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Als Hexer ist Geralt von Riva Einsamkeit gewohnt. In einer Welt, in der unheimliche Bestien das Land unsicher machen und die Grenzen der Königreiche auf blutige Weise neu gezogen werden, kennt er nur eins: die Jagd auf Monster. Doch als er der Zauberin Yennefer von Vengerberg begegnet, ändert sich sein und ihr Schicksal für immer.
Die Erzählungen von Andrzej Sapkowskis Weltbestsellerserie THE WITCHER wurden von den besten französischen Comic-Künstlern bebildert. Jeder Band enthält den Text einer Erzählung in der bekannten deutschen Übersetzung, farbig illustriert und mit Bonusmaterial versehen.
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Deutsche Erstausgabe 11/2022
Copyright © 1993 des Textes by Andrzej Sapkowski,mit freundlicher Genehmigung des dtv Verlags, München
Copyright © 2021 der Cover- und Innenillustrationen by Bragelonne
Published in arrangement with Patricia Pasqualini Literary Agency
Copyright © 2006 der deutschen Übersetzung von Erik Simon
by dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, München
This special edition was designed and first published by Editions Bragelonne, France.
Französischer Originaltitel: THE WITCHER ILLUSTRÉ : LE DERNIER VŒU
Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-28940-9V001@HeyneFantasySF
MIKAËL BOURGOUIN
Wurde 1982 in Lyon geboren und studierte Illustration und Comics an der École Émile Cohl. Nach seinem Abschluss 2004 wurde er von dem Szenaristen Thierry Gloris damit beauftragt, die Zeichnungen für den Codex Angélique anzufertigen, eine Serie in drei Bänden, die zwischen 2006 und 2009 erschienen ist. Danach beteiligte er sich am zweiten Band der Skydoll-Anthologie Lacrima Christi und fasste die Kurzgeschichte von Barbara Canepa und Alessandro Barbucci in Pinselstriche. Neben seiner Arbeit an Comics widmete sich Mikaël Bourgouin der Malerei, zeichnete Storyboards und schuf Umschlagillustrationen für verschiedene Verlage. Zwischen 2013 und 2014 erschien Blue Note, ein Zweiteiler, für den er gemeinsam mit Mathieu Mariolle das Szenario verfasste und der das Schicksal eines Jazzmusikers und eines Boxers im Amerika am Ende der Prohibition erzählt. 2014 beteiligte er sich zusammen mit den Illustratoren Yann Tisseron und Anthony Jean an einer Hommage an Homers Odyssee. 2018 schuf er mehrere Gemälde zum Thema Jazz für eine Gruppenausstellung der Galerie Huberty & Breyne. Aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Bragelonne und seinen künstlerischen Fähigkeiten wurde er mit der Gestaltung des dritten Bandes von The Witcher Illustriert beauftragt. Mikaël Bourgouin arbeitet bereits an einem neuen Comic, Le Serment (»Der Schwur«), in Zusammenarbeit mit Mathieu Gabella.
ANDRZEJ SAPKOWSKI
Wurde 1948 in Polen geboren. Für die Saga um den Hexer Geralt von Riva, ein Welterfolg, der in 37 Sprachen übersetzt wurde und dessen Verkaufszahlen bereits 15 Millionen Exemplare überschritten haben, hat er sich von der slawischen, nordischen und antiken Mythologie und von Volksmärchen inspirieren lassen, um sie dann zu verfremden. Er spricht darin zeitgenössische Probleme wie Diskriminierung, Veränderung und die Suche nach Sinn in einer sich wandelnden Welt an. Sein Werk wurde fünfmal mit dem Janusz A. Zajdel Preis sowie mit dem David Gemmell Award ausgezeichnet. Der Hexer wurde als The Witcher bereits dreimal als Videospiel adaptiert, und die TV-Serien-Verfilmung von Netflix wurde ein weltweiter Erfolg. In Narrenturm, dem ersten Band der Hussiten-Trilogie, entfaltet Sapkowski ein großes historisches Epos, das während der böhmischen Kreuzzüge im Europa des 15. Jahrhunderts spielt.
Der Wels streckte den Kopf mit den Barteln aus dem Wasser, ruckte kräftig, warf sich herum, wühlte das Wasser auf, ließ seinen weißen Bauch blitzen.
»Pass auf, Rittersporn!«, rief der Hexer und stemmte sich mit den Absätzen in den Schlick. »Halt fest, verdammt!«
»Ich halt ihn …«, stöhnte der Dichter. »Himmel, was für ein Monster! Ein Leviathan und kein Fisch! Aber das wird ein Essen, bei den Göttern!«
»Lass nach, lass nach, sonst reißt die Schnur!«
Der Wels hatte sich an den Grund geheftet, dann stürzte er sich mit einem plötzlichen Angriff in die Strömung, auf die Flussschleife zu. Die Schnur zischte auf, Rittersporns und Geralts Handschuhe begannen zu rauchen.
»Zieh, Geralt, zieh! Lass nicht nach, sonst verheddert sie sich am Grund!«
»Die Schnur reißt!«
»Sie reißt nicht! Zieh!«
Sie stemmten sich fest, zogen. Zischend fuhr die Schnur durchs Wasser, vibrierte, warf einen Schauer kleiner Tropfen hoch, die in der aufgehenden Sonne wie Quecksilber funkelten. Unvermittelt tauchte der Wels auf, zappelte dicht unter der Oberfläche, die Spannung der Schnur ließ nach. Rasch begannen sie, das lockere Stück einzuholen.
»Wir werden ihn räuchern«, schnaufte Rittersporn. »Wir bringen ihn ins Dorf und lassen ihn räuchern. Und von dem Kopf kochen wir eine Suppe!«
»Pass auf!«
Der Wels, der die Untiefe unterm Bauch spürte, stieg bis zur Mitte seines mächtigen Körpers aus dem Wasser, warf den Kopf herum, schlug mit dem flachen Schwanz und stürzte sich in die Tiefe. Wieder stieg Rauch von den Handschuhen auf.
»Zieh, zieh! Ans Ufer mit dem Mistkerl!«
»Gleich reißt die Schnur! Lass nach, Rittersporn!«
»Sie hält, keine Angst! Von dem Kopf … kochen wir eine Suppe …«
Der Wels, abermals in Ufernähe gezogen, warf sich herum und zerrte wütend, als wollte er zeigen, so leicht werde er sich nicht in die Pfanne hauen lassen. Das Wasser spritzte klafterweit empor.
»Die Haut verkaufen wir …« Die Füße in den Boden gestemmt, zog Rittersporn mit beiden Händen an der Schnur, rot vor Anstrengung. »Und die Barteln … aus den Barteln machen wir …«
Niemand erfuhr jemals, was der Dichter aus den Barteln des Wels machen wollte. Mit einem Knall riss die Schnur, beide Angler verloren das Gleichgewicht und fielen in den nassen Sand.
»Dass dich der Teufel!«, brüllte Rittersporn, und das Echo hallte überm Rispengras. »So viel Essen hinüber! Verrecken sollst du, Mistwels!«
»Ich hab’s gesagt.« Geralt klopfte sich die Hose ab. »Ich hab’s gesagt, dass wir nicht zu kräftig ziehen sollen. Du hast’s vermasselt, Kumpel. Als Angler bist du so gut wie ein Ziegenarsch als Trompete.«
»Stimmt nicht«, erwiderte der Troubadour gekränkt. »Dass dieses Monster überhaupt angebissen hat, ist mein Verdienst.«
»Sieh an. Du hast keinen Finger gerührt, als ich die Schnur ausgeworfen habe. Du hast auf der Laute gespielt und sperrangelweit das Maul aufgerissen, weiter nichts.«
»Du irrst dich.« Rittersporn bleckte die Zähne. »Denn weißt du, als du eingeschlafen warst, habe ich die Engerlinge vom Haken genommen und einen toten Raben draufgesteckt, den ich im Gebüsch gefunden hatte. Ich wollte am Morgen dein Gesicht sehen, wenn du den Raben rausziehst. Und der Wels hat auf den Raben angebissen. Auf deine Engerlinge hätte ein Scheiß angebissen.«
»Angebissen, angebissen.« Der Hexer spuckte ins Wasser, während er die Schnur auf ein Holz wickelte. »Aber er hat sich losgerissen, weil du wie ein Irrer gezogen hast. Statt zu reden, wickle den Rest der Schnur auf. Die Sonne ist schon aufgegangen, wir müssen weiter. Ich gehe und packe.«
»Geralt!«
»Was ist?«
»An der anderen Schnur ist auch was … Nein, verdammt, sie hat sich bloß verhakt. Mist, sie hängt fest wie ein Stück Fels, ich krieg sie nicht los! Ah, na also … Ha, ha, sieh nur, was ich da herausziehe! Das scheint das Wrack einer Schute aus der Zeit König Desmonds zu sein! So ein großes Stück Dreck! Sieh nur, Geralt!«
Klar, Rittersporn übertrieb, der Klumpen verrotteter Taue, Netzreste und Wasserpflanzen, den Rittersporn herausgezogen hatte, war ansehnlich, aber längst nicht von den Ausmaßen einer Schute aus der Zeit des sagenhaften Königs. Der Barde warf den Klumpen am Ufer auseinander und begann, mit dem Stiefelabsatz darin zu stochern. Die Wasserpflanzen wimmelten von Egeln, Gründlingen und kleinen Krebsen.
»Ha! Schau, was ich gefunden habe!«
Neugierig geworden, trat Geralt näher. Der Fund erwies sich als bauchiger Krug aus Steingut, etwas in der Art einer Amphore mit zwei Henkeln, in ein Netz verstrickt, schwarz von verfaultem Wassermoos, von Köcherfliegen- und Schneckenkolonien – und er stank nach Schlamm.
»Ha!«, rief Rittersporn abermals stolz. »Weißt du, was das ist?«
»Klar. Ein alter Topf.«
»Du irrst dich«, verkündete der Troubadour, während er mit einem Stück Holz Muscheln und versteinerten, schmutzigen Lehm abkratzte. »Das ist nichts Geringeres als ein Zauberkrug. Drinnen sitzt also ein Dschinn, der mir drei Wünsche erfüllen wird.«
Der Hexer machte »Pah!«.
»Du kannst ruhig lachen.« Rittersporn war mit dem Abschaben fertig, bückte sich und spülte die Amphore mit Wasser ab. »Auf dem Korken ist nämlich ein Siegel und auf dem Siegel ein magisches Zeichen.«
»Was für eins? Zeig.«
»Von wegen.« Der Dichter versteckte den Krug hinterm Rücken. »Das könnte dir so passen. Ich hab ihn gefunden, und ich brauche alle Wünsche selber.«
»Rühr das Siegel nicht an! Lass es in Ruhe!«
»Lass los, sag ich! Es ist meiner!«
»Rittersporn, sieh dich vor!«
»Genau!«
»Rühr ihn nicht an! Oh, verdammt!«
Aus dem Krug, der bei dem Handgemenge zu Boden gefallen war, strömte roter, leuchtender Rauch.
Der Hexer sprang beiseite und stürzte zum Lagerplatz, um sein Schwert zu holen. Rittersporn hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und zuckte mit keiner Wimper.
Der Rauch verdichtete sich, sammelte sich zu einer unregelmäßigen Kugel, die in Kopfhöhe des Dichters schwebte. Die Kugel nahm die Gestalt eines karikierten Kopfes ohne Nase an, mit riesigen Augen und einer Art Schnabel. Der Kopf war ungefähr einen Klafter groß.
»Dschinn!«, sprach Rittersporn und stampfte auf. »Ich habe dich befreit, und fortan bin ich dein Gebieter. Meine Wünsche …«
Der Kopf klappte mit dem Schnabel, der gar kein Schnabel war, sondern etwas in der Form herabhängender, entstellter Lippen von wechselnder Gestalt.
»Lauf weg!«, brüllte der Hexer. »Lauf weg, Rittersporn!«
»Meine Wünsche«, fuhr der Dichter fort, »sind folgende. Erstens soll Valdo Marx, den Troubadour von Cidaris, auf der Stelle der Schlag treffen. Zweitens lebt in Caelf die Baroness Virginia, die keinen lassen will. Mich soll sie lassen. Drittens …«
Rittersporns dritter Wunsch blieb ungesagt. Der monströse Kopf ließ zwei noch monströsere Arme aus sich hervorwachsen und packte den Barden an der Gurgel. Rittersporn begann zu röcheln.
Geralt hatte den Kopf mit drei Sprüngen erreicht, holte mit dem silbernen Schwert aus und hieb ihn vom Ohr her mittendurch. Die Luft heulte auf, aus dem Kopf wallte Rauch, und er wuchs rapide an, auf den doppelten Durchmesser. Der scheußliche Rachen, jetzt ebenfalls doppelt so groß, öffnete sich, klappte wieder zu und zischte; die Pranken schüttelten den zappelnden Rittersporn und pressten ihn zu Boden.
Der Hexer formte mit den Fingern das Zeichen Aard und sammelte im Kopf so viel Energie, wie er nur mobilisieren konnte. Die Energie, die sich im Luftraum rings um den Kopf als blendende Strahlung materialisierte, traf aufs Ziel. Es krachte so laut, dass Geralt die Ohren zu klingen begannen, und vom durch die Implosion erzeugten Luftstoß begannen die Weiden zu rauschen. Das Ungeheuer brüllte markerschütternd auf, wuchs noch mehr an, ließ den Dichter aber los, schnellte empor, begann zu wirbeln, flog über die Wasseroberfläche hinaus und fuchtelte mit den Pfoten.
Der Hexer stürzte los, um den reglos daliegenden Rittersporn wegzuzerren. In diesem Augenblick trafen seine Finger auf einen im Sande vergrabenen runden Gegenstand.
Es war ein Messingsiegel, geschmückt mit einem gebrochenen Kreuz und einem neunzackigen Stern.
Der überm Fluss schwebende Kopf hatte schon die Größe eines Heuschobers erreicht. Der aufgerissene, brüllende Rachen aber erinnerte an ein mittelgroßes Scheunentor. Mit vorgereckten Armen griff das Monster an.
Geralt, der sich absolut keinen Rat wusste, umklammerte das Siegel mit der Faust, streckte dem Angreifer den Arm entgegen und schrie eine Exorzismusformel, die ihm einst eine gewisse Priesterin beigebracht hatte. Er hatte die Formel noch nie benutzt, da er an Aberglauben prinzipiell nicht glaubte.
Die Wirkung übertraf seine Erwartungen.
Das Siegel begann plötzlich zu zischen und schlagartig heiß zu werden, dass es die Handfläche verbrannte. Der riesige Kopf erstarrte in der Luft, schwebte reglos überm Fluss. So blieb er einen Moment hängen, dann heulte er auf, brüllte und löste sich in einen pulsierenden Rauchballen auf, eine große dicke Wolke. Die Wolke stieß ein dünnes Pfeifen aus und jagte mit unglaublicher Geschwindigkeit flussaufwärts, wobei sie auf dem Wasser einen aufgewühlten Streifen hinterließ. Binnen weniger Sekunden verschwand sie in der Ferne, nur das Wasser trug noch eine Zeit lang ihr abflauendes Heulen heran.
Der Hexer kniete sich neben den Dichter, der zusammengekrümmt im Sand lag. »Rittersporn? Lebst du? Rittersporn, verdammt! Was ist mit dir?«
Der Dichter wackelte mit dem Kopf, zuckte mit den Armen und öffnete den Mund zu einem Schrei. Geralt verzog das Gesicht und kniff die Augen zusammen – Rittersporn hatte eine kräftige, ausgebildete Tenorstimme, und wenn er sich ängstigte, erreichte seine Stimme ungeahnte Höhen. Doch der Kehle des Barden entrang sich ein kaum hörbares heiseres Krächzen.
»Rittersporn! Was ist mit dir? Antworte!«
»Hhhh… eeee… cheee…«
»Tut dir was weh? Was ist mit dir? Rittersporn!«
»Hhhh… Khuuu…«
»Red nicht. Wenn alles in Ordnung ist, dann nicke.«
Rittersporn verzog das Gesicht und nickte mit großer Mühe, doch gleich darauf drehte er sich auf die Seite, krümmte sich und spuckte Blut, wobei er hustete und um Luft rang.
Geralt fluchte....Ende der Leseprobe