This could be love - Lilly Lucas - E-Book

This could be love E-Book

Lilly Lucas

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Beschreibung

Mit »This could be love« startet die neue große New-Adult-Trilogie»Hawaii Love« von Bestseller-Autorin Lilly Lucas. Im ersten Band reist Tennis-Shootingstar Louisa auf Hawaii und muss sich bald fragen, wer in ihrem Leben die Nr. 1 spielt: der Sport oder die Liebe … Große Träume und Herzklopfen auf Hawaii Deutschlands Tennis-Shootingstar Louisa ist nach einer Verletzung am Boden zerstört. In der Tennisschule ihrer Patentante Kay auf Hawaii will sie sich voll und ganz auf ihr Comeback konzentrieren. Als sie sich bereits beim ersten Lauftraining am Strand übernimmt, wacht sie ausgerechnet auf der Couch eines attraktiven Surferboys auf. Der ist aber spätestens dann tabu, als sie erfährt, dass es sich bei ihm um Vince Greenfield handelt, mit dem ihre Patentante auf Kriegsfuß steht, weil er in direkter Nachbarschaft zu ihrer Strandvilla ein Surfer-Hostel renoviert. Obwohl sie Kay nicht in den Rücken fallen will, zieht es Louisa immer häufiger zu Vince. Bis sie herausfindet, dass er ein paar wesentliche Kapitel seines Lebens unterschlagen hat ... Cozy, romantisch, zum Wegträumen und Wohlfühlen Wie Lilly Lucas' Bestseller-Reihen »Green Valley Love« und »Cherry Hill« macht auch die Hawaii-Love-Trilogie beim Lesen einfach glücklich. Mit dem Surfer-Hostel Ohana gibt es wieder einen traumhaften Wohlfühlort, der in jedem Band der Reihe eine große Rolle spielen wird. Die New-Adult-Reihe »Hawaii Love« von Lilly Lucas im Überblick: - This could be love (Louisa & Vince: Enemies to Lovers) - This could be home (Laurie & Tristan: Grumpy & Sunshine, Enemies to Lovers, Forced Proximity) - This could be forever (Millie & Chip: Second Chance Romance, Forced Proximity)

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Seitenzahl: 402

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Lilly Lucas

This could be love

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Große Träume und Herzklopfen auf Hawaii

Deutschlands Tennis-Shootingstar Louisa ist nach einer Verletzung am Boden zerstört. In der Tennisschule ihrer Patentante Kay auf Hawaii will sie sich auf ihr Comeback vorbereiten. Als sie sich bereits beim ersten Lauftraining am Strand übernimmt, wacht sie ausgerechnet auf der Couch eines attraktiven Surferboys auf. Der ist aber spätestens dann tabu, als sie erfährt, dass es sich bei ihm um Vince Greenfield handelt, mit dem ihre Patentante einen erbitterten Streit führt. Obwohl sie Kay nicht in den Rücken fallen will, zieht es Louisa immer häufiger zu Vince. Bis sie herausfindet, dass er ein paar wesentliche Kapitel seines Lebens unterschlagen hat ...

Der wunderschön romantische Start der Hawaii-Love-Trilogie, die wie Lilly Lucas’ Bestseller-Reihen »Green Valley« und »Cherry Hill« beim Lesen einfach glücklich macht.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Playlist

Zeitungsartikel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Sprachnachricht

Kapitel 47

Sprachnachricht

Kapitel 48

Zeitungsartikel

Sprachnachricht

Kapitel 49

Kapitel 50

Danke

Für Levi,

meinen kleinen Travel Buddy.

Ich bin so dankbar, dass ich dir die Welt zeigen darf.

Playlist

The Green – Love I

J Boog – Let’s Do It Again

Common Kings – Wade In Your Water

Landon McNamara – Loss for Words

Jack Johnson – Breakdown

Dispatch – Only the Wild Ones

Edward Sharpe & The Magnetic Zeros – Home

Xavier Rudd – Follow the Sun

Jack Johnson – Do You Remember

George Ezra – Hold My Girl

Fleetwood Mac – Dreams (2004)

Israel Kamakawiwo’ole – Over the Rainbow

Mark Keali’i Ho’omalu – He Mele No Lilo

Good Life feat. Elderbrook – Good Life

Deutsches Wunderkind erobert Wimbledon

London. Die 16-jährige Louisa Herzog-Riggs sorgt in Wimbledon für Furore. Als zweitjüngste Qualifikantin aller Zeiten bezwang die Tochter der beiden Tennislegenden Timothy Riggs und Sabine Herzog die zweimalige Grand-Slam-Siegerin Paola Ventura in drei Sätzen und steht im Achtelfinale des geschichtsträchtigen Tennisturniers.

Herzog-Riggs setzt Siegeszug fort

New York. Nach ihrem Sensationserfolg gegen die Weltranglisten-Achte Milena Havlíčková aus Tschechien zieht Louisa Herzog-Riggs (16) bei ihrem US-Open-Debüt in die zweite Runde ein.

»Will nicht am Erfolg meiner Eltern gemessen werden«

München. Louisa Herzog-Riggs (17) über ihr erstes Jahr auf der Tour, ihr großes Idol Serena Williams und warum sie nicht mit ihrer berühmten Mutter verglichen werden will.

Erstmals in den Top 10

Paris. Louisa Herzog-Riggs wandelt weiterhin auf den Spuren ihrer Mutter Sabine Herzog. Trotz ihrer Viertelfinal-Niederlage gegen die Chinesin Li Jiayu wird die 19-Jährige ab Montag erstmals unter den zehn besten Spielerinnen der Welt geführt werden.

»Sie hätte es auch ohne ihren Nachnamen geschafft«

München. Timothy Riggs über das US-Herrentennis, seine Liebe für deutsches Essen und die beispiellose Karriere seiner Tochter Louisa (20).

Wird Louisa Herzog-Riggs die neue Nummer 1 der Welt?

New York. Blanca Diaz wird nicht bei den diesjährigen US Open an den Start gehen. Die Nummer 1 der Welt musste ihre Teilnahme wegen einer Infektion mit dem Coronavirus absagen. Louisa Herzog-Riggs, die als WeltranglistenZweite angereist ist, bietet sich nun die große Chance, die Spanierin als Nummer 1 der Tenniswelt abzulösen und endlich in die Fußstapfen ihrer Mutter Sabine Herzog zu treten.

Bitteres Verletzungs-Aus für Herzog-Riggs

New York. Louisa Herzog-Riggs ist raus! Die 21-Jährige hat den Einzug ins Finale der US Open auf dramatische Weise verpasst. Gegen die an 4 gesetzte Schweizerin Lara Gisin musste sie beim Stand von 7:6 (10:8), 5:2 verletzungsbedingt aufgeben.

Nach Halbfinal-Aus: Herzog-Riggs droht lange Pause

Berlin. Louisa Herzog-Riggs (21) lieferte sich am Freitag ein packendes Match mit der Schweizerin Lara Gisin, als sie folgenschwer umknickte und das Halbfinale der US Open nicht mehr fortsetzen konnte. Der Deutschen droht nun eine lange Pause. Der Traum von der Spitzenposition ist in weite Ferne gerückt.

Kapitel 1

Mein Nacken ziepte, als ich die rote Tennistasche vom Gepäckband zog. Die letzte Trainingseinheit steckte mir noch in den Knochen. Oder es rächte sich, dass ich mein Reisekissen zu Hause vergessen und den Anschlussflug von San Francisco nach Honolulu mit dem Kopf auf dem Arm geschlafen hatte. Ich warf mir die Tasche über die Schulter, griff nach meinem Trolley und verließ die Gepäckhalle in Richtung Ankunftsbereich. Kay und ich hatten vereinbart, dass sie mich dort abholen würde. Ich ließ den Blick über die Menge gleiten, aber von meiner Patentante fehlte jede Spur. Seltsam. Mit ihren fast eins neunzig konnte man Kay Diamond eigentlich nur schwer übersehen. Noch dazu war sie die Pünktlichkeit in Person. Nachdem ich noch einmal vergeblich die Ankunftshalle gescannt hatte, ließ ich die Tasche auf den Boden sinken und holte mein Smartphone aus dem Rucksack. Keine neuen Nachrichten, keine Anrufe in Abwesenheit. Noch seltsamer. Ich wollte das Handy gerade wegstecken, als mir einfiel, dass ich die eSIM nicht aktiviert und keine mobilen Daten hatte. Kurzerhand loggte ich mich ins WLAN des Flughafens ein. Binnen Sekunden trudelten Nachrichten ein. Meine Eltern hatten mir in unserer Familien-WhatsApp-Gruppe einen guten Weiterflug gewünscht, mein Trainer Milan hatte mir ein Foto seiner vor wenigen Tagen geborenen Zwillinge geschickt, und Helena, die PR-Managerin meiner Familie, hatte mir eine Interviewanfrage vom Stern weitergeleitet. Außerdem wartete da eine Nachricht von Kay.

Sorry, Lou! Schaff es nicht rechtzeitig zum Flughafen. Gabe holt dich ab. Halt nach einem großen Kerl Ausschau

Stirnrunzelnd überflog ich die Nachricht ein zweites Mal. Es passte so gar nicht zu Kay, dass sie sich mit der Zeit verschätzt hatte. Und wer war dieser Gabe? Ein Angestellter von ihr? Den Namen hatte ich noch nie gehört.

»Louisa?«

Ich sah von meinem Smartphone auf und blickte in das Gesicht eines hochgewachsenen Mannes. Er musste in Kays Alter sein, Ende vierzig oder Anfang fünfzig. Auch wenn sein Haar kürzer und sein Bart nicht so zottelig war, erinnerte er mich an Jason Momoa. Sein Blick war eher sanft als durchdringend, und er trug ein gelbes T-Shirt mit verwaschenem Aufdruck, dazu Shorts und Flipflops.

»Hi, ich bin Gabe.« Mit dem gut gelaunten Lächeln eines Morgenmenschen hob er die Hand. »Kay hat mich gebeten, dich abzuholen.«

»Ist mit ihr alles okay?«, fragte ich und bemerkte einen Hauch Unruhe in meiner Stimme.

»Alles bestens. Ihr ist nur was dazwischengekommen.« Er lächelte entspannt und griff nach meinem Trolley, wobei mir das Tattoo auffiel, das den Großteil seines Unterarms bedeckte. »Bis wir in Pūpūkea sind, ist sie zurück.«

Pūpūkea. Der Ort, der für die nächsten sechs Wochen mein Zuhause sein würde. Der aus Gabes Mund so viel melodischer klang als aus meinem. Es war die Idee meiner Mutter gewesen, mich in Kays Tennisschule auf mein Comeback vorzubereiten statt zu Hause in München.

»Du brauchst einen Tapetenwechsel«, hatte sie gesagt, als ich mal wieder frustriert vom Training nach Hause gekommen war, weil ich meine Form einfach nicht wiederfand. Meine Verletzung im vergangenen Jahr hatte mich nicht nur physisch zurückgeworfen. Auch mein Ego war angeknackst. Ich struggelte nach wie vor damit, meine Chance verpasst zu haben, die Nummer eins der Welt zu werden. Endlich in die Fußstapfen meiner Mutter zu treten. Sabine Herzog. The Duchess, wie sie die internationalen Sportmedien früher betitelt hatten. Insgesamt 175 Wochen am Stück hatte sie an der Spitze der Damenweltrangliste gestanden.

»Ich kann mir jetzt keinen Urlaub leisten, Mama. Die US Open sind in zwei Monaten, und ich spiele auf dem Niveau eines Schimpansen, dem man einen Tennisschläger in die Hand gedrückt hat.«

»Das stimmt doch nicht«, hatte sie halb schmunzelnd, halb tadelnd erwidert. »Und an Urlaub hab ich im Übrigen nicht gedacht. Zumindest nicht im klassischen Sinn.«

Zwei Wochen später folgte ich einem munter vor sich hin pfeifenden Kerl durch die Ankunftshalle des Honolulu International Airport, vorbei an Touristen, die mit Aloha und farbenfrohen Blumenketten begrüßt wurden. Schwülwarme Luft schlug mir entgegen, als wir das Gebäude verließen. Eine leichte Brise machte es erträglicher und trug den Duft des Ozeans an meine Nase. Der Flughafen lag am Meer – was auf einer kleinen Insel wie O’ahu vermutlich auf fast alles zutraf. Gabe steuerte einen Jeep Wrangler an, der unter einer feinen Staubschicht rot war. Auf dem schwarzen Flatterdach hatte sich nicht nur die Meeresluft mit Salzkristallen verewigt, sondern auch die ein oder andere Möwe. Ich erhaschte gerade noch einen Blick auf das Autokennzeichen mit dem Zusatz »The Aloha State«, bevor Gabe den Kofferraum öffnete und mein Gepäck verstaute. Während er den Beifahrersitz für mich freiräumte, betrachtete ich den Holzanhänger, der an einem zerschlissenen Lederband vom Rückspiegel baumelte. Eine Art Hand, bei der nur der Daumen und der kleine Finger ausgestreckt waren.

»Sorry«, murmelte er und warf eine leere Plastikflasche auf den Rücksitz. »Hab nicht mit Mitfahrern gerechnet.«

Kay musste ihn wirklich last minute gebeten haben, mich abzuholen, was mich wieder zu der Frage führte, was ihr so Wichtiges dazwischengekommen war.

»Kein Problem«, versicherte ich ihm, stieg ein und schnallte mich an. Der Song, der im Radio lief, verklang, und die Moderatorin wünschte allen einen guten Start in die Arbeitswoche. Richtig, während der Montag hier auf Hawaii gerade erst begonnen hatte, ging er zu Hause in Deutschland bereits zu Ende. Zwölf Stunden Zeitunterschied, rief ich mir in Erinnerung und dachte an meine Mutter, die jetzt vermutlich im Pyjama auf unserer Couch saß und sich bei einem Glas Wein zum x-ten Mal Virgin River reinzog. Nach ihrem Karriereende hatte sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Anders als mein Vater, der für den Sportsender ESPN durch die halbe Welt reiste und die großen Tennisturniere kommentierte. Bis Anfang nächster Woche war er noch in Wimbledon. Hätte ich mich nicht verletzt, wäre auch ich jetzt dort gewesen und hätte auf dem »heiligen Rasen« um eine der begehrtesten Trophäen der Tenniswelt gespielt. Wehmut gepaart mit einer Prise FOMO stieg in mir auf, und ich war Gabe überaus dankbar, dass er in diesem Moment den Small Talk eröffnete.

»Wie war der Flug?«

»Ganz okay. Die meiste Zeit hab ich geschlafen.«

Als hätte er nur auf seinen Einsatz gewartet, ziepte mein Nacken. Ich ließ ihn kreisen und hörte einen Wirbel knacken.

»Du bist über San Francisco geflogen, oder?«, fragte er und schob sich eine Ray-Ban Clubmaster ins Gesicht.

Kurz war ich überrascht, dass er so gut informiert war.

»Hat Kay erwähnt«, erklärte er, als wir aus dem Flughafen-Parkhaus fuhren.

»Arbeitest du für sie?«

»Oh … nein.« Er lachte, als wäre es das Abwegigste der Welt. »Wir sind befreundet. Aber du und ich werden uns trotzdem häufiger sehen in nächster Zeit. Sie hat mich gebeten, deine Physio zu übernehmen.«

»Du bist Physiotherapeut?«

Ich konnte mein Erstaunen nicht verbergen. Vielleicht weil Gabe eher nach Strand- als nach Behandlungsliege aussah.

Er nickte. »Hab eine Praxis in Hale’iwa.« Er schien zu registrieren, dass ich damit nicht allzu viel anfangen konnte. »Das ist so zehn Minuten von Pūpūkeaentfernt. Gibt super Wellen dort, falls du surfst.«

Ich schüttelte den Kopf. »Du?«, fragte ich auf die Gefahr hin, mich lächerlich zu machen. Vermutlich rutschten hawaiianische Babys auf einem Surfbrett aus dem Unterleib ihrer Mütter.

»Nicht mehr, nein«, murmelte er, und für den Bruchteil einer Sekunde war es, als wäre die Leichtigkeit aus seiner Stimme verschwunden. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, denn im nächsten Moment fragte er mich bereits, ob ich hungrig war.

»Wir können unterwegs halten und dir Frühstück besorgen.«

»Ein Kaffee wäre toll.«

»Kriegen wir hin«, bemerkte er mit einem weiteren dieser entspannten Lächeln.

Die nächste Viertelstunde redeten wir nicht viel miteinander, weil der Verkehr um den Flughafen herum dicht war und Gabe sich aufs Fahren konzentrieren musste. Nach und nach verschwand die Skyline von Honolulu im Rückspiegel, und die Landschaft öffnete sich wie ein Bilderbuch. Wie aus dem Nichts ragten gigantische Berge in den Himmel, so dicht bewachsen, dass es aussah, als wären sie mit grünem Samt überzogen. Wasserfälle stürzten in silbrigen Fäden die Felswände hinab, und zu beiden Seiten der Straße erstreckte sich üppiger Regenwald, der im Morgenlicht dampfte. Fasziniert drückte ich die Nase ans Fenster.

»Dein erstes Mal auf O’ahu?«

Ich nickte, und er lächelte wissend.

»Ich bin hier geboren und hab mich immer noch nicht daran gewöhnt, wie schön es ist.«

Nachdem wir eine Weile landeinwärts gefahren waren, hielt Gabe an einem in Regenbogenfarben bemalten Foodtruck am Straßenrand, der mit Kaffee und Donuts warb. Er wechselte ein paar Worte mit der Besitzerin, verabschiedete sich mit einer mir unbekannten Handbewegung und kehrte mit zwei Pappbechern und einer Papiertüte zurück. Ein schokoladiger Duft breitete sich im Jeep aus.

»Bedien dich!« Er hielt mir die Tüte hin.

»Danke, aber ich bleib erst mal bei Kaffee«, erwiderte ich höflich lächelnd. Mein Magen hätte nichts gegen eine Portion Fett und Zucker einzuwenden gehabt. Mein Ernährungsplan hingegen sah nicht vor, dass ich bereits an meinem ersten Tag cheatete. Ich begnügte mich mit einem großen Schluck Kaffee. Er war heiß und stark, genau wie ich ihn mochte.

»Wie geht’s deinen Eltern?«, fragte Gabe, als wir weiterfuhren. »Ich hab sie kurz kennengelernt, als sie zu Besuch waren«, fing er meinen überraschten Blick auf. »Julie … Meine Frau war ein Riesenfan deiner Mom. Sie hatte sogar diese Schuhe von ihr. Mit der Krone drauf.«

Kurz blitzte der Adidas Duchess vor meinen Augen auf. Ein weißer Tennisschuh mit drei goldenen Streifen und einer glitzernden Krone, den Adidas, angelehnt an den Nachnamen meiner Mutter, auf den Markt gebracht hatte, nachdem sie zum zweiten Mal Wimbledon gewonnen hatte. Erst mit Verzögerung wurde mir bewusst, dass Gabe die Vergangenheitsform verwendet und seine Stimme einen schwermütigen Unterton gehabt hatte. In meinem Bauch zog sich etwas zusammen.

»Das mit deiner Frau tut mir leid«, murmelte ich.

»Oh, Julie ist nicht … Sie ist nur … weg.«

Die letzten Worte waren kaum hörbar aus seinem Mund gekommen, aber der Schmerz, der sie begleitet hatte, war laut gewesen. Ich versuchte, mich zu erinnern, wie lange der Urlaub meiner Eltern auf Hawaii her war. Wann sie Kay in ihrer Wahlheimat besucht hatten. Vor zwei Jahren? Sonderlich lange konnte Gabe noch nicht getrennt sein. Dafür sprach auch die Tatsache, dass er sie immer noch seine Frau nannte.

»Meinen Eltern geht’s gut«, beantwortete ich seine ursprüngliche Frage in der Hoffnung, das Gespräch wieder in unverfängliche Gefilde zu locken. »Meine Mutter genießt ihr Leben abseits des Tennisrummels, und Dad ist viel für ESPN unterwegs.« Ein Gedanke zuckte durch meinen Kopf. »Ich sollte ihnen mal schreiben, dass ich gut gelandet bin.« Rasch zückte ich mein Smartphone und aktivierte endlich die eSIM. Kurz nachdem ich die Nachricht abgeschickt hatte, kündigte ein nostalgisch anmutendes Holzschild mit einem Surfer auf einer Welle den Ort Hale’iwa an. Wir passierten die Main Street, in der sich pastellfarbene Holzhäuser aneinanderreihten. Sanfte Windböen fuhren durch die Palmen am Straßenrand. Touristen strömten mit Einkaufstüten aus Souvenirshops, standen für Eis an oder frühstückten in den Cafés am Straßenrand. Braun gebrannte Surfer luden ihre Bretter von Anhängern, und ein paar Leute rauschten auf Rollern und Rädern an uns vorbei und ließen sich das nasse Haar vom Fahrtwind trocknen. Es war, als hätte man alle Klischees über Hawaii auf ein paar Quadratmeter gepackt.

»Hier ist abends auch immer was los, wenn dir bei Kay mal die Decke auf den Kopf fallen sollte.«

Ich lächelte, auch wenn ich mir bei meinem Trainingspensum nicht vorstellen konnte, etwas anderes zu tun, als todmüde in die Matratze zu sinken.

Zwischen Hale’iwa und Pūpūkea kamen wir an Sandstränden vorbei, die so weiß waren, dass es in den Augen blendete. Das Meer schimmerte türkisblau und war schon jetzt voller Surfer, die auf ihren Brettern lagen und auf die perfekte Welle warteten. Zu meiner Linken ragten in regelmäßigen Abständen luxuriöse Strandvillen hinter Gartentoren hervor, rechts der Küstenstraße erstreckte sich dichter Wald, der in tiefgrüne, zerklüftete Bergketten überging.

Schließlich setzte Gabe den Blinker und hielt vor einem Tor, in das ein tropisches Blütenmotiv eingearbeitet war. Er kurbelte das Fenster nach unten, lehnte sich ein Stück hinaus und tippte einen Code ein. Ein Piepston ertönte, und das Tor öffnete sich und gab den Blick auf eine gepflegte Einfahrt frei. Palmen, blühende Büsche und ein Rasen, an dem jeder englische Gärtner seine Freude gehabt hätte, säumten den Weg zum Haus – ein zweistöckiger Bau aus taubenblau gestrichenem Holz. Türen und Fensterrahmen waren weiß, und das Flachdach war aus einem palmenblattähnlichen Material. Versetzt daneben stand eine Garage, die wie eine Miniaturausgabe des Hauses wirkte. Ich wusste, dass es eine Terrasse mit Pool gab, die aufs Meer hinausführte, und eine Treppe, über die man direkt zum Strand gelangte. Meine Mutter hatte mir Fotos gezeigt, als ich noch mit ihrem Vorschlag gehadert hatte. Als würde mich ihre »Dein Haus. Dein Pool. Dein Meer.«-Darbietung endgültig davon überzeugen, dass es eine gute Idee war, die sechs Wochen vor meinem geplanten Comeback in Kays Tennisschule auf O’ahu, Hawaii, zu trainieren.

»Hier wären wir«, sagte Gabe und parkte direkt vor dem Treppenaufgang.

Während ich über den Rückspiegel verfolgte, wie sich das Tor schloss, war er bereits ausgestiegen, um mein Gepäck auszuladen.

»Du musst meine Sachen nicht tragen«, wehrte ich vergeblich ab, als er sich die Tennistasche über die Schulter schwang und meinen Koffer die Stufen hinauftrug. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass auch sein Wadenbein großflächig tätowiert war. Schwarze Muster, die an Wellen erinnerten. Er stellte den Koffer vor der Haustür ab und gab einen weiteren Code ein. Kurz blitzte die Frage in meinem Kopf auf, wie nah er und Kay sich standen. Soweit ich wusste, gab es keinen Mann in ihrem Leben, aber vielleicht war ich nicht auf dem neuesten Stand? Die Selbstverständlichkeit, mit der er hier Zahlencodes eingab, und die Tatsache, dass er sie alle im Kopf hatte, sprachen jedenfalls dafür, dass er regelmäßig zu Besuch war.

Er schob sich die Sonnenbrille ins Haar. »Kay dürfte bald zurück sein, aber ich kann noch mit reinkommen und dir alles zeigen.«

Mein Verdacht erhärtete sich.

»Nicht nötig«, antwortete ich, weil ich mir sicher war, dass Gabe Besseres zu tun hatte, als meinen Babysitter zu spielen. »Ich pack einfach schon mal aus.«

»Wo das Gästezimmer ist, weißt du?«

Ein verlegenes Grinsen huschte über mein Gesicht. »Nein.«

»Im ersten Stock. Das letzte Zimmer auf der rechten Seite.«

Die kleine Detektivin in mir fühlte sich endgültig bestätigt.

»Alles klar.«

»Dann komm mal gut an.« Er zwinkerte. »Wir sehen uns morgen auf der Behandlungsliege.«

Ich nickte. »Danke fürs Abholen.«

Im Gehen spreizte er wieder den kleinen Finger und den Daumen von seiner Hand und drehte sie einmal hin und her. Ehe ich nachfragen konnte, was es mit dieser Geste auf sich hatte, war er auch schon in seinem Jeep verschwunden. Ich wartete noch, bis das Tor zu war, und betrat Kays Haus. Angenehm klimatisierte Luft legte sich auf meine Wangen. Es roch gut. Nach Blumen oder einem Raumerfrischer. Ich schlüpfte aus meinen Sneakers und den Füßlingen und genoss das Gefühl des kühlen Bodens unter meinen schwitzigen Fußsohlen. Er war aus dunklem Hartholz und bildete einen hübschen Kontrast zum Interieur des offenen Wohn- und Essbereichs. Zu den weißen Möbeln, den Lampenschirmen aus Leinen und den Naturfaserteppichen. Es gab nicht viel Deko. Eine moderne Holzskulptur, ein Stapel Coffee-Table-Books, daneben ein paar gerahmte Fotos. Anders als bei uns zu Hause zeigten sie kein Brautpaar, keine Einschulung, keine Familienurlaube, sondern eine junge Afroamerikanerin bei ihrem ersten Wimbledon-Sieg, eine Frau, die stolz ihr olympisches Silber in die Kamera hielt und von Michelle Obama im Oval Office empfangen wurde. Im Gegensatz zu meiner Mutter hatte Kay nach ihrer Tenniskarriere keine Familie gegründet. Stattdessen hatte sie für die WTA, die Women’s Tennis Association, gearbeitet, eine Stiftung zur Förderung junger Tennistalente gegründet und als Turnierdirektorin die San Diego Open organisiert. Sie hatte eine Top-20-Spielerin gecoacht, war mit ihrer Autobiografie In Tennis Love Means Zero auf der New-York-Times-Bestsellerliste gelandet und Teil einer Netflix-Doku gewesen. Vor ein paar Jahren hatte sie schließlich die Strandvilla auf O’ahu gekauft und in direkter Nachbarschaft die Diamond School of Tennis eröffnet, wo ich mich die nächsten sechs Wochen auf mein Comeback vorbereiten würde.

Ich setzte meine Erkundungstour fort und nahm die Küche in Augenschein. Die Lackfronten blitzten mit dem Edelstahl des Kühlschranks um die Wette, und auf den Oberflächen stand eine Obstschale mit makellosen Bananen. Rechts von mir führte eine Treppe in den ersten Stock hinauf. Ein cremefarbener Makramee-Läufer lag auf den dunklen Dielen und dämpfte meine Schritte. Ich lief bis zum Ende des Flurs und öffnete die Tür. Im ersten Moment dachte ich, Gabe hätte sich vertan. Das Zimmer war riesig, mindestens doppelt so groß wie meins in München. Eingerichtet war es im selben Stil wie der Rest des Hauses, taubenblau und weiß, aus Naturmaterialien und Holz. Eine offen stehende Schiebetür führte in einen begehbaren Kleiderschrank, eine weitere in ein großzügig geschnittenes Badezimmer mit einer Badewanne, in der man hätte surfen können. Das Beste war jedoch der Balkon mit Meerblick. Ich wollte die Tür gerade aufschieben, als ich ein Geräusch im Erdgeschoss vernahm.

»Lou?«

Rasch lief ich nach unten, wo Kay mich mit einem breiten Lächeln empfing.

»Lou!« Sie zog mich in eine herzliche Umarmung, bevor sie sich von mir löste und mich betrachtete. »Gut siehst du aus.«

»Du auch.«

Auch wenn es wie eine Höflichkeitsfloskel klang, war es ernst gemeint. Mit ihren eins neunzig und ihrer sportlich-schlanken Figur war Kay schon immer eine Erscheinung gewesen. Ihr Faible für Mode hatte sie allerdings erst nach ihrer Karriere entdeckt. Heute trug sie gelbe Paperbag-Shorts und ein weißes Blusentop. Ihr schulterlanges Haar war naturgelockt, anders als früher auf dem Tennisplatz, wo man sie nur mit Cornrows zu Gesicht bekommen hatte.

»Es tut mir so leid, dass ich dich nicht vom Flughafen abholen konnte.« Sie seufzte. »Heute Morgen war wirklich der Wurm drin.«

»Was war denn los?«

»Ach«, sie machte eine wegwerfende Handbewegung, »erzähl ich dir später in Ruhe. Jetzt komm erst mal an, pack deinen Koffer aus und …« Sie sah sich um. »Wo sind deine Sachen?«

»Oben im Gästezimmer. Gabe hat es mir gezeigt.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Umso besser. Ich hoffe, es gefällt dir?«

Nur mit einem Blick gab ich ihr zu verstehen, dass ihre Frage nicht ernst gemeint sein konnte. »Es ist der Wahnsinn. Vor allem der Ausblick!«

»Warst du schon auf der Terrasse?« Ihr Daumen wies nach links, und sie zwinkerte dabei. »Der Ausblick ist auch nicht ohne.«

Kapitel 2

Eine laue Brise strich über mein Gesicht, als ich hinaus auf die Terrasse trat und auf den Pazifik blickte. Er war aquamarinblau, an tieferen Stellen etwas dunkler. Das Schwappen der Wellen drang an meine Ohren und vermischte sich mit dem Zwitschern von Vögeln und dem Summen der Insekten. Vom Strand konnte ich von hier aus nicht viel sehen. Nur gelegentlich spitzte er durch die Palmblätter hindurch, die dichten Äste der Plumeria-Bäume, die Kays Terrasse begrenzten und ein wenig Schatten spendeten. Barfuß tapste ich über den sonnenwarmen Natursteinboden und setzte mich an den Pool. Das Becken war mit blauen Mosaiksteinen verziert, die dem Wasser eine besonders kräftige Farbe verliehen. Ich tauchte die Füße hinein und wartete auf Kay, die kurz darauf mit zwei Gläsern aus dem Haus kam, in denen Eiswürfel klimperten. Sie reichte mir eins davon und setzte sich zu mir an den Beckenrand. Eine Weile ließen wir die Beine baumeln und plauderten über alles Mögliche. Meine Anreise, die Fahrt mit Gabe, meine Eltern, München, meine Verletzung, die Reha, die US Open.

»Also du und Gabe«, begann ich mit Blick auf die zwei Liegestühle, die am Pool standen. »Seid ihr …?«

»Gott, nein!« Sie stieß ein etwas zu helles Lachen aus. »Er ist nur ein Freund.«

»Ein gut aussehender Freund.«

Sie rümpfte die Nase, fragte dann jedoch: »Findest du?«

»Für einen alten Mann«, erwiderte ich schulterzuckend, woraufhin wir beide lachten. »Er hat was von Jason Momoa.« Auf ihren verständnislosen Blick erklärte ich: »Der Schauspieler? Aquaman?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Na ja, jedenfalls scheint Gabe echt nett zu sein. Und«, ich zwinkerte, »er hat angedeutet, dass er und seine Frau getrennt sind.«

»Julie, ja.« Kays Blick wurde nachdenklich. »Sie ist zurück aufs Festland nach der Sache mit Keiko.« Sie zögerte. »Gabes und Julies Sohn ist vor ein paar Jahren beim Surfen verunglückt.«

Bestürzt riss ich die Augen auf.

»Es war eine schreckliche Tragödie.«

Betroffen senkte ich den Blick. Eine Schwere, die nicht zur Umgebung passen wollte, machte sich auf der Terrasse breit.

»Das war jetzt ein ganz schöner Stimmungskiller, hm?«, bedauerte Kay. »Lass uns über was anderes sprechen. Deine Pläne für heute, zum Beispiel. Worauf hast du Lust? Einen Ausflug? Strand? Oder möchtest du lieber hier am Pool entspannen?«

»Äh … ich dachte, wir fangen vielleicht schon mal mit einer Trainingseinheit an.«

»Heute?«

»Na ja, durch den Flug hab ich sowieso schon einen Tag verloren, also …«

Sie wiegte unschlüssig den Kopf. »Du bist seit über zwanzig Stunden auf den Beinen. Mach besser ein bisschen langsam und starte morgen voll durch.«

Auch wenn ich wusste, dass Kay recht hatte, verspürte ich eine gewisse Unruhe beim Gedanken daran, den restlichen Tag mit Nichtstun zu verbringen. Die US Open waren in etwas über sechs Wochen, und es gab noch so viel zu tun. Mein Timing bei den Schlägen stimmte nicht. Meine Beinarbeit war zu schlecht, und ich machte viele Unforced Errors. Mit meinem Aufschlag war derzeit kein Blumentopf zu gewinnen, und mir fehlte es an Match-Praxis. Wenn ich mit der Weltspitze mithalten wollte, musste ich Vollgas geben, und das sieben Tage die Woche.

Kay schien meinen Zwiespalt zu spüren. »Pass auf: Warum gehst du für den Anfang nicht eine lockere Runde am Strand laufen? Das bringt deinen Stoffwechsel in Gang und beugt dem Jetlag vor. Und heute Nachmittag zeig ich dir die Tennisschule, und du kannst dich schon mal mit allem vertraut machen. Morgen legen wir dann richtig los. Klingt das gut?«

Der Druck auf meine Brust ließ nach. Ich lächelte und nickte.

 

Zurück im Gästezimmer, streifte ich die Klamotten ab, die ich auf dem Flug getragen hatte, und schlüpfte in mintfarbene Laufshorts und ein weißes Funktionstop, das mich im Spiegel unfassbar braun wirken ließ. Der Juni in Deutschland war sonnig und heiß gewesen, und ich hatte ihn größtenteils auf dem Sandplatz verbracht. Das war auch der Grund, warum mein Haar gerade eher honig- als dunkelblond schimmerte. Nachdem ich es zu einem Zopf geflochten hatte, setzte ich mir eine Cap auf und cremte mich ausgiebig mit Sonnencreme ein.

Kay telefonierte, als ich wieder nach unten kam. Ich schnappte Wörter wie »Ruhestörung« und »inakzeptabel« auf, ehe ich mich wortlos von ihr verabschiedete und durch die Terrassentür verschwand. Mir fiel auf, dass ich sie gar nicht mehr gefragt hatte, was es mit ihrem wichtigen Termin auf sich gehabt hatte, und rätselte, ob es in Verbindung zu dem Telefonat stand.

Über ein Gartentor gelangte ich zu einer schmalen, in Stein gehauenen Treppe, die hinunter zum Strand führte. Der Sand war weiß und feinkörnig. Ich lief vor ans Meer, vorbei an einer Familie, die Klappstühle aufbaute und einen neongelben Sonnenschirm im Sand verankerte. Außer ihnen waren bisher wenig Leute am Strand. Kräftige Wellen rollten auf mich zu, als ich mich dem Wasser näherte. Überraschend warm umspülte es meine Knöchel. Mein Blick schweifte aufs Meer hinaus, zu einem einsamen Surfer, der auf die nächste Welle wartete. Als sie sich ankündigte, begann er zu paddeln, stützte sich hoch und sprang auf die Füße. In beeindruckend lässiger Pose rauschte er auf den Strand zu, und ich kam nicht umhin, ihn zu beneiden. Genau diese Mühelosigkeit war es, die mir momentan fehlte, wenn ich auf dem Platz stand. Ich war zu angespannt, zu verkrampft, zu ängstlich. Ich spürte es tief in mir drin, und ich sah es in meinem Gesicht, wenn Milan und ich die Videoaufnahmen meines Trainings analysierten. Es war seltsam, ohne ihn hier zu sein. Er trainierte mich seit vielen Jahren, hatte wegen der Geburt seiner Zwillinge aber um ein paar Monate Elternzeit gebeten. Auch das hatte dafür gesprochen, nach Hawaii zu gehen und bei Kay zu trainieren.

Ich löste meinen Blick von dem Surfer, atmete einmal tief durch und lief los. Vorne am Wasser war der Sand fest, trotzdem spürte ich schnell, dass meine Muskeln ordentlich damit zu tun hatten, mich auf dem Grund voranzubringen. Nach den ersten zweihundert Metern ziepte es ein wenig in den Waden. Noch dazu machte mir die schwüle Luft zu schaffen, die Tropensonne, die auf meinen Kopf brannte. Ich kämpfte gegen Kurzatmigkeit, und ein Blick auf meine Smartwatch verriet mir, dass mein Puls viel zu hoch war. Aus Gewohnheit griff ich nach meiner Trinkflasche, als mir bewusst wurde, dass ich sie nicht dabeihatte. Shit! Warum hatte ich nicht daran gedacht, meinen Trinkgürtel umzulegen? Ich kam an einem Wachturm vorbei und spielte mit dem Gedanken, den Lifeguard um Wasser zu bitten. Allerdings lag der gerade im Sand und machte Crunches. Na, toll! Ich nahm ein wenig Tempo raus und joggte weiter. Ein paar Minuten später sah ich endgültig ein, dass ich dabei war, mich zu übernehmen. Meine Muskeln übersäuerten, meine Kehle war staubtrocken, und vor meinen Augen begann es gefährlich zu flimmern. Den Blick auf meine Pulsfrequenz gerichtet, drehte ich um und begab mich auf den Rückweg, vorbei an dem Rettungsschwimmer, der inzwischen wieder auf seinem Turm stand und mit einem Fernglas auf den Ozean stierte. Das letzte Stück schaffst du jetzt auch noch, sprach ich mir gut zu und beschleunigte wieder. Von hier konnte es höchstens noch ein Kilometer bis Kays Haus sein. Ich lief an ein paar Kindern vorbei, die sich jauchzend in die Brandung stürzten, und geriet in Versuchung, dasselbe zu tun. Einfach ins kühle Nass zu springen und den Kopf unter Wasser zu tauchen. Stattdessen wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und setzte meinen Weg fort. Unweit von mir entdeckte ich wieder den Surfer, der sich von einer letzten Welle an den Strand tragen ließ. Sein Brett unterm Arm, stieg er aus dem Wasser und schüttelte sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Er trug korallenrote Surfshorts, die ihm tief auf den Hüften saßen, und selbst auf die Entfernung hin konnte ich sehen, wie athletisch sein Körper war. Hätte ich es nicht besser gewusst, wäre ich mir sicher gewesen, in einem Werbespot für Beachwear gelandet zu sein. Ich stieß ein halb belustigtes, halb spöttisches Seufzen aus. Als ich an ihm vorbeijoggte, begegneten sich unsere Blicke. Nur für eine Sekunde, aber sie genügte, um zu erkennen, dass er die Idealbesetzung für diesen Werbespot war. Und dass es meinem ohnehin schon überhitzten Kopf besser tat, die Augen auf meine Füße zu konzentrieren. Meine Füße, die mit jedem Schritt tiefer in den Sand sanken. Als hingen Gewichte daran. Wie weit war es noch? War das da vorne nicht der neongelbe Schirm? Ich blinzelte gegen die Sonne und kämpfte gegen ein Schwindelgefühl. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Oh no! Abrupt blieb ich stehen, legte die Handflächen auf die Oberschenkel und senkte schwer atmend den Kopf. Nur einen Moment Pause … Nur einen kleinen Moment … Pause. Nur …

Kapitel 3

Als ich die Augen aufschlug, sah ich einen aus Paletten gebauten Tisch. Eine Feuerschale mit kalter Asche. Einen Segeltuchstuhl. Im ersten Moment war ich nur irritiert, im zweiten beschleunigte mein Puls. Das war nicht Kays Terrasse. Ein stechender Schmerz fuhr mir in die Schläfen, als ich mich aufrichtete.

»Aber beeil dich! Ich muss in zehn Minuten los. Und ich kann sie ja schlecht hier liegen lassen.«

Die fremde Männerstimme verdrängte nicht nur das Pochen in meinem Kopf. Sie sorgte auch dafür, dass ich augenblicklich hellwach war. Keine zwei Meter entfernt von mir stand ein Kerl mit einem Smartphone am Ohr. Spontan schätzte ich ihn auf mindestens Mitte zwanzig. Er war barfuß, trug khakifarbene Shorts und ein weißes T-Shirt, das ihn unglaublich braun wirken ließ. Sein dunkelblondes Haar war noch feucht und etwas verwuschelt, als wäre er nach dem Duschen nur kurz mit den Fingern hindurchgefahren.

»Ach, Quatsch! Sie hat bestimmt nicht genug getrunken und Kreislaufprobleme bekommen.«

Nicht genug getrunken. Mit seinen Worten kam die Erinnerung zurück. Ich war joggen gewesen. Am Strand. Hatte kein Wasser dabeigehabt. Wie auf Kommando wurde ich mir meiner trockenen Kehle bewusst und räusperte mich. Sein Kopf schnellte in meine Richtung, und unsere Blicke trafen sich. Ich stutzte. Aber nicht, weil er so gut aussah. Auch nicht, weil seine Augen einnehmend blau waren. Sondern weil er mir bekannt vorkam. Fast so, als hätte ich ihn schon einmal gesehen. Aber wo?

»Ich muss Schluss machen«, raunte er, ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen. »Sie ist aufgewacht.«

Er beendete den Anruf und ließ das Smartphone in seiner Hosentasche verschwinden.

»Hey!«, sagte er mit einem Lächeln, das keine Rückschlüsse zuließ, ob es ihm genauso ging wie mir. Ob wir uns von irgendwoher kannten.

»Hey.«

Es war eher ein Krächzen, weil meine Kehle tatsächlich staubtrocken war.

»Ich hol dir ein Glas Wasser.«

Er verschwand nach drinnen, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm nachzusehen. Wer war das? Und wo war ich hier? Ich schwang die Beine von dem gepolsterten Palettensofa, auf dem ich lag. Sand rieselte auf den Holzboden unter meinen Füßen. Er war alt und verwittert, die Nägel rostig. Ich sah mich um und suchte die Terrasse nach Anhaltspunkten ab, die mir verrieten, wo ich mich befand. Am Meer, so viel stand fest. Ich konnte es nicht nur hören, ich roch es auch. Der Ausblick war nahezu derselbe wie bei Kay, nur eingeschränkt durch einen Baum, um dessen Stamm die Terrasse herumgebaut war. Ein Bodyboard lehnte am Holzgeländer, und an einer Wäscheleine flatterten Kleidungsstücke wie Wimpel im Wind. Ich wollte den Blick bereits abwenden, als mir eins davon ins Auge stach. Badeshorts. Korallenrot. Und plötzlich wusste ich, warum mir der Kerl bekannt vorgekommen war. Warum ich das Gefühl gehabt hatte, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Er war der Surfer, der mir am Strand begegnet war. Mr. Beachwear, spöttelte eine Stimme in meinem Kopf. Wir hatten uns höchstens eine Sekunde lang ins Gesicht geblickt, aber ich erinnerte mich an ihn. An diese Badeshorts … und den Körper, der darin gesteckt hatte. Ein albernes Kribbeln machte sich in meinem Bauch bemerkbar. Just in diesem Moment nahm ich eine Bewegung wahr. Mit einem Glas Wasser in der Hand kam er zurück.

»Hier.«

Als er es mir reichte, erhaschte ich einen Blick auf ein Tattoo auf der Unterseite seines Handgelenks. Es war höchstens so groß wie eine Zweieuromünze und zu schnell wieder aus meinem Blickfeld verschwunden, als dass ich hätte sagen können, was es darstellte.

»Danke.« Ich spürte seine Augen auf mir, als ich einen Schluck nahm und die wohltuende Wirkung genoss. »Was ist passiert?«, fragte ich mit einer Stimme, die sich wieder mehr wie meine eigene anhörte.

Er hob die Brauen. »Du erinnerst dich nicht?«

»Doch, ich war joggen, und dann … ist mir irgendwie schwarz vor Augen geworden.«

Er nickte. »Du bist zusammengeklappt. Ich hab’s zufällig mitbekommen.«

Ich kramte in meinen Erinnerungen, aber da war nicht viel zu holen. »Und dann?«

»Hab ich dich erst mal aus der Sonne rausgebracht.« Auf meinen irritierten Blick hin ergänzte er: »Du lagst quasi vor meiner Haustür.«

»Oh.« Ich ließ den Blick noch einmal über die Terrasse schweifen. Er wohnte also hier.

»Wie fühlst du dich?« Er betrachtete mich. »Soll ich besser einen Arzt rufen?«

Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du hattest recht. Ich hab nur zu wenig getrunken.«

Er runzelte die Stirn.

»Ich hab dich telefonieren hören«, erklärte ich schmunzelnd.

»Ah.« Er lächelte, und mir fiel ein weiteres Mal auf, wie unfassbar blau seine Augen waren. »Das war nur Laurie. Meine Schwester. Ich hab sie gebeten herzukommen, weil …«

»Du einen wichtigen Termin hast und mich schlecht hier liegen lassen kannst.«

»Richtig.« Er grinste und schielte auf seine Uhr. »Sie müsste jeden Moment hier sein. Also … vielleicht könntest du dich schlafend stellen oder so? Sonst muss ich mir anhören, dass ich ihren Friseurtermin völlig umsonst gecrasht habe.«

Auf meinen verdutzten Blick hin begann er zu lachen. »Das war ein Witz.«

»Oh! Ja. Klar.« Verlegen schüttelte ich den Kopf und trank das Glas leer.

»Wahrscheinlich ist sie mir sogar dankbar. Sie war eh nicht so überzeugt von der Sache mit dem Pony.« Er schielte auf mein Glas. »Willst du noch was?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich sollte gehen.«

Er nickte kaum merklich.

»Sorry für die Umstände.« Ich erhob mich vom Sofa. Weiterer Sand rieselte von meiner Kleidung auf den Boden. Betreten sah ich ihn an. »Dafür auch.«

Er lachte. »Kein Ding. Hier muss eh mal wieder gekehrt werden.«

Mir fiel auf, dass wir fast gleich groß waren, wodurch wir uns direkt in die Augen blicken konnten.

»Ich bin übrigens Vince.«

Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, das perfekte Grübchen in seine Wangen zauberte. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Das war mir noch nie passiert. Vor allem nicht bei einem Kerl, den ich gerade mal drei Minuten kannte.

»Louisa«, hauchte ich. »Oder Lou. Wie du magst.«

»Lou«, wiederholte er langsam, als wollte er den Klang meines Namens testen.

»Oh, Vorstellungsrunde«, durchbrach eine Stimme die darauf einsetzende Stille. »Da komm ich ja genau richtig.«

Grinsend schlenderte ein Mädchen in meinem Alter auf uns zu, das unverkennbar Vince’ Schwester war. Hauptsächlich, weil sie dieselben blauen Augen hatte. Ansonsten hätten die beiden nicht unterschiedlicher sein können. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als er und zierlich gebaut. Ihr pastellgelbes Oversize-T-Shirt war am Bauch geknotet, ihre Jeansshorts ausgefranst. Sie trug ihr braunes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, aus dem sich bereits einige Strähnen gelöst hatten, und sie hatte Sonnenbrand auf der Nase, was bei ihrer hellen Haut vermutlich schnell passierte. Zu meiner Überraschung wirkte sie nicht im Geringsten gestresst oder genervt. Stattdessen begrüßte sie mich mit einem gut gelaunten »Ich bin Laurie«, und es hätte mich nicht gewundert, wenn sie »Und ich liebe Umarmungen« nachgeschoben hätte.

»Hi. Ich bin Louisa.« Verlegen kniff ich die Augen zusammen. »Sorry wegen deines Friseurtermins.«

Gelassen zuckte sie mit den Schultern. »Wahrscheinlich hast du mir sogar einen Gefallen getan. Ich war eh nicht so sicher, ob mir das steht.« Sie rümpfte die Nase, die, wie mir auffiel, genauso aussah wie die von Vince. Schmal. Gerade. Nicht zu groß und nicht zu klein. Kurz wunderte ich mich darüber, dass ich die Nase eines Kerls, den ich eben erst kennengelernt hatte, in einem anderen Gesicht wiedererkannte.

»Am Ende ist es wieder eine dieser Frisuren, für die man zwei Stunden vor dem Spiegel stehen muss, um auszusehen, als wäre man gerade aus dem Bett gekommen.« Ihr Blick huschte zu Vince, und sie verengte die Augen. »Was machst du eigentlich noch hier? Solltest du nicht längst auf dem Weg zu deinem superwichtigen Termin sein, für den ich meinen sausen lassen musste?«

»Äh … bei ihr«, sein Daumen deutete auf mich, »hast du dich gerade dafür bedankt.«

»Ich hab nur gesagt, dass ich mir noch nicht sicher mit dem Pony war.«

Zum ersten Mal fiel mir die kleine Lücke zwischen ihren oberen Schneidezähnen auf. Sie verlieh ihrem Gesicht etwas Niedliches.

»Den du inzwischen hättest, wenn ich dich nicht gebeten hätte, möglichst schnell herzukommen«, hielt er dagegen.

»Du meinst, wenn du nicht einen auf Regency-Duke gemacht hättest.«

Er runzelte die Stirn.

»Du hättest auch einfach einen Arzt rufen können, aber du musstest die Jungfrau in Nöten ja auf Händen in dein Haus tragen.«

Es dauerte einen Moment, bis die Bedeutung ihrer Worte bei mir ankam. Ich riss die Augen auf und starrte ihn entgeistert an. »Du hast mich getragen?«

Er neigte den Kopf. »Wie dachtest du, hab ich dich hierhergebracht?«

Röte schoss mir ins Gesicht. »Na ja, ich dachte, du hättest mich … gestützt oder so.«

»Gestützt?« Amüsiert hob er eine Braue. »Du warst bewusstlos.«

Und verschwitzt. Und sandig. Und schwer. Gott, wie unangenehm!

»War ja nicht weit«, sagte er beschwichtigend.

Mit einem Tippen auf ihre nicht vorhandene Uhr erinnerte Laurie ihn an die Zeit.

»Ja, ich muss jetzt echt los«, murmelte er, und ich glaubte, einen Hauch Bedauern aus seiner Stimme herauszuhören. »Du zeigst ihr, wie sie zurück zum Strand kommt?«, fragte er seine Schwester, die daraufhin nickte und ihn mit einer Geste wegscheuchte.

»Okay. Dann«, er hob die Hand, »bye.«

Wieder fiel mir das winzige Tattoo auf, wieder war ich zu langsam.

»Bye.«

Vince, fügte ich im Stillen hinzu. Der Name passte zu ihm. Zu seinen Haaren, seinen Augen, seinem Lächeln.

Er wandte sich ab und steuerte auf die Terrassentür zu.

»Viel Spaß, Simon«, trällerte Laurie.

Er blieb stehen und blickte über seine Schulter zu uns. »Wer ist Simon?«

»Der Regency-Duke«, erklärten wir synchron.

Er sah so verwirrt drein, dass wir losprusteten. Kopfschüttelnd verschwand er ins Haus.

»Das war ein bisschen fies«, sagte ich zu Laurie.

»Du hast keinen Bruder, oder?«, fragte sie mit einem wissenden Lächeln.

Ich schüttelte den Kopf. »Einzelkind.«

Früher war diese Antwort mit einem Hauch Wehmut aus meinem Mund gekommen. Ich hatte mir immer eine Schwester gewünscht. Jemanden, mit dem ich Klamotten tauschen und Geheimsprachen entwickeln konnte, tagsüber Tennis spielen und nachts unter der Bettdecke lesen konnte. Inzwischen hatte ich kein Problem mehr damit, dass wir nur zu dritt waren. Auch weil ich jetzt wusste, dass die Schwangerschaft meiner Mutter ohnehin ein kleines Wunder gewesen war. Nach über zwanzig Jahren im Hochleistungssport war ihr Zyklus unregelmäßig gewesen und ihre Periode oftmals mehrere Monate ausgeblieben. Ein Schicksal, das viele Profisportlerinnen teilten. Und das vielleicht auch mir nicht erspart bleiben würde.

»Der verträgt das schon«, riss Laurie mich aus meinen Gedanken.

Ich warf einen Blick auf meine Uhr. So langsam musste ich wirklich los, wenn ich nicht wollte, dass Kay sich Sorgen machte.

»Sag mal: Denkst du, es würde mir stehen?«

Verständnislos blinzelte ich.

»Der Pony.« Sie griff mit beiden Händen in ihre Haare und hielt sich die Fransen so an die Stirn, dass es einem Pony gleichkam.

Es war knuffig, wie sie da vor mir stand.

»Ich glaube, es würde toll an dir aussehen.«

Sie strahlte. »Echt?«

Ich nickte.

»Dann mach ich mir wohl einen neuen Termin. Wann gehst du immer so joggen?«

Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass sie mich veräppelte. Ich schnitt eine Grimasse. »So hatte ich mir meinen ersten Tag hier auch nicht vorgestellt, das kannst du mir glauben.«

»Das ist dein erster Tag?«

Ich nickte.

»Machst du Urlaub hier?«

»Ich besuche jemanden«, antwortete ich ausweichend. Weder Vince noch Laurie hatten mich erkannt, und dabei durfte es gerne bleiben. Auf Schlagzeilen wie Comeback in Gefahr? – Herzog-Riggs bricht am Strand zusammen konnte ich nämlich getrost verzichten.

»Ich bin auch nur zu Besuch. Wo kommst du her?«

»München.« Zur Sicherheit schob ich »Deutschland« nach.

Überraschung blitzte in ihren Augen auf. »Du hast gar keinen Akzent.«

»Mein Vater ist Amerikaner. Ich bin zweisprachig aufgewachsen.«

»Wow.« Es klang nicht aufgesetzt. Eher so, als wäre Laurie einfach nett und interessiert. »Das heißt, ihr habt Familie hier auf O’ahu?«

»Oh, nein. Dad kommt aus Minnesota. Ich … besuche meine Patentante. Aber wir sind nicht verwandt.«

»Ah. Willst du sie vielleicht anrufen? Damit sie dich abholen kann?« Sie schielte auf meine hautengen Shorts. »Du hast kein Handy dabei, oder?«

»Ist nicht nötig. Ich wohne nur ein paar Häuser weiter.« In Gedanken fügte ich »glaube ich« hinzu. Meine Erinnerungen waren ein wenig verschwommen, aber ich konnte mich noch daran erinnern, den gelben Sonnenschirm gesehen zu haben, bevor mir schwindelig geworden war.

»Dann sind wir ja so was wie Nachbarinnen.« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Wie heißt deine Tante? Vielleicht kennt mein Bruder sie ja sogar.«

»Äh … Kay.«

Falls sie mein Zögern bemerkt hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. »Und wie lange bleibst du auf O’ahu?«

»Etwas über sechs Wochen.«

»Oh, wie cool. Ich bin auch die kompletten Semesterferien hier. Helf meinem Bruder ein bisschen beim Renovieren. Vielleicht hast du ja Lust, mal was zu unternehmen?« Hoffnungsvoll sah sie mich an. »Außer Vince kenn ich hier kaum jemanden.«

»Äh … ja, klar«, antwortete ich eher aus der Not heraus, weil ich es nicht übers Herz brachte, ihr zu sagen, dass ich in den nächsten Wochen absolut keine Freizeit haben würde. Dass ich täglich bis zu acht Stunden trainieren und vermutlich jeden Abend um neun im Bett liegen würde.

»Wenn du mir deine Nummer gibst, schreib ich dir schnell eine Nachricht.« Sie griff in ihre Handtasche und zog ihr Smartphone heraus. »Dann hast du meine auch gleich.«

»Okay«, stammelte ich überrumpelt und spielte kurz mit dem Gedanken, ihr eine falsche Nummer zu nennen. Das konnte allerdings peinlich werden, wenn wir uns noch mal begegneten. Und eigentlich war ja nichts dabei. Ich diktierte ihr meine Nummer.

»Cool«, sagte sie mehr zu sich selbst und ließ das Smartphone wieder in ihrer Tasche verschwinden.

Dann zeigte sie mir den Weg zum Strand. Ähnlich wie bei Kay gab es eine Treppe, aber sie war deutlich steiler und teilweise eingewachsen. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie viel Kraft es Vince gekostet haben musste, mich hier hochzutragen. Peinlich berührt verzog ich das Gesicht, bevor ich mich noch einmal umdrehte und das Haus betrachtete. Es war ungefähr so groß wie das von Kay und hatte dasselbe Flachdach. Das waren allerdings auch schon die einzigen Gemeinsamkeiten. Der Zahn der Zeit hatte die teils gelbe, teils dunkelgrüne Fassadenfarbe abgenagt, und die Türen und Fensterrahmen brauchten ebenfalls einen neuen Anstrich. Trotzdem hatte es Charme. Und mich überkam das seltsame Gefühl, dass es viel zu erzählen hätte, könnte es denn sprechen.

Kapitel 4

Möchtest du noch Salat?«, fragte Kay, als wir auf der Terrasse zu Abend aßen.

Die Sonne ging gerade unter und tauchte den Horizont in goldenes Orange. Vom Meer wehte ein leichter Wind zu uns herauf und mischte sich mit der Wärme des zurückliegenden Tages.

»Danke, aber ich bin pappsatt.« Als müsste ich meine Aussage unterstreichen, hielt ich mir den Bauch. Dabei hatte Kay live miterlebt, wie ich zwei riesige Portionen Spaghetti mit Shrimps und Tomaten verputzt hatte. Ich war wie ausgehungert gewesen, als wir von der Tennisschule zurückgekommen waren, und das, obwohl ich nicht einmal einen Schläger in der Hand gehalten hatte. Vielleicht hing mir das Jogging-Fiasko noch nach. Ich hatte Kay nicht erzählt, was heute am Strand passiert war. Abgesehen von meinem Stolz wollte ich nicht, dass sie mich morgen beim Trainingsauftakt schonte. Im Gegenteil. Ich wollte Vollgas geben. Alle Möglichkeiten ausschöpfen, die mir die Diamond School of Tennis bot.

Kay hatte mich am Nachmittag über die riesige Anlage geführt, die von ihrem Haus aus fußläufig zu erreichen war. Die zwölf Hart- und Sandplätze, den Fitness- und Behandlungsraum und den Wellnessbereich. Ich hatte Trainern die Hand geschüttelt, Mitarbeitern Autogramme gegeben, Tennisbälle signiert und Selfies mit ein paar Tennisschülerinnen gemacht. Was Kay in den letzten Jahren hier aufgebaut hatte, war schlichtweg beeindruckend, und es überraschte mich nicht, dass sie expandieren wollte und eine Sportinternatsstruktur im Sinn hatte.

»Und?« Sie neigte den Kopf. »Was sagst du?«

»Zu den Shrimps?« Ich unterdrückte ein Gähnen. »Megalecker!«

Sie hatte mir erzählt, dass die Gegend um den North Shore berühmt war für Shrimps. Um meinen Ernährungsplan einzuhalten, hatte Kay sie lediglich in etwas Olivenöl gebraten und mit Meersalz gewürzt.

»Ich bin auch müde«, gestand sie und rieb sich mit den Zeigefingern über die Lider. »War eine kurze Nacht.« Sie wehrte ab: »Nicht das, was du jetzt wieder denkst.« Sie schmunzelte schwach, bevor ihre Miene zu ernst wechselte. »Es gab einen kleinen … Zwischenfall, und ich musste die Polizei rufen.«

Ich riss die Augen auf. »Die Polizei?«

Beschwichtigend hob sie die Hand. »Wegen Ruhestörung. Keine Sorge, das ist eine sehr sichere Gegend. Eigentlich auch eine ruhige.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Deswegen konnte ich dich heute übrigens auch nicht abholen. Ich musste noch mal aufs Revier wegen der Anzeige.«

»Du hast Anzeige erstattet?«, fragte ich überrascht, weil mir die Maßnahme ein wenig drastisch erschien.

»Das war jetzt schon das dritte Mal. Irgendwann reicht’s.«

Sie erhob sich und begann das Geschirr einzusammeln. Als ich Anstalten machte, ihr zu helfen, schüttelte sie den Kopf. »Bleib sitzen. Ist doch dein erster Abend.« Sie zwinkerte. »Genieß ihn.«