ihnen deine volle Aufmerksamkeit widmen wirst«, hatte mir Henry Kassman erklärt. »Und sie wissen, dass ich hinter dir stehe. Also setz dein Pokerface auf und kämpfe für deine neuen Klienten, Bess. Du wirst das super machen.«

Damals war ich über die Anzahl neuer Klienten sowohl erfreut als auch erschrocken. Innerhalb weniger Wochen war ich von einer unerfahrenen Mitarbeiterin, die hauptsächlich Anrufe entgegennahm, zu einer viel beschäftigten Agentin geworden.

Ich habe es nie bereut. Zwei Jahre später verließ ich Kassman, um mein eigenes Unternehmen zu gründen. In Detroit gab es nicht viele Agenturen, und ich wusste, dass ich ein paar Sportler würde gewinnen können, die sich eine lokale Vertretung wünschten.

Allerdings kommt es mir so vor, als wäre das schon hundert Jahre her. Und jetzt fange ich an der Ostküste ganz neu an, denn wieder einmal haben sich meine Prioritäten verändert.

»Hey, Mädels!« Georgia, Beccas beste Freundin und die Pressesprecherin des Teams, gesellt sich zu uns. »Schönes Kleid, Bess! Du siehst toll aus. Wow.«

Eric lacht in sich hinein, und wieder gebe ich ihm einen leichten Schubs. Aber Georgias Überraschung ist ein Weckruf. »Ich habe wohl den Ruf, mädchenhafte Kleidung zu meiden.«

»Mädchensachen liegen mir auch nicht besonders«, erwidert Georgia. »Auch wenn Rebecca sich Mühe gibt. Hast du schon gehört, dass sie gerade ein Nagelstudio in Brooklyn gekauft hat?«

»Oh, toll«, sage ich und heuchle Begeisterung.

Daraufhin lachen alle. Sogar Rosie.

»Darf ich dich zu einer Mani-Pedi einladen, wenn ich den Laden wiedereröffne?«, fragt Becca lächelnd. »Das macht Spaß. Versprochen.«

»Das stimmt«, bestätigt Georgia. »Aus Nagellack mache ich mir nicht viel, aber eine vernünftige Pediküre ist nicht zu verachten. Es geht mehr um die Fußmassage und den Klatsch und Tratsch.«

»Okay, warum nicht?«, sage ich. »Ich probiere zumindest alles aus.«

»Ausgezeichnet!«, sagt Georgia und streckt die Arme aus. »Jetzt gib mir das Baby. Ich bin dran.«

»Wenn’s sein muss.« Ich will sie nicht hergeben. Ich liebe Babys und Rosie ganz besonders.

»Kann ich sie kurz bei euch lassen?«, fragt Eric. »Ich müsste mal verschwinden und dann ihr Fläschchen suchen.«

»Klar, Big Daddy«, sagt Georgia und nimmt mir Rosie ab. »Wir tun dir den Gefallen und kuscheln mit dem Baby. Wo ist überhaupt Alex?«

Becca deutet zur großen Treppe. »Sie ist mit Nate in seinem Büro verschwunden, um über etwas Geschäftliches zu sprechen.«

»Am Freitagabend?«, spottet Georgia und küsst Rosie auf die Wange.

»Hast du Nate schon kennengelernt?«, fragt Becca. »Ich kümmere mich mal um meine Gäste. Der Neue da draußen sieht ein bisschen verloren aus. Bis später, Leute.« Sie geht, und ich widerstehe dem Drang, nach Tank zu sehen.

Verloren? Das klingt gar nicht nach ihm.

Georgia wiegt Rosie und lächelt mich an. »Was gibt’s Neues? Und was hat dein Bruder am Wochenende in der Stadt zu suchen?«

»Er lädt mich morgen Abend zum Essen ein. Heute Nachmittag hat er seine Eigentumswohnung an Delilah Spark verkauft, und nachher zieht er mit den Jungs los.«

»Na toll. Dann kommt Leo wahrscheinlich total besoffen nach Hause.«

»Wahrscheinlich«, stimme ich zu. »Und jetzt erzähl schon die neuesten Gerüchte. Du willst es doch auch.« Agenten lieben Klatsch und Tratsch. So finden wir unsere Klienten.

»Mal überlegen. Der Neue ist Mark Tankiewicz. Aber von seinem Verkauf hast du bestimmt schon gehört.«

»Genau. Aus Dallas«, sage ich und verschweige, dass wir einander kennen. »Euer Coach möchte etwas Erfahrung auf die Bank zurückholen, nachdem ein paar der altgedienten Spieler aufgehört haben.«

»Jau«, sagt Georgia fröhlich. »Aber es läuft noch nicht rund. Die jüngeren Spieler wollen nicht auf jemanden hören, der ihnen vor einem Jahr den Cup weggeschnappt hat. Die ersten beiden Trainings waren«, sie wählt ihre Worte sorgfältig, »nicht unproblematisch.«

»Schade«, sage ich und erlaube mir einen Blick aus dem Fenster auf besagten Spieler. Er steht neben einem Rosenstrauch und wirkt mürrisch. Transfers sind immer hart. Das ist einfach so. Selbst wenn man ein Superstar ist.

Georgia senkt die Stimme. »Leo war gestern Abend ziemlich gereizt. Tank und Jason Castro haben sich wohl gestritten. Der Neue ist ein bisschen aufbrausend.«

Ich stöhne innerlich, weil Castro mein Klient ist. Und ich hoffe sehr, dass es nur eine oberflächliche Meinungsverschiedenheit ist. »Sie werden das schon klären«, sage ich.