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Dieses Buch kann dein Herz heilen. Es bietet einen Ort zum Innehalten, um zur Ruhe zu kommen, zum Heilen und Wachsen. Dein Liebeskummer erdrückt dich? Du kommst einfach nicht darüber hinweg? Bist gefangen in endlosen Gedankenschleifen? Schmerz und Zweifel sind deine ständigen Begleiter? Zeit nach vorne zu schauen und sich intensiv um dich zu kümmern. Alice Haddon, Psychologin, und Bestsellerautorin Ruth Field nehmen sich im Heartbreak Hotel deiner an und zeigen dir mitfühlend und bestärkend, wie du: dich deinem grenzenlosen Schmerz urteilsfrei und ohne Scham stellst, um Hilfe bittest und dich von anderen unterstützen lässt, freundlich und nachsichtig mit dir selbst bist und dein gebrochenes Herz mit Liebe und Stolz heilst und wieder zurück zu dir findest. 2021 gründeten Alice Haddon und Ruth Field das Heartbreak Hotel, ein Retreat für Frauen, die eine Trennung durchleben. Teilnehmerinnen schrieben über die Erfahrung: «Endlich fühle ich mich wieder wie ich selbst und bin bereit, mich allem zu stellen, was noch kommt.» «Dank des Heartbreak Hotels plane ich jetzt, was ich mit meinem wilden, wertvollen Leben anfangen werde. Es ist ein schwieriger Weg, aber einer, von dem ich nun weiß, dass ich ihn gehen kann.» «Alice und Ruth' Arbeit hat eine seismische Verschiebung ausgelöst, die es mir ermöglicht, wieder an mich zu glauben, meinen Gefühlen zu vertrauen und zukünftig mein bestes Leben zu leben, ohne mich von meiner gescheiterten Ehe definieren zu lassen.» «Es ist unmöglich in Worte zu fassen, wie sehr Alice und Ruth' Sorge und Expertise mir geholfen haben, nicht nur, um die traumatischen Erlebnisse in meinem Leben zu verstehen, zu akzeptieren und zu verarbeiten, sondern auch, um mich zu erholen und nach vorne zu schauen.» «Ich schaue fast täglich in mein Notizbuch, um mit den Tipps und Tricks zu üben. Ich bin dankbar für diese Erfahrung, die mir auf dem Weg der Heilung enorm geholfen hat.»
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Seitenzahl: 224
Veröffentlichungsjahr: 2024
Alice Haddon • Ruth Field
Dein Herz ist gebrochen, du bist es nicht
Wir wissen, Liebeskummer ist unvermeidlich. Und wir wissen auch, dass wir auf lange Sicht die Kraft haben, den Schmerz hinter uns zu lassen und das Leid in etwas Sinnhaftes zu verwandeln. Dennoch gehen die meisten von uns, die Untreue, Verrat oder Verlassenwerden erlebt haben, sich selbst erst einmal verloren. Wir stecken fest im Gedankenkarussell, erzählen unseren Freund:innen die immer wieder gleiche Geschichte, suchen Trost in noch einem Glas Wein, stalken sie oder ihn spätnachts in den sozialen Medien. Dieses Buch weist uns einen Weg aus dem Liebeskummer. Es bietet einen Ort zum Innehalten, um zur Ruhe zu kommen, zum Heilen und Wachsen. Einen Ort, an dem uns das Gefühl vermittelt wird, verstanden, unterstützt und umsorgt zu werden. Willkommen im Heartbreak Hotel. Du bist nicht allein.
Alice Haddon ist Psychologin und unterrichtet an der University of London. Zuvor führte sie viele Jahre ihre eigene Praxis. Sie schreibt u.a. für die Times und Harper’s Bazaar.
Ruth Field arbeitete zehn Jahre als Strafverteidigerin. Heute ist sie freie Autorin und schreibt erfolgreiche Ratgeber sowie Texte für u.a. die Times, den Telegraph und die Irish Times.
Gemeinsam gründeten die beiden Autorinnen 2021 The Heartbreak Hotel, ein Retreat für Frauen, die eine Trennung durchleben.
Sabine Längsfeld übersetzt bereits in zweiter Generation Literatur verschiedenster Genres aus dem Englischen in ihre Muttersprache. Zu den von ihr übertragenen Autor:innen zählen Anna McPartlin, Sara Gruen, Glennon Doyle, Malala Yousafzai, Roddy Doyle und Simon Beckett.
Die englische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel «Finding Your Self at the Heartbreak Hotel» bei HarperCollins Publishers Ltd., London.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2024
Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
«The Heartbreak Hotel» Copyright © 2023 by The Heartbreak Hotel London Ltd.
Illustrationen © Maria Nilsson 2024
Gedicht © Ani Aladegbami 2024
Covergestaltung HAUPTMANN & KOMPANIE Werbeagentur, Zürich
Coverabbildung Shutterstock
ISBN 978-3-644-01636-1
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Für unsere Mütter – Tessa Haddon (1938–2020) und Kay Field
Die Sonne
Sie hielt sich für ein winziges Lebewesen.
Lag in der Sonne, regungslos, um sich warm zu halten, am Leben zu bleiben.
Wanderte mit dem Licht, um nur ja nicht allein im Dunkeln zurückzubleiben, zitternd und kalt.
Was sie dabei nicht erkannte … in ihrer Verwirrung, in dem Bemühen, nicht loszulassen, in ihrem Kampf, warm zu bleiben …
Was sie dabei nicht erkannte: Selbst ganz allein gab es in ihr nichts Kaltes.
Denn sie war die Sonne.
Strahlend und aus unendlichen Reserven sich speisend.
Über Jahrmillionen Lebensspenderin für winzige Wesen und alles Leben.
Und über alle Maßen mächtig.
Ani Aladegbami
Wir glauben, es wäre so und so, und dann ist plötzlich alles ganz anders.
Der Moment, in dem unser Herz bricht, trifft uns mit voller Wucht, beinahe brutal. Erleben und Erkennen geschehen unmittelbar, als hätte uns jemand einen Fausthieb versetzt. Trotzdem dauert es schmerzhafte Monate, manchmal Jahre, bis wir wieder in unsere Mitte zurückgefunden und die grausame Wahrheit verarbeitet haben. Die lähmende Müdigkeit, die auf den Schlag folgt, beweist, in welchem Ausmaß wir auch körperlich leiden. Ein gebrochenes Herz wird nicht nur emotional erlebt, es wird auch physisch erfahren, ganz konkret, im und mit dem Körper. Ein Körper mit gebrochenem Herzen verliert zwischenzeitlich seine strukturelle und emotionale Stabilität, und wir werden durch alles und alle um uns herum verletzbar.
Ein gebrochenes Herz, Betrug, Täuschung, Untreue, Verrat, doppeltes Spiel, Verlassenwerden, Seitensprung … all diese Begriffe bedeuten den Verlust von Sicherheit und die Erschütterung jener Grundüberzeugung, die die Basis intimer Beziehungen bildet – Vertrauen. Die emotionale Sicherheit, das Vertrauen in den Anschein der Dinge und die Zukunft, wie wir sie uns vorgestellt haben, ist zerstört. Der Mensch, dem wir vertraut haben, hat uns Schaden zugefügt, manchmal irreparablen Schaden, und das ist ein grauenhaftes Gefühl – wie im Schleudergang der Waschmaschine zu stecken oder als wären wir über Bord gegangen: Um uns herum tosende Wellen, wir schnappen verzweifelt nach Luft, schauen Hilfe suchend nach oben zu unserem geliebten Menschen – und dabei wird uns klar, dass er oder sie es war, der bzw. die uns ins Wasser gestoßen hat.
Dabei ist nicht nur die Beziehung an sich explodiert, sondern oft das gesamte soziale und emotionale Ökosystem, zu dem beide Partner gehörten. Freundeskreis, Herkunftsfamilien, Erlebnisse, Lieblingsorte, die gemeinsame Geschichte – alles verloren. Hilflos werden wir nicht nur von dem Menschen weggerissen, den wir liebten, sondern zugleich von dem Netzwerk aus Menschen und Orten, die uns als Paar definiert haben.
Wut, Zorn, Verwirrung, Übelkeit, Schlaflosigkeit, Nervosität, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Angst … das ständige Wiederkäuen und Neu-Durchleben des Geschehenen, dazu Rachefantasien oder Versöhnungsträume führen in abgrundtiefe Erschöpfung. Als wäre man auf das Rad eines Messerwerfers geschnallt und würde permanent im Kreis herumgewirbelt und mit messerscharfen Gegenständen beworfen. Kein Wunder, dass überwältigende siebenundsechzig Prozent betrogener Beziehungspartner:innen die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen.[1] (Es gab diverse Versuche, diese Erfahrung wissenschaftlich zu benennen: posttraumatische Verbitterungsstörung[2], Post-Untreue-Belastungsstörung[3], moralische Verletzung[4].)
Verrat gilt als so abscheuliche Sünde, dass der Dichter Dante den Verräter:innen in seiner Vision der Hölle den schrecklichsten Platz zudachte – den neunten und letzten Ring. Nächster Halt: Luzifer persönlich. In diese grausame, zu Eis erstarrte Ödnis werden all diejenigen verbannt, welche diese «Sünde des Herzens» begangen haben, dazu verdammt, nie wieder die Wärme der Liebe zu spüren. Bis in alle Ewigkeit bis zum Hals im Eis festgefroren, liegen sie in grotesken Haltungen erstarrt, mit abgefrorenen Ohren, die Augen blind von eisigen Tränen der Verzweiflung. Ohne jede Hoffnung auf Gnade.
Wir lassen sie, wo sie sind.
Häufig kommt Verrat plötzlich ans Licht, ohne jede Vorwarnung, in einem katastrophalen Augenblick der Enthüllung: eine explizit sexuelle Nachricht auf einem Mobiltelefon, ein Kontoauszug, der eine verheimlichte Reise belegt, eine versehentlich falsch geschickte Textnachricht. In diesem einen Augenblick offenbaren sich alle vorausgegangenen Lügen auf einen Schlag. Erst im Rückblick wird das ganze Geflecht erkennbar. Die meisten Menschen taugen erstaunlich schlecht als Lügendetektoren (etwas, das sich versierte Ehebrecher:innen zunutze machen). Wir neigen dazu, das doppelte Spiel erst zu durchschauen, wenn wir es direkt vor Augen haben.[5] Die Erkenntnis, betrogen worden zu sein, ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch demütigend. Außerdem lauert in der glühenden Asche des Verrats ein weiteres schreckliches Gefühl – das Gefühl, besudelt worden zu sein. Wenn man erfährt, dass der oder die eigene Partner:in mit einem anderen Menschen Sex hatte, führt das oft dazu, sich beschmutzt zu fühlen, dreckig, wie verseucht. Wie eine zu ständigem Händewaschen getriebene Zwangsneurotikerin findet die Betrogene sich in einem teuflischen Gedankenkarussell wieder, in der Hoffnung, sich durch permanentes Grübeln von den mit dem Verrat einhergehenden Gefühlen der Demütigung, Herabwürdigung und des Missbrauchs befreien zu können.[6]
Was das Ausmaß des Verlustes betrifft, hat ein gebrochenes Herz viel mit Trauer gemeinsam, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Im Gegensatz zu einem trauernden Menschen ist jemand mit gebrochenem Herzen mit dem Gefühl persönlicher Zurückweisung konfrontiert, ein Gefühl, das uns an unserer verletzlichsten Stelle trifft – jenem Ort in uns, an dem die Stimme sitzt, die flüsternd fragt: «Bin ich es wert, geliebt zu werden?» Ausgerechnet der Mensch, bei dem wir uns dafür Bestätigung holten, hat uns vermittelt, nicht liebenswert zu sein. Ein gebrochenes Herz verstößt uns an den Ort der Ungewollten und Ungeliebten, und damit geht ein Gefühl von Ohnmacht einher. Wenn wir verletzt werden, werden uralte Wunden berührt, deren Ursprung teils bis in die frühe Kindheit zurückreicht, die das Ihre zur Schmälerung unseres Selbstwertgefühls und unserer Selbstachtung beitragen. So gesehen, ist es kein Wunder, dass wir unfassbare Mengen mentaler Energie auf den Versuch verwenden, die Situation zu berichtigen und zu bannen. Wir spielen in Gedanken alle möglichen Szenarien durch, um unser Selbstwertgefühl wieder zurückzuerlangen und den Herzensbrecher – oder sie – zu bestrafen oder dazu zu bewegen, uns wieder zu lieben.
Liebe als Triebfeder ist so stark, dass sie mit dem Rauschgefühl nach dem Konsum von Kokain verglichen wurde. Liebe setzt eine Flut von Dopamin frei, und der Verlust von Liebe kann dazu führen, dass Menschen mit gebrochenem Herzen sich verhalten wie Drogensüchtige auf der Suche nach dem nächsten Kick.[7] Wir glauben, wir wären endgültig durch mit dem Thema, bis wir plötzlich einen Knochen (oder auch Krümel) vor die Füße geworfen bekommen. Schon stehen wir wieder ganz am Anfang, greifen mit zitternden Fingern zum Autoschlüssel und fahren zu ihm oder ihr. Die Wirkung ist umso stärker, je unregelmäßiger uns die Krumen zugeworfen werden. Die schwankenden Dopaminschübe am Anfang einer Beziehung – Er liebt mich, er liebt mich nicht – spiegeln sich in der quälenden Dynamik eines gebrochenen Herzens wider. Eine unerwartete, spätabendliche Textnachricht, die besagt, dass sie oder er uns vermisst, schon schießt der Dopaminspiegel in die Höhe und zwingt uns dazu, uns weiter an die Hoffnung zu klammern.
In Liedern und Romanen war das gebrochene Herz schon immer Thema, nur die Wissenschaft hatte es lange ignoriert und sich stattdessen auf den Prozess des Verliebtseins konzentriert. Fehlende Orientierungshilfen seitens der Psychologie und der Wissenschaft haben dazu geführt, dass Menschen mit gebrochenem Herzen bis heute katastrophale Erfahrungen machen müssen und sich mit inakzeptablen Floskeln wie «Andere Mütter haben auch schöne Söhne/Töchter» oder «Du findest doch wieder wen» konfrontiert sehen. Das Letzte, woran jemand denkt, die oder der nach erlittenem Verrat an einem gebrochenen Herzen leidet, ist, wieder auf die Beine zu kommen oder sich neu zu verlieben, auch wenn genau das in der Menschheitsgeschichte noch nie so einfach war wie heute.
Die gesellschaftliche Revolution des Online-Datings hat eine immer temporeichere, immer oberflächlichere Herangehensweise an Liebesbeziehungen hervorgebracht. Ashley Madison[8], die «diskrete Datingseite für Verheiratete», zum Beispiel – Slogan «Das Leben ist kurz. Gönn dir eine Affäre» – hat weltweit geschätzt 75 Millionen Mitglieder. Monatlich werden fast 400000 neue Accounts eröffnet.[9] Dies deutet auf ein schwindelerregendes Ausmaß an Untreue in Beziehungen hin. Es besteht ein gewisser Konsens darüber, dass Untreue bei etwa einem Viertel aller Ehen und monogamen Beziehungen[10] vorkommt und als größter Indikator für das Scheitern von Beziehungen und Scheidung gilt – noch vor mangelnder Kompatibilität, Entfremdung, Sucht und Missbrauch. Die Auswirkungen reichen jedoch noch wesentlich weiter.[11]
In den Neunzigerjahren registrierten japanische Ärzte bei einigen Patient:innen, die mit Herzinfarkt in die Notaufnahme eingeliefert wurden, gewisse Anomalien. Die Symptome glichen einem Herzinfarkt, doch wiesen die Patient:innen hinsichtlich der Ursachen und der Regeneration ungewöhnliche Muster auf. Auf dem Ultraschall zeigte der Herzmuskel eine seltsame Form. Weil diese an die Gefäße erinnerte, die in Japan bei der Jagd auf Tintenfische Verwendung finden, nannte man das Phänomen Takotsubo-Syndrom (tako – Tintenfisch, tsubo – Topf).
Ausgelöst durch plötzlichen, starken emotionalen Stress, zum Beispiel eine schlechte Nachricht, ein finanzielles Fiasko, ein plötzlicher Verlust, ein heftiger Streit oder auch nur eine gut gemeinte Überraschungsparty, hat das Takotsubo-Syndrom – inzwischen auch bekannt als Broken-Heart-Syndrom – keine biologische Grundursache. Die Symptome sind mit denen eines Herzinfarkts fast identisch: Schmerzen in der Brust, Atemnot und Auffälligkeiten auf dem Elektrokardiogramm. Abgesehen von der bezeichnenden Form des Herzmuskels gibt es keinerlei physische Merkmale, keine verstopften Arterien, und im Gegensatz zum ungleich lebensbedrohlicheren Herzstillstand geschieht die Erholung ebenso spontan wie der vermeintliche Infarkt und innerhalb eines Monats.[12] Berichte über das Takotsubo-Syndrom finden sich weltweit. Jedes Jahr sind Tausende von Menschen betroffen, allein in Großbritannien entfällt es auf sieben Prozent aller Einlieferungen in die Notaufnahme.[13] Und: Etwa neunzig Prozent aller Fälle betreffen Frauen im Alter zwischen achtundfünfzig und vierundsiebzig.[14] Richtig gelesen.
Im Westen gelten die Hormone (mal wieder) als gängigste Erklärung – der Schwund von Östrogen während der Menopause, so heißt es, macht Frauen anfälliger für das Broken-Heart-Syndrom, weil die Herzmuskulatur den natürlichen Schutz vor Stress verloren hat, den das Östrogen einst bot. Doch wenn das die ganze Wahrheit wäre, sollte man meinen, die Östrogengaben im Zuge der Hormonersatztherapie während der Menopause würden das Problem aus der Welt schaffen. Dem ist aber nicht so.[15] Außerdem müssten die Fallzahlen bei Frauen ab Mitte siebzig, wo der Östrogenspiegel endgültig am niedrigsten ist, nach oben gehen. Doch auch das ist nicht der Fall.[16]
Der südkoreanische Begriff haan beschreibt ein Gefühl von Ungerechtigkeit und Hilflosigkeit, kombiniert mit dem starken Drang, ungelöstes Unrecht wiedergutzumachen. Haan-volle Erfahrungen können zu Hwa-Byung führen, wie es in Südkorea heißt – der «Feuerkrankheit». Klinisch identisch mit Takotsubo, aber mit erweitertem Radius, was die möglichen Ursachen betrifft, wird Hwa-Byung auch von Ungerechtigkeit und Vertrauensbruch verursacht, wozu auch Untreue in Beziehungen zählt.[17] In der südkoreanischen Sicht hat Hwa-Byung mit der Ungleichheit der Geschlechter zu tun – und mit der Unterdrückung der Frau. Weil sie in eng definierte Rollen gepresst wird und nur wenig Entscheidungsfreiheit über das eigene Leben hat, stauen sich Wut und Ärger immer weiter auf, bis das Herz bricht. Könnte es sein, dass der lebenslange Dienst an anderen diese Frauen in die Erschöpfung getrieben hat? Dass allein die Tatsache, in dieser Welt als Frau zu leben, ausreicht, um uns das Herz zu brechen?
Ein schwedisches Forschungsteam hat den Zusammenhang zwischen Lebenserfahrung und Broken-Heart-Syndrom gründlicher erforscht und in seiner Studie auch Männer berücksichtigt.[18] Das Interessante an den Ergebnissen ist, dass die Lebenserfahrungen von Männern und Frauen mit Broken-Heart-Syndrom beinahe deckungsgleich sind. Sowohl männliche als auch weibliche Proband:innen sprachen davon, sich «bis ins Mark erschöpft» zu fühlen, mit endlosen Forderungen und Pflichten konfrontiert zu sein, sich ungerecht behandelt zu fühlen, hinsichtlich der eigenen Bedürfnisse vernachlässigt worden zu sein und sich ständig um andere sorgen, kümmern und sie beschützen zu müssen, ohne die Möglichkeit, an deren Lebenssituation nachhaltig etwas verändern zu können. Hormone? Mag sein. Doch die schwedische Studie weist auf soziokulturelle Machtstrukturen hin. Weit jenseits des endokrinen Systems liegt der systematische Verrat an jenen mit wenig Macht durch jene an den Hebeln der Macht.
Tatsache ist, dass sich die Lebensrealität von Frauen immer noch vor dem Hintergrund von Marginalisierung, Entmündigung, Objektivierung und Unterwerfung abspielt. Eingebettet in die Ökosysteme unserer Beziehungen, Familien, gesellschaftlichen Kontexte und Kultur, finden sich tief verwurzelte Werte und Überzeugungen. Wenn sich herausstellt, dass gemeinsame Werte von Gleichheit und Gerechtigkeit nur manchen, aber längst nicht allen dienen, erleben wir nicht nur persönlichen, sondern ideologischen Verrat. Die Wurzeln der vorherrschenden Agenda reichen bis tief in unsere Seelen hinein und infiltrieren uns permanent mit verletzenden, erniedrigenden Botschaften. Wenn uns immer wieder eingeredet wird, dass wir nicht genügen, weniger wert sind oder gar keinen Wert besitzen, fangen wir irgendwann an, diese Botschaften zu glauben, und verinnerlichen sie. Und, noch schlimmer: Wir geben uns als Teil einer psychologischen Überlebensstrategie selbst die Schuld, um uns vor Kräften, die mehr Macht besitzen als wir, zu schützen.
Weltweit werden Frauen sich ihrer selbst zunehmend bewusst und sind es endgültig leid, auf eine Art und Weise definiert und behandelt zu werden, die herabsetzend, entwertend und schädlich ist. Die #MeToo-Bewegung hat gezeigt, wie viel Kraft es birgt, gemeinsam aufzustehen und öffentlich zu machen, was wir Frauen immer schon wussten – dass unser Leben kein Konsumgut ist und unser Körper niemand anderem gehört als uns.
Wenn Frauen zu hören bekommen, die Hormone wären schuld – wenn Frauen weniger Respekt und Würde zuerkannt werden als anderen – wenn die Care-Arbeit, die Frauen überall auf der Welt leisten und die für das Überleben ihrer Familien unerlässlich ist, weder durch Bezahlung noch Status gewürdigt wird – wenn Machthaber ohne unsere Einwilligung oder auch nur adäquate Beteiligung gesetzliche Entscheidungen fällen, die unseren Körper betreffen – wenn in einer Gesellschaft geschlechtsspezifische Gewalt toleriert wird – wenn Frauen, die sexuelles Fehlverhalten, Übergriffe oder Missbrauch zur Anzeige bringen, wegen Verleumdung angeklagt werden …
… dann nennt man das Verrat.
Ruth und ich, eine Coachin und eine Psychologin, sind seit Studientagen befreundet, unsere Gespräche drehten sich im Laufe der Jahre immer wieder um das Thema Herzschmerz – Trauerfälle, Verrat, Untreue, psychische Erkrankungen, Zurückweisung, Verluste jedweder Art –, und meistens verloren wir trotz schrecklicher Dunkelheit auch unseren Humor nicht.
Wir Therapeut:innen sind nicht automatisch kompetent, was die eigene Verletzlichkeit betrifft, und das, obwohl unser Geschäft darauf fußt, anderen beim Umgang mit ihrer Verletzlichkeit zu helfen. Häufig ist es tatsächlich so, dass jemand diesen Beruf gerade deshalb ergreift, um die eigene Fragilität zu bewältigen oder gar zu vermeiden. Psychologisches Verständnis, wie es Therapeut:innen haben, trägt dazu bei, rund um eine Erfahrung die Illusion von Struktur zu erschaffen, von Verständnis und dem damit einhergehenden Gefühl von Kontrolle. Aber trotz des tröstenden Rahmens brechen Erfahrung und Verletzlichkeit immer durch.
Ärztin zu sein, bewahrt nicht vor Krankheit, und Psychologin oder Coachin zu sein, schützt nicht vor Schmerz. Auch wir kennen Gedanken wie Darüber müsste ich jetzt langsam mal hinweg sein oder Das kann doch niemand mehr hören. Wir sind beide immer wieder gegen diese inneren Stimmen zu Felde gezogen – haben immer wieder die Fahnen dafür geschwenkt, dass Verlust und ein gebrochenes Herz Zeit brauchen, viel Zeit – und haben die kulturellen und gesellschaftlichen Konventionen kritisiert, die uns sagen, wir sollen uns gefälligst zusammenreißen und wieder auf die Füße kommen.
Wir beide wissen sowohl aus persönlicher als auch aus beruflicher Erfahrung, dass wir, wenn es uns schlecht geht, vor allem Fürsorge und Zuwendung brauchen – Intensivpflege im wahrsten Sinne des Wortes. Außerdem brauchen wir Zeit und Raum, Verbundenheit, tiefe Empathie und Freundlichkeit. Und genau das brauchst auch du jetzt. Um dir dieses Gefühl von Sicherheit und umfassender Fürsorge zu vermitteln, haben wir uns bemüht, in diesem Buch eine Atmosphäre zu schaffen, als wärst du Teil eines unserer Retreats, zu Gast bei uns im Heartbreak Hotel, um in der Asche deines Verlusts nach Antworten zu stochern. Gemeinsam mit den anderen Frauen, die gerade bei uns sind – Nadia, Eshe, Lin, Irene und Robyn, die du bald schon kennenlernen wirst –, wollen wir erforschen, welche Schritte für dich als Nächstes anstehen. Unser Wunsch für dich, für die Frauen in diesem Buch und für alle Frauen ist, dass ihr wachsen und leuchten möget. Wir wollen dir zeigen, wie das geht.
Falls du nicht aufhören kannst, dich auf der Suche nach Bildern «der Anderen» durch sämtliche Social-Media-Kanäle zu scrollen – falls es dir nicht gelingt, deine Gefühle für den Menschen, der dir das Herz gebrochen hat, zu verändern – falls dein Freundeskreis dir zu verstehen gibt, dass niemand sich das Drama mehr anhören mag – falls du von Klangmassagen über Eisbäder und Hypnose bis zu dem Versuch, deinen Kummer in Alkohol zu ertränken oder mit Zucker zu ersticken, alles versucht hast – falls du nach ein paar zaghaften Schritten vorwärts unweigerlich ins Auge des Sturms zurückkatapultiert wirst – falls du das Gefühl hast, deine Seele läge in tausend Splitter zerschellt auf dem Fußboden – falls du dich hilflos und erschöpft und leer und verwirrt und wütend fühlst, Angst vor dem Alleinsein hast und nicht mehr weißt, wer du ohne die zerstörte Beziehung eigentlich bist – falls du tobst und rast, weil das alles so unfair ist, so ungerecht und du keinen Sinn darin erkennen kannst und trotzdem fest entschlossen bist, es immer weiter zu versuchen …
… dann ist dieses Buch für dich.
Wir freuen uns sehr, dass du da bist.
Wir möchten dich einladen, während deines Aufenthalts bei uns deine Pflichten eine Weile ruhen und dich von uns umsorgen zu lassen. Was wir hier tun, ist sanft und gleichzeitig von großer Kraft, und auch wenn es dich womöglich etwas verunsichern mag, alles, was wir hier tun, folgt einem klaren Zweck – dich wieder mit dir selbst in Verbindung zu bringen. Auch wenn es nicht immer leicht ist – wir werden dich auffordern, dich intensiv mit deinem gebrochenen Herzen auseinanderzusetzen und neue Wege des Umgangs damit zu erproben –, am Ende wird sich der Vertrauensvorschuss, den du gerade lieferst, indem du da bist und dich in unsere Hände begibst, auszahlen. Lass dir Zeit. Setz dich nicht unter Druck. Es hat keine Eile.
Wir möchten, dass du dich in Wärme und Geborgenheit eingehüllt fühlst. Ein gebrochenes Herz ist eine traumatische Erfahrung, und wir möchten dich dazu einladen, gut für dich zu sorgen und es dir wirklich bequem zu machen. Leg dir eine weiche Decke bereit, in die du dich einkuscheln kannst, wenn du dich verletzt fühlst. Schaff dir eine Atmosphäre der Geborgenheit: Kerzenlicht, eine Duftlampe und dazu möglichst wenig Störungen. Du wirst in wenigen Augenblicken deine Gefährtinnen kennenlernen. Auch diese Frauen haben ein gebrochenes Herz. Es kann sein, dass in den Geschichten, die sie erzählen, Echos deiner eigenen Erfahrungen widerhallen. Manches wird dich womöglich mehr ansprechen als anderes. Bitte behalte dabei in Erinnerung, dass all diese Frauen unter schwierigen Umständen ihr Bestes geben, genau wie du. Möglicherweise werden die Geschichten dieser Frauen dich aufwühlen, möglicherweise kommen beim Lesen schwierige Gefühle hoch; darin spiegeln sich deine Empathie und dein Mitgefühl. Diese Qualitäten sind für uns alle unverzichtbar, denn wenn wir uns in unserer Verletzlichkeit zeigen, gehen wir besonders tief in Verbindung, zu anderen und zu uns selbst.
Außerdem kann es passieren, dass du dich hin und wieder ausgeliefert fühlst, aber wir versichern dir eines: Wir verlangen nichts von dir, das wir nicht selbst getan haben. Indem wir auf diese Weise in Verbindung gehen, schaffen wir einen neuen Rahmen für das, was dir und den anderen Frauen möglich ist. Bleib dabei, und du wirst erleben, was geschehen kann, wenn deine individuelle Erfahrung auf die Kraft des Kollektivs trifft.
Falls du jetzt denkst: «Das klingt mir alles ein bisschen zu intensiv, und vermutlich muss ich die ganze Zeit weinen», keine Sorge. Bei uns wird viel geweint, aber es wird auch viel gelacht. Trotzdem wollen wir dir nichts vormachen. Du wirst jede Menge Taschentücher brauchen. Möglicherweise kommt viel Schmerz an die Oberfläche, aber keine Angst, Gefühle verhalten sich wie Glockenkurven. Sie steigern sich zu einem Höhepunkt und ebben wieder ab. Im Laufe der Zeit wirst du lernen, diesem Muster zu vertrauen.
Wir verzichten in unseren Retreats auf Alkohol und technische Endgeräte und laden dich ein, während du bei uns bist, das Telefon in ein anderes Zimmer zu legen und auf das Glas Wein zu verzichten. Diese Dinge dienen der Ablenkung und haben betäubende Wirkung auf unsere Gefühle. Es handelt sich um Vermeidungsstrategien, und letztlich wird Leiden durch Vermeidung verlängert. Wir möchten, dass du dich, solange du bei uns bist, in einem geschützten Raum befindest, einem Raum, wo du mit dir und den anderen sein kannst, ohne von einer Flasche Wein oder einer verstörenden Nachricht aus dem Konzept gebracht zu werden. Sperr also für eine Weile das Telefon weg und lass den Wein im Kühlschrank, damit du ganz bei deinen Gefühlen bleiben kannst und dich nicht um das Wissen und die Weisheit bringst, die darin verborgen liegen.
Bist du bereit?
Bevor wir anfangen, möchten wir dich bitten, eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Deinen fünf Gefährtinnen haben wir dieselbe Aufgabe mit auf den Weg gegeben.
Bitte erzähl, was dir widerfahren ist. Schreib die Geschichte deines gebrochenen Herzens auf.
Gedanken und Gefühle niederzuschreiben, diente schon immer als Ventil und Mittel zur Verarbeitung schwieriger Erfahrungen.[19] Das Erlebte aus sich heraus und auf Papier zu bringen, sorgt für einen gewissen physischen Abstand, der es erlaubt, die eigene Geschichte von außen zu betrachten, anstatt die Erfahrung immer nur von innen zu sehen.[20] Es hilft dabei, deine Gedanken zu strukturieren, Klarheit über deine Gefühle und die Erfahrung selbst zu gewinnen, und schafft so die Möglichkeit zur Neubewertung. In konkreten und expliziten Formulierungen aufgeschrieben, kann sich die Beziehung zu deinem Herzschmerz verändern, weil du dich als Erzählerin deiner Erfahrung positionierst. Das Trauma des gebrochenen Herzens sorgt oft für einen permanent hohen Adrenalinspiegel, und die Erfahrung aufzuschreiben kann dabei helfen, die Qual zu verarbeiten und das System zu beruhigen.[21]
Wie du deine Geschichte formulierst, bleibt ganz dir überlassen. Es gibt keinerlei Erwartungen hinsichtlich Länge, Stil oder Anzahl von Kraftausdrücken. Uns ist bewusst, wie herausfordernd das sein kann – gut möglich, dass dir ganz plötzlich etwas sehr Wichtiges einfällt, das stattdessen sofort erledigt werden muss! Denk daran, die Gedankenschleifen in deinem Kopf auf Papier zu bringen, sorgt für die Kontrolle und den Abstand, den du brauchst.
Stell dir ein Glas Wasser mit einem Bodensatz aus Schlamm vor. Sobald du das Glas zur Hand nimmst, wird der Schlamm aufgewirbelt, und das Wasser trübt sich. Also versuchst du, es in Ruhe zu lassen, aber Weggehen löst das Problem nicht. Wenn du klares Wasser in deinem Glas haben willst, musst du den Schlamm herausbekommen, und die einzige Möglichkeit besteht darin, ihn erst aufzuwirbeln und dann herauszufiltern. Deine Geschichte aufzuschreiben, ist der erste Schritt auf deiner Reise Richtung Klarheit.
Wenn du noch nicht bereit bist, deine Geschichte aufzuschreiben, kein Problem, dann warte noch etwas damit. Und wenn du es gar nicht tun möchtest – also überhaupt nicht –, ist auch das in Ordnung. Wenn du dich aber bereit fühlst, laden wir dich ein, dich mit folgenden Fragen zu beschäftigen:
Was ist dir zugestoßen?
Was hat es mit dir gemacht?
Welche Schlüsse ziehst du daraus?
Beim Schreiben, aber auch beim Lesen der Erfahrungen deiner Gefährtinnen können Dinge bei dir hochkommen; das ist normal und zu erwarten. Für den Fall, dass du dich davon überwältigt fühlst oder Verzweiflung hochkommt, möchten wir dir eine einfache, aber sehr wirksame Möglichkeit der Gefühlsregulation an die Hand geben …
Wenn wir den Anker werfen, ist das Erste, was wir tun, den emotionalen Sturm zu akzeptieren, der gerade in uns wütet.[22] Gleichzeitig weiten wir unser Gewahrsein auf den gegenwärtigen Moment aus, indem wir bewusst zwei oder drei Dinge in unserer Umgebung wahrnehmen: den Duft frischer Wäsche, das Geräusch von Regen auf dem Dach, die Beschaffenheit des Bodens unter unseren Füßen, ob er glatt ist oder weich.
Als Nächstes pressen wir die Fingerspitzen beider Hände aneinander, stemmen die Füße fest in den Boden, atmen mehrmals tief und langsam ein und aus …
… und akzeptieren, dass der Sturm gerade in uns wütet.
Manchmal bleibt uns keine andere Wahl, als den Anker zu werfen und auszuharren, bis der Sturm vorüber ist.
Und der Sturm geht immer vorüber.
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