Tom Sawyer als Detektiv - Mark Twain - E-Book

Tom Sawyer als Detektiv E-Book

Mark Twain

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Beschreibung

Für RUTHeBooks Klassiker lassen wir alte oder gar schon vergriffene Werke als eBooks wieder auferstehen. Wir möchten Ihnen diese Bücher nahebringen, Sie in eine andere Welt entführen. Manchmal geht das einher mit einer für unsere Ohren seltsam klingenden Sprache oder einer anderen Sicht auf die Dinge, so wie das eben zum Zeitpunkt des Verfassens vor 100 oder mehr Jahren "normal" war. Mit einer gehörigen Portion Neugier und einem gewissen Entdeckergeist werden Sie beim Stöbern in unseren RUTHeBooks Klassikern wunderbare Kleinode entdecken. Tauchen Sie mit uns ein in die spannende Welt vergangener Zeiten!

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Seitenzahl: 93

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Mark Twain

Tom Sawyer als Detektiv

Impressum

Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016
ISBN: 978-3-95923-119-0
Für Fragen und Anregungen: [email protected]
RUTHeBooks
Am Kirchplatz 7
D 82340 Feldafing
Tel. +49 (0) 8157 9266 280

Inhalt

Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel

Erstes Kapitel

Ein Jahr war herum. seitdem Tom Sawyer und ich unsern alten Neger Jim befreit hatten, der auf der Farm von Toms Onkel Silas in Arkansas als fortgelaufener Sklave in Ketten gelegt worden war. Nun wurde es Frühling; der gefrorene Boden taute auf, und mildere Lüfte wehten. Immer näher winkte die Zeit, wo man wieder barfuß gehen konnte; dann kam das Murmelspiel an die Reihe, und wenn es endlich Sommer geworden war, ging's zum Schwimmen. Doch das lag unabsehbar fern. und der Gedanke, wie lange es noch dauern muss, bis der Sommer kommt, macht unsereinen ganz schwermütig. Dann schleicht so ein armer Junge trübselig umher; er seufzt und stöhnt und weiß nicht, was ihm fehlt. Er sucht sich ein einsames Fleckchen hoch oben am Berghang, wo er weit hinausschauen kann, wie der große Mississippi sich um eine Landzunge nach der andern windet, bis er mit der dämmerigen Ferne verschwimmt. Alles ist so still und feierlich wie beim Begräbnis, und man wünscht, man wäre selber tot und begraben, damit das Erdenleid ein Ende hätte.

Wisst ihr, wie die Krankheit heißt? Man nennt sie Frühlingsfieber. Und wenn sie einen befällt, hat man immerzu Herzweh, man weiß nicht wonach. Man möchte weit weg sein von dem ewigen Einerlei der alltäglichen Dinge, die einem zum Überdruss sind. Etwas Neues sehen und als Wanderer in fremde Länder ziehen, wo alles wunderschön, geheimnisvoll und noch nie dagewesen ist, ja, danach sehnt man sich. Doch nimmt man allenfalls auch mit einer kleinen Wanderschaft fürlieb und ist froh, wenn man überhaupt fort kann.

Also, wir beide litten stark am Frühlingsfieber, Tom Sawyer und ich. Aber es war gar keine Aussicht, dass Tom etwa die Schule versäumen und über Land gehen durfte; seine Tante Polly hielt das für Zeitverschwendung und hätte es nie zugegeben. Recht mutlos und niedergeschlagen saßen wir eines Tages gegen Sonnenuntergang draußen auf den Steinstufen und bliesen Trübsal. da kam Tante Polly mit einem Brief in der Hand.

"Tom", sagte sie. "du wirst wohl dein Bündel schnüren müssen. um dich nach Arkansas auf den Weg zu machen, Tante Sally verlangt nach dir."

Ich hätte vor Freude aus der Haut springen mögen und glaubte nicht anders, als dass Tom seiner Tante um den Hals fallen und sie halbtot herzen würde; aber er saß stockstill da und tat keinen Mucks. Warum er nur solch ein Narr war, die herrliche Gelegenheit, die sich ihm bot, nicht beim Schopf zu fassen? Sie konnte ihm leicht entgehen, wenn er jetzt nicht bald den Mund auftat und sagte, wie froh und dankbar er wäre. Ich war ganz außer mir und dem Weinen nahe, als er immer weiter lernte und lernte und zuletzt ganz gelassen sagte:

"Es tut mir sehr leid, Tante, aber davon kann wirklich jetzt keine Rede sein!" Da hätt' ich ihn totschießen können.

Tante Polly war wie vor den Kopf geschlagen und so voll Zorn über die freche Antwort, dass sie eine ganze Minute lang sprachlos dastand und mir Zeit ließ, Tom anzurempeln und ihm zuzuflüstern:

"Bist du denn übergeschnappt? Wie kannst du ein solches Glock wegwerfen und mit Füßen treten?"

Aber das machte ihm keinen Eindruck. "Schweig still, Huck Finn", brummte er, "soll sie's etwa merken, dass ich für mein Leben gern hin möchte? Gleich würden ihr tausend Zweifel kommen, lauter eingebildete Krankheiten, Gefahren und Hindernisse: Im Handumdrehen hätte sie die Erlaubnis zurückgenommen. Laß mich nur machen, ich weiß schon, wie man sie behandeln muss."

Na, so was wäre mir nie eingefallen; aber Tom hatte recht, wie immer. Ein Schlaukopf erster Sorte und nie unbesonnen, der läßt sich nicht verblüffen. Jetzt hatte Tante Polly sich vom Schreck erholt, und nun ging's los:

"So, davon kann nicht die Rede sein? Hat man je so was gehört! Und das sagst du mir ins Gesicht? Auf der Stelle gehst du hinauf und packst deine Siebensachen. Kein Wort mehr, das bitt' ich mir aus, sonst setzt's Hiebe!"

Sie gab ihm noch eine Kopfnuss mit dem Fingerhut, als wir uns duckten und rasch an ihr vorbeiliefen. Tom fing an zu flennen, und wir sprangen die Treppe hinauf. Oben in seinem Zimmer fiel er mir um den Hals und war wie wahnsinnig vor Freude, weil's nun auf die Reise ging.

"Sie wird's bald bereuen, dass sie mich fortgelassen hat", sagte er. "Aber nun weiß sie keinen Ausweg und kann's nicht wieder rückgängig machen, dazu ist sie viel zu stolz."

In zehn Minuten war Tom mit Packen fertig, bis auf das, was seine Tante und Mary an Sachen dazutun würden; dann wartete er noch zehn Minuten, damit sich ihr Zorn abkühlen und sie wieder sanft und freundlich werden sollte. "Wenn sie nur halb aus dem Häuschen ist", sagte er, "braucht sie zehn Minuten, sich zu erholen; habe ich sie aber ganz wild gemacht, dann dauert es zwanzig Minuten, und das ist jetzt so ein Fall." Nun gingen wir rasch hinunter, weil wir vor Neugierde brannten zu hören, was Tante Sally eigentlich geschrieben hatte.

Der Brief lag auf Tante Pollys Schoß, und sie saß ganz in Gedanken versunken da. Als wir Platz genommen hatten, sagte sie:

"Unsere Leute dort unten sind in großer Trübsal; sie hoffen, ihr werdet sie zerstreuen, du und Huck Finn, und ein rechter Trost für sie sein. Na, ihr beide seid mir ein paar nette Tröster! Die Sache ist nämlich so: Ein Nachbar von ihnen, Brace Dunlap, hat vor drei Monaten um die Hand ihrer Benny angehalten. Sie haben lange mit der Antwort gezögert und ihm endlich geradeheraus erklärt, dass aus der Heirat nichts werden könnte. Das hat er ihnen sehr übel genommen, und nun machen sie sich Kummer darüber. Mir scheint, sie wollen's nicht ganz mit dem Nachbar verderben, denn um ihn zu versöhnen, haben sie seinen nichtsnutzigen Bruder als Gehilfen auf der Farm in Dienst genommen, obgleich ihre Mittel das kaum erlauben und der Mensch ihnen sowieso nur im Wege ist. Wer sind denn diese Dunlaps?"

"Sie wohnen etwa eine Meile von Onkel Silas' Besitzung, Tante, alle Farmen dort in der Gegend sind gleich weit voneinander entfernt. Brace Dunlap ist viel reicher als die andern Nachbarn und hat einen ganzen Haufen Neger. Er ist ein kinderloser Witwer, sechsunddreißig Jahre alt, dabei sehr stolz und hochfahrend, so dass alle Welt vor ihm zu Kreuze kriecht. Vermutlich hat er gedacht, er brauche nur bei irgendeinem Mädchen anzuklopfen, das er zur Frau wollte; es wird ihn nicht wenig gewundert haben, dass er Benny nicht bekommen kann. Sie ist nur halb so alt wie er und das süßeste, reizendste ... na, du kennst Benny ja selbst. Mir tut nur der arme alte Onkel Silas leid, der sich aufs äußerste einschränken muss und einen Tunichtgut wie den Jupiter Dunlap in Dienst nimmt, bloß um seinem hochnäsigen Bruder einen Gefallen zu tun."

"Ist das ein Name, Jupiter! Wo hat er den her?"

"Es ist nur ein Spitzname; wie er eigentlich heißt, weiß wohl kein Mensch mehr. Man nennt ihn schon siebenundzwanzig Jahre lang so, seit er zum ersten mal baden ging. Da sieht der Schulmeister, dass er am linken Bein über dem Knie ein rundes braunes Mal hat, so groß wie ein Centstück, und vier kleinere Mäler drum herum, und sagt, es erinnere ihn an Jupiter und seine Monde. Den Kindern kam das komisch vor, sie fingen an, ihn Jupiter zu nennen, und der Name ist ihm geblieben bis auf den heutigen Tag. Er ist groß und faul, verschmitzt, hinterhältig und feige, dabei aber doch wieder gutmütig. Keinen roten Heller nennt er sein eigen; Brace gibt ihm das Gnadenbrot und seine abgelegten Kleider, auch seine Verachtung obendrein. Jupiter trägt langes Haar, aber keinen Bart; er ist ein Zwilling."

"So? Wie sieht denn der andere Zwillingsbruder aus?"

"Man sagt, er gleicht Jupiter auf ein Haar; wenigstens früher, jetzt hat man ihn seit sieben Jahren nicht gesehen. Als er neunzehn oder zwanzig Jahre alt war, wurde er bei einem Einbruchsdiebstahl ertappt und ins Gefängnis gesteckt. Aber er entkam nach dem Norden und beging bald hier, bald dort Raub oder Diebstahl; doch das ist lange her. Jetzt ist er tot; das heißt, die Leute behaupten es, man hört eben nichts mehr von ihm."

"Wie heißt denn der?"

"Jack."

Es entstand eine Pause; die alte Dame war offenbar mit ihren Gedanken beschäftigt. Endlich sagte sie:

"Am meisten macht sich Tante Sally Sorgen darüber, dass der Onkel immer in so furchtbaren Zorn gerät über diesen Jupiter."

"Was", rief Tom verwundert, "Onkel Silas! Das ist wohl nur ein Scherz, der kann ja gar nicht zornig werden!"

"Die Tante schreibt, er wird oft so wütend, dass sie immer fürchtet, er könnte sich tätlich an dem Mann vergreifen."

"Da hört aber alles auf! Onkel ist ja so sanft wie ein Lamm."

"Er soll wie ausgewechselt sein durch das ewige Zanken und Streiten. Die Nachbarn reden schon darüber und schieben alle Schuld auf den Onkel, weil er ein Prediger ist und Frieden halten müsste. Tante Sally sagt, er schämt sich ordentlich, auf die Kanzel zu steigen; auch hat die Gemeinde das Vertrauen zu ihm verloren, und er ist gar nicht mehr so beliebt wie früher."

"Wie sonderbar! Onkel war doch immer so sanft und freundlich, so zerstreut, so träumerisch, so voller Einfalt und Herzensgüte, kurz ein wahrer Engel. Wie kann das nur zugegangen sein?"

Zweites Kapitel

Wir hatten riesiges Glock. Auf einem Raddampfer, der vom Norden her gerade nach der Sumpfgegend von Louisiana steuerte, kamen wir den ganzen Mississippi bis zur Farm in Arkansas hinunter und brauchten nicht einmal in St. Louis das Boot zu wechseln. Eine Fahrt von fast tausend Meilen in einem Zug.

Man fühlte sich recht einsam auf dem Dampfer, denn die wenigen Passagiere waren alte Männer, die weit voneinander auf Deck saßen und schliefen oder sich still verhielten. Vier Tage dauerte die Fahrt auf dem Oberen Mississippi, weil wir so oft auf Grund gerieten, aber langweilig fanden wir Jungen es gar nicht, wie kann man sich langwellen, wenn man auf Reisen ist!

Gleich nach der Abfahrt hatten Tom und ich herausgebracht, dass in der Kajüte neben unserer jemand krank liegen müsse, weil das Essen immer hineingetragen wurde. Wir erkundigten uns danach und der Kellner sagte, der Mann da drinnen sähe gar nicht krank aus.

"Aber er muss doch krank sein."

"Wohl möglich, ich weiß nicht, mir scheint, er stellt sich nur an."

"Woher glaubt Ihr das?"

"Na, wenn er krank wäre, würde er sich doch mal ausziehen, aber das tut er nicht. Wenigstens seine Stiefel behält er immer an."

"Ist das möglich? Auch wenn er zu Bett geht?"

"Auch dann."

Ein Geheimnis! Das war Wasser auf Toms Mühle.

"Wie heißt denn der Mann?"

"Phillips; in Alexandria ist er an Bord gekommen."

"Und hat er noch andere Eigenheiten?"