The Heels And The Guns Part III - G.U. Fuß - E-Book

The Heels And The Guns Part III E-Book

G.U. Fuß

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Beschreibung

Das Land und die Stadt dienen ein weiteres Mal als Kulissen für zahlreiche Wortduelle zwischen Mann und Frau. In der Oberpfalz geht es ungewöhnlich turbulent zu, wobei es dort mehr zu Entdecken gibt als nur frische Luft. Dafür zeigt die Stadt Hamburg sich dieses Mal von einer ungewohnten Seite. Im Wuppervalley geraten sehr ungewöhnliche Gegenspieler aneinander, die zeigen, daß Mann und Frau bei allen kleinen und großen Unterschieden zusammengehören. Die Sache mit dem Ying und Yang hatte schon immer ihre Berechtigung. Und dann sind Fahrzeuge inzwischen auch nicht mehr das, was sie früher einmal mal waren.

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Inhaltsverzeichnis

1 - Painted Heart

01 - Painted Start

02 - Painted Room

03 - Painted Race

04 - Painted Visit

05 - Painted Party

06 - Painted Tulips

07 - Painted Defeat

08 - Painted Stories

09 - Painted Places

10 - Painted Years

2 - Yellow Dude

01 - Yellow Journey

02 - Yellow Mate

03 - Yellow Hurricane

04 - Yellow Mistake

05 - Yellow Return

06 - Yellow Fight

07 - Yellow Time

3 - Blue Magic Carpet

01 - Blue Magic

02 - Blue Carpet

03 - Blue Return

04 - Blue Heaven

05 - Blue Night

06 - Blue Past

07 - Blue War

08 - Blue Battle

09 - Blue Talk

10 - Blue Way

4 - Hellish Wheels

01 - Hellish Girl

02 - Hellish Mission

03 - Hellish Visit

04 - Hellish Mob

05 - Hellish Centerfold

06 - Hellish Party

Vorwort

Dieses Buch ist der dritte Band mit einer Sammlung von Kurzromanen, die ich bisher verfasst habe. Zu meiner eigenen Verwunderung habe ich das Schreiben weitergeführt, ohne es nach fünf Seiten abzubrechen. Wie pflegte der bekannte Literaturkritiker Sepp Herberger zu sagen: „Nach dem Buch ist vor dem Buch.“ Wenn dieses Buch gedruckt wird, arbeite ich bereits am vierten Band, und da ich meistens an zwei oder drei Geschichten gleichzeitig arbeite, ist reichlich Material vorhanden. Die Arbeitsweise, die Ian Fleming beim Verfassen der James-Bond-Romanen an den Tag legte, würde bei mir zur perfekten literarischen Katastrophe führen. Der schrieb täglich acht Seiten, ohne sie danach noch einmal zu lesen oder zu korrigieren. Jede der Geschichten wurde von mir mehrfach überarbeitet und mein Lektor Bernd Plitzko verhinderte sehr erfolgreich, daß der geneigte Leser herausfindet, wie es um meine Rechtschreibung tatsächlich steht, zumindest, wenn es um die Interpunktion und einige läppische Nebensächlichkeiten wie Dativ oder Genitiv geht.

Weiterhin warte ich darauf, daß der Leser erkennt, daß ich letztendlich bloß die gleiche kleine Geschichte immer wieder und wieder erzähle. Dabei bleibe ich bei meinem Anspruch, mich niemals mit den großen Literaten dieser Welt anzulegen, zu vergleichen oder ihnen nachzueifern. An dieser Stelle kann ich aber die Autoren nennen, die mich beeinflusst haben. Man könnte es als Nachweis zulassen, daß ich zumindest lesen gelernt habe. Die Riege wird angeführt von Tom Clancy, Richard Hooker, Robin Moore, W.E.B. Griffin, Elmore Leonard, Tom Sharpe, Frank Goosen, Philip K. Dick und Frederick Forsyth. Zum Leidwesen meiner Leserschaft, haben diese Autoren nur marginale Spuren bei meiner Schreiberei hinterlassen.

Die Idee zur ersten Geschichte hatte ich beim Lesen einiger kitschiger Liebesromane. Bei Geschichte Nummer zwei habe ich bei drei Filmen die Grundlagen gefunden und neu verwoben. Die Geschichte Blue Magic Carpet entstand bei einem Besuch in Auerbach und die Idee für die vierte Geschichte liegt inzwischen auch für mich im Dunkeln.

1 - Painted Heart

01 - Painted Heart

Im Display des Armaturenbretts, des Kleinwagens von Frederike Römer, leuchteten mehre Warnlichter auf und gingen wieder aus. Mit einem Ruckeln hielt sie auf einem schmalen Parkplatzstreifen vor dem alten Jagdschloss, daß am Standrand lag. Von einem Wäldchen umgeben, wirkte das Schloß mit seiner Gartenanlage, als wenn es 1814 und nicht 2014 wäre. Frederike war mit dem Kurator des Anwesens verabredet, der mit ihr das Schloß begehen wollte. Sie hatte den Auftrag für die Restauration mehrerer Wandgemälde im Schloß erhalten und wollte sich nun die Werke vor Ort anschauen. Ihre Kollegin Ludmilla Novak, die ebenfalls an den Arbeiten beteiligt war, stand bereits auf der zierlichen Steinbrücke, die über den Wassergraben führte. Ludmilla winkte ihr freudig und Frederike ging eilig auf sie zu. Zusammen betraten sie den Vorraum, wo der Kurator mit zwei Angehörigen des Kulturausschusses auf sie warteten. Nach der Vorstellung betraten sie zunächst den gelben Salon, wo ein großes Porträt von Louis XVIII. hing, das einst ein Geschenk an den befreundeten Grafen war. Die beiden Frauen machten sich Notizen über die Schäden und die Materialien, dann wurden mehre Bilder im blauen Saal begutachtet, bis sie schließlich die Bilder in den privaten Gemächern anschauten. Nach Einschätzung der beiden Restauratorinnen würden sie ein Jahr benötigen. Die Herren waren zu dem gleichen Schluß gekommen und versprachen, die Verträge innerhalb einer Woche zuzuschicken.

Draußen im Park sprachen die beiden Freundinnen und Kolleginnen noch über den Auftrag, dann verabschiedete sich Frederike, um ihr defektes Auto zu einer Werkstatt zu bringen. Der Kurator hatte ihr erklärt, daß jenseits des Wäldchens die Brücke über den angrenzenden Kanal lag, die zu dem Stadtteil Stahlfeld führte. Sie bog nach der langen Kiesauffahrt nach links ab und überquerte den Kanal, wo sich das riesige Industrie- und Gewerbegebiet befand. Dort soll auch die Werkstatt sein, die ihr Auto reparieren konnte. Denn ihr Fahrzeug nahm nur unwillig Gas an und schüttelte sie ordentlich durch. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie sich hoffnungslos verfahren, als sie endlich fündig wurde. Sie rollte mit letzter Kraft auf den großen umzäunten Hof, auf dem viele Autos standen. Im hinteren Bereich war eine lange Halle mit einer Reihe von Toren, von denen einige offen waren. Sie hielt bei der Halle und stieg aus. Einer der Mechaniker kam aus der Halle auf sie zu.

„Ich glaube, sie haben sich in der Straße geirrt. Einkaufswagen werden hier nicht gewartet. Aber drüben in der Kopernikusstraße wäre der richtige Händler für sie.“

Frederike schaute sich verwirrt um. Erst jetzt bemerkte sie, daß die Fahrzeuge auf dem Hof alles alte Autos waren, die viel Chrom und riesige Heckflossen trugen. Es waren alles diese Straßenkreuzer aus den 50er Jahren, große und nutzlose Blechskulpturen, die verschwenderisch Benzin verbrauchten und für einen richtigen verantwortungsbewussten Menschen eine Lächerlichkeit darstellten. Umso mehr empörte sie nun das Grinsen dieses Mechanikers, das sie als überheblich und spöttisch empfand. Ein weiterer Mechaniker gesellte sich dazu.

„Chef, der Olds ist fertig. Machst du die Endabnahme? Dann kann ich die Zündspule vom Buick einbauen. Aber seit wann warten wir diese kleinen Wägelchen für Aldi?“

Der Mann deutete auf ihr Auto und hatte ebenfalls einen abwertenden Gesichtsausdruck.

„Wieso Einkaufswagen von Aldi? Dixi-Klo hat endlich neue Farben im Programm. Gib mir bitte noch ein paar Minuten. Ich komme gleich rüber.“

Empört über den despektierlichen Dialog über ihr Auto, sprach sie den ersten Mechaniker an.

„Sind sie der Chef hier?“

„Ich bin der Werkstattleiter.“

„Na, da haben sie ja einen feinen Verein. Ist das hier üblich, Kunden zu beleidigen?“

„Erstens sind sie kein Kunde, zweitens ist das ein Fachbetrieb für US-Cars und das steht sogar vorne an der Einfahrt angeschlagen. Drittens sieht es nicht einmal ansatzweise so aus, als ob dieses Ding da aus Detroit, Flint oder Dearborn stammt. Und sie scheinen ausgesprochen humorlos zu sein.“

Frederike hatte auf einmal das Gefühl, daß ihr die Luft ausging, denn nun gesellte sich ein Gefühl der Hilflosigkeit dazu. Sie war im Nirgendwo gestrandet und wusste nicht weiter. Ihr war zum Heulen zumute und das musste er ihr angesehen haben.

„Tut mir leid, aber bei diesem Fahrzeug kann ich ihnen nicht helfen. Wir haben kein passendes Diagnosegerät für diese Art von Fahrzeugen und wir kennen uns alle mit der Elektronik für die Motorsteuerung nicht aus. Aber ich kann ihnen das Fahrzeug zu dem zuständigen Fachhändler transportieren.“

Er drehte sich um und ging zu einem Abschleppwagen, der mit einer Plattform und einem Kran ausgerüstet war. Erleichtert sah sie dabei zu, wie er ihr kleines Autochen mit dem Kran auf den Transporter hievte. Dieser Mann war doch freundlicher, als sie dachte. Als er fertig war, kletterte sie mit ins Führerhaus.

„Hätte für mein kleines Auto nicht der Anhänger ausgereicht.“

Sie deutete auf eine Transportanhänger, der neben der Hallenmauer stand. Der Mann, der seinen Vornamen gestickt über der Brusttasche seines Arbeitshemd trug, deutete auf den großen Pritschenwagen.

„Sicher, aber wir müssten ihn entweder auf den Anhänger schieben oder mit der Seilwinde raufziehen. Aber bis ich herausgefunden habe, wie man die neumodische Automatik dabei nicht beschädigt, bin ich mit dem Kran auf einem F-650 eher fertig mit aufladen.“

Die Fahrt dauerte nur ein paar Minuten und dann hielten sie vor einem Händler an, der ihre Marke führte. Ein elegant gekleideter Verkäufer schaute aus dem Fenster des Showrooms und ging ihnen entgegen. Mit einem arroganten Blick betrachtete er den großen Pick-Up.

„Terence, ihr wollt uns doch nicht auf einmal Konkurrenz machen und eine seriöse Firma werden?“

„Keine Sorge, wir können nur an Autos arbeiten und nicht an unnötig digitalisierten Brotkästen herumstümpern. Diese anspruchslose Arbeit lassen wir lieber euch. Nicht, daß ihr mit etwas sinnvollem überfordert werdet.“

Man sah dem Verkäufer seine Abneigung gegenüber Terence sofort an, was dieser mit einem spöttischen Grinsen erwiderte. Er lud den Wagen wieder von seinem Fahrzeug ab und schaute mit einem nun amüsierten Gesichtsausdruck zu, wie ein Mitarbeiter des Service versuchte, den Fehler zu finden. Letztendlich sollten zwei Steuergeräte ausgetauscht werden, die aber erst am nächsten Morgen lieferbar waren. Mit einem Bedauern teilte der aalglatte Verkäufer mit, daß sie keine Fahrzeuge als Ersatz zur Verfügung hätten. Terence sah, wie die Miene der Frau wieder hoffnungslos wurde. Mit einem leisen Stöhnen fasste er sich ein Herz

„Also gut, dann bringe ich sie eben nach Hause. Fahren wir gleich los.“

Sie bestiegen wieder beide den Truck und Frederike nannte ihm die Adresse. Mit einem Augenrollen nahm Terence hin, daß das Fahrziel am andern Ende der Stadt lag. Dabei störte ihn die Gesellschaft dieser mehr als merkwürdigen Person am meisten. Sie wirkte eingebildet, hochnäsig und sie gehörte zu dieser links-grün angehauchten selbsternannten Avantgarde. Bevor er sich weiter Gedanken über diese verpeilte und wie eine Trutsche gekleidete Frau machte konnte, klingelte sein Telefon und er drückt auf die Annahmetaste der Freisprecheinrichtung.

„Servus Spider, was gibt es?“

„Hi BUFF, ich wollte bloß wissen, ob ihr Freitag beim Bolzplatz seit?“

„Sicher, wie immer. Brauchst du was?“

„Yep. Ich habe bei meinem Dodge einen Haarriss in der Ansaugspinne. Also brauche ich einen neuen Satz plus Dichtungen.“

„Bringen wir dir mit. Halt der übliche Preis.“

„Geht in Ordnung. See ya.“

Ein blippendes Geräusch aus dem Lautsprecher zeigte an, daß das Gespräch beendet war. Für ein paar Minuten fuhren sie schweigend weiter, dann konnte Frederike ihre Neugierde nicht mehr im Zaum halten.

„Was ist denn der Bolzplatz? Davon habe ich ja noch nie gehört.“

„Ein Autotreffen auf dem Parkplatz vor dem Football-Stadion. Das findet dort jeden Freitagabend statt.“

Selbst Frederike wusste, daß in dem eher kleinen Stadion kein Fußball, sondern American Football gespielt wurde. Gleich daneben lag die Eishalle, wo das Eishockey-Team der „Polar Bears“ in der ersten Liga spielte. Frederike konnte sich noch an die ausgelassene Feier in der Innenstadt erinnern, als die Mannschaft die erste Meisterschaft gewann. Das Football-Team der „Blue Knights“ war ebenfalls recht erfolgreich. Sie wusste es aber auch nur, weil selbst der hiesige klassische Musiksender es in den lokalen Nachrichten erwähnte. Beide Sportarten waren in ihren Augen unverständlich, ruppig, rüde und nicht relevant. Der Grund, sich diese Sportereignissen anzuschauen, hatte sich ihr nie erschlossen.

Nach zehn Minuten bog Terence in die Lessingstraße ein, die den nördlichen Teil des Altstadtviertels markierte. Zu Fuß würde sie in zwei Minuten vor dem altehrwürdigen Eckhaus stehen, wo ihre Wohnung zwei Stockwerke oberhalb der ältesten Apotheke der Stadt lag. Dort endlich angekommen, betrat sie ihre gemütliche Wohnung. Das Wohnzimmer war mit einem beigen Sofa sowie Möbeln aus Buchenholz eingerichtet, an den Wanden hingen Bilder von befreundeten Malern, aber Frederike bevorzugte eher die Maler der Renaissance, aber auch moderne Künstler wie Alexander Caldern oder Otto Dix fanden bei ihr gefallen. Sie öffnete ihre Handtasche, um ihr Telefon herauszunehmen, denn sie wollte noch Ludmilla anrufen, um ihr mitzuteilen, daß sie wieder zu Hause war. Aber so sehr sie auch suchte, es war nicht mehr aufzufinden. In der Werkstatt hatte sie es noch in der Hand gehabt, aber nun war es nicht mehr aufzufinden. Bestimmt lag es im Abschleppwagen. Sie holte aus dem Wohnzimmerschrank ihren Laptop und suchte nach der Adresse und der Telefonnummer. Schließlich fand sie die Nummer und rief in der Firma an. Eine Sekretärin nahm den Anruf entgegen und versprach, die Angelegenheit zu prüfen und zurückzurufen. Keine zehn Minuten später meldete sie sich und teilte ihr mit, daß ihr Mobiltelefon tatsächlich im Abschleppwagen lag. Frederike vereinbarte mit ihr, daß sie das Telefon am nächsten Tag abholen würde, wenn sie auch das reparierte Auto aus der Werkstatt holen wollte. Dann plauderte sie noch ein wenig mit Ludmilla, die versprach, ihre Freundin zur Werkstatt zu fahren.

02 - Painted Room

Gegen Mittag des nächsten Tages setzte Ludmilla Frederike beim Händler ab, wo sie ihr Auto wieder in Empfang nahm. Nachdem sie die üppige Rechnung beglichen hatte, fuhr sie zu dem Restaurationsbetrieb, wobei sie sich wieder verfuhr und fast eine Viertelstunde brauchte. Terence war wieder in der Werkstatt und die beiden gingen über die Treppe zu den Wohnungen rauf, die über der Werkstatt lagen. Er hatte das Mobile am Abend aus dem Abschleppwagen geholt und es eingesteckt. Als er dann oben in der Wohnung war, hatte er es auf dem Tisch in seinem Wohnzimmer gelegt. Terence öffnete mit seinem Schlüssel die Tür zu seiner Wohnung und sie betraten sein Reich. Als er die helle Beleuchtung im Flur einschaltete, konnte Frederike sich umsehen. Auf einer Wandseite hing eine Garderobe und auf der anderen Seite zwei beleuchtete Bilder mit Glasfront. Ein Bild war eine Art Schaubild eines Raumschiffs. Sie erkannte die Enterprise, auch wenn dieses Modell anders aussah als in dieser Serie aus dem Fernsehen. Sie hatte sich es nie angeschaut, kannte sie aber aus einer Reihe von Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften. Schon als Jugendliche war ihr seichte und belanglose Unterhaltung zuwider. Das andere Bild zeigte einen Mann mit schwarzer Hose und Weste sowie einem weißen Hemd, der neben einem zotteligen, affenartigen Wesen stand, daß mehr als einen Kopf größer war. Es trug einen breiten Gürtel quer über der Brust und sie vermutete, daß diese Figuren zu dieser Serie gehören könnte. Von dem Flur gingen insgesamt fünf Türen ab. Sie betraten gleich den ersten Raum, wo Frederike sich wieder neugierig umschaute, aber sie wurde in ihrer Hoffnung wieder enttäuscht. Zwar stand an der einen Wand ein riesiges Bücherregal, das bis an die Zimmerdecke reichte und voll mit Büchern war. Aber als Bild hing lediglich ein Photo von einem älteren Sportwagen, der wohl in der Wüste geparkt war. Das andere Bild an der gegenüberliegenden Wand musste wohl aus einem Comic entstammen. Ein Mann stand vor mehreren amerikanischen Flaggen und hatte einen grimmigen Blick aufgesetzt. Über seinem Kopf war eine Adlermotiv mit der Aufschrift American Flagg. In einer Vitrine stand ein riesiges Modell eines Cabriolets. Das Auto war metallic-blau mit weißen Längsstreifen und auf einer gravierten Tafel stand: „Shelby Cobra 427 S/C“. Natürlich befand sich der unvermeidliche Fernseher im Raum und bei einem weiteren Blick auf das Bücherregal erkannte sie, daß ein Teil des Inhalts keine Bücher, sondern DVD-Hüllen waren. Also war er eher schlicht gestrickt, was sie nicht weiter überraschte. Zwei über Eck stehende schwarze Ledersofas und ein Wohnzimmertisch, auf dem ihr Mobiltelefon lag, vervollständigten den Raum.

„Trinken sie noch einen Espresso mit mir? Ich wollte mir einen machen.“

„Sehr freundlich, aber machen sie sich keine Umstände.“

„Also ich setze eh einen für mich auf, da wäre eine zweite Tasse kein Problem.“

„Nun, dann würde ich sehr gerne eine Tasse mit ihnen trinken.“

Während Terence in der Küche lärmte, schaute sie sich die Bücher im Regal genauer an. Es waren viele Autoren aus dem angelsächsischen Raum, wobei ein nicht unerheblicher Teil in englischer Sprache im Regal standen. Zudem waren viele Sachbücher über amerikanische Fahrzeuge, Motorsport, Militär und Geheimdienste vorhanden. Sie war nicht sehr beeindruckt, aber immerhin konnte dieser Mensch mehr lesen als das Programm im Fernsehen. Mehr um die Zeit zu überbrücken als aus Interesse las sie weitere die Titel auf den Buchrücken. Mit Überraschung entdeckte Frederike Bücher von Hermann Hesse, Georg Büchner, James Joyce oder Siegfried Lenz. In einem kleineren Regal neben dem TV-Gerät stand noch das Modell eines weiteren Sportwagens. Sie war sogar etwas stolz, daß sie wusste, welches Auto das war. Ein wenig neugierig nahm sie eine Fernbedienung in die Hand, wobei sie versehentlich eine Taste drückte, worauf die Musikanlage anfing zu spielen. Zu ihrer Freude hörte sie die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Terence brachte die Kanne sowie die Tassen auf einem Tablett ins Wohnzimmer und schenke zwei Tassen ein.

„Ein hübsches Auto, es ist doch eine Corvette? Noch dazu in diesem schicken blau.“

„Eine C 2 Corvette Grand Sports von 1963. Sie sollte der Gegenspieler der Cobra werden.“

Er deutete auf das andere Modell, daß sie zuerst gesehen hatte.

„Darüber gibt es doch sogar ein Lied. Wie war das noch, ach ja, es war doch „Little Red Corvette“, nicht wahr?“

„Nur das der gute Prince etwas völlig anderes gemeint hat. Er meinte eher das kleine Schmuckkästchen der Frauen.“

„Sie meinen etwa... Oh. Ich habe tatsächlich immer geglaubt, es geht dabei um ein Auto.“

Frederike musste albern kichern.

„Dabei höre ich auch einmal ganz gerne zeitgenössische Musik, ob sie es glauben oder auch nicht, aber ich freue mich über das Bach Konzert.“

„So dann und wann mag ich auch mal Klassik, aber in der Regel mag ich eher Hard Rock und Heavy Metal.“

„Das passt doch nicht zusammen, klassische Musik und dieser Rock.“

„Finde ich jetzt nicht. Peter Baltes von der Band Accept ist ein großer Liebhaber von Tschaikowsky, war aber Gitarrist bei einer der besten Metal-Bands weltweit. Die haben immer klassische Themen mit in die Lieder komponiert. Selbst Rondo Veneziano hat sich an Motörhead versucht.“

Die letzte Bemerkung hatte sich Terence spontan ausgedacht.

„Oh, das ist ja beeindruckend.“

Terence musste verschmitzt lächeln, denn Frederike merkte nicht, daß er sie auf die Rolle nahm.

„Sicherlich, aber ich finde Lieder wie Overkill, Stone Dead Forever oder Ace Of Spade verlieren ein wenig auf dem Cembalo an Leichtigkeit und Esprit.“

Für eine Weile schwiegen beide einträchtig und tranken ihren Kaffee.

„Terence, darf ich ihnen eine Frage stellen? Am Telefon wurden sie Bus genannt. Gibt es eine Geschichte zu diesem Spitznamen?“

„Der Spitzname lautet BUFF, nicht Bus. Das steht für Big Ugly Fat Fucker. Es ist eigentlich der Spitznamen für die Boeing B-52 Stratofortress, ein Bomber der amerikanischen Luftwaffe. Ich habe im Laufe der Jahre ein wenig zugelegt.“

Sie plauderten weiter über belanglose Dinge, wobei Frederike versuchte, mit ihm zu flirten. Aber Terence blieb bewusst reserviert. Sie war eine schöne Frau und mit dem roten Ton in den braunen Haaren sowie dem schmalen Gesicht hatte sie eine Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Andrea Eckert. Er wurde aus dieser Frau nicht schlau, denn sie wirkte sehr blasiert und versuchte immer besonders gestelzt zu reden. Ihr Lächeln war reizvoll, aber sie erinnerte ihn an seine Kunstlehrerin, die auch immer diese Kleider trug. Sie war an sich ganz nett, wirkte aber dabei immer etwas geistig abwesend, als wenn sie über etwas wichtiges nachdachte. Einmal hatte sie sich im Unterricht weit vorgebeugt und durch den weiten Ausschnitt konnte er deutlich sehen, daß sie keinen BH trug und einen Slip konnte er auch nicht erkennen. Vieleicht hatte sie damals einen String getragen. Und er konnte den Namen Frederike nicht ausstehen. Aber er blieb höflich und nach einer halben Stunde verabschiedete sich Frederike. Er brachte sie noch zu ihrem Auto. Mit einem surrenden Geräusch brauste sie vom Firmenhof und fuhr zur Hauptstraße vor, in die sie einbog.

* * *

Bis zu ihrer Wohnstraße brauchte sie eine halbe Stunde, bis sie ihr Auto auf den Stellplatz parken konnte. Sie grübelte noch eine Weile über Terence nach und was ihre Gefühle im Inneren mit ihr anstellten. Denn sie war verwirrt und genau das machte ihr Sorgen. In ihr erwachte der Wunsch, ihn wiederzusehen. Dann hatte sie einen Gedankenblitz. Am Freitagabend war er bestimmt bei diesem Autotreffen am Stadion, dann könnte sie ihn zum Essen einladen, um sich bei ihm zu bedanken und bei der Gelegenheit auch versuchen, ihn besser kennenzulernen. Nachdem sie ihren Plan geschmiedet hatte, ging sie in ihre Küche, um sich einen Salat und einen Tee zu machen. In Gedanken ging sie den Inhalt ihres Kleiderschranks durch, denn sie wollte sich für diese Gelegenheit besonders schick machen. Ihr Strickkleid war bestimmt dafür passend.

03 - Painted Race

Frederike ging an den Autos vorbei, wobei sie die vielen Eindrücke kaum verarbeiten konnte. Mit ihrem Auto durfte sie nicht auf das Gelände, bei der Zufahrt meinte man, sprechende Buntglas Container sollten ihren Platz am Rand haben. Aus allen Richtungen hörte sie laute und grässliche Musik, zusätzlich zu dem infernalischen Motorenlärm. Überall blinkten die am Rand der Strecke abgestellten Fahrzeugen. Aber alle diese Autos sahen eher modern aus und hatten mit diesen alten amerikanischen Dinosauriern nichts gemein. Scheinbar in der Mitte des Platzes war eine Stecke markiert worden. Immer wieder fuhren zwei Fahrzeuge ein Rennen gegeneinander, bei dem es wohl darum ging, eine bestimmte gerade Strecke in möglichst schneller Zeit zu durchfahren. Dabei war immer ein infernalisches Motorengeheul zu hören. Frederike war irritiert und kannte sich bei diesem Gewimmel gar nicht mehr aus. Aus lauter Verzweiflung sprach sie eine der Frauen an, die überall herumstanden. Sie trugen fast alle Miniröcke in Kombination mit engen Oberteilen und waren kräftig geschminkt.

„Wissen sie, wo ich Terence von Detroit Motoren finde?“

Die junge Frau schaute sie mit einem spöttischen Grinsen an, dann deutete sie mit dem Finger weiter die Straße rauf.

„Die Ami-Fraktion steht 200 Meter weiter oben. Aber bist du sicher, daß du dich nicht verlaufen hast. Hier gibt es keine Krötenwanderungen und Bäume brauchst du hier auch nicht retten. Es heißt übrigens Detroit Motors, Frau Lehrerin.“

Dann wandte sie sich wieder um und fassungslos ging Frederike weiter. Schließlich erkannte sie, daß sich die Art der Fahrzeuge änderte und sie endlich Terence fand. Der stand neben einem älteren Sportwagen, auf dessen Kühlergrill GTX stand und plauderte mit einer ebenfalls sehr aufreizend gekleideten blonden Frau. Sie fühlte Ärger in sich aufsteigen, auch wenn ihr nicht so ganz bewusst war, warum sie dieser Anblick verstimmte. Terence schaute zuerst überrascht, aber dann setzte er ein freches Grinsen auf, so wie der Rest der Gruppe.

„Sie haben sich nicht etwa verlaufen? Zwei Kilometer weiter ist die Volkshochschule. Da gibt es heute einen Strickkurs.“

Didi Müller, der in der Stadt als der Felgen-Papst bekannt war, setzte noch einen drauf.

„Um Himmelswillen, Petra Kelly und Inge Meysel sind zusammen auferstanden und als Zombie unterwegs. Schnell, holt das Weihwasser. Oder sollten wir es besser mit einem in Knoblauchöl getränkten Holzkeil versuchen?“

Die Umstehenden lachten laut und Frederike wurde rot vor Scham und Ärger.

„Ich wollte mich noch einmal bei ihnen bedanken, aber anscheinend legen sie keinen Wert auf kultivierten Umgang.“

„Und was kultiviert ist, daß legen natürlich sie fest. Nun, dann herzlich willkommen im Hades der bürgerlichen Halbbildung. Übrigens, nur für das Protokoll. 90% der hier Anwesenden gehen tagsüber für ihr Geld arbeiten und allein heute sind mehr Fachleute anwesend als bei den meisten Automessen. Sie sollten sich besser beeilen, dann schaffen sie noch den dritten Akt im Theater.“

Petra, die Bürodame von Detroit Motors, nahm schließlich Frederike am Arm und führte sie von der Gruppe fort.

„Sei mir nicht böse, aber mit dem Outfit gewinnst du hier keinen Preis. Ich kann ja nachvollziehen, wenn du hier nicht mit Hotpants auftauchst, aber ein etwas weniger alternativer Hippie-Look wäre angebracht beim nächsten Besuch. Auf jeden Fall musst du dich über die Sprüche nicht wundern. Jeder hier denkt sich seinen Teil und diese Klientel ist hier nicht beliebt.“

„Was meinen sie damit? Welche Klientel?“

„Also wenn ich dir das jetzt erklären muss, dann weiß ich auch nicht. Du läufst hier rum wie Jutta Ditfurth in ihren schlimmsten Tagen. Wie eine von diesen spaßbefreiten, moralinsauren Schulabbrecherinnen aus der Regierung.“

„Ich wollte mich nur bei Terence bedanken und zu einem gemeinsamen Treffen einladen. Ein Essen bei meinem Lieblingsitaliener. Mir war nicht bewusst, daß hier eine Modeschau stattfindet“

„Hier geht es wie überall auch ums Sehen und gesehen werden. In die Oper geht man ja auch in Abendgarderobe. Und du willst ihn in dieser Aufmachung zu einem Date bitten? Mit diesem Strickliesel-Trutschen Look kommst du bei Terence nicht sonderlich weit. Ein kleiner Tipp, acht Zentimeter ganz unten könnten Wunder bewirken. Und eine enge Bluse sowie Jeans würden den Rest abrunden.“

Frederike schaute mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck zu Terence. Er war doch einer dieser oberflächlichen Menschen, die weniger an den inneren Werten eines Menschen interessiert waren und mehr Wert auf das Äußerliche legen.

„Ich bitte ihn nicht um ein Rendezvous, sondern möchte mich für seine Hilfe bedanken. Er hat mir bei meinem defekten Auto geholfen, obwohl er es nicht musste.“

„Wie du meinst. Aber mit den Kommentaren mußt du heute Abend nun einfach zurechtkommen. Das Leben ist kein Ponyhof und Bullerbü ist weit, weit weg von hier. Aber sage es ihm besser persönlich.“

Mit einer Handbewegung winkte Petra in die Richtung von Terence, der sich daraufhin auf den Weg zu ihnen machte.

„Terence, Frederike möchte dir etwas mitteilen. Etwas mehr als sehr Bedeutsames.“

Frederike hörte den leichten Spott aus der Stimme heraus.

„Nun, dann teilen sie mir mit, was sie so bedrückt.“

„Nun, ich wollte sie zum Abendessen einladen. Als Dankeschön für ihre Hilfe.“

„Das wird nicht nötig sein. War ja schnell erledigt.“

„Nein, ich möchte sie wirklich gerne einladen. Es war sehr nett von ihnen, mich nach Hause zu bringen und mein Telefon wieder zurückzugeben.“

„Ich sagte ja, eine Kleinigkeit und nicht der Rede wert. Das ist in Ordnung. Sie brauchen sich nicht weiter zu bemühen.“

Er lächelte sie freundlich an und ging zurück zu seinen Freunden. Mit einem Schulterzucken schloß sich Petra an. Frederike blieb sprachlos zurück, dann ging sie den weiten Weg zurück zum Auto. Wieder musste sie durch das laute Getümmel, wobei sie das Pech hatte, das Rennen zwischen zwei Street Dragster mitzubekommen. Das Motorengebrüll war nicht zu ertragen. Sie war froh, als sie ihr Auto wiederfand und diese Hölle endlich verlassen konnte. Allerdings war sie so überreizt, daß sie an der nächsten Kreuzung versuchte, ein Ampelrennen mit einem E 500 zu fahren. Sie würgte den Wagen ab, während der Fahrer des Mercedes ihre vermeintliche Herausforderung nicht einmal bemerkt hatte.

04 - Painted Visit

Der Löffel machte in der Tasse mit Tee ein klingelndes Geräusch beim Umrühren, dann nahm Ludmilla einen bedächtigen Schluck und schaute Frederike an, die ihr schräg gegenüber, in dem geblümten Ohrensessel, Platz genommen hatte. Vervollständigt wurde die Runde durch den Pianisten Alain Poison, der auf dem Sofa lümmelte. Als alter Freund durfte er das.

„Nun, dieser Terence scheint keinerlei Interesse an dir zu haben. Das soll vorkommen, wobei du dafür aber auch Verständnis haben solltest. So wie ich das verstanden habe, habt ihr zwei unterschiedliche Interessen und auch unterschiedliche Freundeskreise. Da wird es immer schwierig. Ich kenne dich, du neigst leider immer ein wenig zur Überheblichkeit, wenn du dich nicht in deinen gewohnten Kreisen bewegst.“

Frederike wollte zum Protest ansetzten, aber Alain führte das Gespräch fort.

„Du hast es faktisch selber zugegeben. Dieses Autotreffen war nicht dein Fall und dich hat so ziemlich alles gestört. Die laute Musik, die Kleider der Frauen, der Motorenlärm und die Kommentare über dich selber - du hast nicht einen positiven Aspekt erwähnt. Ich verrate dir ein Geheimnis. Ich war letztes Jahr auch einmal dort und auch wenn es laut war, ich war fasziniert. Es war ein wenig wie auf dem Jahrmarkt, aber es war das pralle Leben und die Leute dort sind sehr freundlich. Ich war damals bei den Alfa-Romeo Liebhabern und dort herrschte eine sehr ausgelassene Partystimmung. Man hat mich einfach mitmachen lassen und zum Schluß war ich bei den japanischen Sportwagen. Ich durfte bei einem Beschleunigungsrennen sogarmitfahren. Wenn man sich auf etwas Neues einläßt, erlebt man eine völlig andere Welt.“

Eine Stunde später begleitete Alain Ludmilla zu ihrer Wohnung und sie unterhielten sich über Frederike.

„Sag mal Ludmilla, glaubst du, daß Frederike für diesen Terence mehr empfindet?“

„Ich denke ja. Sie wirkt verliebt und da ist etwas Schimmerndes in ihrem Blick. Sie will es nicht zugeben, aber sie hat Schmetterlinge im Bauch.“

„Sollen wir etwas unternehmen? Zum Beispiel mal mit diesem Terence reden und ihm die Situation erklären. Wenn er sie doch mag, dann könnte er auf sie zugehen.“

„Die Idee ist nicht verkehrt. Frederike hat sicherlich Angst, ihre Gefühle zuzugeben. Ich habe mir die Adresse gemerkt. Wir beide könnten morgen bei ihm vorbeifahren und ihm die ganze Geschichte erklären.“

* * *

Ludmilla und Alain stiegen aus dem Auto und betraten die Halle der Werkstatt. Einer der Mechaniker zeigte auf die Metalltreppe an der Wand, wo es zu den Büros hinauf ging. Sie stiegen eine Etage höher und Ludmilla sah durch die Scheibe Terence im ersten Büro sitzen. Obwohl die Tür offen stand, klopfte sie an den Türrahmen.

„Hallo, dürften wir sie kurz stören? Wir sind Freunde von Frederike und möchten uns mit ihnen unterhalten.“

Terence schaute überrascht von den Unterlagen auf seinem Schreibtisch auf und stand zur Begrüßung auf.

„Nehmen sie bitte Platz. Ich nehme an, sie trinken eine Tasse Kaffee mit. Ich wollte mir gerade einen durchlassen.“

„Sehr gerne. Aber wir möchten ihnen keine Umstände bereiten.“

Nachdem Terence den Kaffee serviert hatte, begann Ludmilla mit dem Gespräch. Sie erzählte von Frederike und beobachtete dabei sein Gesicht nach einer Reaktion. Aber er verzog keine Miene und schließlich gab er zu, daß Frederike eine interessante Frau war, er sie allerdings auch für hochnäsig hielt.

„Frederike ist nicht überheblich. Sie liebt die Kunst und die klassische Musik, und ist einfach nur stolz auf ihre Ausbildung und ihre Fertigkeiten. Sie möchte in einer kultivierten Umgebung sein und umgibt sich gerne mit ebensolchen Menschen.“

„Was will sie dann von mir? In ihren Augen bin ich wohl ein Primat, der nicht ansatzweise mit ihr mithalten kann. Für Frederike ist ihre Bildung höherwertiger als meine. Das sozusagen Sartre über Shelby steht. Daß gibt sie mir bei jeder Gelegenheit zu verstehen. Also warum sollte ich mir ihr ausgehen, geschweige denn ins Bett?“

„Geben sie Frederike einfach die Möglichkeit, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Sie ist ausgesprochen liebenswürdig und hilfsbereit.“

„Die Beschreibung trifft auch auf meine Großmutter zu.“

Alain beugte sich vor, um einen Schluck Kaffee zu trinken.

„Ich denke, sie hat sich in sie verliebt, Herr Gruber. Aber verraten sie mich bitte nicht. Frederike wäre es sehr unangenehm, denn sie spricht nicht gerne über ihr Gefühlsleben. Sie möchte ihr Leben rational und geordnet führen und ihre Gefühle sind etwas, was sie kontrollieren möchte.“

„Je mehr sie mir von ihr erzählen, umso weniger habe ich Lust, mich mit dieser Frau abzugeben. Daß sie ein wenig verpeilt ist, das nehme ich ihr nicht übel, aber diese Überheblichkeit packe ich gar nicht.“

„Geben sie ihr eine Chance. Am Freitag ist eine Vernissage in der Galerie am Prinz-Eugen-Platz. Begleiten sie doch Frederike und lernen sie ihre Bekannten näher kennen. Ihr Mentor, Professor Schneider wird auch da sein.“

„Will sie überhaupt mit mir ausgehen? Ich habe da so meine Zweifel und in dem Kreis könnte ich sie ja blamieren.“

Alain notierte eine Telefonnummer auf einen Notizzettel und reichte ihn an Terence weiter.

„Rufen sie Frederike an und fragen sie sie selbst. Ich bin mir sicher, sie wird sehr erfreut sein.“

Die drei plauderten noch eine Weile miteinander, dann begleitete Terence die beiden Restauratoren noch bis zu ihrem Auto und schaute dem Auto nach, als dieses den Hof verließ. Er überlegte eine Weile , während sein Blick auf dem Notizzettel ruhte. Zunächst unschlüssig, ging er zurück in die Werkstatt. Schlussendlich entschied er sich, Frederike anzurufen. Zu seiner Überraschung sagte Frederike freudig zu. Sie bat ihn, sie abzuholen und gemeinsam hinzufahren.

05 - Painted Party

Die Feier in dem Atelier von Bernhard, der im Kreise der Restauratoren schlicht Berni genannt wurde, war bereits gut besucht, als Frederike und Terence ankamen. Sie schauten sich kurz um, bis sie Ludmilla entdeckten. Alain stellte Terence Professor Schneider vor, der vor einem Großteil der hier Anwesenden gelehrt hatte, die als Studenten in seinem Hörsaal waren. Der Professor schaute Terence freundlich an, um ihn dann in ein Gespräch über alte Autos zu verwickeln. Wie bei einer Prüfung stellte er ihm mehre Fragen über verschiedene Themen wie Elektrik, Lackierungen oder Einstellungen von Doppelvergasern. Alle ehemaligen Studenten, die dabeistanden, waren überrascht und wunderten sich über das mehr als umfassenden Wissen. Daß der Professor einen Bruder hatte, der einige englische Klassiker sein Eigen nannte, wusste keiner von ihnen. Ebenso hatte er nie einem der Anwesenden erzählt, daß er seinem Bruder öfters bei den Arbeiten an den Fahrzeugen half. Sein Lächeln erhellte sich immer mehr, als Terence ihn mit seinem Fachwissen überzeugte. Amalie, eine seiner früheren Studentinnen, rümpfte dagegen die Nase und flüsterte einer Bekannten zu.“

„Was will denn ein Automechaniker hier auf der Vernissage?“

Sie hatte nicht leise genug gesprochen, denn der Professor schaute sie mit strengem Blick an und zeigte auf ein Bild, das neben ihm an der Wand hing.

„Terence, nehmen wir als Beispiel dieses Gemälde an der Wand. Wie würden sie die Farben wieder auffrischen?“

Terence schaute sich das Gemälde eine Weile an, dann schaute er den Professor wieder an.

„Nun, ich müsste mir den Untergrund genauer anschauen, aber die Farbe sieht nach verdünnter Ölfarbe aus. Weiße und gelbe Farbe - ich bräuchte einen Farbenschlüssel, dann könnte ich eine passende Farb-mischung anfertigen. Ob ich aber auf Anhieb die Technik des Malers imitieren kann, wage ich zu bezweifeln.“

Daraufhin gab der Gelehrte seiner ehemaligen Studentin mit einem mehr als süffisanten Ton schließlich eine Antwort.

„Herr Gruber macht mit alten Fahrzeugen das gleiche wie sie mit alten Gemälden. Er versucht sie für die Nachwelt zu bewahren. Und er hat von seinem Fachgebiet mehr Ahnung als sie vermuten. Bei der Farbenkunde ist er ihnen bei Weiten überlegen, wenn ich mich so an ihre Studienzeit erinnere. Sie sollten besser von ihren hohen Roß herunterkommen.“

Mit einem hochroten Kopf verschwand Amalie zwischen den anderen Gästen, während der Professor sich wieder Terence zuwandte. Der versuchte durch einen Witz die Situation ein wenig zu entschärfen.

„Dabei habe ich mein Wissen über Malerei aus zwanzig Folgen Bob Ross.“

Sie sprachen noch lange über Autos und zwischendurch mixte Terence für sich und seinen Gesprächspartner einen Black Russian. Gegen elf Uhr verabschiedet sich der ältere Herr von der Gesellschaft und Terence wurde von Berni in Beschlag genommen, der aber zu sticheln anfing und versuchte, Witze auf Kosten von Terence zu machen. Nach einer Weile hatte er genug und gesellte sich zu Ludmilla sowie Frederike. Einige Zeit später gingen die beiden Frauen auf die Terrasse, um für einen kurzen Augenblick frische Luft zu schnappen. Als Frederike zusammen mit Ludmilla zurückkam, sahen sie eine kleine Menschentraube im hinteren Bereich des Ateliers, wo Berni sein Werkzeug aufbewahrte. Als die beiden Frauen sich dem Pulk näherten, sahen sie wie Berni und Terence sich gegenüberstanden. Die schwelende Aggression zwischen den beiden Männern entwickelte sich nun zu einem offenen Konflikt. Berni lästerte über Terence und versuchte ihn zu provozieren. Der blieb aber ruhig und beschränkte sich auf einen spöttischen Gesichtsausdruck. Obwohl der bärtige Restaurator und Bildhauer Terence überragte und ihn mit erhobenen Fäusten zum Kampf herausforderte, zeigte dieser eine Gelassenheit, wie sie früher Steve McQueen an den Tag legte.

„Also dann zeig mal wie überragend du bist. Beim Professor bis du ja schon nach fünf Minuten zum Klassenprimus aufgestiegen. Du bist ein kleiner, dummer Schraubenschlüsselartist und warst zudem auch noch bei der Mördertruppe.“

„Was meinst du mit Mördertruppe?“

„Du warst doch bei der Bundeswehr. Der große Haufen von Versagern, Schlägern, Säufern und Vergewaltigern. Du warst bestimmt so ein Held, der in der Etappe sinnlose Befehle ausgeführt hat. Stimmt es oder habe ich doch recht?“

Statt einer Antwort schob Terence den rechten Ärmel seines schwarzen Polohemdes hoch. Auf dem Oberarm war ein Fallschirm, der von einem Totenkopf überlagert wurde, tätowiert. Oberhalb war der Spruch „Death From Above“ und unterhalb war ein kleiner fünfzackiger Stern zu sehen.

„Was soll das bedeuten? Das du ein ganz harter Kerl bist?“

Die Stimme von Terence wurde rau und der Tonfall bekam einen bösen Einschlag.

„Du hast keine Ahnung, mit wem du dich hier anlegst. Aber leider bist du ja unbelehrbar. Nun gut. Du kannst es gerne versuchen. Aber heule mir hinterher nicht die Ohren voll, ich hätte dich nicht gewarnt.“