The Devils Place - Elena MacKenzie - E-Book

The Devils Place E-Book

Elena MacKenzie

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Beschreibung

Vierzehn Tage ihres Lebens für ihre Freiheit. Camden McAdams ist ein guter Geschäftsmann, er hat dem The Devils Place in Las Vegas zu neuem Glanz verholfen, aber mit Frauen kann er nicht so gut umgehen. Er ist es gewohnt, zu bekommen, was er will. Als er Mary Preston beim Falschspiel in seinem Casino erwischt, bietet er ihr einen Handel an. Sie soll vierzehn Tage ihm gehören, danach ist sie frei. Mary lässt sich darauf ein, denn sie braucht dringend Geld, um die Farm ihrer Eltern retten zu können. Schon bald steckt Camden knietief in Ärger. Obwohl er sich klar über die Regeln ihres Arrangements ausgedrückt hatte, macht Mary trotzdem, was sie will. Und gerade jetzt, wo er mit Mary kämpft und mitten in den Vorbereitungen zum Rodeo steckt, taucht seine Ex-Frau in Las Vegas auf. Und mit ihr bricht eine Vergangenheit über ihn herein, von der er glaubte, sie längst hinter sich gelassen zu haben. Mary versucht wirklich, Camden alles recht zu machen, aber manchmal gehen seine Wünsche einfach zu weit. Er vergisst viel zu oft, dass sie nicht sein Eigentum ist. Und obwohl sie sich immer wieder vornimmt, das klarzustellen, schafft er es, sie ihren Ärger über ihn vergessen zu lassen.

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THE DEVILS PLACE

DUNKLES VERLANGEN

ELENA MACKENZIE

Copyright © 2016 by Elena MacKenzie

Alle Rechte vorbehalten.

Elena MacKenzie

Dr.-Karl-Gelbke-Str. 16

08529 Plauen

www.elenamackenzie.de

Coverdesign: Elena MacKenzie

Copyright Bildmaterial: Shutterstock, Kopytin Georgy

Lektorat: Valeska Reon

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Bücher von Elena MacKenzie

EINS

Camden

Es war ihr Anblick, der ihn in den Wahnsinn trieb. Jede Nacht. Jeden Tag. Jede verdammte Sekunde seines Lebens. Um genauer zu sein, seit einem Monat. Seit sie mit diesem Kerl hier in seinem Casino aufgetaucht war. Jeden Morgen betete er, dass er sie am Abend nicht sehen musste. Und jeden Abend saßen sie wieder hier im Casino. Dabei gab es fast dreihundert Casinos in dieser Stadt, die er so gerne Dantes Inferno nannte. Weil Las Vegas genau das war, die Hölle. Und seit sie hier aufgetaucht war, war es zu seiner persönlichen Hölle geworden.

Sie waren Trickspieler, das war ihm ziemlich schnell klargeworden. Er hätte sie längst rauswerfen sollen. Stattdessen stand er hier oben hinter seiner Glasscheibe wie ein Fisch im Aquarium und beobachtete sie. Sah ihr dabei zu, wie sie sich sein Geld in die Taschen stopfte.

Er ließ es einfach zu, nur um sie weiter anstarren zu können: Ihr pechschwarzes Haar, den blassen Teint ihrer Haut und diese knallroten Lippen. Er glaubte nicht an Märchen, aber dort unten saß Schneewittchen. Und sie war kein bisschen unschuldig. Sie trank jeden Abend mehrere Martinis und lachte, wenn sie gewann.

Dabei war ein Sieg absolut keine Überraschung für sie, sondern skrupelloser Betrug. Ihre dunklen, fast schwarzen Augen strahlten, als wüsste sie nicht schon vorher, dass sie dieses Spiel gewinnen würde. Sie war die perfekte Ablenkung, weil sie den Verstand eines jeden am Black Jack-Tisch vernebelte, während ihr Begleiter ihr beim Betrügen half. Die beiden hatten geschickte Finger, nur wenn man sie genau beobachtete, merkte man überhaupt, wie sie Karten austauschten, versteckten und verschoben. Ein perfektes Team. Eine gut geölte Maschine ohne die geringsten Anzeichen von Gewissensbissen.

Dieses Lachen war es, mit dem er Nacht für Nacht ins Bett ging und sich wünschte, sie würde wegen ihm lachen. Diese Lippen waren es, die ihn sich wünschen ließen, dass sie sie um seinen seit Wochen vor Verlangen nach ihr schmerzenden Schwanz legte. Und diese fast aus ihren weiten Ausschnitten springenden Titten waren es, zwischen die er stoßen wollte, während ihre Hände sich fest um ihn herum pressten. Verdammt, er war schon wieder so hart, dass es ihn umbrachte! Die Kleine und ihr Kerl betrogen ihn und er war so schwanzgesteuert, dass er einfach dabei zusah.

Jedem anderen würde er eine Knarre an den Schädel halten und ihn seine eigene Geldgier fressen lassen. Aber bei ihr war er wehrlos seinem Schwanz ausgeliefert, den er mittlerweile schon mehrfach in fast jeder seiner Kellnerinnen gehabt hatte, nur um sie aus dem Kopf zu bekommen. Seine Angestellten fingen nicht nur wegen seines vermeintlich unstillbaren Hungers an zu reden, sondern auch, weil er seit Wochen tatenlos zusah, wie die beiden ihn ausraubten. Ihm fielen schon keine Ausreden mehr ein, warum er nichts unternahm. Die wohl bescheuertste seiner Ausreden war, dass er herausfinden wollte, wie lange es brauchte, bis sie den Hals voll hatten.

Er griff nach unten und richtete seine hämmernde Erektion. Er hatte noch nicht einmal mit ihr gesprochen. Er kannte diese Frau gar nicht. Alles, was er von ihr wusste, war, dass sie eine Kriminelle war. Er stellte sich nachts in seinem Bett, wenn er sich einen runterholte, vor, dass ihre Stimme dunkel und rauchig wäre. Ein paarmal war er an ihr vorbeigelaufen, hatte versucht, ihre Stimme zu hören, aber nur ihr Lachen bekommen. Seine Croupiers sagten, dass sie kaum sprach. Wahrscheinlich, weil ihr Kopf viel zu sehr mit dem Zählen beschäftigt war.

Der Mann neben ihr hatte das gleiche schwarze Haar, seine Augen waren eher grün. Und aus denen sah er sie immer liebevoll an. So liebevoll, dass sich sein Magen umdrehte. In diesem Augenblick beugte ihr Begleiter sich lächelnd zu ihr rüber und küsste sie auf die Wange, dabei legte er einen Arm um ihre Schultern und zog sie näher an seine Seite. In solchen Momenten steckte er ihr eine Karte zu oder bekam eine von ihr.

Camden stieß ein unwilliges Knurren aus. So ging das nicht weiter. Er kam sich vor wie ein Schimpanse, der nach einer Banane lechzte, gefangen hinter einer Glasscheibe. Er musste die Frau loswerden, bevor er noch einen Fehler beging. Er würde das machen, was er schon längst hätte tun sollen, und sie vor die Tür setzen.

»Bring die beiden hoch«, sagte er hart zum Chef seiner Security. Er sah dabei nicht über seine Schulter zurück, weil er seinem besten Freund Braden nicht zeigen wollte, wie aufgeregt er sich fühlte bei dem Gedanken, dass sie sich gleich gegenüberstehen würden. Zum ersten Mal würde er richtig mit ihr in Kontakt treten. Bisher hatte er es vermieden, sie anzusprechen oder ihr auch nur zu nahe zu kommen, weil er schon in dem Augenblick, in dem sein Blick zum ersten Mal auf sie gefallen war, wusste, dass sie gefährlich für ihn war. Trotzdem lauerte da jetzt diese Vorfreude in ihm. Er schluckte und sammelte sich, bevor er sich von der Scheibe abwandte und beobachtete, wie Braden die Beobachtungslounge verließ.

»Mary«, sagte er leise und ärgerte sich über die Erregung in seiner Stimme, die da jedes Mal war, wenn er ihren Namen sagte, um zu spüren, wie er sich in seinem Mund anfühlte. Viel lieber wüsste er, wie sich ihre Zunge in seinem Mund anfühlen würde. Er ging an der weißen Ledercouch vorbei auf die schwarze Bar in der Ecke zu und schenkte sich einen Bourbon ein. Das Eis sparte er sich. Er kippte den Drink runter, dann starrte er auf das bunt blinkende Luxushotel gegenüber.

Mary

Mary stieß ein helles Lachen aus, als sie gewann und warf ein strahlendes Lächeln in die Runde. Sie hatte dieses Schauspiel bis zur Perfektion vor dem Spiegel geübt. Wahrscheinlich sah es jedes Mal gleich aus, ohne die geringste Abweichung. Ganz so, als hätte sie eine Maske auf. Das immer gleiche Strahlen. Das immer gleiche Lächeln. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis sie sie rauswerfen und ihnen Hausverbot auf Lebenszeit geben würden. Unmöglich, dass sie es noch nicht bemerkt hatten. Die Casinos waren im Allgemeinen sehr schnell, wenn es um die Aufdeckung von Betrug ging.

»Gehen wir nach Hause, Liebling«, sagte sie und die Blicke aller Männer am Tisch fielen begierig auf sie, als sie sich vom Stuhl erhob und die gewonnenen Chips in eins der zur Verfügung stehenden Körbchen warf. Travis warf ihr ein Lächeln zu, dann sammelte auch er seine Chips zusammen und folgte ihr zur Kasse, wo ein breitschultriger Mann der Security stand, in seinem Ohr ein winziges Knöpfchen, das man nur durch den dünnen farblosen Schallschlauch erkennen konnte, der sich seinen Hals hinunterwand, und sie offen anlächelte. Mary setzte ihr strahlendes Lächeln ein letztes Mal für heute auf und trat an den Wechselschalter.

Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust und das Adrenalin, das sich durch ihren Körper arbeitete, bescherte ihr ein Hochgefühl. Sobald sie die Chips umgetauscht hatten, würden sie schleunigst dieses Casino verlassen und nie wieder einen Fuß in diese Stadt setzen. Endlich hatten sie genug Geld zusammen, um die Farm der Familie zu retten. Mary leckte sich nervös über die Lippen und wartete darauf, dass der rundliche Mann vor ihr seinen kleinen Gewinn einsackte, damit sie endlich hier raus konnte. Der Mann trat mit glänzenden Augen vom Schalter zurück, warf einen Blick auf Mary, dann auf die 23.000 Dollar in Plastikchips und verzog jetzt weniger freudig das Gesicht. Das hat mit Glück nichts zu tun, erklärte sie ihm in Gedanken. Kein Grund also für Neid.

Sie warf einen Blick über die Schulter zurück, wo Travis mit dem Kinn zum Schalter nickte. Auch er hatte es eilig, hier wegzukommen. In den letzten Wochen waren sie von Casino zu Casino gezogen und hatten mal hier und mal da ein paar Tausender pro Nacht erspielt. Sie beide wollten aus der Stadt sein, bevor jemandem auffiel, was hier lief und sie ihre nächsten Spiele im Knast spielen würden. Sie trat an den Schalter, setzte ihr künstliches Lächeln auf und versuchte, so ruhig wie möglich zu atmen.

In dem Moment, in dem sie den Korb mit den Chips auf die Ausgabe stellte, packte jemand ihre Hand, nahm ihr den Korb ab und dann wurde sie grob vom Schalter weggezogen. Sie versuchte dem Griff des Security-Mitarbeiters zu entkommen, aber der lächelte nur träge.

»Loslassen«, knurrte Travis neben ihr. Auch er wurde festgehalten und zurück in das Casino gedrängt.

»Mr. McAdams wünscht euch zu sprechen«, sagte der dunkelhaarige Mann mit einem breiten Lächeln, dann begann er, Mary vor sich herzutreiben.

»Vielleicht können wir das auf später verschieben«, schlug Mary vor. Der Mann lachte laut hinter ihr auf und schob sie weiter auf einen Fahrstuhl zu, auf dessen Tür in goldenen Buchstaben »Privat« stand.

»Ich denke nicht.«

Travis wurde von dem anderen Mann grob in den Fahrstuhl gestoßen. Die beiden Muskelpakete schienen nicht das beste Benehmen an den Tag zu legen. Aber wer war schon gerne nett zu Kriminellen? Mary schluckte nervös. Warum ausgerechnet jetzt, wo sie es geschafft hatten? Wenn sie jetzt das Geld verlieren und im Gefängnis landen würden, dann wäre Mutter obdachlos und sie würden das einzig Wichtige in ihren Leben verlieren.

Die Fahrstuhltüren schlossen sich. Mary suchte panisch Travis’ Blick. Sie hätten sich vielleicht doch auf diese Eventualität vorbereiten sollen, aber Travis hatte das nicht gewollt. »Wenn wir erst planen, was wir tun sollen, für den Fall, dass wir auffliegen, dann werden wir auch auffliegen«, hatte er gesagt.

Travis starrte auf die geschlossene Tür, auch wenn er dabei eine eiserne Maske aufgesetzt hatte, Mary wusste, dass er genauso nervös war wie sie. Die beiden Security-Männer mit ihren kleinen Ohrsteckern und den kaum sichtbaren Mikrofonen dagegen versuchten nicht einmal, ihre Schadenfreude zu verbergen.

Der Fahrstuhl hielt und die Tür öffnete sich. Mary wurde als erste aus dem Fahrstuhl geschoben. Sie betrat einen hellen Raum, der auf zwei Seiten aus deckenhohen Fenstern bestand. Wenn man zum Fenster auf Marys rechter Seite hinaussah, blickte man direkt nach unten auf das Casino mit seinen Spieltischen, Automaten, der schwarzen Bar und den blinkenden Lichtern. Wenn man aus dem anderen Fenster sah, schaute man direkt auf das Bennett Mirage, das Casino, das Travis und Mary auch schon besucht hatten. Sie hatten in den letzten Wochen einige Casinos besucht.

Vor der linken Fensterfront stand ein Mann mit dem Rücken zu ihnen. Er hatte seine Hände tief in den Taschen seiner Anzughose vergraben und gab kein Zeichen von sich, dass er ihr Eintreten bemerkt hätte. Er hatte breite Schultern und dunkles Haar, dessen Spitzen bis auf den weißen Kragen seines Hemdes reichten, und er kam Mary irgendwie bekannt vor. Sie wusste noch nicht woher, aber etwas tief unten zwischen ihren Schenkeln regte sich, wenn sie ihn ansah. Da war eine Ahnung, wer er sein könnte. Und diese Ahnung beunruhigte sie noch mehr. Leider war es im Raum zu dunkel. Nur eine Stehlampe auf der gegenüberliegenden Seite der Lounge war an. Und dort half sie ihr nicht viel. Obwohl Mary sein Gesicht nur als schwache, kaum erkennbare Spiegelung im Glas sehen konnte, fuhr ein unangenehmer Schauer durch ihren Körper. Ganz so, als wüsste sie instinktiv, dass dieser Mann gefährlich war.

»Camden?«, sagte der Mann, der seine Hand um Marys Oberarm gelegt hatte.

»Danke, Braden. Lass die beiden hier. Ich klär das allein.«

Dieser Braden versteifte sich merklich neben Mary. Zweifelte er an, dass sein Arbeitgeber das allein regeln konnte oder fürchtete er sich davor? Mary holte tief Luft und biss sich auf die Unterlippe. Ihr Magen verkrampfte sich und ihr wurde übel. Hoffentlich kam das von den Martinis und nicht von einer schlechten Vorahnung. Wenn das Glück Travis und sie nicht verlassen hatte, dann waren die Martinis schuld. Wenn sie aber ihren Aufenthalt in dieser Lounge als Vorzeichen sah, dann kam die Übelkeit von der schlechten Vorahnung. Mary fröstelte, aber sie unterdrückte den Impuls, sich über die nackten Arme zu streichen.

Die beiden Securitys stiegen in den Fahrstuhl und Mary sah ihnen fast sehnsüchtig nach, dann wandte sie ihren Blick wieder auf den Rücken des Mannes vor dem Fenster, der noch immer so still dastand, als wäre er eine leblose Schaufensterpuppe.

»Setzen Sie sich«, sagte er knapp, aber in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Travis runzelte unwillig die Stirn, trat aber auf die beiden weißen Ledersofas zu und setzte sich auf das vor dem Bücherregal. Mary folgte ihm mit wackligen Beinen und nahm neben ihm Platz. Das Wildleder streichelte die nackte Haut ihrer Oberschenkel und fühlte sich kühl an, als sie sich niederließ. Auf dem Tisch standen eine Flasche Bourbon, ein Eiskübel und mehrere saubere Gläser. Mary könnte im Moment gut einen Schluck eisgekühlten Bourbon vertragen. Der starre Körper des Mannes, dieser Raum und das schlechte Gewissen erdrückten sie fast. Sie sah Travis verzweifelt an, aber wie hätte er ihr helfen sollen? Er steckte hier genauso in der Klemme wie sie. Und an den jetzt fest aufeinandergepressten Lippen erkannte sie, dass er mindestens so panisch war wie sie.

Der Mann am Fenster atmete hörbar tief ein, dann bewegte er seine Schultern, zog die Hände aus den Taschen und wandte sich zu ihnen um. Sie versteifte sich. Diesen Mann kannte sie wirklich. An den vergangenen Abenden war er immer wieder um sie herumgeschlichen, hatte sie beobachtet und mit seinen Blicken angeheizt. Mary hatte seine Blicke erwidert und gehofft, er würde sie mit auf sein Hotelzimmer nehmen, so scharf hatte die Art, wie er sie mit seinen Augen verschlungen hatte, gemacht. Sie lag so was von daneben. Er war gar nicht scharf auf sie gewesen. Wenn überhaupt, war er scharf darauf gewesen, sie hinter Gitter zu bringen.

Mary atmete hastig ein, als sie die Kälte in seinem Gesicht sah. Obwohl er kaum älter als achtunddreißig zu sein schien, strahlte er eine Macht aus, die auf diese Art eigentlich nur sehr viel ältere Männer ausstrahlten. Braun ist normalerweise eine warme Farbe, aber in seinen Augen wirkte sie kalt und unnahbar. Sein rabenschwarzes Haar verlieh ihm etwas Düsteres, das seine Kälte noch zu unterstreichen schien. Die Kälte, die ihr seit Tagen direkt zwischen die Beine geschossen war. Sein Unterkiefer war hart geschnitten, sehr ausgeprägt und sein Kinn war breit. Bei aller Härte, die er ausstrahlte, war er ungemein attraktiv, aber auf keinen Fall hübsch. Dieser Mann war sehr maskulin. Auf eine raue, beängstigende Art. Er runzelte die Stirn und betrachtete Mary. Seine Augen schienen jeden Zentimeter ihres Gesichts und danach ihres Körpers zu vermessen. Mary unterdrückte das Zittern, das durch ihren Körper laufen wollte.

»Mrs. Preston, Mr. Preston, mein Name ist Camden McAdams. Mir gehört das Casino, das Sie in den letzten Wochen des Öfteren aufgesucht und betrogen haben.«

Mary zuckte zusammen und ärgerte sich sofort, als sie bemerkte, dass McAdams das nicht entgangen war. Er verzog den Mund zu einem knappen Lächeln und in seinen Blick trat etwas, das Ähnlichkeit mit Zufriedenheit hatte. Er ging um das Sofa in der Zimmermitte herum und blieb dann vor Travis und Mary stehen. Seine Hände schob er wieder in die Taschen seines sehr teuer aussehenden Anzugs, nachdem er den Knopf des Jacketts geöffnet hatte, was irgendwie erotisch auf Mary wirkte. Die graue, glänzende Krawatte um seinen Hals war perfekt gebunden. Der Anzug saß perfekt, seine Zähne waren weiß und makellos, als er jetzt auf Mary herunterlächelte. Ja, sogar seine Haare schienen perfekt an Ort und Stelle zu liegen. Er strahlte so viel Perfektion aus, dass Mary ganz schwindlig davon wurde.

Sie wich seinem forschenden Blick aus und flehte in Gedanken ihre Wangen an, nicht so zu glühen. Aber wem sollte sie etwas vormachen, sie schämte sich so sehr. Das letzte Mal hatte sie sich so sehr geschämt, als ihr Vater Mike und sie in der Scheune erwischt hatte. Da war sie sechzehn gewesen und das war jetzt schon zwölf Jahre her.

Travis straffte neben ihr die Schultern und setzte sich aufrechter. »Sind Sie sich sicher? Mit solchen Anschuldigungen sollte man vorsichtig sein. Es würde der Presse bestimmt gefallen, eine solche Story von uns zu bekommen.«

Camden beugte sich über den Tisch in der Mitte der Sofalandschaft und nahm die Karaffe mit dem Bourbon. Er schenkte sich ein Glas ein. Mary leckte sich über die trockenen Lippen, als er Eiswürfel in das Glas gab und die Würfel leise klirrten. Er nahm das Glas vom Tisch, trat vor Mary und blieb nur wenige Zentimeter vor ihren Knien stehen. Nur eine kleine Bewegung und der Stoff seiner Hose würde ihre nackten Knie streicheln. Sie legte ihren Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzusehen. Er musste etwa 1,85 Meter groß sein, was eine gute Größe für einen Mann war. Nicht zu groß, so dass er nicht schlaksig und ungelenk aussah. Und nicht zu klein, dass er unförmig wirkte mit den breiten Schultern.

»Wollen Sie, Mary?«, fragte er und hielt ihr das Glas hin. Mary versagte für einen Moment der Atem, als ihr Blick auf seinen traf. Da lag etwas in seinen Augen, das ihr das Gefühl gab, sie wäre eine Maus, die vor einem Löwen saß und um ihr Leben flehte.

Sie griff nach dem Glas, dabei zitterten ihre Hände, so nervös war sie. »Danke«, sagte sie heiser.

Camden wandte sich mit einem Nicken ab und füllte zwei weitere Gläser. Eins reichte er an Travis weiter, das andere behielt er in der Hand. »Mr. Preston«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Im Casino sind überall Kameras. Wir haben Videomaterial, das mehrere Wochen zurückreicht. Ich bin mir sicher, dass es sich in den anderen Casinos ähnlich verhält. Wollen Sie, dass ich für Sie nachfrage? Das würde sich wahrscheinlich ungünstig auf Ihr Strafmaß auswirken, wenn außer mir noch andere Casinos Anzeige erstatten.«

Mary schnappte hektisch nach Luft, dann setzte sie das Glas an ihre Lippen und leerte es mit einem Zug. Für eine Sekunde genoss sie das Brennen in ihrem Hals und schloss die Augen. Sie leckte sich über die Lippen und erstarrte, als sie bemerkte, dass der Blick von McAdams für eine Sekunde irritiert auf ihren Lippen festhing. Sie räusperte sich. »Nein, Mr. McAdams, das wird nicht nötig sein. Vielleicht können wir uns darauf einigen, Ihnen das Geld zurückzuzahlen«, schlug sie hastig vor. Ihre Stimme zitterte dabei etwa so stark, wie ihr Herz raste. Sie musste ihn davon überzeugen, sie beide gehenzulassen. Ihre Mutter würde es nicht überleben, wenn sie beide auch noch im Gefängnis endeten. Sie warf Travis einen mahnenden Blick zu. Sein Trotz und seine Aggression würden ihnen jetzt nicht weiterhelfen, weswegen sie ihm eine Hand auf den Oberschenkel legte.

»Mary«, sagte er und die Art, wie er ihren Namen aussprach und seinen Blick dabei über ihren Körper gleiten ließ, ließ Mary erschauern. »Ihr Ehemann wird mir wahrscheinlich recht geben, wenn ich Ihnen sage, dass ich Sie nicht ohne Konsequenzen davonkommen lassen kann, wenn ich nicht das Gesicht vor meinen Angestellten und meinen Konkurrenten verlieren will. Als Geschäftsführer einer Farm wird er wissen, dass ich Recht habe.«

Mary warf Travis einen kurzen Seitenblick zu. »Er ist nicht mein Mann, er ist mein Bruder. Wenn Sie richtig recherchiert hätten - und offensichtlich haben Sie Nachforschungen betrieben -, dann wüssten Sie das. Ich habe nach der Trennung von meinem Mann meinen Mädchennamen wieder angenommen.«

Camden zog die Augenbrauen erstaunt hoch und musterte erst Mary und dann Travis unter zusammengekniffenen Lidern hervor. »Da ist mir wohl ein Fehler unterlaufen. Nichtsdestotrotz haben meine Recherchen ergeben, dass Ihre Farm kurz davorsteht, an die Bank zu fallen, was wohl der Grund für Ihre kleinen Betrügereien zu sein scheint.«

Travis schnaubte und verschränkte die Hände vor der Brust. »Rufen Sie die Bullen und lassen Sie uns das hier beenden.«

»Nein«, fuhr Mary auf und wippte mit ihrem Hintern nervös auf dem Sofa herum. »Lassen Sie uns das unter uns klären. Wir geben Ihnen das Geld zurück …«

»… verlassen dann das Casino und rauben das nächste aus?«, fiel Camden ihr ins Wort. »Ich denke, wir werden um die Polizei nicht herumkommen.«

»Außer Sie hätten einen anderen Vorschlag, wie wir das bereinigen könnten.« Mary sah hoffnungsvoll zu Camden auf.

Camden

Camden zog die Augenbrauen erstaunt hoch. Von welchem Vorschlag sprach sie? Unmöglich ging ihr durch den Kopf, was ihm gerade bei ihren Worten durch den Kopf ging.

»Lass es, Mary! Wir lassen das die Polizei regeln. Keiner von uns beiden hat Vorstrafen. Es wird schon gutgehen.« Ihr Bruder warf ihm einen giftigen Blick zu. Ihr Bruder also, wie interessant.

Mary sah ängstlich zu ihm auf. In ihren wunderbar dunklen Augen lag Panik, aber auch etwas Flehendes. Und da war Trotz. Und dieser Trotz schoss ihm ohne Vorwarnung in die Lenden. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Mary und Travis Geschwister waren. Sie hatten beide den gleichen Nachnamen, ja. Aber das hatten Eheleute auch. Sie sahen sich nicht ähnlich, bis auf das gleiche dunkle Haar. Und sie waren sich immer wieder sehr nahegekommen. Wenn er genau darüber nachdachte, hatten sie sich aber nie auf den Mund geküsst. Verdammt, warum ließ dieses Wissen Hoffnung in ihm keimen. Hoffnung auf was?

»Welchen Vorschlag hätten Sie denn, Mary?«, wollte er wissen. Fuck, er liebte es, ihren Namen laut auszusprechen. Und er liebte es noch mehr, zu beobachten, wie sich jedes Mal, wenn er das tat, ihre Lippen für einen tiefen Atemzug öffneten, als würde es sie auch nicht kaltlassen, wenn er ihren Namen aussprach.

»Ich weiß nicht. Wir könnten für Sie arbeiten? Travis war früher Rodeoreiter. Er war gut, hat Turniere gewonnen, bis zu seinem Unfall. Aber er könnte Ihre Reiterin für das Turnier trainieren. Ich hab die Aushänge überall in der Stadt gesehen.«

Die Hoffnung in ihrer Stimme hätte ihm fast ein Lächeln entlockt. Aber so durfte er nicht empfinden. Wenn sie glaubte, er würde so einfach vergessen und verzeihen, hatte sie sich geirrt.

»Und was wollen Sie für mich tun?«, fragte er etwas interessierter als beabsichtigt. Nicht, dass er sich auf einen Handel einlassen würde. Das konnte er sich einfach nicht leisten. Er musste an seine Angestellten denken.

»Ich könnte als Bedienung arbeiten.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich hab genug Bedienungen. Jeden Tag kommen zehn, um sich zu bewerben.«

»Mary, hör auf!« Ihr Bruder legte seine Finger um ihren Oberarm und zerrte grob an ihr. Camden kniff die Augen zusammen und unterdrückte die Wut, die das in ihm auslöste. Er wollte am liebsten dazwischengehen und dem Kerl die kalt glitzernde Wut aus dem Gesicht prügeln.

Mary riss sich mit einem wütenden Zischen los und sah wieder zu Camden auf. »Ich kann tanzen und singen.«

»Um hier aufzutreten in Las Vegas, muss man schon ein Ausnahmetalent sein«, warf er ein. Sie ließ frustriert die Schultern hängen, nahm ihrem Bruder das Glas Bourbon aus der Hand, das dieser noch nicht angerührt hatte, und trank es halb leer.

»Schlagen Sie was vor«, sagte sie und leckte den Bourbon von ihren vollen roten Lippen.

»Schlafen Sie mit mir«, platzte es aus ihm heraus, bevor er es zurückhalten konnte. Er wollte sich eben entschuldigen, als sein Blick auf ihre feuerroten Wangen und ihre geöffneten Lippen fiel. Ein Plan reifte in seinem Kopf heran. Wofür sollte er sich entschuldigen? »Ich biete Ihnen einen Ausweg, Mary. Sie wollten einen.«

Travis sprang auf und schubste Camden grob. »Das wird nicht passieren. Sie sprechen hier von meiner kleinen Schwester.« Der Mann hatte Kraft, das musste man ihm lassen. Camden stolperte zwei Schritte rückwärts, bis er das Gleichgewicht wiederfand.

Mary erhob sich und legte eine Hand auf den Unterarm ihres Bruders, der seine Finger soeben in Camdens Hemd krallte. »Warte«, sagte sie leise. Travis’ Attacke hatte in ihm kaum ein Magengrummeln hervorgerufen, doch Marys Worte und ihr Blick, der jetzt auf seinem Gesicht ruhte, bewirkten, dass Camdens Herz kräftig gegen seine Rippen sprang.

»Das ist nicht dein Ernst? Du wirst nicht mit diesem Kerl schlafen.«

»Was ist schon dabei? Ich bin keine Jungfrau mehr und ich kann selbst entscheiden, was ich mit meinem Körper mache«, sagte sie zornig und schob sich zwischen Camden und ihren Bruder.

»Meine Schwester ist keine Nutte«, brüllte ihr Bruder.

»Halt deine Klappe, Travis. Alles ist besser, als dass Mutter uns jetzt beide verliert.« Travis ließ sich wieder auf das Sofa fallen. Camden versuchte, sich seine innere Aufregung nicht anmerken zu lassen. Er wusste selbst nicht, wie er diesen Vorschlag machen konnte, aber je mehr er darüber nachdachte, desto besser gefiel er ihm. Und seinem Schwanz auch. Der zuckte freudig, obwohl die Entscheidung noch gar nicht gefallen war. »Wie genau soll das laufen? Können wir das Geld behalten und Sie vergessen, dass wir je hier waren?«, wollte sie jetzt wissen.

Die ganze Zeit über hatte sie eher verstört und zurückhaltend gewirkt, jetzt kam diese kühle, berechnende Frau durch, die er in den letzten Wochen immer mal wieder hatte sehen dürfen. Er war sich nicht sicher, welche der beiden Marys er mehr wollte. Sie beide reizten ihn. Aber im Moment war die kühle wohl die bessere Geschäftspartnerin für diese Verhandlungen. Er warf einen Blick auf Travis, der jetzt sein Glas doch noch leerte, dann trat er einen Schritt näher an Mary heran. Nahe genug, dass er ihr weibliches, leichtes Parfüm riechen konnte.

»Vierzehn Tage«, sagte er. »Sie gehören mir vierzehn Tage. In dieser Zeit werden Sie mir uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Sie werden bei mir im Penthouse leben und Sie werden mir jeden Wunsch von den Augen ablesen.«

Mary schnappte hastig nach Luft. Travis sprang wieder auf, aber ein Blick aus Camdens Augen ließ ihn sich sofort wieder setzen. Sein Mund klappte zu, er stützte den Kopf in die Hände und seufzte laut.

»Vierzehn Tage?«, wollte sie heiser wissen. Ihr Puls flatterte hektisch unter ihrer blassen Haut. Camden hob seine Hand und legte seine Finger auf die bebende Stelle. Er strich mit seinem Daumen über die Linie ihres Unterkiefers und bewunderte ihre zarte, weiche Haut.

»Vierzehn Tage. Eine Edelprostituierte würde mich in der gleichen Zeit weniger kosten als das, was ihr beide mir schuldet.«

»Und danach dürfen wir gehen. Mit dem Geld.«

»Dein Bruder trainiert Cherry und du gehörst mir, danach sind wir quitt.«

»Mary …«, versuchte Travis zu protestieren.

»Nein, Travis. Das ist der einzige Ausweg«, sagte sie, ohne ihren Blick von Camden zu lösen. »Abgemacht.«

ZWEI

Mary

»Du wirst dich nicht auf diesen Handel einlassen«, fuhr Travis sie an und hielt sie im Gang vor ihrem gemeinsamen Hotelzimmer im Benson am Oberarm zurück. Mary wollte die Sache einfach nur schnell hinter sich bringen, ihre Sachen in einen Koffer packen und sich dann im Penthouse von Camden McAdams melden, auch wenn sie natürlich ein genauso ungutes Gefühl bei diesem Deal hatte wie ihr Bruder.

Aber gerade deswegen wollte sie so schnell wie möglich im Penthouse eintreffen, damit sie gar nicht erst zu lange darüber nachdachte und die Zweifel sie am Ende noch zurückhalten würden. Das durfte einfach nicht passieren. Sie musste diesen Deal durchziehen, denn Gefängnis kam für sie beide nicht infrage. Nicht, wo ihre Mutter niemand anderen mehr hatte als sie beide. Ihr Vater saß schon seit vier Jahren wegen allerlei Betrügereien im Gefängnis und würde so schnell auch nicht wieder rauskommen. Und bei dem schlechten Gesundheitszustand ihrer Mutter konnte sie unmöglich zulassen, dass ihre beiden Kinder irgendwo irgendwelche Strafen absitzen würden, während sie dann auch noch das Letzte verlieren würde, was ihr etwas bedeutete. Die kleine Farm in Millers Falls, Texas.

»Doch, das werde ich. Du weißt selbst, dass wir keine andere Wahl haben«, zischte sie ihn an, riss sich los und ging mit eiligen Schritten weiter den Gang entlang auf ihr Zimmer zu. Sie öffnete die Tür, ihr Körper schwitzte vor Aufregung und von der sommerlichen Hitze, ihr Herz raste, weil sie natürlich große Angst hatte und sie nicht wusste, was auf sie zukommen würde. Und sie hatte das Gefühl, dass jeder Muskel zitterte, aber sie setzte trotz allem ihren Plan fort, zog einen Koffer aus dem Kleiderschrank und warf ihn auf das Bett. Hinter ihr knallte die Zimmertür zu. Mary zuckte zusammen, sah sich aber nicht nach Travis um.

»Meine Schwester wird sich nicht prostituieren. Das lasse ich nicht zu. Und schon gar nicht für so einen reichen, verwöhnten Anzugträger, dem ein Leben lang alles in den Schoß gelegt wurde von Daddy, und der glaubt, mit seinem Geld könnte er einfach alles haben. Einschließlich meiner Schwester.«

Mary stieß erschöpft den Atem aus, schloss die Augen für einen kurzen Moment, um sich zu sammeln, dann wandte sie sich ihrem Bruder zu und sah ihn ruhig und konzentriert an. »Travis, ich werde das hier durchziehen. Mit oder ohne dich. Aber mit dir würde es mir leichter fallen. Es würde mir die Kraft geben, das zu schaffen, wenn ich wüsste, du wärst in meiner Nähe. Egal, was du sagst, du wirst mich nicht davon abhalten. Ich würde alles für Mutter und die Farm tun. Auch mit einem verwöhnten reichen Kerl vögeln, wenn es sein muss. Besser als im Knast von einer Kampflesbe vergewaltigt zu werden. Ich hab Orange is the new Black gesehen«, sagte sie und dachte mit Schaudern an die Fernsehserie, in der sich alles um einen Frauenknast drehte.

Travis starrte sie wütend an, aber da er seine Schultern fallen ließ und sein Körper sich entspannte, wusste sie, dass sie gewonnen hatte. Der besorgte Blick, den er ihr zuwarf, ließ ihren Magen trotzdem grummeln. Sie wandte sich wieder ihrem Koffer zu und packte ihre Kleidung eilig mit zitternden Händen ein.

Camden McAdams mochte furchteinflößend sein, aber er war auch attraktiv und verursachte zumindest Herzklopfen bei ihr, wenn sie nur an ihn dachte und daran, was er von ihr wollte. Ich hätte es schlechter treffen können, beruhigte sie sich. Zum Beispiel hätte er alt und fett und hässlich sein können. Ein untersetzter, verschwitzter Kerl mit Halbglatze, Schnauzbart, gelben Zähnen und schlechtem Atem. Das alles traf auf Camden nicht zu.

Als er vorhin nahe vor ihr stand und ihr Gesicht gestreichelt hatte, konnte sie nur seinen sauberen, maskulinen Duft wahrnehmen, die breite Brust und sein umwerfendes, wenn auch sehr seltenes Lächeln, das er ihr zufrieden zugeworfen hatte, als sie dem Handel zugestimmt hatte. Ein raubtierhaftes Lächeln. Ein Lächeln, das eine Hitzewelle direkt in ihren Unterleib gespült hatte. Ja, sie hätte es schlechter treffen können. Ob dieser Mann so etwas öfters machte, darüber wollte sie vorerst nicht nachdenken. Aber wahrscheinlich war sie nicht die einzige Frau, die ihre Schulden mit ihrem Körper bei ihm abzahlen musste. Und irgendwie hatte dieser Deal auch seinen Reiz, besonders, da sie sich schon seit einigen Tagen vorstellte, wie es wäre, mit ihm zu schlafen. Was wäre also dabei, es wirklich zu tun, wenn auch auf eine etwas ungewöhnliche Art und Weise. Eine, die ihrer Mutter die Scham ins Gesicht treiben würde. Aber wenn man es mal genau beleuchtete, war es doch so, dass sie beide sich offensichtlich stark voneinander angezogen fühlten. Warum sollte sie sich deswegen also schlecht fühlen? Es wäre doch nichts anderes, als eine kurze Affäre. Und die hatte doch jeder irgendwann mal.

Mary klappte ihren Koffer in dem Moment zu, in dem es an der Tür klopfte. Travis wandte sich mit einem verzweifelten Seufzen zur Tür um und öffnete dem Bodyguard, der sie beide bis zum Hotel begleitet hatte. In einer Luxuslimousine!

»Ich bin fertig«, sagte Mary zu Braden, der das Zimmer betrat, Marys Koffer vom Bett nahm, als wöge er nichts, und sie dann mit einer Hand auf ihrem Rücken aus dem Zimmer schob.

»Sie sollten Ihre Sachen auch packen«, sagte Braden im Rausgehen zu Travis. »Man wird Sie gleich abholen. Mr. McAdams hat es gern, wenn seine Angestellten im Hotel wohnen, sofern sie keine feste Unterkunft in Las Vegas haben. Das macht vieles einfacher.«

»Wie zum Beispiel verhindern, dass jemand wegläuft«, stellte Travis mit einem breiten Grinsen fest. Er trat auf Mary zu, umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Pass auf dich auf, Kleine. Ich bin in der Nähe.«

Mary nickte und schluckte den Kloß in ihrem Hals mühsam runter, dann ließ sie sich von Braden fast schon abführen. Sie hatte nun doch das Gefühl, sie würde ihre Gefängnisstrafe antreten. Zwei Wochen konnten eine Ewigkeit sein, konnten aber auch in Sekunden vorübergehen. Sie hoffte wirklich auf Letzteres.

Mary stieg hinten in die Limousine. Braden setzte sich ihr gegenüber und musterte sie neugierig. Dieser Mann wirkte fast noch furchteinflößender als sein Boss. Sein Haar war militärisch kurz geschnitten. Auf der Stirn hatte er seitlich über der Schläfe eine etwa zehn Zentimeter lange Narbe. Sein Unterkiefer war sehr markant und er schien aus nichts anderem als aus Muskeln zu bestehen. Wahrscheinlich hatte er irgendwann in der Army gedient. Alles an ihm wirkte so.

»Macht Ihr Boss solche Geschäfte öfter?«, fragte sie ihn harsch, weil sie auch ihm irgendwie die Schuld an allem gab, obwohl sie natürlich wusste, dass allein sie die Schuld traf. Sie hätte von Anfang an einen legalen Weg finden sollen, an das Geld für die Bank zu kommen.

Braden zog eine Augenbraue hoch. »Nein, so oft wird er nicht von hübschen Frauen betrogen.«

»Aber hübsche Frauen rennen ihm wahrscheinlich sein Penthouse ein«, stellte Mary fest.

Braden verzog das Gesicht. »Nicht sein Penthouse. Dort hoch schaffen es nur Freunde und seine Tochter.«

»Er hat eine Tochter?«, wollte Mary erstaunt und fast schon erleichtert wissen. Unmöglich würde er merkwürdige Dinge von ihr verlangen, wenn sie bei ihm wohnte und alles mitbekommen würde. Mary hielt den Atem an, als sie bemerkte, dass sie ein viel wichtigeres Detail übersehen hatte. Wo eine Tochter war, war meist auch eine Ehefrau. »Was ist mit seiner Frau? Wird sie nicht etwas gegen diesen Handel haben?«

O! Er wollte doch nicht … Mary und seine Frau … und das gleichzeitig? Mary schnappte nach Luft.

Braden grinste breit. »Seine Tochter wohnt in der Wohnung nebenan. Sie ist sechzehn. Und seine Frau - genau genommen Ex-Frau - ist Gott weiß wo gerade auf Tournee. Sie sind seit Jahren getrennt.«

»Ach so«, sagte Mary kleinlaut. War das eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung, die durch ihre Brust flutete?

Die Limousine hielt vor dem Eingang des Hotels. Ein Page öffnete die Tür und half Mary beim Aussteigen. Sie blieb vor dem Auto stehen und starrte an dem vierzigstöckigen Giganten hoch, in dem sie die nächsten zwei Wochen leben würde. Die oberen Stockwerke konnte sie fast nur erahnen.

»Das nächste Mal lassen Sie erst mich aussteigen«, knurrte Braden mit vorwurfsvollem Blick, als er vor ihr auftauchte. »Ich bin für Ihre Sicherheit zuständig. Ich kann Sie nur beschützen, wenn ich vor Ihnen aussteige.«

»Sie sind nicht für meine Sicherheit zuständig«, keifte Mary. »Sie sind mein Gefängniswärter.«

Der Page sah sie beide verwirrt an, wich aber Bradens Blick sofort aus, als dieser ihn ansah.

»Das auch.« Er legte ihr eine Hand auf den unteren Rücken und drängte sie in Richtung Eingang. »Lassen Sie die Koffer in das Penthouse bringen«, befahl er dem Pagen, ohne ihn weiter anzusehen.

Braden bugsierte sie an der Hotelinformation vorbei zu den Aufzügen, wo er eine Chipkarte vor einen Scanner hielt und dann einen Code in ein Tastenfeld eingab. Die Fahrstuhltüren schlossen sich und mit ihnen umfing ein Druck Marys Brust, der mit jedem Meter, den sie an Höhe gewannen stärker wurde. Die Fahrt dauerte nur wenige Sekunden und Mary war sich nicht sicher, ob diese Sekunden nun sehr lang oder sehr kurz waren. Aber sie fühlten sich kein bisschen gut an. Nervös leckte Mary sich über die Lippen, als der Fahrstuhl im Obergeschoss hielt und die dunkelbraunen Türen mit den goldenen Verzierungen sich fast geräuschlos öffneten.

Braden schob sie wieder vor sich aus dem Fahrstuhl auf einen Gang, der mit einem dunkelroten Läufer ausgelegt war. Die Wände hier oben waren in einem dunklen Grau gestrichen, was sehr edel und kein bisschen düster wirkte. Sie liefen den Gang entlang und mit jedem Schritt krampfte sich Marys Herz mehr zusammen. Sie fühlte sich tatsächlich, als würde sie zu ihrer Hinrichtung geführt. Die Zweifel an diesem Handel wuchsen mit jedem Schritt und sie versuchte, alle Gedanken auszublenden. Sie musste sich immer wieder daran erinnern, dass dies hier für sie alle war: für Mutter, Travis, sie … und ja, auch für ihren Vater, der, wenn er aus dem Gefängnis kam, die Chance haben sollte, in ein Zuhause zurückkehren zu können.

»Dieses Apartment gehört Ellie, Camdens Tochter. Um ehrlich zu sein, sie ist nicht ganz einfach. Wenn ich Ihnen etwas raten darf, lassen Sie sie nicht zu nahe an sich ran.« Er ging weiter und blieb vor der nächsten Tür stehen. »Das ist Camdens Reich. Ich denke, die meiste Zeit werden Sie wohl hier verbringen«, meinte Braden mit einem wissenden Grinsen. Er klopfte an, öffnete dann die Tür einen Spalt und steckte seinen Kopf hindurch, kurz darauf öffnete er die Tür und trat beiseite. »Er wartet schon auf Sie.«

Braden nickte ihr aufmunternd zu, das half Mary aber nicht wirklich. Ihr Herz rutschte ihr in den Magen und purzelte ihr dann zwischen die Beine, wo es erstarrt vor Panik auf dem Teppichboden liegenblieb. Bei der Vorstellung kicherte sie nervös, weil sie sich fragte, ob man ihr Herz auf dem dunklen Rot überhaupt sehen würde, wenn es wirklich dort landen würde. Sie atmete tief ein, straffte die Schultern, schob das Kinn vor und betrat einen großen, hellen Raum mit weißem Ledersofa, einem Flügel, abstrakter Kunst an den Wänden und einem Ausblick auf Las Vegas, der ihr schon wieder den Atem raubte.

Mary blinzelte und versuchte sich von dem modernen, kühlen, aber sehr geschmackvollen Ambiente nicht zu sehr ablenken zu lassen. Sie richtete ihren Blick auf Camden, der von der u-förmigen Sofalandschaft aufstand und auf sie zukam. Er blieb nahe vor ihr stehen, sein Blick glitt ernst über ihren Körper, dann nahm er ihre Hand und führte sie auf das Sitzmöbel zu, wo ein älterer Herr sie interessiert ansah. Er stand höflich auf und gab ihr mit einem künstlichen Lächeln im Gesicht die Hand, um sie zu begrüßen.

»Das ist Doktor Christopher Kenner«, stellte Camden ihn vor. »Christopher, deine Patientin, Ms. Preston.«

Mary entzog dem Arzt ihre Hand und sah verwirrt zu Camden auf. »Patientin?«

Camden legte eine Hand in ihren Rücken und führte Mary zum niedrigen Marmortisch in der Mitte der Sofalandschaft. »Das sind meine Testergebnisse. Ich hab mich vor ein paar Tagen auf Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen. Ich bin sauber. Christopher wird dir jetzt etwas Blut abnehmen.«

Mary keuchte auf und wich einen Schritt zurück. »Was? Nein!«

Camden zog fragend eine Augenbraue hoch und sah sie bedrohlich an. Er trat auf sie zu, beugte sich zu ihr runter und flüsterte ihr ins Ohr, dabei streifte er ihre Wange, was ein Kribbeln überall auf ihrer Haut auslöste. »Vielleicht sollte ich die Regeln klarstellen. Fangen wir zuerst mit der wichtigsten Regel an.« Mary wollte zurückweichen, aber Camden hinderte sie daran, indem er eine Hand in ihren Nacken legte und sie mit grobem Griff festhielt. »Du tust, was ich dir sage, oder unser Geschäft ist geplatzt. Du kannst dich jetzt also weigern, was zur Folge hätte, dass sich unsere Wege sofort trennen und ich dich raus zu Braden schicke, der dich und deinen Bruder zur Polizei bringt - zusammen mit den Videoaufzeichnungen der letzten Wochen. Oder du lässt dich testen, denn ich will sichergehen, dass wir beide uns den Spaß nicht durch irgendwelche Einschränkungen verderben lassen müssen. Und ich möchte Dinge mit deinem Körper tun, bei denen Kondome nur ein unnötiges Hindernis darstellen würden.«

Mary schluckte hart und stemmte sich gegen Camdens Griff. Nicht, weil er ihr unangenehm war, im Gegenteil, er fühlte sich viel zu angenehm an: die Hitze seiner Hand in ihrem Nacken, grob und besitzergreifend. Dazu der würzige Duft seines Aftershaves und sein warmer Atem an ihrem Ohr. Aber sie wollte ihm auch nicht kampflos nachgeben. »Und wenn ich die Pille nicht nehme?«, fragte sie trotzig, nachdem er sie losgelassen hatte.

»Du nimmst sie, Hunter hat sie gerade in deinem Gepäck gefunden.« Er zog sein Handy aus der Tasche seines Jacketts und hielt es hoch, um ihr zu zeigen, dass er eine SMS bekommen hatte, in der steht, dass sie die Pille nehmen würde.

»Er hat mein Gepäck durchwühlt?«

»Reine Vorsicht. Ich will keine Drogen in der Nähe meiner Tochter.«

Jetzt platzte Mary der Geduldsfaden. Sie trat auf den Mann zu, der so viel von ihr verlangte und dann auch noch so hart zu ihr war, und schubste ihn grob. »Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich dir gesagt, dass ich keine Drogen nehme. Wenn deine Meinung von mir so schlecht ist, wozu dann das alles? Dann lass mich verhaften, klag mich an, wirf mich raus …«

Camdens Blick verdunkelte sich so beängstigend, dass Mary sofort ihre Tirade beendete und den Zorn runterschluckte. Er packte grob ihren Oberarm und sah sie so grimmig an, dass Schauer über Marys Rücken rieselten. »Die zweite Regel besagt, dass du mich nie - niemals - schubst, anschreist oder auf andere Art respektlos behandelst.« Er beugte sich wieder näher zu ihr runter. »Schon gar nicht, wenn wir nicht allein sind. Verstanden?«, knurrte er.

Marys Hals fühlte sich ganz trocken an. Sie wollte am liebsten so schnell wie möglich hier weg. Die Situation war so schon unangenehm für sie, aber er machte es nicht leichter für sie, indem er so kalt zu ihr war. Sie konnte ihren rasenden Puls und das Adrenalin so deutlich spüren, dass sie zitternd Luft holte. Sie fühlte die Angst und gleichzeitig einen unbekannten Rausch, von dem sie nicht wusste, was sie davon halten sollte. Sie wusste aber, dass dieser Rausch einen Teil in ihr zum Klingen brachte. Und das machte sie neugierig. Interessiert musterte sie Camden. Wie machte er das bloß? Sie fürchtete sich vor ihm und fühlte sich zugleich wie magisch von ihm angezogen. Einem Mann wie ihm war sie noch nie begegnet. Dominant, attraktiv, dunkel und extrem selbstbewusst. Und mit einer Anziehungskraft, die sie in ihren Grundfesten erschütterte. Wenn er ihr irgendwo anders begegnet wäre, vielleicht in einem Club, würde sie längst sabbernd vor ihm kriechen. Und das, obwohl sie gar nicht der Typ dafür war. Sie verfiel keinem Mann bei der ersten Begegnung. Aber er machte etwas mit ihr und sie wusste, dass es diese Ausstrahlung war, die ihn umgab. Und sie durfte nicht vergessen, dass sie keine andere Wahl hatte, als zu tun, was er von ihr verlangte. Unter anderen Umständen würde sie sich nie auf so etwas einlassen. Aber diese Umstände erforderten gewisse Dinge, gegen die sie wohl nicht ankam. Sie war darauf angewiesen, dass er sie nicht verjagte.

»Verstanden.« War sie wahnsinnig geworden?

Sie öffnete mit zornig zusammengekniffenen Lippen den Knopf am Handgelenk ihrer Bluse, die sie vorhin gegen das Kleid getauscht hatte, bevor sie von Braden abgeholt worden war, und rollte den Ärmel ihrer Bluse nach oben, dann hielt sie Camden ihren nackten Arm auffordernd vor die Nase.

»Danke«, sagte er zufrieden.

DREI

Mary

Mary rieb sich die Einstichstelle an ihrem Arm und knurrte innerlich vor Wut. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Ihre Wut wurde immer größer. Sie war auf jeden und alles wütend, aber ganz besonders auf diesen Teufel, der sie mit einer Arroganz behandelte, die sie sich richtig klein und unsicher fühlen ließ. Dabei war sie eigentlich niemand, der sich so behandeln ließ. Sie wusste immer ihr großes Mundwerk einzusetzen. Nur bei ihm verschlug es ihr ständig die Sprache, und das hing mit seiner arroganten, selbstsicheren Art zusammen, da war sie sich sicher.

Sie starrte zornige Löcher in Camdens Rücken, der an der Tür stand und sich von seinem Arzt verabschiedete. Was dieser Mann jetzt wohl über sie dachte? Mary stieß einen verzweifelten Seufzer aus und legte die Hände vor ihr Gesicht. Hiervon durfte ihre Mutter niemals erfahren.

Camden schloss die Tür, blieb mit dem Rücken zu ihr stehen und lehnte den Kopf gegen das dunkle Holz. Mary schnaubte. Was bitte hatte ihn so erschöpft? Marys Weigerung, sich Blut abnehmen zu lassen, damit er sicher sein konnte, dass sie keine Geschlechtskrankheiten hatte? Obwohl ein winziger Teil von ihr verstand, dass er kein Risiko eingehen wollte, fühlte sie sich auch beleidigt, weil er offensichtlich zu glauben schien, sie wäre eine Hure. Aber warum sollte er das auch nicht glauben? Immerhin war sie auf dem besten Weg, seine Hure zu werden.

Mit einem vernehmlichen Seufzen löste sich Camden von der Tür und wandte sich zu ihr um. Er sah sie mit bitterem Blick vorwurfsvoll an. »Widerspreche mir nie wieder vor irgendjemandem. Egal wer.« Er wandte sich einer Tür rechts von sich zu und legte seine Hand auf den Türgriff. »Folge mir«, sagte er leise.

Mary kniff die Lippen fest zusammen und stand widerwillig vom Sofa auf. Sie durchschritt mit trotzig vorgeschobenem Kinn das große offene Wohnzimmer und überspielte ihre innere Unsicherheit mit jedem selbstsicheren Schritt auf ihn zu. Auf keinen Fall sollte er das Chaos in ihr bemerken. Er sollte glauben, sie würde mit der Situation zurechtkommen. Sie wollte ihm nicht noch mehr Angriffsfläche für seine kalte Arroganz bieten.

Sie ignorierte seinen Blick auf ihr, der jede Bewegung genau studierte, so gut es ging. Aber es war schwer, die dunkle Gier in seinen Augen zu übersehen. Diese Gier erregte sie und riss an ihrem Stolz. Und diese beiden widersprüchlichen Gefühle irritierten sie. Da war die Erregung, die Hitze zwischen ihren Schenkeln explodieren ließ. Und da war der Stolz, der diese Erregung am liebsten ignorieren wollte, weil er wusste, dass dieser Blick nicht ihr galt, sondern all den Frauen, die dieser Mann wie seine Spielzeuge benutzte.

Camden wandte sich mit einem Stirnrunzeln ab und öffnete die Tür, er trat galant zur Seite und bat sie vor ihm in den Raum, in dessen Mitte ein großes Bett mit hoch aufgetürmten Decken und einem schwarzen, reichlich verzierten Metallrahmen stand. Eine dunkelrote Seidendecke lag über den himmlisch weich aussehenden, hohen Matratzen und Decken. Mary glaubte, wenn sie sich auf das Bett werfen würde, würde sie tief in diesen Wolken versinken. Sie ging weiter in das Schlafzimmer, dessen eine Wand komplett aus Spiegeln bestand, die Schiebetüren eines Schrankes, der wie in die Wand eingelassen schien. Vor den hohen Fenstern waren weinrote und schwarze Vorhänge, über dem Bett hing ein Gemälde, das erst bei genauerer Betrachtung ein aus Klecksen und dünnen schwarzen Linien ineinander verschlungenes nacktes Paar offenbarte. Es gab einen schlichten schwarzen Schreibtisch, einen hochflorigen Teppich - natürlich wieder in dunklem Rot - und eine halbhohe Kommode.

»Dein Zimmer für unsere gemeinsame Zeit«, sagte Camden trocken, ging an ihr vorbei und öffnete eine Tür links vom Bett, die in ein Bad mit gläserner Duschkabine, Wellnessbadewanne und dunklen Marmorfliesen führte. Wenn selbst das Gästebad in diesem Luxusapartment so luxuriös war, dann wollte Mary nicht wissen, wie das Hauptbadezimmer erst aussah. Sie warf nur einen kurzen Blick rein, um sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Es war schon schwer genug, mit dieser machtvoll erhabenen Energie klarzukommen, die der Mann hinter ihr ausstrahlte.

»Ganz okay«, sagte sie, blieb vor Camden stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Der Page bringt deinen Koffer jeden Moment. Räum deine Sachen in den Schrank, danach kannst du dich umsehen. Ich hab noch etwas zu erledigen, bevor ich mich eingehender mit dir beschäftige.«

Als er das sagte, glitt sein Blick wieder über sie und Mary war sich nicht ganz sicher, was er damit meinte. Aber die heißen Wellen, die sich durch ihren Körper arbeiteten, schienen ein Hinweis zu sein. Mary schluckte schwer, ärgerte sich dann über dieses winzige Zeichen von Schwäche und straffte die Schultern. Sie verengte die Lider zu Schlitzen und schnaubte protestierend.

»Du wirst nicht sterben, wenn du etwas netter bist«, warf sie ihm an den Kopf.

Um Camdens Mundwinkel herum zuckte es kurz, dann setzte er wieder seine unnahbare Miene auf. »Das ist wohl wahr.«

»Also wirst du es tun?«, fragte Mary hoffnungsvoll. Sie dachte mit Grauen daran, wie es wäre, vierzehn Tage mit einem Mann zusammenleben zu müssen, der ihren Körper wollte und sie zugleich geringschätzig behandelte. Wie sollte das zusammenpassen?

»Was tun?« Er zog eine Augenbraue hoch, knöpfte sein Jackett in einer sehr sinnlichen Geste auf, schob die Hände in die Taschen seiner Hose und atmete so tief ein, dass sich seine Brust vor Marys Augen regelrecht entfaltete. Ihr Blick heftete sich auf das weiße Hemd. Er hatte die obersten beiden Knöpfe geöffnet und seine Krawatte etwas gelockert und zur Seite geschoben. Unter einem schmalen Spalt, der sich dadurch im Hemd gebildet hatte, blitzte ein Tattoo hervor, nicht genug, um sagen zu können, was für eins. Mary blinzelte, als sie merkte, dass sie sich hatte ablenken lassen, und sah wieder in Camdens Gesicht auf.

»Netter sein«, entrüstete sie sich.

Er trat näher an sie heran, so dass er besser auf sie herabblicken konnte, war Mary sich sicher. Sie musste den Kopf jetzt in den Nacken legen, um noch zu ihm aufsehen zu können. Das leicht offenstehende Hemd direkt vor ihrer Nase erschwerte es ihr noch mehr, sich zu konzentrieren, und dieser Mistkerl wusste das. Er grinste zwar nicht einmal, aber in seinen Augen funkelte es amüsiert.

Mary straffte die Schultern und verzog ihr Gesicht zu einer grimmigen Maske. »Wenn du mit diesem Körper Spaß haben willst, dann wirst du netter sein müssen, denn sonst kann ich mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll.«

»Wenn ich mich recht erinnere, warst du es, die mich bestohlen hat.«

Mary schluckte und wich seinem Blick aus. Er schaffte es, dass ihre Gedanken in ihrem Kopf umherwirbelten, dabei musste sie bei klarem Verstand bleiben, um gegen ihn bestehen zu können.

»Wir haben eine Abmachung und die besagt, dass ich auf jeden Fall Spaß mit diesem Körper haben werde. Wir werden es wild treiben, Mary, und vielfältig.«

Er beugte sich zu ihr herunter und legte eine Hand in ihren Nacken. Seine Stirn drückte gegen ihre und er sah ihr drohend in die Augen. Marys Atmung beschleunigte sich. Nicht aus Angst, sondern weil ihr ganzer Körper plötzlich zu brennen schien. Jedes Mal, wenn er ihr so nahekam, wenn er sie bedrohte oder grob berührte, flutete eine Welle der Erregung durch sie hindurch. Und das war für Mary etwas völlig Neues, weswegen sie am liebsten verwirrt den Rückzug antreten würde, aber ihre Neugier und ihr unter Strom stehender Körper wollten sogar noch weitergehen. Er zog jede Zelle von ihr an.

Er legte eine Hand unter ihre Brust, sein Daumen streichelte die harte Brustwarze durch den dünnen Stoff hindurch. Mary wollte beschämt flüchten, aber ihr Oberkörper schob sich ihm sogar noch entgegen.

»Ja«, sagte er rau. »Dein Körper weiß, er wird mir nicht entkommen.«

Camden ließ sie so abrupt los, dass Mary stolperte. Ihre Knie gaben unter ihr nach und sie konnte sich gerade noch am Bett abstützen, bevor sie zu Boden gegangen wäre. Zum Glück hatte Camden diese Reaktion auf den Verlust seiner Nähe nicht bemerkt, denn er war schon fast aus dem Zimmer heraus, als er mit dem Rücken zu Mary stehenblieb. Dieser Mann strahlte eine Mischung aus Macht, Arroganz und Kälte aus, die dafür sorgte, dass Mary völlig die Kontrolle über die Reaktionen ihres Körpers verlor.

»Verlass das Zimmer nicht. Ich will nicht, dass jemand von unserem Geschäft Wind bekommt.«

VIER

Camden

Er wusste nicht, wie er mit dieser Frau umgehen sollte. Sie war gefährlicher für ihn, als er erwartet hatte. Sie weckte Begierden in ihm und sorgte dafür, dass diese Wut, die er seit Jahren bekämpfte, indem er sich Gefühle verbot, nah an der Oberfläche brodelte. Sie widersprach ihm viel zu oft, das war nicht gut. Das musste er ihr austreiben. Niemand wagte es, ihm die Stirn zu bieten, sie würde nicht damit anfangen. Und doch hatte ihr trotziger Widerstand seinen Reiz. Er schoss ihm direkt in die Lenden.

Camden zog die Tür hinter sich zu, richtete sein Hemd und seine Krawatte und schloss sein Jackett. Er atmete im Gang vor seiner Penthouse Suite mit geschlossenen Augen tief durch. Als er die Augen wieder öffnete, stand seine Tochter mit ihrem gewohnt punkigen Aufzug vor ihm und verzog angewidert das Gesicht. Er konnte sich nicht erinnern, wann es jemals anders war. Sie hasste ihn schon immer und er versuchte das so gut wie möglich zu kompensieren, indem er ihr genug Geld zur Verfügung stellte, damit sie sich alles kaufen konnte, was so ein Teenager von sechzehn Jahren sich wünschte, in der Hoffnung, dass sie das glücklich machen würde und er seine Ruhe hatte. Gut funktionierte das nicht. Immer wieder tauchte sie genau in den Momenten in seinem Leben auf, wo er seine Maske für Sekunden absetzte, um Luft zu holen.

»Brauchst du was?«, fragte er sie mit hochgezogener Braue und versuchte zumindest, warmherzig zu klingen. Seit sie vor sechs Monaten zu ihm in das The Devils Place gezogen war, weil ihre Mutter plötzlich beschlossen hatte, dass es nicht mehr gut für sie wäre, mit ihr im Tourbus ihrer Band zu leben, hatte er es nicht geschafft, einen Zugang zu ihr zu bekommen. Wenn Cayla es unterlassen hätte, seine Tochter all die Jahre von ihm fernzuhalten und ihr einzureden, dass ihr Vater Abschaum war, dann hätte ihre Vater-Tochter-Beziehung wohl unter einem anderen Stern gestanden. Aber soweit er wusste, dachte Ellie, ihr Vater wäre das größte Arschloch auf dem Planeten. Wahrscheinlich lag sie damit nicht einmal falsch. Man musste schon ein gewaltiges Arschloch sein, wenn man eine Frau mit Sex erpresste.

Aber er wollte Mary. Und was er wollte, das nahm er sich. Und auf diesem Weg waren die Dinge von Anfang an klar: Sie wusste, dass es zwischen ihnen nie mehr als dieses Geschäft geben würde. Nach vierzehn Tagen würden sie beide sich nie wiedersehen. Und er bekam, wonach er sich seit Wochen sehnte, ohne das Risiko eingehen zu müssen, dass Schneewittchen danach wie eine Klette an ihm hing.

»Also?«, wandte er sich an seine Tochter und versuchte sich an einem Lächeln, was garantiert eher wirkte, als würde ein Wolf seine Lefzen hochziehen.

Ellie zuckte mit den Schultern, im Gesicht der immer gleiche hasserfüllte Ausdruck, den er jetzt schon seit Monaten zu sehen bekam. »Ich brauch eine Videokamera.«

»Wozu brauchst du denn eine Kamera?«, wollte er erstaunt wissen.

»Weil mir mein Handy nicht mehr ausreicht.«

Er musterte sie verwirrt. Er würde dieses Kind nie verstehen. Sie sprach kaum, wanderte nur ziellos durch das Hotel und ging auch nicht aus, so wie er in ihrem Alter. Eigentlich würde man sie kaum bemerken, wenn sie nicht immer mal wieder ganz plötzlich wie ein Geist vor ihm auftauchen würde und ihm dann mitteilte, was sie brauchte. Den Versuch, mit ihr ins Kino zu gehen, hatte er längst aufgegeben. Sie ließ es nicht zu, dass er eine Art Bindung zu ihr aufbaute.

»Ich sag Hunter, er soll dich in die Mall begleiten.«

»Okay«, murmelte sie, senkte den Blick auf ihr Handy und wandte sich ab. Sie schlüpfte in ihr Apartment, das seinem gegenüberlag und an dem sie kaum etwas verändert hatte, seit sie hier wohnte. Keine Poster, keine Fotos von Jungs oder Freundinnen, kein Mädchenkram. Ganz so, als hoffte sie, dass sie hier bald wieder wegkäme. Er starrte auf die geschlossene Tür und schüttelte seufzend den Kopf. Vielleicht sollte er sich mehr anstrengen. Aber er hatte keine Ahnung von Kindern. Er hatte ja nie die Chance gehabt, ihr ein Vater zu sein.

Er wandte sich dem Treppenhaus zu. Ein paar Mal am Tag benutzte er die Treppen, um sich ein paar Minuten auf dem Laufband zu sparen. Er zog sein Handy aus dem Jackett und drückte die Kurzwahltaste, die ihn mit Braden verbinden würde.

»Wie sieht es aus?«, wollte er wissen, ohne sich mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten. Braden konnte lesen, also wusste er, wer am Telefon war.

»Wir warten im Trainingsraum auf dich.«

»Ich bin in fünf Minuten da.« Er legte auf und eilte die Treppen nach unten. Der Fitnessbereich für die Angestellten und Dauerbewohner des Hauses befand sich in der dreiundzwanzigsten Etage. Er wollte diese Sache so schnell es ging hinter sich bringen, damit er dann wieder zu seinem persönlichen Gast nach oben ins Penthouse konnte. Er wollte ihr als nächstes seine Regeln diktieren, er konnte kein Risiko eingehen. Und er freute sich sehr darauf, weil er wusste, dass es sie ärgern würde. Er hoffte, es würde sie dazu hinreißen, unüberlegt zu reagieren.

Camden öffnete die Tür zur dreiundzwanzigsten Etage und wandte sich nach rechts. Mit zügigen Schritten ging er auf die große Glastür mit der goldenen Aufschrift Privat zu, die den Gästen des Hotels sagen sollte, dass sie hier keinen Zutritt hatten. Da ihre Schlüsselkarten hier aber ohnehin nicht funktionierten, hätte gut auch gar nichts an der Tür stehen können. Er zog seine Karte über den Scanner, riss die Tür auf und betrat den Bereich, der sich in mehrere Räume aufteilte. Seine Angestellten waren ihm wichtig. All den Luxus, der seine Hotelgäste erwartete, wenn sie im The Devils Place ihren Las Vegas Urlaub buchten, den sollten seine Angestellten erst recht genießen dürfen, schließlich schufteten sie hart, um aus diesem Hotel das zu machen, was es war. Mancher mochte vielleicht glauben, er wäre ein gefühlloser Bastard - was er auch war - aber er war auch zu logischem Denken fähig. Wenn du für deine Gäste das Beste willst, sorge dafür, dass die, die ihnen das geben können mit ihrem Job zufrieden sind und jeden Morgen gerne kommen.

Camden ging an der Sauna, dem Fitnessstudio und dem Massagestudio vorbei. Am Ende des Spas befand sich eine weitere Tür, zu der nur wenige Zutritt hatten. Das Rodeotrainingscenter. Es gab jedes Jahr nur eine Chance in Las Vegas, der Konkurrenz zu zeigen, welches Resort das wichtigste, mächtigste und beeindruckendste war: Das Las Vegas Resorts Rodeo. Letztes Jahr ging der Sieg an seinen größten Konkurrenten, Stan Bennett.

Der alte Sack hatte Camden diesen Sieg bitter schmecken lassen, denn zwischen ihm und Camden herrschte seit Jahren ein Privatkrieg. Der Mann wollte damals unbedingt das The Devils Place haben. Aber Camden hatte am Ende den Zuschlag bekommen. Weil er mit allen Mitteln gekämpft hatte. Eins dieser Mittel war gewesen, mit allen Frauen des Ausschusses zu schlafen, die auch nur annähernd Interesse an ihm gezeigt hatten. Das hatte er tun müssen, dieses Hotel war sein letzter Befreiungsschlag von seinem Vater gewesen. Und seither gab er sich alle Mühe, seinem alten Herren in New York die kalte Schulter zu zeigen.

»Bringen wir es hinter uns«, sagte Camden beim Eintreten. Cherry, seine größte Hoffnung auf den Sieg, saß auf dem mechanischen Bullen und grinste sexy auf Travis runter, der eine Hand auf ihrem Knie hatte und mit der anderen ihren Unterschenkel gegen den Leib des Bullen drückte. Er schien nicht einmal mitzubekommen, dass die Kleine ihn anhimmelte, als wäre er ein Gott. Camden verzog angewidert das Gesicht und öffnete den Knopf seines Jacketts, dann trat er zu Braden, der am Schutzring des Bullen lehnte. »Wo sind die anderen beiden Mädchen?«

Braden sah mit stahlharter Miene kopfschüttelnd zu ihm auf. »Ziehen sich gerade um.«

»Hat es was damit zu tun, dass Cherry den Kerl so anhimmelt und heute in ihren extra kurzen Show-Hosen auf dem Bullen sitzt?« Wenn sie trainierten, saßen die Mädchen meist mit abgeschnittenen Stoffhosen und abgewetzten Lederstulpen auf dem Bullen.

»Ja, war wohl nicht deine beste Idee, ihnen so was wie den Justin Timberlake des Rodeos vor die Nase zu setzen.« Braden verzog das Gesicht.

»Travis«, machte Camden auf sich aufmerksam. Travis wandte ihm das Gesicht zu und gab Greg am Schaltpult des Bullen ein Zeichen, dann stapfte er über den luftgefüllten Untergrund des Bullen auf ihn zu und kletterte aus dem Ring, während hinter ihm sich der Bulle mit Cherry darauf in Bewegung setzte. Cherry hielt einen Arm in die Luft, mit der anderen hielt sie sich am Sattelknauf fest, dann bewegte sie sich im Einklang mit dem Rhythmus des Bullen.

»Boss«, sagte Travis verächtlich.