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Miniserie von HEIDI RICE IM BANN DES STOLZEN SULTANS Fünfhunderttausend Pfund – ein verlockendes Angebot! So viel bietet ihr Scheich Zane, wenn Cat ein Buch über sein fernes Wüstenreich schreibt. Dafür wird sie drei Monate lang in seinem Palast wohnen, den stolzen Sultan täglich in ihrer Nähe wissen. Verzweifelt versucht die Wissenschaftlerin, ihr Herz vor dem Wüstenprinzen zu schützen: vergeblich. Und eine heiße Liebesnacht hat ungeahnte Folgen. Nicht nur für Cat, sondern auch für den Thron … SCHENK MIR 1001 LIEBESNACHT! Gerade noch rechtzeitig wird Kasia von Raif, dem Sohn des Scheichs, aus einem Sandsturm gerettet. Die erotische Anziehungskraft zwischen ihnen ist stärker als je zuvor, und unter tausend Sternen schenkt Kasia dem Wüstenprinzen ihre Unschuld. Nach Landestradition bedeutet das Heirat. Aber das ist für Kasia undenkbar! Überstürzt flieht sie nach England, wo Raif sie einige Monate später aufspürt. Er will nur eins: eine zweite Nacht … FALSCHE VERLOBUNG MIT DEM PLAYBOY-SCHEICH Sie soll sich als seine Verlobte ausgeben? Orla kann nicht fassen, was Playboy-Scheich Karim vorschlägt. Doch wenn sie das geliebte Gestüt ihrer Familie behalten will, muss sie tun, was er verlangt. Aber Vorsicht: So arrogant und unendlich reich Karim ist, so atemberaubend sexy ist er. Als er sie zu einem Verlobungskuss in die Arme zieht, beginnt ein gewagtes Spiel. Denn Orla spürt nicht nur ungewollt sinnliche Erregung, sie ertappt sich auch bei dem heimlichen Wunsch, dass Karim sie nie mehr loslässt … 1001 SINNLICHE NACHT MIT DIR? Pure Leidenschaft erwacht in Jamilla, als sie Dane nackt beim Bad in der entlegenen Oase überrascht. Dabei ist es die Aufgabe der ehrgeizigen Diplomatin, den Halbbruder des Scheichs von Zafar auf seine royalen Pflichten vorzubereiten. Als Dane darauf besteht, dass Jamilla ihn zu einem Ball begleitet, wird die Sehnsucht übermächtig. Doch der Abend, der so prickelnd beginnt, endet in einem Skandal! Verliert Jamilla alles – ihre Karriere und ihr Herz?
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Seitenzahl: 803
Cover
Titel
Inhalt
Im Bann des stolzen Sultans
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
Schenk mir 1001 Liebesnacht!
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
18. KAPITEL
EPILOG
Falsche Verlobung mit dem Playboy-Scheich
Cover
Titel
Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
EPILOG
1001 sinnliche Nacht mit dir?
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Heidi Rice Originaltitel: „Carrying the Sheikh’s Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA Band 2431 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Marina Michaelsen
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733713997
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Dr. Smith, in mein Büro. Sie haben einen äußerst wichtigen Gast, den Sie nicht warten lassen sollten.
Noch knapper hätte ihr Chef es nicht formulieren können, dachte Catherine Smith, während sie im halsbrecherischen Tempo durchs Tor des Devereaux College in Cambridge radelte. Die Textnachricht von Professor Archibald Walmsley hatte sie nur nervös gemacht und wenig aufgeklärt.
Direkt vor dem roten Backsteingebäude sprang sie vom Rad und rammte es eilig in den Fahrradständer. Während sie auf den Haupteingang zulief, bemerkte sie die dunkle Limousine im Halteverbot. Getönte Scheiben und kleine Fahnen zu beiden Seiten der Kühlerhaube wiesen den Wagen als Diplomatenfahrzeug aus.
Diese Flaggen kannte sie doch! Ihr Herz begann zu rasen.
Das also war der Grund zur Eile: Ein Mitarbeiter der narabischen Botschaft war zu ihr ins College gekommen. Vor lauter Aufregung schien sich ihr Brustkorb zusammenzuziehen. Hastig nahm sie die Stufen zum Eingang.
Besuch aus der narabischen Botschaft konnte entweder ein sehr gutes Zeichen sein oder ein sehr schlechtes.
Nach dem Tod ihres Vaters hatte Walmsley dessen Stelle als Dekan des Devereaux College übernommen. Er würde sie umbringen, wenn er erfuhr, dass sie sich hinter seinem Rücken um eine offizielle Erlaubnis bemüht hatte, die jüngste narabische Geschichte zu erforschen. Ölvorkommen hatten Narabien reich gemacht. Dennoch hielt sich der Wüstenstaat der restlichen Welt gegenüber eher verschlossen und suchte kaum Kontakt zu anderen Ländern. Wenn sie die Akkreditierung erhielt, bekäme sie vielleicht sogar die Möglichkeit, nach Narabien zu reisen. Bei dieser Vorstellung pochte ihr Herz heftig.
Der Besuch musste ein gutes Zeichen sein. Vor zwei Monaten war Narabiens Herrscher, Tariq Ali Nawari Khan, nach langer Krankheit gestorben, und sein Sohn Zane hatte den Thron bestiegen. Zane war Halbamerikaner, das Ergebnis einer ausgesprochen kurzen Ehe von Scheich Tariq mit der tragischen Hollywood-Ikone Zelda Mayhew. Als Kind war Zane ein Liebling der Klatschpresse gewesen. Irgendwann waren die Berichte über ihn immer seltener geworden. Und nachdem sein Vater ihn im Alter von vierzehn Jahren zu sich genommen hatte, war er völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden. Dennoch gab es hinlänglich Gerüchte, die darauf hindeuteten, dass der neue Sultan das Land öffnen und Narabien auf die Weltkarte zurückbringen wollte.
Genau deshalb hatte Catherine die offizielle Forschungserlaubnis beantragt. Sie hoffte, dass das neue Regime den Schleier lüftete, der auf dem Land lastete. Aber was, wenn sie mit ihrer Einschätzung falschlag und der Diplomat nur hier war, um sich über sie zu beschweren? Dann würde Walmsley ihr sicher kündigen.
Sie raste den Korridor entlang und versuchte sich zu beruhigen, indem sie den vertrauten Geruch von Zitruspolitur und altem Holz einsog.
Wie immer erfasste sie ein jähes Gefühl der Trauer, während sie die letzten Stufen zum ehemaligen Büro ihres Vaters erklomm. Hier hatte sie ihr halbes Leben verbracht – ihr Vater war zum Dekan ernannt worden, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Bereits seit zwei Jahren war Henry Smith nun schon tot.
Kopf hoch, Cat! Du kannst dich nicht für immer hier verstecken.
Nachdem sie um die letzte Ecke gebogen war, bemerkte sie die beiden einschüchternden Männer in dunklen Anzügen, die vor Walmsleys Büro postiert waren. Ihr Herz klopfte mittlerweile bis zum Hals, und ihr Magen unternahm eine Achterbahnfahrt.
Warum wurde der narabische Botschafter von Sicherheitsleuten begleitet? War das nicht ein bisschen übertrieben?
Um Zeit zu schinden, band sie ihre eigensinnigen Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen. In der Stille auf dem Flur klang das Schnappen ihres Haarbandes wie ein Pistolenschuss. Die beiden Männer starrten sie an, als wäre sie keine vierundzwanzigjährige Professorin mit zwei Doktortiteln in Orientalistik, sondern eine Bedrohung, die es zu überwältigen galt.
Sie zwang sich, ruhiger zu atmen.
„Entschuldigung“, murmelte sie. „Mein Name ist Dr. Catherine Smith. Professor Walmsley erwartet mich.“
Einer der beiden Riesen nickte brüsk und öffnete die Tür.
„Sie ist da“, verkündete er mit starkem Akzent.
Als Cat das Büro betrat, prickelte es in ihrem Nacken.
„Dr. Smith, na endlich. Wo waren Sie nur?“, fragte Walmsley. Seine Stimme klang deutlich gestresst. Ziellos schob der Dekan die Unterlagen auf seinem Schreibtisch von einer Seite zur anderen. Cat hatte ihn noch nie nervös erlebt.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, zuckte sie zusammen.
„Tut mir leid“, begann sie und versuchte verzweifelt, seinen Ausdruck zu deuten. Aber er stand mit dem Rücken zum Fenster, und so lag sein Gesicht im Schatten. „Ich war in der Bibliothek. Ihre Nachricht hat mich erst vor fünf Minuten erreicht.“
„Sie hätten unseren verehrten Gast wirklich nicht warten lassen sollen.“
Er deutete hinter sie, und Cat schwang voller Anspannung herum.
In einem Ledersessel saß ein Mann, den sie im winterlichen Dämmerlicht des Büros nicht erkennen konnte. Selbst im Sitzen sah er beängstigend groß aus, seine Schultern wirkten breit unter dem maßgeschneiderten Anzug. Den linken Fuß hatte er lässig aufs andere Knie gelegt, an seinem gebräunten Handgelenk erkannte sie eine teure goldene Uhr. Seine ganze Haltung strahlte eine beinahe raubtierhafte Selbstsicherheit aus.
Als er die Beine nebeneinanderstellte und sich vorbeugte, sodass sein Gesicht zu erkennen war, ging Cats ohnehin hoher Pulsschlag schier durch die Decke.
Sie hatte schon einige Fotos von Scheich Zane Ali Nawari Khan gesehen, doch sie wurden ihm eindeutig nicht gerecht. Scharf geschnittene Wangenknochen, eine fast messerscharf gerade Nase und das militärisch kurz geschnittene Haar bildeten einen auffälligen Kontrast zu den intensiv türkisfarbenen Augen, für die seine Mutter berühmt gewesen war.
Offensichtlich hatte er von beiden Elternteilen das Beste geerbt, denn sein Gesicht war eine unwiderstehliche Kombination aus den edlen arabischen Zügen seines Vaters und der kaukasischen Schönheit seiner Mutter. Fast wäre er zu schön gewesen, wenn er nicht diese kleine Narbe am Kinn und einen leichten Höcker auf dem Nasenrücken gehabt hätte, die die perfekte Symmetrie durcheinanderbrachen.
Cat blieb schlicht der Atem weg.
„Hallo Dr. Smith“, begrüßte er sie mit tiefer kultivierter Stimme. Obwohl er seit vielen Jahren in Narabien lebte, sprach er mit dem lässigen, etwas schleppenden Akzent der amerikanischen Westküste.
Dann erhob er sich aus dem Sessel und kam in voller beeindruckender Größe auf sie zu. Unweigerlich fühlte sie sich wie eine Gazelle, die jeden Moment von einem Löwen angegriffen werden könnte. Mühsam brachte sie ihre Atmung unter Kontrolle, um nicht vor seinen Gucci-beschuhten Füßen in Ohnmacht zu fallen.
„Mein Name ist Zane Khan“, erklärte er, nur noch wenige Millimeter von ihrer persönlichen Komfortzone entfernt.
„Ich weiß, wer Sie sind, Euer Hoheit“, entgegnete sie atemlos und war sich schmerzlich bewusst, wie klein sie sich gegen ihn ausnahm.
Wieder sprach er mit diesem lässigen urbanen Tonfall. „Diesen Titel benutze ich außerhalb von Narabien nicht.“
Blut schoss ihr ins Gesicht und rauschte in ihren Ohren. Dann erschien zu allem Überfluss auch noch ein Grübchen auf seiner linken Wange, und ihre Atmung setzte erneut aus.
Ein Grübchen? Wirklich? Sieht er nicht schon so gut genug aus?
„Tut mir leid, Euer Hoh… Ich meine, Zane.“ Die Hitze schob sich hoch bis an ihren Haaransatz, als sie sah, wie seine Mundwinkel zuckten.
Oh, mein Gott, Cat! Du hast Narabiens Scheich mit dem Vornamen angesprochen!
„Entschuldigung. Tut mir so leid. Ich wollte natürlich sagen: Mr. Khan.“
Sie atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Doch sein Duft, den sie dabei wahrnahm – Zitronenseife und ein würziges, frisches Aftershave mit einer Note von Zedernholz –, half ihr nicht gerade, sich zu beruhigen. Als sie zurückwich, stieß sie gegen Walmsleys Schreibtisch.
Der Scheich kam ihr nicht nach, doch sie spürte seinen intensiven Blick auf jeder Stelle ihrer Haut, die nicht von Stoff bedeckt war.
„Sind Sie hier wegen meiner Forschungsanfrage?“, brachte sie kläglich hervor und kam sich unglaublich albern vor.
Warum sollte der Scheich von Narabien nach London reisen, um mit ihr zu klären, was auch seine Botschaft locker hätten regeln können?
„Nein, Dr. Smith. Ich bin hier, um Ihnen einen Job anzubieten.“
Zane hätte beinahe laut losgelacht, als Catherine Smiths haselnussbraune Augen rund und tellergroß wurden. Offensichtlich hatte sie sein Angebot nicht erwartet.
Andererseits hatte er schließlich auch nicht mit ihr gerechnet. Er war ohnehin in Cambridge gewesen, weil er mit einer Computerfirma über eine superschnelle Internetverbindung für Narabien verhandelt hatte. Und es hatte ihn rasend gemacht, erfahren zu müssen, dass es am Devereaux College jemanden gab, der ohne seine ausdrückliche Genehmigung über Narabiens jüngste Geschichte forschte.
Die E-Mail jener Akademikerin, die um Akkreditierung gebeten hatte, war ungelesen in den Papierkorb gewandert. Er war einfach davon ausgegangen, dass sie eine langweilige Mittfünfzigerin wäre.
Allerdings wirkte Catherine Smith kaum älter als eine Highschool-Absolventin. In ihren eng anliegenden Jeans, den Bikerboots und dem Sweatshirt, das ihr fast bis zu den Knien ging, sah sie aus wie ein kleiner Wildfang. Noch dazu wurde auch ihr kastanienbraunes Haar vom Zopfgummi kaum gebändigt. Dr. Smith war eine junge, unkonventionelle Schönheit, und vor allem ihre Augen in der Farbe von flüssigem Karamell hatten es ihm angetan. Sie waren groß und standen leicht schräg, was ihr einen leicht verträumten Charakter verlieh, als sei sie gerade erst aus dem Bett gestiegen. Gleichzeitig waren sie so ausdrucksstark, dass scheinbar jede einzelne Emotion in ihnen abzulesen war.
„Was für einen Job?“, fragte sie und überraschte ihn mit ihrer Direktheit, während sie gleichzeitig noch weiter zum Schreibtisch ihres Chefs zurückwich.
Zane sah an ihr vorbei Walmsley an.
„Lassen Sie uns allein“, befahl er.
Eilig verließ der Dekan das Zimmer – ganz offensichtlich wusste er, dass die Finanzierung seiner Abteilung wegen der unerlaubten Forschung dieser Mitarbeiterin auf der Kippe stand.
Ihre Augen weiteten sich noch mehr, und Zane bemerkte den rasenden Puls, der sich knapp über dem Dekolleté ihres unförmigen Sweatshirts abzeichnete.
„Ich brauche jemanden, der einen detaillierten Bericht über mein Volk schreibt, über seine Geschichte, seine Kultur, seine Sitten und Gebräuche. Ich will, dass die Welt Narabien kennenlernt. Soweit ich weiß, verfügen Sie über fundierte Kenntnisse der Region?“
Dieses Forschungsprojekt war eine Idee seiner PR-Leute – als Teil jenes Prozesses, der Narabien Stück für Stück öffnen und zurück auf die Bühne der Weltöffentlichkeit bringen sollte. Damit hatte er vor fünf Jahren begonnen, als ein schlimmer Herzanfall seinen Vater gezwungen hatte, die Zügel, die dieser bis dahin fest im Griff gehalten hatte, ein wenig zu lockern.
Fünf lange Jahre war Tariq Khan ein Schatten seiner selbst gewesen, bevor er der Krankheit schließlich erlegen war. In dieser Zeit hatte Zane die Ölnation aus dem dunklen Mittelalter gezerrt und Infrastruktur-Projekte an den Start gebracht, die auch abgeschiedene Landesteile mit Elektrizität, Wasserleitungen und Internet versorgen sollten.
Es lag noch ein weiter Weg vor ihm, und das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren Klatsch und Tratsch über die Beziehung seiner Eltern zueinander beziehungsweise über seine eigene schwierige Beziehung zu seinem Vater. Wenn er zuließ, dass seine Vergangenheit öffentlich wurde, würde niemand mehr über die eigentlichen Themen sprechen.
Unwillkürlich lockerte er seine Schultern.
Er wollte ein Buch, das die Anpassungsfähigkeit und das neue, moderne Gesicht seines Landes unterstrich. Wenn Catherine Smith auf die schäbige Wahrheit stieß, wie er ursprünglich nach Narabien gekommen war, würde das seiner Version der Geschichte krass widersprechen. Allerdings wusste er, dass er sie nicht mundtot machen konnte. Er musste sie anders unter Kontrolle bringen.
„Traue niemandem“, war die Lieblingsmaxime seines Vaters gewesen – eine der vielen harten Lektionen, die Zane mit der Zeit hatte lernen müssen.
„Sie möchten, dass ich ein Buch über Ihr Land schreibe?“ Das schien sie zu erstaunen, und er fragte sich, warum.
„Ja. Allerdings würde es bedeuten, dass Sie mich nach Narabien begleiten müssten. Sie hätten drei Monate, um das Buch zu schreiben, aber wie ich gehört habe, beschäftigen Sie sich ohnehin schon seit einem Jahr mit der Geschichte meines Landes?“
Genau deshalb musste er ihr diesen Auftrag geben – um sicherzugehen, dass sie noch nichts entdeckt hatte, was er geheim halten wollte.
Sie befeuchtete ihre Lippen. Obwohl sie keinen Lippenstift trug, wurde er abgelenkt von dem sinnlichen Schwung ihrer Oberlippe, der im Halbschatten verführerisch funkelte. Zu seiner eigenen Überraschung überfiel ihn ein jähes Gefühl der Erregung. Die Frauen, mit denen er normalerweise schlief, waren sehr viel eleganter und kultivierter als Dr. Catherine Smith.
„Tut mir leid, aber … Das Angebot kann ich nicht annehmen.“
Mühsam wandte er den Blick von ihrem Mund ab und ärgerte sich, dass er sich davon derart hatte faszinieren lassen. Außerdem reizte ihn ihre Antwort.
„Ich kann Ihnen ein lukratives Honorar versprechen.“
„Das bezweifle ich nicht“, entgegnete sie.
Allerdings vermutete er, dass sie keine Vorstellung hatte, wie hoch das Honorar wirklich ausfallen würde.
„Ich kann in so kurzer Zeit kein derart umfassendes Werk schreiben“, fuhr sie fort. „Bisher habe ich mich nur mit den grundlegendsten Recherchen zu Narabien befasst, und ich habe noch nie ein Buch dieser Größenordnung geschrieben. Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber einen Journalisten engagieren möchten?“
Auf keinen Fall würde er einen Journalisten einladen, in seiner Vergangenheit herumzuschnüffeln. Genau das wollte er mit diesem sorgsam überwachten Buchprojekt vermeiden.
Der offene Widerstand auf ihrem Gesicht faszinierte ihn. Unwillkürlich erwachte seine Lust, doch er ignorierte sie geflissentlich. So verlockend diese geschwungenen Lippen auch waren, er ließ sich nie mit einer Untergebenen ein, noch dazu, wenn sie aussah, als wäre sie gerade einmal volljährig.
„Wie alt sind Sie eigentlich, Dr. Smith?“, erkundigte er sich unvermittelt.
An der Art, wie sie erstarrte, erkannte er, dass er sie beleidigt hatte. Offensichtlich kam es häufiger vor, dass jemand ihre Kompetenz anzweifelte. Kaum verwunderlich, schließlich sah sie aus, als wäre sie zu jung fürs College. Wer sollte da an zwei Doktortitel glauben?
„Ich bin vierundzwanzig.“
Er nickte erleichtert. Vierundzwanzig war jung für jemanden mit ihren Qualifikationen, aber so jung nun auch wieder nicht.
„Dann stehen Sie noch am Anfang Ihrer Karriere, und ich biete Ihnen die Gelegenheit, sich einen Namen zu machen. Auch außerhalb der …“ Er ließ seinen Blick über die alten muffigen Lederbände schweifen. „… rein akademischen Welt. Sie wollen eine offizielle Akkreditierung für Ihre Forschung in Narabien? Dies ist Ihre einzige Chance, sie zu bekommen.“ Und er konnte über den Inhalt ihrer Arbeit bestimmen.
Zuversichtlich wartete er ab, bis sie sein Angebot – und die darunterliegende Drohung – verarbeitet hatte. Es dauerte nicht allzu lange, und ihr Gesicht errötete vor Schreck.
„Ich könnte meine Arbeit auch ohne Ihre Erlaubnis fortsetzen“, gab sie zurück, biss sich jedoch gleichzeitig nervös auf die Unterlippe.
Diese Geste erregte ihn schon wieder, verriet ihm aber auch, dass sie bluffte.
„Natürlich könnten Sie das. Aber dann würden Sie Ihre Anstellung verlieren“, schnarrte er.
Seine Geduld war inzwischen am Ende. So attraktiv und mutig sie war, er hatte einfach nicht die Zeit, auf dieses Spiel mit ihr weiter einzugehen.
„Tatsächlich würde ich sogar persönlich dafür sorgen, dass Sie keinen Zugang zu den nötigen Dokumenten bekämen.“
Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe, und die Röte auf ihren Wangen betonte das hübsche Band aus Sommersprossen, das sich über ihren Nasenrücken zog.
„Wollen … Sie mir drohen, Mr. Khan?“
Er schob seine Hände in die Hosentaschen und trat näher an sie heran. „Ganz im Gegenteil: Ich biete Ihnen die Möglichkeit, Ihre Arbeit voranzutreiben. Narabien ist ein faszinierendes und wunderschönes Land. Und es ist gerade dabei, sich aus seinem Kokon zu befreien, um endlich sein ganzes Potenzial auszuschöpfen.“
Denn das war sein großes Ziel: Narabien in einen Ort zu verwandeln, der sein kulturelles Erbe schätzen und dennoch frei in die Zukunft blicken konnte.
„Wie sollen Sie über ein Land schreiben, das Sie nie besucht haben? Eine Kultur, die Sie nicht erlebt haben? Ein Volk, das Sie nicht getroffen haben?“
Die Leidenschaft, mit der Zane Khan sprach, spiegelte sich in seinen strahlend blauen Augen wider und ließ sie noch intensiver erscheinen, geradezu beunruhigend.
Er nennt dich einen Feigling.
Konnte sie ihm da wirklich widersprechen?
Am Devereaux College hatte sie sich stets in Büchern vergraben, weil sie sich damit sicher gefühlt hatte. Seit dem Tod ihres Vaters wartete sie auf den Moment, endlich der Entdeckerlust zu folgen, die sie seit ihrer Kindheit unterdrückte.
Sei nicht langweilig, Schatz. Daddy muss nie davon erfahren, wenn du ihm nichts verrätst. Bist du Cat oder ein Mäuschen?
Unwillkürlich dachte sie an ihre Mutter mit diesem viel zu strahlenden Lächeln – dem Inbegriff rücksichtsloser Impulsivität.
Aber das hier hatte nichts mit ihrer Mutter zu tun. Also zwang sie sich, Zane Khans tiefblauen Augen zu begegnen, hinter denen sich dunkle Geheimnisse zu verbergen schienen. Zugegeben, dieser Mann konnte ihrem inneren Frieden eindeutig gefährlich werden. Aber warum sollte das ihre professionelle Integrität beeinträchtigen? Offensichtlich war sie viel zu lange nicht mehr aus dem schützenden Umfeld der Universität herausgekommen. Nur deshalb hatte er sie in gerade einmal fünf Minuten derart durcheinanderbringen können. Selbstvertrauen musste man sich erarbeiten, indem man sich seinen Ängsten stellte.
Du musst nur an dich glauben, Cat. Dann kannst du alles erreichen.
Das waren die Worte ihres Vaters gewesen, immer wieder, wenn sie vor Nervosität vergangen war an ihrem ersten Tag in der Grundschule, in der weiterführenden Schule, im College und sogar noch in der Universität.
Plötzlich ergriff sie ein überwältigendes Gefühl der Aufregung. Zweifellos war diese Reise Furcht einflößend, aber es wurde auch Zeit, dass sie aus ihrer Komfortzone herauskam. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und hatte noch nicht einmal einen festen Freund gehabt. Das erklärte vermutlich, warum sie beinahe ohnmächtig geworden war, als sie Zane Khan begegnet war. Auch jetzt stieg schon wieder die Röte an ihrem Hals empor.
Bisher hatte sie nur Bilder und Artefakte nutzen können, um sich mit Narabien zu beschäftigen. Dennoch faszinierte das Land sie mit seiner abwechslungsreichen Geografie und dem reichen kulturellen Erbe. Dabei hatte sie gerade einmal an der Oberfläche gekratzt. Den Staat und seine Kultur aus erster Hand kennenzulernen war für ihre Arbeit unerlässlich, und die Chance, den Umbruch mitzuerleben, reizte sie sehr.
Außerdem würde sie mit Zane Khan nicht allzu viel Zeit verbringen müssen.
„Hätte ich vollen Zugang zu den Archiven?“
„Selbstverständlich.“ Er zögerte nicht eine Sekunde.
Ein anthropologisches Buch über das kulturelle Erbe seines Landes, über die Monarchie und deren Herausforderungen für die Zukunft – das ergab Sinn, und Zane Khan war eindeutig eines der Kernthemen darin.
„Außerdem möchte ich Sie dazu interviewen dürfen“, forderte sie, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
Sie sah Widerstand in seinen Augen aufflackern, und an seinem Kiefer zuckte ein Muskel.
„Warum sollte das nötig sein?“
„Nun ja, Sie sind der Scheich.“ Sie fragte sich, warum sie das überhaupt erklären musste. „Außerdem haben Sie Ihre Kindheit in einem westlichen Land verbracht. Ihre einzigartige persönliche Perspektive umfasst beide Kulturkreise.“
„Ich bin sicher, wir können irgendwann einen Gesprächstermin vereinbaren“, versprach er, klang aber seltsam distanziert. „Sind wir uns einig?“
Sie stieß den Atem aus und fühlte sich, als würde sie sich kopfüber ins Ungewisse stürzen – was in gewisser Weise auch stimmte. Aber schließlich hatte sie schon viel zu lange auf diese Gelegenheit gewartet.
Du kannst nicht ewig ein Mäuschen sein.
„Einverstanden.“
Die Begeisterung darüber, dass sie etwas Derartiges wagte, übertraf sogar beinahe die Panik in ihr.
Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, aber als seine langen kräftigen Finger sich um ihre schlossen, musste sie dem Impuls widerstehen, sie wegzuziehen. Sein Handschlag war fest und professionell, aber die Empfindungen, die er bei ihr auslöste, waren umso persönlicher.
„Wie lange brauchen Sie, um zu packen?“, erkundigte er sich.
„Na ja … In einer Woche sollte ich fliegen können.“ Sie war erleichtert, als er ihre Hand losließ.
Vorher würde sie ihren Lehrplan ändern müssen, die Wohnung auf dem Campus auflösen und sich hoffentlich noch ein wenig Zeit verschaffen, um zu überlegen, ob sie dieses Risiko wirklich eingehen wollte.
„Das ist zu lange.“
„Wie bitte?“ Sein gebieterischer Tonfall brachte sie durcheinander, zumal sie seine Berührung noch immer in den Fingern spürte.
„Ich sorge dafür, dass Ihnen in der nächsten Stunde ein entsprechender Vertrag zugestellt wird. Sind fünfhunderttausend Pfund angemessen?“
Fünfhunderttausend Pfund!
„Ich … Das ist sehr großzügig.“
„Perfekt. Dann fliegen wir noch heute Abend nach Narabien.“
Heute Abend? Was …?
„Ich …“
Er hob eine Hand, und ihr kläglicher Protest verstummte.
„Ich möchte keine Einwände hören. Wir waren uns doch einig.“
Damit zog er sein Handy aus der Hosentasche und ging zur Tür. Die beiden Bodyguards und Walmsley, der auf dem Flur gewartet hatte, nahmen ruckartig Haltung an.
Offensichtlich hatte Zane Khan nicht nur auf sie diesen merkwürdigen Effekt.
„Dr. Smith fliegt heute Abend in meinem Privatjet“, verkündete er.
Obwohl Walmsley auf geradezu groteske Weise seinen Mund öffnete, war Cat überhaupt nicht nach Lachen zumute.
Der Scheich warf ihr über die Schulter einen Blick zu. „Mein Fahrer wird Sie in vier Stunden abholen und zum Flughafen bringen.“
„Aber das ist viel zu wenig Zeit“, brachte sie gerade noch hervor. Ihr Hals war wie zugeschnürt.
Wozu um alles in der Welt hatte sie gerade ihre Zustimmung gegeben? Sie begann sofort wieder, sich wie ein Mäuschen zu fühlen. Wie ein sehr kleines, eingeschüchtertes Mäuschen in der Gegenwart eines großen, ausgesprochen gefährlichen Löwen.
„Sie bekommen alles, was Sie benötigen.“
Er unterband alle weiteren Proteste, indem er einfach das Handy wieder ans Ohr hob und gelassen den Korridor entlangging. Wortlos setzten sich die Bodyguards zu beiden Seiten ebenfalls in Bewegung.
Ungläubig sah Cat ihm nach. Noch immer stockte ihr Atem, und ihr Magen rebellierte. Die Entscheidung, ob sie sich wirklich ins Ungewisse stürzen wollte, war ihr soeben abgenommen worden. Zane Khan hatte sie einfach geschubst.
Viereinhalb Stunden später kam Cat bei dem privaten Flugfeld außerhalb von Cambridge an. Noch immer war sie wie benommen von ihrem ersten Treffen mit Narabiens Scheich.
Passiert das alles gerade wirklich?
Unter den Scheinwerfern des Hangars wartete ein eleganter Privatjet in den goldenen und grünen Landesfarben des Wüstenstaates.
Der Chauffeur hob ihren Rucksack aus dem Kofferraum und geleitete sie zur Gangway, die ins Innere des Jets führte.
Am Eingang erschien ein Mann im Kaftan und mit traditioneller narabischer Kopfbedeckung. Er nahm dem Fahrer Cats Rucksack ab und bat sie herein, wobei er sich als Abdallah vorstellte, persönlicher Diener des Scheichs.
Sie folgte ihm durchs luxuriöse Innere des Flugzeugs, zwischen bequemen Ledersesseln und polierten Teakholz-Tischchen hindurch bis nach ganz hinten in eine separate Kabine.
„Sobald wir in der Luft sind, serviere ich Ihr Dinner“, erklärte er in perfektem Englisch und stellte das Gepäck auf einem der Sessel ab.
Den starken Kontrast zwischen dem abgenutzten, hastig gepackten Rucksack und dem butterweichen Leder des Sessels ignorierte sie lieber.
„Sie werden hier angemessene Kleidung für Ihren Aufenthalt in Narabien finden“, ergänzte Abdallah mit einem raschen Blick auf ihre zerkratzten Boots und den alten Pullover.
Kein Tadel lag in seiner Stimme, doch als er die Tür zu einem Wandschrank öffnete und edle Roben aus fließendem dunklem Stoff zum Vorschein kamen, fühlte Cat sich noch schlechter vorbereitet.
„Seine Göttliche Hoheit bittet Sie, sich umzukleiden, bevor Sie das Flugzeug verlassen. Mit Ihren Fragen wenden Sie sich ausschließlich an mich oder die anderen Mitarbeiter des Palastes.“
Cat nickte, obwohl seine Worte sie irritierten. „Seine Göttliche Hoheit“ erwartete anscheinend, dass seine Befehle befolgt wurden. Aber wie sollte sie Narabiens Sitten und Gebräuche studieren, wenn sie nicht frei entscheiden konnte, mit wem sie sprechen wollte?
„Ist Mr. Khan auch im Flugzeug?“, fragte sie.
Der Diener hob kaum merklich die Augenbrauen. „Seine Göttliche Hoheit fliegt die Maschine, Dr. Smith. Er hat mich gebeten, Ihnen in jeder Hinsicht behilflich zu sein.“
Bei der Aussicht, Zane Khan während des Flugs nicht begegnen zu müssen, ließ das Engegefühl in ihrer Brust zumindest ein wenig nach.
Impulsive Entscheidungen traf sie schon seit ihrer Kindheit nicht mehr. Eigentlich war es gut, dass sie dieses eine Mal keine Gelegenheit gehabt hatte, von ihrer spontanen Zusage zurückzutreten.
Allerdings wurde die Reise dadurch nicht weniger Furcht einflößend. Und es sprach Bände, dass der Scheich ihr schon Vorschriften machte, bevor sie den britischen Luftraum verlassen hatten. Sie war entschlossen, gründlich zu arbeiten. Notfalls musste sie sich ihm widersetzen. Einfacher wurde ihre Situation dadurch allerdings nicht. Zumal sie in seiner Gegenwart kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
„Wir landen morgen früh um acht“, informierte Abdallah sie. „Seine Göttliche Hoheit nimmt sich Zeit, mit Ihnen zu sprechen, bevor wir zum Palast weiterfahren.“
Sofort schoss Cats Puls in die Höhe. Der Palast des Scheichs war vor fünfhundert Jahren über einer natürlichen Quelle erbaut worden, und man munkelte, dass er ein ebenso großes architektonisches Wunder sei wie das Tajdsch Mahal. Es existierten keinerlei Fotos, nur Bleistiftzeichnungen eines britischen Entdeckers aus den 1920er Jahren.
Sie würde die erste Außenstehende seit Generationen sein, die diesen Palast zu Gesicht bekam. Eindeutig ein Pluspunkt ihrer Reise!
„Vielen Dank. Ich freue mich schon sehr auf den Palast“, erwiderte sie und konnte ihr Strahlen kaum unterdrücken, bis Abdallah sich verabschiedet hatte.
Kurz darauf begannen die Flugzeugmotoren zu rumoren. Cat setzte sich in den ledernen Passagiersessel und schnallte sich an, wobei sie sich unwillkürlich vorstellte, wie Zane Khan die Instrumente im Cockpit mit seinen feingliedrigen Fingern bediente. Ihr Magen machte einen Satz, als das Flugzeug die Rollbahn entlangraste und sich in den Nachthimmel erhob.
Sie zwang sich, ruhig zu atmen, während die Lichter von Cambridge unter einem Wolkenschleier verschwanden. Es wäre bestimmt ein guter Anfang, später in Gegenwart des Scheichs nicht wieder zu hyperventilieren, überlegte sie.
Der Flug dauerte neun Stunden. Unterwegs genoss Cat ein aufwendiges Drei-Gänge-Menü aus narabischen Delikatessen, die afrikanische Gewürze mit orientalischen Aromen verbanden. Danach fiel sie auf dem luxuriösen Bett ihrer Kabine in einen unruhigen Schlaf. Als sie erwachte, summte das Flugzeug noch immer, doch unter ihrem Fenster erkannte sie bereits die weite Wüstenlandschaft Narabiens.
Sie wusste, dass sie nur noch eine Stunde Zeit hatte. Also nahm sie eilig eine Dusche – die Vorstellung, tatsächlich in einem Flugzeug zu duschen , erschien ihr absurd – und zog ihr spärliches Schminkset hervor. Normalerweise trug sie kein Make-up. Jetzt aber entschied Cat, dass Lidschatten und Lipgloss halfen, selbstbewusster und mutiger aufzutreten.
Sich in eines der eleganten Kleider aus dem Wandschrank zu manövrieren stellte sich als wesentlich komplizierter heraus. Die bodenlange schwarze Robe, die sie ausgewählt hatte, bestand aus hauchdünner fließender Seide mit goldenen Stickereien an Ärmeln und Saum. Das taillierte Oberteil wurde bis direkt unter dem Halsansatz geschnürt. Dort war auch ein passender Schleier eingenäht.
Aber was sollte sie unter dem Kleid tragen? Selbst im Frühling würde es extrem heiß sein, und abgesehen von weiteren Roben fand Cat im Schrank nur ausgesprochen filigrane Unterwäsche. Sie spürte, wie sie errötete, als sie mit den Fingern über die durchscheinende Spitze fuhr.
In dieser knappen Wäsche sollte sie Zane Khan gegenübertreten? Er würde zwar nicht sehen, dass sie unter der hauchzarten Seide praktisch nackt war, aber sie wüsste es …
Letztendlich entschied sie sich für ein langes schmales Sommerkleid als Unterkleid. Es war für einen Sommer in Cambridge gemacht, nicht für Narabien. Der schwere Stoff ließ das elegante Kleid darüber spannen, doch er beruhigte ihren Puls. Nun musste sie nur noch mit der Schnürung über ihrem Brustkorb kämpfen.
Dann wurde es auch schon Zeit, sich für die Landung anzuschnallen. Sie genoss den atemberaubenden Ausblick aus ihrem Fenster, während das Flugzeug felsiges Gelände überflog und anschließend auf einem Flugfeld mitten in der Wüste landete, wo es vor einem großen modernen Hangar aus Glas und Stahl zum Stillstand kam.
Erst zehn Minuten später erschien Abdallah, um sie abzuholen. Sie hatte ihr Make-up schon zweimal erneuert – und sich bestimmt fünfzigmal gefragt, ob sie nicht einfach selbst aus ihrer Kabine heraustreten sollte. Hatte man sie vielleicht vergessen?
„Seine Göttliche Hoheit erwartet Sie jetzt“, verkündete Abdallah und packte ihren Rucksack.
Bleib cool, Cat, vergiss nicht zu atmen.
Nervös strich sie ihr Kleid glatt und spürte dabei die dicke Stofffalte, wo das Sommerkleid den figurbetonten Sitz der Robe zunichtemachte.
Sobald sie aus der Kabine trat, fiel ihr Blick auf eine Gruppe Männer in traditionellen Gewändern, die neben der offenen Flugzeugtür standen. Zane überragte die anderen in der Gruppe um einen ganzen Kopf.
Jetzt sah er sie an, und ihre Atmung setzte aus, sobald sein Blick den ihren traf.
Atmen, Cat, atmen!
Noch nie hatte sie etwas so Prunkvolles oder Männliches gesehen wie den Scheich von Narabien in traditioneller Galamontur. Er war atemberaubend, und einen Moment lang ließ sie ihren Blick fasziniert über seine lange schlanke Gestalt wandern.
Seine kniehohen Lederstiefel glänzten in der strahlenden Wüstensonne, die durch die offene Tür hereinfiel. Darüber trug er eine locker sitzende, schwarze Baumwollhose, die zwar bequem aussah, seine kräftigen Oberschenkelmuskeln jedoch keineswegs versteckte. Für einen Farbtupfer sorgte die Seidenschärpe um seine schlanken Hüften. Sie spiegelte die außergewöhnliche Farbe seiner Augen wider. Unter dem offenen fließenden Mantel, der fast bis zu den Knien reichte, trug er eine schwarze Tunika, deren tiefer V-Ausschnitt einen verlockenden Hauch schwarzen Brusthaars freigab.
Doch am meisten beeindruckte Cat seine spektakuläre Kopfbedeckung, die auch Schultern und Nacken bedeckte und von einem edelsteinbesetzten, goldenen Band gehalten wurde. Zwei Ledergurte gingen quer über seinen Oberkörper und hielten schwere Säbel zu beiden Seiten seiner Hüften. Dieses Detail machte das Bild eines mächtigen Mannes perfekt.
Kein Wunder, dass sie ihn „Göttliche Hoheit“ nennen.
Er sah nicht nur großartig aus, sondern auch unbezähmbar – zweifellos war er ein Mann, der sich seiner Herkunft bewusst war. Der Blick seiner klaren blauen Augen schien den zarten Stoff ihres Kleides zu durchdringen und direkt auf ihr klopfendes Herz abzuzielen. Sie war froh, dass sie sich für die Extra-Stoffschichten entschieden hatte. Selbst so fühlte sie sich seltsam nackt, und ihre Haut kribbelte unter seinen Blicken.
„Dr. Smith“, begrüßte er sie mit seiner tiefen gebieterischen Stimme und bedeutete ihr, näher zu treten. „Wie ich sehe, haben Sie etwas zum Anziehen gefunden.“
Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie sich in seine Arme werfen oder lieber schnellstmöglich die Flucht ergreifen sollte. Beides kam ihr ziemlich plausibel vor.
Du bist kein Mäuschen, Cat. Beweg dich.
Sie atmete tief durch, ging auf ihn zu und ergriff seine ausgestreckte Hand. Er hakte sie bei sich unter und zog sie an seine Seite.
„Lassen Sie uns aussteigen, bevor sich das Flugzeug in einen Ofen verwandelt.“
Gemeinsam stiegen sie die Stufen zum Rollfeld hinab. Selbst morgens war die Wüstenhitze schon so heftig, dass sich über dem Asphalt Luftspiegelungen bildeten und der Horizont hinter einem Dunstschleier verschwand. Doch das alles war nichts gegen das Feuer, das Zanes Berührung in Cat entfachte. Die Bewegungen seiner Muskeln an ihrer Seite zu spüren löste die widersprüchlichsten Empfindungen in ihr aus.
Sie fragte sich, ob er wohl hören konnte, wie schnell und laut ihr Herz klopfte. In ihren eigenen Ohren klang es wie Maschinengewehrfeuer.
Unten an der Treppe wartete eine Phalanx aus Dienern und Leibwächtern, die sich auf ein Knie niederließen, während Zane Khan mit Cat an ihnen vorbeischritt. Sie bemerkte ihre ehrfürchtigen Mienen und fragte sich entsetzt, ob auch sie den Scheich so unterwürfig angesehen haben mochte, als sie aus ihrer Kabine getreten war.
Selbst wenn er in Narabien wie ein Gott behandelt wurde, war er trotzdem nur ein Mensch, versuchte sie, sich zu beruhigen.
Als wollte er ihren Gedanken bestätigen, hielt der Scheich bei einigen seiner Untertanen inne, um mit ihnen zu sprechen. Zwei der Männer stellte er Cat als seine Berater vor.
Hinter dem Empfangskomitee parkten vier SUVs, deren dunkler Lack in der heißen Sonne glänzte. Ein Wachposten eilte voraus und öffnete den Fond des mittleren Wagens, der halb Limousine und halb Geländewagen war. Flaggen mit den Insignien des Herrscherhauses Nawari wiesen ihn als das Fahrzeug des Scheichs aus.
Zane Khan trat zur Seite, um Cat einsteigen zu lassen. Allerdings hatte sie es noch nicht ganz ins Innere des Wagens geschafft, als ihr Kleid an irgendetwas hängen blieb. Mit den Händen auf den Sitz gestützt versuchte sie vergeblich loszukommen. Ihr war peinlich bewusst, dass sie den Po unvorteilhaft in die Höhe reckte. Zu allem Überfluss verlor sie nun auch noch ihre Sandalen und machte sich gänzlich lächerlich, während Zane Khan hinter ihr stand und freien Blick auf ihre Rückseite hatte.
Sein leises rauchiges Lachen machte ihre Erniedrigung komplett. Plötzlich spürte sie seine Finger um ihren Knöchel. Was sie dabei empfand, ließ ihre Knie endgültig weich werden.
„Stillhalten“, forderte er amüsiert. „Der Saum hat sich verfangen.“
Sekunden später löste sich der Stoff so abrupt, dass sie vornüberfiel und auf den Sitzen landete.
Ihre Wangen glühten vor verletztem Stolz, als säße sie direkt unter der narabischen Sonne und nicht im klimatisierten Inneren der Limousine. Zane Khan amüsierte sich prächtig.
„Gut gemacht, Dr. Smith.“
Erst als der Wagen sich in Bewegung gesetzt hatte, wagte sie wieder, ihn direkt anzusehen. Das Lachen ließ ihn jünger wirken, fast jungenhaft, und seine Züge waren viel weicher.
Ihre Anspannung löste sich, und sie fiel in sein Lachen ein. Für einen kurzen Moment fühlte sie sich frei und unbeschwert. Als gäbe es diese knisternde sexuelle Spannung nicht, die sie im Umgang mit dem Scheich so fertigmachte.
„Ich kann nicht glauben, dass ich mich derart zum Affen gemacht habe“, brachte sie hervor, als das Lachen langsam nachließ.
„Ja, unfassbar“, gab er zurück.
Er wischte sich einige Tränen aus den Augenwinkeln, und sie freute sich über diesen Anblick. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Zane Khan viel zu selten lachte. Ihr Stolz schien ihr ein geringer Preis für das Vergnügen, seine strenge Fassade einreißen zu können – und sei es auch nur für einen kurzen Moment.
„Hier.“ Er reichte ihr die Sandalen. „Die haben Sie verloren.“
Wieder mussten sie lachen.
Doch als Cat sich der Wärme bewusst wurde, die seine Finger auf den weichen Lederriemchen hinterlassen hatten, verstummte ihr Lachen. Es kam ihr seltsam intim vor.
Unbehaglich nestelte sie an ihrer Robe und bemühte sich, ihre Beine zu verhüllen. Sie war sich seiner Blicke allzu bewusst.
„Ich glaube, jetzt weiß ich, wo das Problem liegt“, murmelte er.
Als sie zu ihm aufsah, war alles Jungenhafte verschwunden, und er ließ seinen Blick über ihre Figur gleiten.
„Diese Gewänder sollten über so wenig Stoff wie möglich getragen werden“, erklärte er, und wenn sie es sich nicht einbildete, wurde seine Stimme dabei tiefer. „Ein Unterkleid beeinträchtigt den Kühleffekt.“
„Oooh … Ich verstehe“, stammelte sie.
Die Hitze in ihrem Innern schien sich komplett zwischen ihren Schenkeln zu sammeln.
So viel zum Kühleffekt.
Verdammt. Seit wann erregt mich der Anblick eines Fußes dermaßen?
Angestrengt starrte Zane auf die felsige Landschaft. Sie umgab das Wüstental, in dem der Palast lag. Für seinen Geschmack war er sich der Frau, die stocksteif neben ihm saß, viel zu bewusst. Noch immer brannten seine Fingerspitzen dort, wo sie die zarte Haut ihrer Fesseln berührt hatten. Die nackten Füße mit den unlackierten Zehennägeln zu sehen hatte jenes Verlangen noch verstärkt, das er spürte, seit sie aus der Kabinentür getreten war.
In dem eleganten Kleid sah sie noch erotischer aus als in ausgeblichenen Jeans und Sweatshirt. Sobald er sie gesehen hatte, war seine Fantasie mit ihm durchgegangen.
Unruhig verlagerte er sein Gewicht.
Ihr ungläubiges Einatmen, als der Palast in Sicht kam, riss ihn aus seinen Gedanken. Das riesige Gebäude war ein fantastisches Beispiel maurischer Baukunst – mit Zwiebeltürmchen, verschwenderischen Mosaikfliesen, innen liegenden Gärten und Wandelgängen voller aufwendiger Reliefs. Ihm war selbst ehrfürchtig zumute gewesen, als er vor sechzehn Jahren hergekommen war – bevor er allzu schnell hatte lernen müssen, dass hinter den goldenen Wänden keine Magie auf ihn wartete.
Unwillig schüttelte er die dunklen Erinnerungen ab, während sie nach Zahari hineinfuhren, jener Stadt, die sich zu Füßen der Palastmauern angesiedelt hatte. Als sie den Marktplatz passierten, machten Händler wie Kunden der Fahrzeugkolonne Platz, und die meisten neigten die Köpfe oder knieten nieder.
„Ist das üblich? Dass Ihre Untertanen vor Ihnen niederknien?“
Catherine Smiths Stimme ergriff ihn auf diese intime Art, die er schon zu ignorieren versuchte, seit sie das Flugzeug verlassen hatten.
Seine Reaktion auf diese Frau musste er dringend unter Kontrolle bringen.
„Ich fordere es jedenfalls nicht ein.“ Er bemerkte, wie sie bei seinem scharfen Tonfall zusammenzuckte.
Es war nicht ihre Schuld, dass sie diesen Effekt auf ihn hatte. Sie konnte nichts dafür, dass er sich beim Anblick ihres eleganten Fußspanns und der zarten Zehen vorstellte, wie er sie mit der Zunge erkundete und dann ganz langsam den Saum ihres Kleides hob, um zu entdecken, welche Schätze zwischen ihren Beinen verborgen waren.
Zane schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf die goldenen Mauern des Palastes, während sie durch ein Tor in den Innenhof einfuhren.
Es wäre ausgesprochen dumm, ausgerechnet Catherine Smith zu verführen oder sie näher an sich heranzulassen als unbedingt nötig. Schon das Interview hätte er am liebsten rundweg abgelehnt. Ihre Aufgabe in Narabien war es, sein Volk und dessen Gebräuche zu erforschen. Aber er würde nicht zulassen, dass sie ihn studierte.
Der Gedanke daran, wie wissend sie ihn angesehen hatte, als er in Lachen ausgebrochen war, dämpfte das Pochen in seiner Lendengegend. Der Wagen umrundete nun einen Springbrunnen und hielt vor den Stufen zum Eingangsbereich seiner Residenz. Zane stieg aus dem Wagen und reichte Catherine die Hand.
Schon ein Blick auf ihre Zehen reichte, um alle Beherrschung wieder zunichtezumachen.
Zwar stieg sie jetzt mit sehr viel mehr Würde aus, doch allein der Gedanke an ihren hübschen Po, der sich beim Einsteigen unter der Seide abgezeichnet hatte, tat schon wieder ein Übriges.
Der dünne Seidenschal ihrer Robe versteckte die unbezähmbare Lockenpracht kaum, und er musste seine Fäuste ballen, um nicht die Finger in ihr kastanienbraunes Haar zu schieben. Sie drei Monate lang unter seinem Dach zu wissen würde ihn härter auf die Probe stellen, als er zunächst gedacht hatte.
Jetzt hob sie den Kopf und schaute sich um. „Es ist noch schöner hier als erwartet.“
Sie hauchte es fast, und das machte ihre Stimme erotisch – auf ganz ungekünstelte Weise. Das Gewicht der Säbel schlug ihm gegen die Hüften, als er beiseitetrat und sie auf der Treppe vorgehen ließ.
„Herzlich willkommen zurück, Euer Hoheit“, begrüßte ihn sein Majordomus.
Ravi war gewohnt ruhig und effizient. Er schien nicht einmal mit der Wimper zu zucken, dass Zane von seinem Geschäftstermin in Großbritannien unangekündigt einen weiblichen Gast mitbrachte. Stattdessen klatschte er in die Hände, woraufhin Diener herbeieilten und sich um das Gepäck kümmerten.
„Das ist Dr. Smith“, stellte Zane sie vor. „Sie ist Wissenschaftlerin und wird ein Buch über die Gebräuche und das kulturelle Erbe Narabiens schreiben. Ich möchte, dass sie im Wohnbereich der Frauen untergebracht wird.“ Zanes weibliche Angestellte und unverheiratete Verwandte lebten in einem separaten Bereich des Palastes.
„Ja, Euer Hoheit“, antwortete Ravi, bevor er sich vor Catherine verneigte. „Willkommen in Narabien, Dr. Smith. Bitte folgen Sie mir. Ich werde Sie zu den Frauenquartieren bringen.“
„Das übernehme ich selbst“, fuhr Zane dazwischen.
Sowohl Catherine als auch Ravi sahen ihn überrascht an. Er konnte es ihnen nicht verdenken, sich selbst hatte er genauso verblüfft.
Doch als er sie wenig später dabei beobachtete, wie sie ihre Umgebung in sich aufnahm, bereute er die impulsive Entscheidung nicht.
Seit er hier als Teenager eingetroffen war, hatte sich der Palast wie ein Gefängnis angefühlt – wunderschön, kunstvoll, aber auch beklemmend. Die Pracht spiegelte für ihn nur die unglückliche Geschichte wider, die sich innerhalb dieser Mauern abgespielt hatte.
Mit ihren Augen betrachtet, wirkte der Palast ganz anders. Der Duft von Zitronen und Limonen erfüllte die Luft, und Zane beobachtete fasziniert, wie die Farbe auf Catherines Wangen sich veränderte, wie ihre karamellfarbenen Augen glänzten. Hin und her huschte ihr Blick, und ihre Reaktion freute ihn. Doch er versuchte, nicht zu viel hineinzuinterpretieren.
Schließlich war es normal, dass sie ehrfürchtig reagierte. Der Palast war wunderschön und kunstvoll dekoriert. Gleichzeitig aber war er ein Gefängnis, wie seine Mutter am eigenen Leib erfahren hatte. Davon ahnte Catherine nichts, und er musste verhindern, dass sie die Wahrheit herausfand.
Es war wie der Eintritt in eine fremde und faszinierende Welt. Unzählige Eindrücke stürzten auf Cat ein. Geräusche und Düfte umfingen sie, und sie schaffte es irgendwie, den Mann an ihrer Seite zu ignorieren. Sein verschlossener Gesichtsausdruck stand im Kontrast zu ihren eigenen Emotionen, die völlig verrücktspielten.
Anders als der Rest des Palastes, wo es ruhig und beinahe feierlich zugegangen war, summte der Frauenbereich vor Leben und Betriebsamkeit – zumindest, bis die Frauen den Scheich bemerkten.
Einige von ihnen bedeckten ihre Gesichter mit einem Schleier, doch gerade die Jüngeren taten dies nicht, und manche tuschelten hinter vorgehaltener Hand, bevor sie sich verbeugten oder knicksten. Zane Khan schien ihre Reaktionen kaum zu bemerken, aber Cat war klar, dass ihr nicht als Einzige aufgefallen war, wie großartig er aussah.
Aus der brennenden Hitze des Vorhofs traten sie in einen ummauerten Garten. Sobald Cats Augen sich an den Schatten gewöhnt hatten, erkannte sie Bäume, die mit Früchten beladen waren, und üppig wuchernde exotische Pflanzen. Der Garten wurde von mosaikbesetzten Wegen durchzogen, die zu Springbrunnen und anderen dekorativen Elementen führten. Auch hier trafen sie Frauen in farbenprächtigen Seidengewändern an, die auf Marmorbänken saßen, aber sofort aufsprangen, sobald Zane Khan sich ihnen näherte.
Als sie um eine Ecke bogen, staunte Cat über einen künstlich angelegten Teich inklusive Wasserfall, das kühle Herzstück des verschwenderischen Gartens. Von außen wirkte der Frauenbereich schmucklos und nüchtern, doch er war ein verstecktes Paradies.
Der große Raum, den sie nun betraten, hatte eine hohe, reich bemalte Decke. Auch hier war alles sorgfältig dekoriert. Wunderschöner Marmor wetteiferte mit den Mosaikfliesen. Überall gab es kleine Aufenthaltsbereiche voller Kissen und bestickter Seidenvorhänge, die den Raum einladend und gemütlich erscheinen ließen. Riesige Deckenventilatoren sorgten für Abkühlung, und ihr Summen dämpfte das Gelächter und Gemurmel der Frauen.
Von diesem zentralen Raum führten Torbögen in kleinere Zimmer, wo die Frauen verschiedenen Tätigkeiten nachgingen. Eine Gruppe saß im Kreis auf dem Boden und bestickte Wandteppiche. Eine andere kochte in einer Küche, die überraschend modern ausgestattet war. In einem dritten Zimmer schien sich ein Klassenraum zu befinden, denn hier schrieb eine Frau gerade eine Mathematikaufgabe auf ein Whiteboard, während andere sie eifrig in ihre Hefte übertrugen.
Cat ließ den Blick schweifen, und ihr kam der Gedanke, dass diese Mischung aus Lernen und moderner Ausrüstung auf der einen Seite und traditioneller Handarbeit auf der anderen ein gutes Bild dafür sei, wie der neue Scheich sein Land reformierte. Narabiens Kultur war uralt, doch Zane Khan brachte Neuerungen und das moderne Leben herein.
Auch hier verstummten die Gespräche, sobald sie sich näherten, und das erinnerte Cat daran, wie sehr das Volk den Scheich verehrte.
Automatisch fragte sie sich, warum er sie eigentlich begleitete. Es war ein seltsames Gefühl, den Blicken aller ausgesetzt und neben Zane Khan dennoch scheinbar unsichtbar zu sein.
Versteck dich nicht, Schatz. Sag Hallo zu Mummys Freund.
Die plötzliche Erinnerung ließ sie straucheln. Sofort reagierte Zane und hielt sie fest.
„Ist alles in Ordnung?“ Da erst bemerkte sie, dass er schon nicht mehr gesprochen hatte, seit sie den Vorplatz des Palastes verlassen hatten.
„Ja. Mir geht’s gut. Ich bin nur ein bisschen müde und reizüberflutet.“
Oder vielmehr ausgesprochen müde und reizüberflutet. Sonst hätte sie ganz sicher nicht an ihre Mutter gedacht.
Außerdem interpretierte sie schon wieder zu viel in alles hinein. Bestimmt zeigte Zane Khan ihr bloß den Weg, weil er höflich sein wollte.
Er musterte sie eindringlich, sodass sie sich noch unwohler fühlte, und schnipste mit den Fingern.
„Wer spricht hier Englisch?“, fragte er eine Gruppe junger Frauen, die sie aus respektvoller Entfernung beobachteten.
Ein Mädchen trat schüchtern vor. Ihre dunklen Augen waren voll lebhafter Neugierde.
„Wie heißt du?“, fragte er.
„Kasia, Euer Göttliche Hoheit“, antwortete sie in gebrochenem Englisch.
„Das hier ist Dr. Catherine Smith, Kasia. Du wirst ihre Dienerin sein, solange sie unser Gast ist. Dafür verdoppele ich dein Gehalt. Ich will, dass ihr alle Wünsche erfüllt werden und sie nirgendwo allein hingeht. Hast du mich verstanden?“
Das Mädchen nickte eifrig, errötete und kniete ehrfurchtsvoll nieder. Ganz offensichtlich hatte es ihr die Sprache verschlagen, vom Scheich direkt angesprochen zu werden. Cat hingegen fühlte Unwillen in sich aufkommen. Warum sollte sie überallhin eskortiert werden?
„Kasia zeigt Ihnen Ihre Räume“, erklärte er und brachte mit einem durchdringenden Blick ihre widerspenstigen Gedanken zum Schweigen. „Hier kann man sich schnell verlaufen.“
Eine irrationale Panik stieg in Cat auf. Konnte der Mann etwa Gedanken lesen?
Während Kasia sie die Treppe zu einer Galerie hinaufführte, wagte sie einen letzten Blick über ihre Schulter.
Zane Khan durchquerte den Garten. Zwischen all den bunt gekleideten Frauen schien sein dunkles Gewand eine Schneise zu schlagen. Sein Gang war selbstbewusst und machtvoll.
Von seiner weichen Seite, die sie im Auto gesehen hatte, war nichts übrig geblieben. Im Palast war er sogleich wieder ganz zu „Seiner Göttlichen Hoheit“ geworden, der über alles und jeden bestimmte – auch über sie.
Wahrscheinlich war der zugängliche Mann im Auto letztlich doch nur ein Produkt ihrer Fantasie gewesen. Trotzdem bedauerte sie, dass er so schnell wieder verschwunden war.
Würde sie es mit seinem wahren herrischen Selbst drei Monate lang aushalten?
In den nächsten beiden Wochen vergrub Cat sich hauptsächlich in Arbeit. So konnte sie erst einmal ankommen und die seltsamen Gefühle vertreiben, die sie für Zane Khan empfunden hatte.
Zunächst übte sie die Landessprache, damit sie sich weniger wie ein Eindringling fühlte. Da auch Kasia ihre Englischkenntnisse überschätzt hatte, konnten sie ihre Sprachfähigkeiten aneinander testen und verbessern. Innerhalb kürzester Zeit wurde Kasia so für Cat zu einer guten Freundin und ausgezeichneten Forschungsassistentin, denn sie hatte überraschend große Kenntnisse über Narabiens Sitten und Gebräuche.
Worüber Kasia und die anderen Frauen nichts zu wissen schienen, war die Nawari-Familie – oder noch konkreter Zane Khan. Niemand erzählte, wann er in sein Land zurückgekehrt oder wie sein Verhältnis zu seinem Vater war. Entweder wussten sie wirklich nichts, oder man hatte ihnen verboten, darüber zu sprechen.
Wahrscheinlich war Cat einfach nur paranoid. Warum sollte Zane Khan sie beauftragen, über ihn zu schreiben, wenn er etwas zu verbergen hatte?
Er organisierte sogar „Erkundungsmissionen“ für sie. Sie besuchte architektonische Wahrzeichen, lokale Geschäftsleute und nahm an einer Sitzung mit seinen Beratern teil. Doch selbst hier konnte sie ihren Argwohn nicht zerstreuen.
Denn obwohl sie lernte, Narabi immer flüssiger zu sprechen, gelang es ihr nicht, sich mit jemandem zu unterhalten, den der Scheich nicht ausdrücklich dazu befugt hatte. Stets folgten ihr seine Leibwächter, die sehr genau instruiert schienen, mit wem sie reden durfte und mit wem nicht.
Was zudem immer noch ausstand, war das versprochene Interview mit dem Scheich selbst.
Zunächst war ihr das sogar ganz recht gewesen, denn auch sie scheute davor zurück. Aber nach einigen Tagen frustrierte es sie doch.
Die Studie sollte einen umfassenden Überblick über Narabiens Kultur bieten. Dafür brauchte sie Zugang zu allen Bevölkerungsschichten und vor allem zum Scheich selbst, der schließlich die treibende Kraft hinter den derzeitigen Veränderungen war. Was half es da, dass sie dankbar war, ihn nicht zu treffen?
Ihre Unsicherheit durfte sie nicht länger bremsen. Sie hatte nur drei Monate Zeit, um ihr Buch zu verfassen. Egal, wie viel Sorge ihre Reaktion auf Zane Khan ihr auch bereitete, sie konnte nicht länger warten.
Allerdings war sie dem versprochenen Interview nach zwei Wochen keinen Schritt näher gekommen. Auf ihre Nachfragen hin speiste Ravi sie stets mit einer endlosen Reihe fadenscheiniger Ausreden ab.
Seine Hoheit sei beschäftigt. Seine Hoheit habe einen Termin. Seine Hoheit könne sich heute nicht mit ihrem Projekt beschäftigen.
Also hatte sie beschlossen, ihm selbst eine Nachricht zu schreiben. Zurückgekommen war nur eine knappe Zeile auf cremefarbenem Notizpapier.
Ravi arrangiert ein Interview, wenn es mir zeitlich möglich ist.
ZK
„Der Scheich schreibt dir wie ein Liebhaber.“
Cat sah auf und blickte in Kasias grinsendes Gesicht. Gegen ihren Willen errötete sie.
Dann zerknüllte sie den Zettel und warf ihn in den Papierkorb neben ihrem Schreibtisch. „Eher wie ein Tyrann.“
„Was ist ein Tyrann ?“, fragte Kasia, deren Englisch täglich besser wurde.
Cat suchte nach einem narabischen Ausdruck dafür, aber natürlich gab es keinen. In Narabien war es vollkommen selbstverständlich, dass der Scheich immer seinen Willen durchsetzte.
„Jemand, der dich nicht machen lässt, was du willst“, erklärte sie schließlich.
Das Mädchen grinste wieder. „Was willst du denn tun?“
„Ich muss mit Menschen außerhalb der Palastmauern sprechen“, antwortete sie in immer noch nicht fehlerfreiem Narabi. „Ich brauche Interviews aus einem viel größeren Querschnitt der narabischen Bevölkerung.“ Außerdem wollte sie Zane Khan befragen, aber das lag wohl kaum in Kasias Macht.
„Warum gehst du nicht auf den Markt? Da gibt es eine Menge unterschiedlichster Leute.“
„Das würde ich ja. Aber ich darf nirgendwohin, ohne dass mich jemand begleitet“, rief Cat verärgert. „Und bei den arrangierten Terminen habe ich kaum Zeit, mit den Menschen zu reden.“
„Du kannst mich begleiten, wenn ich Kräuter und Gewürze einkaufen gehe.“
Cats Herz begann lauter zu pochen. „Das ist ein großartiger Vorschlag. Danke!“
Endlich ergab sich eine Chance, ihre Forschung voranzutreiben! Cat wurde ganz aufgeregt. Warum war sie nicht selbst auf diese Idee gekommen? Zane Khan hatte ihr nicht ausdrücklich verboten, den Palast zu verlassen. Ihre eigene Feigheit hatte sie zurückgehalten.
„Euer Hoheit, es gibt Nachrichten von den Frauen.“
Zane blickte von dem Brief auf, den er gerade verfasste, und sah seinen Majordomus in der Tür stehen. Dessen Miene war angespannt, nervös knetete er die Hände.
Na wunderbar, was hat Catherine Smith jetzt wieder angestellt?
Auf gar keinen Fall würde er ihrem Interview zustimmen, solange er nicht sicher war, dass er seine beunruhigende Reaktion auf sie unter Kontrolle hatte. Allerdings schien sie nicht akzeptieren zu wollen, dass er derzeit nicht zur Verfügung stand.
„Was ist denn, Ravi?“, schnappte Zane und legte seinen Stift beiseite. „Bitte sagen Sie nicht, dass Dr. Smith schon wieder nach einem Interview fragt. Die Antwort ist immer noch Nein.“ Er hatte seinem Majordomus erklärt, dass er damit nicht mehr belästigt werden wolle. Selbst nur ihren Namen zu hören, rief dieses Verlangen hervor, das er tunlichst vermeiden wollte.
„Nein, Euer Hoheit.“ Ravi wirkte beunruhigt. So hatte Zane ihn noch nie gesehen. „Mir wurde berichtet, dass Dr. Smith den Palast verlassen hat.“
„Was?“ Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. „Wo ist sie?“
„Das wissen wir nicht, aber wir glauben, sie könnte mit ihrer Dienerin zum Gewürzmarkt gegangen sein.“
Mit einem Ruck kam Zane aus seinem Stuhl hoch. „Wie lange sind sie schon weg?“, wollte er wissen, während er bereits den Raum durchquerte.
„Sie wurden seit einigen Stunden nicht mehr gesehen.“
Einige Stunden! Sein Herz klopfte so wild, als träte sein Araberhengst Pegasus ihm gegen die Rippen.
In dieser Zeitspanne konnte alles passiert sein! Catherine kannte sich in Zahari nicht aus. Wie gut sprach sie überhaupt Narabi? Er hätte sie nicht sich selbst überlassen dürfen. Panik breitete sich in ihm aus, erinnerte ihn an all die Momente seiner Kindheit, wenn er mitten in der Nacht aufgewacht war und festgestellt hatte, dass seine Mutter nicht zu Hause war. Wie oft war er losgezogen, um sie in einer der umliegenden Bars aufzuspüren.
Das ist nicht dasselbe, verdammt!
Zelda war instabil gewesen – in körperlicher und seelischer Hinsicht. Eine Alkoholikerin. Catherine Smith war nichts dergleichen.
Und dennoch spürte er das vertraute Brennen in seinem Magen, als er zu den Palastställen eilte. Er musste verhindern, dass ihr etwas zustieß.
„Satteln Sie Pegasus“, befahl Zane einem Stallburschen, sobald er in den Stallungen angekommen war.
Normalerweise beruhigte ihn das Aroma von Heu und Stroh, aber in diesem Moment war diese alte Angst in ihm einfach zu groß.
„Euer Hoheit …“, keuchte Ravi, der kaum mit ihm hatte mithalten können. „Die Palastwache steht bereit, den Markt zu durchsuchen.“
„Ich werde die Suche anführen.“
Zane nahm Ravi die Kefije aus der Hand, die traditionelle Kopfbedeckung, und fixierte sie mit einem Band, bevor er den dichten Stoff vor Mund und Nase zog. Es war beinahe Mittag, und der Ritt drohte heiß und staubig zu werden. Aber er würde sich nicht verzeihen, die Suche anderen zu überlassen.
Pegasus blähte die Nüstern und ruckte unruhig mit dem Kopf, wie um das Zaumzeug abzuschütteln. Ungeduldig nahm Zane dem Stallburschen die Zügel aus der Hand und setzte einen Fuß in den Steigbügel, um sich hinaufzuschwingen. Sobald er im Sattel saß, preschte das Pferd hinaus in den Hof.
Die Hufe der Pferde, mit denen die Palastwachen ihm folgten, klapperten hinter ihm, als er durch die eilig geöffneten Tore ritt.
Draußen wurden sie von der gleißenden Mittagssonne geblendet, doch sie kannten die ungepflasterte Straße nach Zahari. Menschen sprangen beiseite und knieten nieder, als sie den Scheich und seine Wache erkannten.
Je tiefer sie in das Labyrinth der uralten Straßen eintauchten, wo in Marktbuden farbenprächtige Seidengewänder und aromatisches Obst und Gemüse feilgeboten wurden, desto größer wurde die Wut, die Zanes Angst überlagerte.
Wenn er Catherine fand, würde sie die volle Macht dieser Wut zu spüren bekommen. Wie konnte sie es wagen, sich seinen direkten Anweisungen zu widersetzen und sich selbst unnötig in Gefahr zu begeben? Dafür schuldete sie ihm eine gute Erklärung.
Falls er sie fand.
„Sie sagt, Tariq war ein unbarmherziger Scheich“, übersetzte Kasia, und Cat nickte, während sie eilig in ihr Notizbuch schrieb.
Zwei ganze Stunden waren sie auf dem Markt gewesen. Cat hatte Fotos gemacht und die faszinierenden Eindrücke und Gerüche in sich aufgesogen. Die Chance, einfach unbeobachtet die Stadt zu erkunden, machte sie ganz schwindelig. Und dann hatte sie in Nazarin endlich jemanden gefunden, der bereit war, mit ihr über das vierzigjährige Regime von Tariq Ali Nawari Khan zu sprechen.
Nazarin gehörte einer der Marktstände. Die knotigen Hände der alten Frau waren voller Gicht, die sie sich beim Färben ihrer Stoffe zugezogen hatte. Sie sprach mit starkem Akzent, sodass Kasia übersetzen musste, aber Nazarin wusste einiges über die Nawari-Familie zu erzählen, da sie jahrelang in den Palast gegangen war, um Stoff auszuliefern.
„Sie sagt, er war zu seinem Sohn sehr grausam“, fügte Kasia hinzu.
Cats Kopf schnellte hoch. „Meinen Sie Zane?“, fragte sie in Narabi.
Für einen Moment starrte die Frau sie sprachlos an, offensichtlich überrascht von der informellen Anrede. Doch dann nickte sie und stieß einen Wortschwall aus, der so viel Dialekt beinhaltete, dass Cat ihn unmöglich verstehen konnte.
Also musste sie warten, bis Kasia übersetzte. Diese wandte sich schließlich zu ihr um, und ihre Augen waren schreckgeweitet.
„Sie sagt, ja, sie meint den neuen Scheich. Den, der aus Amerika kam. Als er in den Palast zog, versuchte er oft zu fliehen. Dann wurde er für seinen Ungehorsam hart bestraft.“
„Bestraft? Wie?“, flüsterte Cat, ebenso schockiert wie Kasia.
War Zane gegen seinen Willen nach Narabien gebracht worden?
Schon bei ihren ersten Nachforschungen in Cambridge hatte sie sich gefragt, wie es dazu gekommen war, dass Zanes Mutter das Sorgerecht für ihn aufgegeben hatte.
Zelda Mayhew Khan war kurz nach seiner Geburt aus Narabien geflohen und hatte das Baby mitgenommen. Anscheinend war die Ehe doch nicht so märchenhaft gewesen, wie sie in der Regenbogenpresse erschienen war. Doch die Schauspielerin hatte nie öffentlich darüber gesprochen. Aus den Unterlagen, die Cat über Zelda Khan gefunden hatte, wusste sie nur, dass diese sich anschließend zurückgezogen hatte. Mehrfach war sie wegen Alkohols am Steuer und öffentlichen Ärgernisses festgenommen worden, als Zane schon ein Teenager gewesen war.
Es war Cat logisch erschienen, dass seinem Vater das Sorgerecht zugesprochen worden war. Aber tatsächlich war sie nie auf eine offizielle Sorgerechtsvereinbarung oder einen entsprechenden Gerichtsbeschluss gestoßen.
Wie musste das für Zane gewesen sein? Bei seiner Mutter hatte er viele Freiheiten genossen, und dann hatte er sich plötzlich im viel restriktiveren Narabien wiedergefunden … Dennoch hatte sie nicht erwartet, jetzt von harten Bestrafungen zu hören.
Noch suchte sie nach den richtigen Worten für ihre nächste Frage, als plötzlich Nazarins Enkelin ins Hinterzimmer gestürzt kam.
„Sie müssen gehen. Der Scheich, er kommt her … zu Pferde und mit seinen Männern“, flehte sie Cat und Kasia in Narabi an.
„Wir sollten gehen“, beschwor Kasia sie hektisch. „Er sucht nach dir.“
Aber aus welchem Grund? Und warum wurde sie das Gefühl nicht los, dass sein Auftauchen nichts Gutes bedeutete?
Sie hatte noch so viele Fragen an Nazarin. Doch sie erkannte die Angst ihrer Enkelin und die Sorge in Kasias Gesicht, und sie wollte niemandem Schwierigkeiten bereiten. Das konnte nur ein Missverständnis sein. Zane Khan hatte ihr nur verboten, allein irgendwohin zu gehen. Aber schließlich war Kasia ja bei ihr.
Eilig bedankte sie sich bei Nazarin für ihre Hilfe, dann hasteten Kasia und sie durch den kleinen Laden nach draußen auf den Marktplatz.
Instinktiv zog Cat ihr Kopftuch tiefer ins Gesicht, um die Augen vor der grellen Mittagssonne zu schützen. Der Gewürzmarkt hatte sich schon vor einer Stunde aufgelöst, als es zu heiß geworden war. Alle Stände waren längst abgebaut. Doch beim Geräusch der donnernden Hufe kamen die Anwohner neugierig aus ihren Häusern hervor.
Auch Cats Herz schien im Takt der Hufe zu klopfen, als sechs Reiter am Rande des Marktes auftauchten. In vollem Galopp ritten sie auf den Platz ein, ganz vorn ein riesiger schwarzer Hengst, dessen Reiter ihn mit vollkommener Sicherheit lenkte. Direkt vor Cat und Kasia kam die Gruppe abrupt zum Stehen.
Der schwarze Hengst bäumte sich noch einmal auf, und seine Hufe donnerten nur Zentimeter vor Cats Füßen zu Boden. Erschrocken wich sie zurück. Trotz des halb verdeckten Gesichts erkannte sie Zane Khan.
Offenbar ging es den Umstehenden genauso, denn alle knieten augenblicklich nieder, selbst Kasia. Nur Cat blieb stocksteif stehen. Sie war erfüllt von ungläubiger Verblüffung und einem anderen Gefühl, das leider sehr viel Ähnlichkeit mit Ehrfurcht hatte.
Er riss sich das Tuch vom Gesicht und beugte sich von seinem Pferd zu ihr herunter. Seine blauen Augen funkelten, und Cat erschrak zutiefst.
Warum ist er so wütend?
Sein Hengst stampfte unruhig mit den Hufen auf, als spiegelte er den Zustand seines Herrn wider, während Zane eine behandschuhte Hand ausstreckte.
„Hoch hier. Jetzt.“
Wahrscheinlich hätte sie ihm einfach gehorchen sollen. Schließlich war sie nicht auf den Markt gegangen, um ihn zu ärgern. Aber auch wenn sie nicht auf Streit aus war, konnte sie sich seinem Befehl nicht einfach so fügen. Sie wollte hier arbeiten, was hatte er bloß daran auszusetzen?
„Ich bin hier noch nicht fertig.“ Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Der Fluch, den er daraufhin ausstieß, durchbrach die Stille auf dem Marktplatz, und Cat zuckte unwillkürlich zusammen.
Vielleicht war dies der Zeitpunkt, nachzugeben und seinem Befehl zu folgen? Später, wenn weniger Menschen zusahen, konnte sie immer noch mit ihm darüber diskutieren. Doch bevor sie irgendeine Entscheidung getroffen hatte, sprang er schon vom Pferd.