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Tian versteht überhaupt nicht, warum er in den Kindergarten gehen soll. Bei Mama und Papa zu Hause ist es doch so schön! Und dass er als Chinese etwas anders aussieht als die anderen Kinder, macht die Sache nicht leichter. Nur Jonny, den Erzieher, schließt er schnell ins Herz, denn der sieht mit seiner dunklen Hautfarbe auch anders aus. Und als dann noch Oliver neu dazukommt, fühlt Tian sich ihm gleich nah. Er weiß doch, wie sich das anfühlt, wenn man niemanden kennt und sich nichts traut ... So steht einer tollen Zeit im Kindergarten nichts mehr im Wege!
Vorlesegeschichten übers Anderssein, Mut fassen und Freunde finden.
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Seitenzahl: 63
Gudrun Mebs, geboren in Frankfurt am Main, hat die neue deutsche Kinderliteratur entscheidend mitgeprägt. Für ihre Geschichten und Hörspiele wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem für »Sonntagskind« mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis. »Oma und Frieder« begeistern Kinder und Erwachsene heute noch. Sie lebt abwechselnd in München und in der Toskana und ist mehrere Monate im Jahr lesereisend unterwegs.
Katja Wehner wurde 1976 in Dessau geboren und wuchs in Berlin auf. Sie studierte Grafik und Illustration in Halle an der Saale, Leipzig und Prag. Seit 2004 ist sie freischaffend als Illustratorin für verschiedene Verlage tätig und lebt mit ihrer Familie in Leipzig.
Gudrun Mebs
TIAN
Ein Kindergartenprofi?
Mit Bildern von Katja Wehner
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2016 by Boje in der Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen
Umschlagmotiv: Katja Wehner, Leipzig
Gesamtgestaltung und Satz: Christina Krutz, Biebesheim am Rhein
E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-7325-2409-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
1. Nee, da geh ich nicht hin!
2. Ich muss zum Kindergarten, da hilft ja nix!
3. Ich kann’s ja noch mal versuchen
4. Ich mache einen Riesenschritt!
5. Ich bin auch ein Kindergartenprofi!
6. Ohne Jonny hätte es nie geklappt!
7. Schwarznase und Gelbnase
8. Da ist ja wer, der braucht mich
9. Schlummerlandstunde, aber nicht für mich!
10. Ich kann jetzt was und Oliver auch
Tian heiße ich, und ich bin ein bisschen dick und mehr so ein bisschen wie Vanille. Ich seh nämlich ganz anders aus als Mama und Papa, die haben beide mehr so rosa Haut und kullergroße Augen, die sind hell. Und ihre Haare sehen aus wie Sahnepudding. Na ja, Papa hat von dem Sahnepudding nicht mehr so viel auf dem Kopf, die Mama aber schon.
Meine Augen sind klein und ein bisschen schief, und sie sind so schwarz wie die Nacht, wenn kein Tröste-Licht in meinem Kinderzimmer brennt. Und meine Haare sehen genauso aus, rabenschwarz. Und ziemlich strubbelig.
Mama findet mich schön. Ich nicht! Ich möchte viel lieber genauso aussehen wie Mama und Papa und wie die Leute, die in unserem Haus wohnen und draußen in den Straßen rumrennen.
Mein Name gefällt mir auch nicht, weil so heißt hier keiner. Aber Mama und Papa können nichts dafür. So hab ich nämlich schon geheißen, als sie mich aus einem Krankenhaus abgeholt haben. Das war nicht hier, das war in China. Das ist ein riesengroßes Land ganz furchtbar weit weg von hier. Und da sehen alle genauso aus wie ich. Das hat mir Papa erzählt und mir das China-Land in einem bunten Buch gezeigt. Atlas heißt das Buch, hat er gesagt, darin sieht man alle Länder dieser Welt. Und wenn ich größer bin, dann fahren wir alle zusammen mal hin, hat er gesagt. Damit ich mein Heimatland mal sehen kann. Das will ich aber lieber nicht. Vielleicht lassen sie mich ja dann da, weil ich doch besser dahin passe, wo alle so aussehen wie ich!
Also, krank war ich da in China ja nicht. Ich war bloß ein Baby, das niemand gewollt hat. Oder aber ich bin verloren gegangen, in so ’nem Riesenland kann das doch leicht passieren. Da hat mich dann wer gefunden und ins Krankenhaus gebracht, weil man da auf solche Babys gut aufgepasst hat.
Mama und Papa haben gemeint, dass ein Kind unbedingt eine Mama und einen Papa braucht, und so was hat ein Krankenhaus mit vielen verlassenen Babys halt nicht. Und Papa und Mama haben auch gemeint, sie brauchen unbedingt ein Kind. Zum Liebhaben und Versorgen und so, und wenn mich auch keiner gewollt hat, sie wollen mich schon. Unbedingt! Da hab ich aber Glück gehabt!
Sie hätten ja auch ein anderes Baby haben wollen, es waren ja genug davon da. Aber Mama und Papa erzählen mir immer wieder, wenn ich’s hören will und auch, wenn ich’s nicht hören will, weil ich grad was male oder Müsli esse oder so, dass sie sofort gewusst haben, als sie mich zum ersten Mal da im Bettchen gesehen haben: Das ist unser Tian! Wenn er will, dann nehmen wir ihn mit, sofort! Ich denke manchmal, ein Baby kann noch gar nicht was richtig wollen, oder?
Aber hier jetzt bei Mama und Papa geht’s mir prima! Papa geht arbeiten, und ich hab die Mama den ganzen Tag für mich alleine. Wenn Papa am Abend wieder heimkommt, hab ich dann zwei, ganz für mich alleine. Wir essen dann was, wir spielen dann was, wir singen dann was, Papa liest mir was vor, oder er erzählt mir Witze. Meistens versteh ich die nicht so richtig, aber ich lache trotzdem, weil Papa so lacht. Und am nächsten Tag hab ich dann wieder die Mama für mich ganz alleine.
Doch wirklich, bei Mama und Papa geht’s mir prima!
Jetzt aber nicht mehr so.
Weil heute früh war was komisch. Beim Frühstück hat mich Papa plötzlich auf seinen Schoß gezogen, das macht er sonst nie.
Also, auf den Schoß ziehen schon, aber doch nicht beim Frühstück! Da will er ungestört seinen Kaffee trinken und Zeitung lesen, das weiß ich doch.
Ich hab mich gewundert und irgendwie schon gemerkt, jetzt kommt bestimmt was, was mir wahrscheinlich nicht gefällt. Mama hat nämlich so komische Augen gehabt und mir ganz schnell ein Honigbrot geschmiert, und dabei war doch schon eins auf meinem Teller! Auch daran hab ich’s gemerkt. Papa will mir was sagen, was Wichtiges, und so war’s dann auch.
»Tian, mein Söhnchen«, sagt Papa und beißt in mein Honigbrot und legt es gleich wieder hin. »Tian, was hältst du davon, wenn wir dich jetzt in den Kindergarten schicken?«
»Ist der in China?«, frage ich, und plötzlich ist es in meinem Bauch ganz kalt. Sie bringen mich zurück, ich hab’s ja gewusst.
»Aber nein, Sohnemann«, sagt Papa und drückt mir einen Honig-Schmatz auf die Nase. Das klebt. »Was denkst du denn! Der Kindergarten ist hier um die Ecke, ganz nah bei uns. Da gibt’s eine Masse Spielzeug, eine Masse Kinder, eine Masse Spaß, das kann ich dir versichern.«
Eine Masse Spielzeug? Hab ich doch selber. In meinem Kinderzimmer fährt rundherum eine beinahe echte Eisenbahn, und wenn die ausruhen will, dann lass ich meine kleinen Rennautos sausen. Brumm brumm um mein Bett herum. Und wenn die müde sind, bau ich aus meinen Holzklötzchen einen Riesenturm, und wenn der umfällt, dann hole ich Teddy und Katz’ und Maus, die vertragen sich nämlich bei mir. Wir kuscheln uns aufs Bett, und wir schwatzen was zusammen, und ich streichle ihr weiches Plüschfell. Wir brauchen keine Masse Spielzeug, wir brauchen auch keine Kinder. Wir haben ja uns.
Und überhaupt, die Kinder hier sehen doch alle ganz anders aus als ich, das hab ich doch längst auf dem Spielplatz gemerkt, wo die Mama oft mit mir hingeht. Weil sie meint, das ist lustig für mich. Ist es aber nicht. Die Kinder dort sind so furchtbar laut und schmeißen rum mit Sand aus der Sandkiste, auch auf mich drauf. Und auf die Rutsche trau ich mich sowieso nicht, die ist so fürchterlich hoch und spiegelglatt, so einer wie ich, der fällt da ganz bestimmt runter.
Im Kindergarten gibt’s ganz bestimmt eine Rutsche, und da lachen mich ganz bestimmt alle aus, weil ich Angst vorm Rutschen hab. Und weil ich dick bin.
Ich brauche keinen Kindergarten, ich hab doch meine Eltern! Aber, da kommt’s auch schon, von Papa.
Er wuschelt mir durch die Haare und sagt: