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Ein Camp, irgendwo im Wald, eine Weinplantage in Italien, eine heiße Liebe und ganz viel Humor. Dieser Roman ist genau die richtige Sommerlektüre. Jenny arbeitet für ein bekanntes Frauenmagazin. Im Auftrag ihrer Chefin fährt sie in das Trainingscamp der deutschen Nationalmannschaft. Dort soll sie sich auf die Suche nach einem Skandal machen. Mit Skandalen kennt Jenny sich aus. Ihr letzter Artikel über einen Fußballspieler hat dazu geführt, dass dessen Ehe geschieden wurde und sie sogar das Land verlassen musste. Ausgerechnet auf Luca Rodari trifft sie nun auch im Trainingscamp und das wird alles Andere als angenehm für sie.
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Mein geliebter Mini brachte jeden Meter nur schlingernd hinter sich. Was hatte sich meine Chefin nur dabei gedacht, mich hier raus an den Arsch der Welt zu schicken, wo bei diesem Wetter Straßen zu reißenden Lehmflüssen wurden? Fluchend umklammerte ich das Lenkrad. Mein Herz raste nicht nur vor Anstrengung, das Auto auf dem schmalen unbefestigten Weg zu halten, sondern auch vor Angst, denn ich kam dem kleinen Bachlauf, der neben der Straße entlangfloss, mit jedem Schlingern näher.
Ich war es einfach nicht gewohnt, mich weit ab von der Zivilisation zu befinden. Und mein Auto auch nicht. »Ich will zurück nach München«, wimmerte ich der Kuhherde zu, die interessiert beobachtete, wie mein Mini und ich uns durch den bayrischen Starkregen und Dreck wühlten.
»Wieso muss ein Frauenmagazin wie My Style einen Artikel über eine Fußballmannschaft in einem Trainingscamp schreiben?«, hatte ich meine Chefin Christine gefragt. Dass ich sie noch als meine Freundin bezeichnen würde, wenn ich hier je wieder wegkam, das bezweifelte ich.
»Weil die Weltmeisterschaft vor der Tür steht, und es da draußen Millionen von Frauen gibt, die jederzeit mit dir tauschen würden«, hatte sie lächelnd geantwortet und sich eins der Kleider angesehen, das ein Modedesigner in die Redaktion geschickt hatte, in der Hoffnung, wir würden es in der nächsten Ausgabe bewerben. Sie legte den Kopf schief und fuhr mit ihren dunkelroten Nägeln über den gold glitzernden Stoff. »Und weil diese millionen Frauen dort draußen, alles über ihre Lieblingsknackärsche wissen möchten. Ganz besonders die Dinge, die sie sonst nie erfahren.«
»Du meinst die schmutzigen Details über Groupies, die sich nachts heimlich in das Camp schleichen, während die Fußballerehefrauen zu Hause die Kinder hüten?«, warf ich giftig in den Raum.
»Genau diese Details.« Sie wandte sich zu mir um und warf ihr glattes, glänzend schwarzes Haar über die Schulter zurück. Christine war eine wandelnde Reklametafel für unser Magazin. Wie immer trug sie eins der Kleider, die wir von Designern zugeschickt bekommen hatten, hohe High Heels und perfektes Make-up. An ihrem schlanken Körper brachte sie Mode zur Vollendung.
Bevor ich bei My Style angefangen hatte, hatte ich wenig Wert auf teure Kleidung gelegt. Aber man gewöhnt sich schnell an diesen Luxus, die perfekt gestylten Frauen und all das Bling Bling. Ich war also hineingewachsen in dieses Leben, in dem perfektes Aussehen das wichtigste war. Nur mein Körper hatte sich den Standards bisher nicht beugen wollen. Eine Größe 42 sieht nicht ganz so perfekt in den meisten Designerentwürfen aus wie eine Size Zero.
»Ich hätte gerne Beweise für all diese Gerüchte um die Trainingscamps«, sagte Christine. »Und du hast das Näschen für alles, was schmutzig ist, Jenny.«
Ja, dieses Näschen hatte ich wohl. Beim letzten Mal, als dieses Näschen auf Schmutz gestoßen war, hatte es einen unglaublichen Skandal gegeben. »Du weißt, dass ich dort auf Luca Rodari treffen werde?«
Christine lehnte sich an ihren Schreibtisch und schlug die Unterschenkel übereinander. »Ja, das wird die ganze Sache noch interessanter machen.«
»Das macht die ganze Sache zum Spießrutenlauf für mich«, knurrte ich.
Christine beugte sich zu mir runter und stützte sich mit einer Hand auf der Lehne des Clubsessels ab, in dem ich saß. Mit der anderen Hand griff sie sich eine Strähne meines hellblonden Haares. »Du bist nun mal die Beste, wenn es darum geht, den Männern ihre Geheimnisse zu entlocken.«
»Ja, weil sie in mir immer nur die vollbusige, etwas rundliche Blondine sehen.«
»Fast«, meinte Christine. »Sie sehen dich an und sämtliches Blut rutscht ihnen nach da unten.«
Ich stieß einen Protestlaut aus. »Genau, deswegen bin ich ja auch noch Single«, sagte ich sarkastisch, weil ich ganz anderer Meinung war als meine Chefin, deren Freundinnenstatus gerade anfing zu wackeln. »Wie lange?«
»Eine Woche.«
»Eine Woche?«, keuchte ich entrüstet auf. »Ich soll eine Woche irgendwo im Busch verbringen?«
»Nicht im Busch, im Wald.«
»Das ist das Gleiche.«
»Wahrscheinlich. Trotzdem.«
Ich hatte Christine giftig angesehen und mich ergeben. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Sie darauf hinzuweisen, dass ich Schuld am Ende der Ehe von Luca Rodari war, würde gar nichts bringen. Was Christine sich in den Kopf gesetzt hatte, würde sie nicht wegen einer Kleinigkeit wie einer Scheidung aufgeben.
Das Auto rutschte, ich riss das Lenkrad herum und landete mit dem rechten Vorderrad im Bachlauf. »Verdammt«, fluchte ich mit hämmerndem Herzen. »Als hätte ich es nicht geahnt.« Ich legte den Rückwärtsgang ein und schluckte die Tränen herunter, die sich in meine Augen drängten. Ich gab erst vorsichtig Gas, das Auto ruckte an und rutschte tiefer. Jetzt versuchte ich es mit durchgetretenem Gaspedal und wieder machte ich es nur noch schlimmer. Wütend und verzweifelt schlug ich auf das Lenkrad ein. Ein erneutes Rutschen riss mich aus meiner Lethargie. Ich fischte mein Handy aus meiner Handtasche – nur nicht zu viel bewegen – und wählte die Nummer des ADAC. Was anderes fiel mir gerade nicht ein, und wozu bezahlte ich diesen Verein, wenn nicht genau für solche Augenblicke? Nichts. Mein Telefon blieb stumm.
Ich nahm das Handy vom Ohr und starrte fassungslos auf das Display. Kein Empfang? Nicht mal ein kleiner winziger Balken? Außer mir vor Wut knurrte ich das Telefon an. Ich hätte wirklich auf Christine hören sollen. Seit Monaten riet sie mir, den Anbieter zu wechseln, weil auf meinen einfach kein Verlass war. Aber ich war einfach zu faul, ... nennen wir es lieber: zu beschäftigt ... mich mit diesem Tarifdschungel da draußen zu befassen.
Vielleicht musste ich ja nur aus dem Auto aussteigen? Mir würde ja schon ein Schimmer von Empfang reichen. Ich sah zum Fenster raus auf die tiefen braunen Matschspuren, in denen noch tiefere Pfützen mich höhnisch anlachten. Dann sah ich auf meine Manolos und ein Knoten bildete sich in meinem Magen. Vierhundert Euro hatte dieses wundervolle Paar gekostet. Es war das einzige wundervolle Paar, das ich besaß. Nein, das ging gar nicht.
Ich öffnete die Schnallen der Sandalen und glitt behutsam aus den kobaltblauen High Heels. Dann öffnete ich die Tür und stellte meine Füße angewidert in den weichen Schlamm, der sich sofort zwischen meine Fußzehen stahl.
»Oh«, seufzte ich erstaunt. »Das ist gar nicht so schlecht.« Ich stieg aus dem Auto und stapfte etwas im Schlamm herum, der warm und feucht meine Fußsohlen umspielte. »Das ersetzt glatt jede Pediküre und kostet nicht mal was.«
Auf dem Display meines Handys zeigte sich noch immer kein Balken. Ich bewegte mich etwas weg vom Auto, den Weg hinauf, der leicht anstieg, und hielt das Telefon gen grauen Himmel.
Dicke Regentropfen klatschten mir ins Gesicht. Aber was sollte ich mich denn wegen meiner Frisur aufregen? Gerade hatte ich schlimmere Probleme. Hinter mir hörte ich das Brummen eines Motors näher kommen. Ich wandte mich dem Geräusch zu und sah dem Motorrad erleichtert entgegen. Wenigstens könnte es mich bis ins Camp bringen. Dann könnte ich von dort aus einen Abschleppdienst bestellen. Ich platzierte mich in der Mitte des Matschpfades und wedelte mit den Händen, als Zeichen, dass der Fahrer anhalten soll. Vielleicht hätte ich besser den Daumen seitlich rausstrecken sollen und meinen Oberschenkel entblößen. Das Motorrad schoss geradewegs auf mich zu und noch bevor ich mich wundern konnte, dass es nicht langsamer wurde, donnerte es an mir vorbei und ließ mich schockiert in einer Fontäne Matsch stehen, die mein dunkelblaues Seidenkostüm von oben bis unten mit Dreck besudelte.
»Du Idiot, ich stehe nicht aus Spaß hier«, brüllte ich dem Fahrer hinterher. Den schien mein Ausbruch nicht zu interessieren, denn im nächsten Augenblick waren er und sein fahrbarer Untersatz verschwunden. Ich sah an mir herunter und wollte nur noch heulen. Die Natur konnte mich genauso wenig leiden wie ich sie.
Aber ich hatte Glück, wenn man das so nennen durfte in dieser Situation. Ein Traktor näherte sich mir tuckernd und blieb neben mir stehen. Ein rundlicher Mann mittleren Alters grinste von oben auf mich herab – mir entging nicht, dass seine Augen nicht auf mein Gesicht sondern auf meine Körbchengröße DD gerichtet waren, aber das war ich gewohnt. »Haben Sie eine Panne?«
Wonach sieht das hier denn sonst aus? »Ja. Haben Sie ein Seil?«
»Nein«, rief er gegen den Wind und das Motorengeräusch des in die Tage gekommenen Fendt an. Ich kannte die Firma Fendt, weil ich mal einen Artikel über eine wohlhabende Landfamilie und ihr riesiges Anwesen geschrieben hatte. Die Männer der Familie waren Fans der Firma Fendt, so wie Unsereins Fan von Apple oder Manolo ist.
»Aber ich könnte Sie mitnehmen. Wo soll es denn hingehen?«
»In das Trainingscamp. Ich bin Reporterin. Aber Sie haben ja keinen Platz mehr auf Ihrem Traktor.«
»Auf meinem Schoß ist immer ein Plätzchen«, sagte er und wackelte mit den Augenbrauen.
Ich schnappte entrüstet nach Luft und wollte ablehnen, aber mittlerweile war ich durch und durch nass und fror. Der Frühling war dieser Tage sehr wechselhaft. Heute Morgen noch strahlte die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel. Und jetzt regnete es schon seit Stunden - so wie übrigens auch die ganzen letzten Tage; fünf Minuten Sonne, und 23 Stunden und 55 Minuten regen. Ich könnte also noch die ganze Nacht hier verbringen, oder mich auf den Schoß dieses Lustmolchs setzen und mich von ihm dorthin fahren lassen, wo es hoffentlich ein Telefon gab.
»Also gut. Lassen Sie mich nur noch meine Handtasche holen und das Auto zuschließen.« Ich stapfte durch den Matsch, der sich gar nicht mehr so gut anfühlte, zu meinem Auto, angelte nach meiner Handtasche und zog den Schlüssel aus dem Schloss.
Am Traktor angekommen reichte der Herr mir eine Hand nach unten und half mir auf den kleinen dunkelgrünen Fendt. Ich setzte mich seitlich auf seinen Schoß, so dass er noch freien Blick auf das hatte, was eine Straße sein sollte, und ignorierte die schmutzige, nach Kuhmist riechende Kleidung. Mein Kostüm war ohnehin hinüber.
Hüpfend und ruckelnd ging es an einer weiteren Kuhweide, einer in die Tage gekommenen Scheune und einem Bauernhof vorbei. Ich musterte die kleine weiße Kapelle am Wegrand lächelnd, weil sie so nett anzusehen war. Am Ende der Huckelpiste führte uns der Weg an riesigen Stapeln mit Baumstämmen vorbei und schließlich in einen Wald hinein.
»Ich bin übrigens der Horst. Wenn wir schon so nah beieinander sitzen, sollten wir doch zumindest unsere Vornamen kennen. Und ich wüsste gerne, wie so ein hübsches Mädchen heißt.«
Ich unterdrückte ein unbehagliches Herumrutschen auf dem Schoß von »Horst«. »Jennifer.«
Dank des dichten Blätterdaches war es von oben und von unten deutlich trockener. Ich sah zu den Wipfeln der Bäume hinauf und sog tief die würzige Waldluft ein. Als Kind war ich mit meinen Eltern oft im Wald gewesen. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich den Geruch vermissen könnte. Aber offensichtlich tat ich es, denn ich genoss den Duft. Dieses kurze Aufflackern von Akzeptanz für die Natur wurde aber sofort wieder zunichte gemacht, als mich eine Mücke in meine Wange stach. Ich schlug nach dem Miststück und ohrfeigte mich selbst.
»Kein Grund sich zu schlagen, Mädchen. Wir sind gleich da.« Horst deutete mit seinem Kinn auf eine lichter werdende Stelle vor uns.
Ich strich meine Haare glatt, aber in dem Moment, wo ich das tat, fiel mir sofort ein, wie sinnlos das sein musste. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine begossene Vogelscheuche mit Waschbärenaugen. Ich versuchte zumindest etwas von der garantiert verlaufenen Wimperntusche aus meinem Gesicht zu wischen. Aber ohne Spiegel konnte ich nicht einmal sagen, ob das überhaupt etwas brachte. Wir verließen den Wald und fanden uns in etwas wieder, das mich stark an ein Feriencamp erinnerte, in dem ich mal als Kind gewesen war.
Es gab keine Umzäunung, was mich wunderte, dafür fünf im Kreis angeordnete längliche braun bemalte Blockhütten. In der Mitte einen freien Platz mit Bänken, einer Tischtennisplatte, Basketballkörben und einem Pavillon. Von irgendwo hinter den Hütten hörte ich laute Rufe und Pfeifen. Der Traktor hielt und sofort kam ein in Fußballtrikot und kurzen Hosen gekleideter Mann auf uns zu.
»Habt ihr euch verfahren?«, wollte er wissen und als er näher kam erkannte ich den Ersatztorwart Steve Behrens. Sein Gesicht war knallrot und er schwitzte.
»Nicht verfahren«, sagte Horst. »Ich bringe Besuch. Die Dame hatte eine Autopanne, weiter unten Richtung Dorf.«
Steve Behrens sah mich an und ich wartete schon auf dieses Aufflackern in seinen Augen, wenn er mich erkannte. Und da war es auch schon! Ich wappnete mich. Wahrscheinlich würde er mich gleich von dem Traktor zerren und mich persönlich wieder ins Dorf zurückbringen. Aber das tat er nicht, stattdessen fuhr er sich durch sein rötlich blondes Haar und begann lauthals zu lachen. Ich kniff die Lippen aufeinander und hoffte, dass er sich schon beruhigen würde. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch immer auf dem Schoß des Bauern saß. Ich bedankte mich kurz bei ihm und kletterte etwas umständlich vom Fendt. Woran lag es, dass es nach oben immer leichter ging als nach unten?
Als ich vor Steve stand, verschlug es dem das Lachen. Er musterte erstaunt meine nackten Füße und dann mein schmutziges Kostüm und mein Gesicht.
»Das muss ja eine heftige Autopanne gewesen sein.« Dann wandte er sich nach hinten um und brüllte in die Richtung, aus der die Rufe drangen. »Luca! Du hast Besuch.«
»Danke«, entgegnete ich bitter. »Ich bin nicht wegen Luca hier.«
»Ist wohl auch besser so.« Steven wandte sich mehreren Spielern zu, die den freien Platz betraten. Unter ihnen Luca Rodari. Mein Herz machte einen Satz und ich schluckte gegen die Panik an, die sich in mir ausbreitete. Ich hatte die ganze Zeit gewusst, dass unsere erste Begegnung seit dem Skandal nicht einfach werden würde. Aber jetzt breitete sich gerade eine zentnerschwere Decke über mir aus. Alle mentale Vorbereitung der letzten Tage hatte nichts gebracht. Jetzt in diesem Moment wurde mir vor Panik so übel, dass ich kurz in Erwägung zog, wieder zu Horst auf den Schoß zu klettern und mich von ihm wegbringen zu lassen.
Luca blieb vor mir stehen und ich biss mir vor lauter Nervosität auf die Unterlippe. Ich hatte diesen Mann wirklich mal gemocht. Wahrscheinlich war, dass ich in noch immer mochte, denn er konnte ja nichts dafür, dass ich diesen Artikel über ihn geschrieben hatte. Trotzdem hatte ich Angst vor dieser ersten Begegnung gehabt, weil ich wusste, dass die wenigsten hier im Camp gut auf mich zu sprechen waren. Und er wohl noch viel weniger.
»Ich fahr dann mal wieder«, rief Horst hinter mir. Der Motor des Traktors sprang dröhnend an und mir wurde mit einem heftigen Stich ins Herz bewusst, dass ich gleich allein mit einer ganzen Fußballmannschaft war, die mich hasste.
»Dieses Klatschmagazin hat nichts Besseres zu tun, als sie zu schicken?«
Ja, mit dieser Abweisung in seiner Stimme hatte ich auch gerechnet. »Nein, ich bin nur wegen der Mückenschwärme und der guten Bars hier.«
»Die Bars haben geschlossen und die Mücken stehen nicht auf kaltes herzloses Blut.«
Ich zuckte zusammen. Das war eine Boshaftigkeit, mit der ich wiederum nicht gerechnet hatte. Ich beschloss, das Beste wäre, alles zu ignorieren, was Luca mir an den Kopf warf. Ich hatte hier einen Job zu erledigen und das würde ich auch tun. Mit aller Gewissenhaftigkeit, die ich aufbringen konnte. Schließlich war ich ein Profi.
Gut, ich hatte einen einzigen Fehler begangen, der das Aus für eine Ehe bedeutet hatte. Seine Ehe. Aber wer bitte war fehlerfrei in seinem Job? Die Spieler unserer Nationalmannschaft bestimmt nicht. Wären sie das, würden sie deutlich öfter den Pokal mit nach Hause bringen. 54, 74, 90, 2010 oder wie war das noch? Oh 2010 ist ja gar nicht passiert, und das lag nicht am Lied der Sportsfreunde Stiller, das ist nach wie vor ein Hit.
»Wie euch unschwer aufgefallen sein dürfte, ich habe keine Schuhe an, ich bin vollkommen durchnässt und auch sonst sollte alles an mir euch zeigen, dass ich mich in einem Zustand befinde, in dem ich euren Witzen nichts abgewinnen kann. Könnte mir bitte einer von euch sagen, wo ich hier ein funktionierendes Telefon finde? Ich brauche einen Abschleppwagen.«
Ich sah in die Gesichter von vier grinsenden Männern.
»Hier gibt es kein Telefon«, sagte Luca und mir entging nicht, dass er dagegen ankämpfte laut loszulachen. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln, dass ihm gefiel, mich leiden zu sehen. Immerhin hatte ich mehr als genug Leid über ihn und seine Familie gebracht.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Es wird doch ein Nottelefon geben, nur für den Fall, dass einer von euch sich beim Training verletzt.«
»Für den Fall haben wir einen Arzt hier«, entgegnete Mark Thomson, einer der englischen Spieler, in einem fast perfekten Deutsch. Ich kann mich noch erinnern, vor ein paar Jahren ein Interview mit ihm gesehen zu haben, da hatte er Probleme, überhaupt die Fragen der Reporter zu verstehen. Und auch für seine Antworten war er immer wieder zu Englisch übergegangen. Ich musterte den Mann mit dem kahl geschorenem Kopf für einen Augenblick bewundernd.
»Und was, wenn sich jemand ein Bein bricht? Soll alles schon passiert sein.«
»Nimm das sofort wieder zurück, das bringt Unglück«, sagte Steve, der vor einiger Zeit mit Christine zusammen gewesen war. Diese Beziehung war auch meinem Skandalartikel zum Opfer gefallen.
»Das war nur ein Beispiel und keine Verwünschung, aber gut, wenn es euch so wichtig ist: Ich nehme es zurück«, sagte ich und versuchte die aufkommende Wut zu beherrschen. »Telefon?«
»Es gibt keins.«
»Okay, ich gebe auf. Würde mich dann bitte jemand zu meinem Auto bringen, damit ich meine Schuhe und meinen Koffer holen kann?«
»Geht nicht, unser Training geht in fünf Minuten weiter.«
Ich sah die Männer ungläubig an. Mir wurde von Minute zu Minute kälter und ich wollte nur noch unter eine sehr heiße Dusche.
»Eigentlich könnte Luca. Er darf heute nicht trainieren, er hat sich den Oberschenkelmuskel gezerrt.« Steve schmunzelte.
»Oh, das tut mir leid«, platzte ich ungewollt heraus. Aber schließlich wusste ich, dass so eine Verletzung kurz vor Start der Weltmeisterschaft ihn vielleicht auf die Ersatzbank katapultierte.
Luca Rodari knurrte nur etwas Unverständliches und sagte dann: »Laufen tut mir auch nicht gut.«
»Okay, schon gut. Ich werde alleine gehen. Vielleicht schaffe ich es ja zurück, bevor ich mir eine Lungenentzündung geholt habe.«
»Das kannst du nicht zulassen«, sagte Mark und grinste so breit, dass ich den Eindruck hatte, Joker aus Batman stand vor mir.
»Schon gut.« Luca stürmte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck an mir vorbei, der keine Fragen darüber offen ließ, dass er überhaupt keine Lust darauf hatte, mir zu helfen. Ich versuchte mit seinen großen Schritten mitzuhalten, was aber nicht möglich war. Meine Beine waren gute dreißig Zentimeter kürzer als seine. Und ich hatte keine Schuhe an.
»Wir nehmen mein Motorrad, das verkürzt die Zeit, die wir zusammen verbringen müssen«, sagte er laut genug, damit auch die anderen hinter uns die unterschwellige Beleidigung nicht überhören konnten und strich seine schwarzen welligen Haare hinter seine Ohren. Ich zuckte lässig mit den Schultern und verschloss mein Herz sorgfältig gegen Lucas Beleidigungen. Nur um Sekunden später zu bereuen, dass ich eben noch Mitleid mit ihm gehabt hatte wegen seiner Verletzung. Wir standen vor dem Motorrad, das vorhin an mir vorbeigefahren war und wegen dem ich jetzt so aussah, als hätte ich eine Schlammpackung gehabt.
Ich verkniff mir jeglichen Kommentar und stieg hinter Luca auf die Maschine. Jetzt etwas zu sagen, würde nur dazu führen, dass Luca es sich anders überlegte und ich doch noch laufen musste. Und wer war ich denn, dass gerade ich Luca Rodari Vorwürfe machen durfte? Beim Aufsteigen rutschte mir der Rock die Oberschenkel hinauf und entblößte die letzten schlammfreien Zentimeter Haut meines Körpers. Luca sah auf meine nackten, etwas zu fülligen Schenkel und grinste. Ich stöhnte genervt auf.
Mit einem heftigen Ruck, der mich fast wieder vom Sattel des Motorrades katapultiert hätte, fuhr die Maschine an. Ich ruderte kurz mit meinen Armen und fand dann Halt um Luca Rodaris Taille. Verzweifelt schloss ich die Augen. Das konnte einfach alles nicht wahr sein! Es war ja nicht so, dass ich diesen Mann in irgendeiner Weise hasste, aber der Hass, den er für mich empfinden musste, würde wohl für uns beide reichen.
Und mit diesem Wissen fühlte es sich einfach nicht besonders gut an, ihm so nahe zu sein. Ich gebe es zu, mein schlechtes Gewissen fraß mich auf. Würde dieser Artikel nicht zwischen uns stehen, könnte ich vielleicht sogar genießen, diese harten Bauchmuskeln unter meinen Händen zu fühlen. Oder diesen maskulinen, herben Duft nach Mann und einem würzigen Aftershave zu riechen. Ja, ich hätte es vielleicht sogar genossen, seine vom Fußball geformten Oberschenkel an meinen zu spüren. Aber unter den vorliegenden Umständen ignorierte ich jegliche solcher Empfindungen und konzentrierte mich stattdessen darauf, nicht vom Motorrad zu fallen, weil der Fahrer jedes Loch mitnahm, das er erwischte.
An meinem Mini angekommen sog ich tief die Luft ein und stieg mit zittrigen Beinen von der Maschine. Bevor ich mich meinem Auto zuwandte, blieb ich neben Luca stehen. Es regnete schon wieder in Strömen und ich konnte nicht umhin, die ausgeprägten Brustmuskeln zu bewundern, die sich unter dem nassen Stoff seines Shirts abzeichneten. Sein glänzend dunkles Haar hing in feuchten Strähnen herunter. Die Spitzen lockten sich leicht nach innen und streichelten ein markant geschnittenes Kinn in dessen Mitte - oh heiliger Vater! - ein Grübchen saß. Das ganze Kunstwerk wurde von einer römischen Nase, vollen Lippen und einem wirklich erotisch anmutenden dunklen Dreitagebart vollendet. Ja, dieser Mann war zweifellos italienischer Herkunft. Hatte ich schon erwähnt, dass ich auf den südländischen Typ stand?
»Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, mich bei Ihnen persönlich zu entschuldigen«, setzte ich an und versuchte, nicht auf den Boden zu sehen, sondern Luca Rodari direkt anzusehen, um die Ernsthaftigkeit meiner Entschuldigung zu unterstreichen. »Ich weiß, eine Entschuldigung kann nicht wieder gutmachen, dass sich Ihre Frau von Ihnen hat scheiden lassen, wegen des Artikels, den ich geschrieben habe.«
Ich trat von einem Fuß auf den anderen und unter mir schmatzte der matschige Boden. Luca saß noch immer auf der Honda und rührte sich nicht. Sein Gesichtsausdruck war unbewegt. Mir wäre lieber gewesen, Wut oder Abweisung darin zu sehen, aber da war nichts als Kälte.
»Ich gebe Ihnen Recht, das Foto von Ihnen in den Armen einer anderen Frau in einer dunklen engen Gasse war auch nicht besonders hilfreich gewesen, aber Sie müssen zugeben, die Situation wirkte ziemlich eindeutig.«
Und ein wenig hatte auch meine klischeebehaftete Vorstellung des heißblütigen untreuen Südländers in meine Interpretation der Situation mit eingespielt. »Aber Sie haben ja auch nicht gerade dazu beigetragen, der Welt zu verraten, dass die Frau auf dem Bild ihre Adoptivschwester war.« Das hatte er wirklich nicht.
Selbst als dieser Artikel sämtliche Reporter und Klatschpressen der Welt auf den Plan gerufen hatte, hatte Luca Rodari niemandem gesagt, dass die Frau, von der man auf dem Foto nur ihr blondes Haar gesehen hatte, seine Schwester war. Er hatte einfach geschwiegen und alle im Glauben gelassen, er hätte seine Frau betrogen.
Luca schnaubte verächtlich. »Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, zu recherchieren, bevor Sie solch einen Unfug über mich verbreiten. Und wie lange sollen wir hier noch rumstehen? Sind Sie endlich fertig damit, sich zu entschuldigen?«
Jetzt war ich wütend. Es fiel mir wirklich nicht einfach, das hier durchzuziehen. Konnte er nicht wenigstens so tun, als würde er meine Entschuldigung zur Kenntnis nehmen und es anerkennen, dass ich es versuchte? Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein, bin ich nicht. Erst akzeptieren Sie meine Entschuldigung.«
»Einen Dreck werde ich tun. Ich werde Sie hier stehenlassen und wieder fahren, wenn Sie nicht sofort Ihre Sachen holen. Nicht nur Sie können sich bei diesem Sauwetter eine Lungenentzündung holen, ich kann das auch. Und dann fällt die Weltmeisterschaft wirklich flach für mich.«
Ich zuckte zusammen. Das hatte ich nicht bedacht. Wenn das passieren würde, und ich wäre der Grund für Lucas Ausfall, dann würde mich ein ganzes Land lynchen. Schon wieder! Dann wäre mein Skandalartikel noch mein kleinstes Problem.
Unzufrieden mit meinem erfolglosen Versuch, uns die nächste Woche durch meine Entschuldigung zu erleichtern, wandte ich mich dem Kofferraum des Minis zu und zog meinen Koffer heraus. Ich hielt ihn so hoch es ging und angelte mit der anderen Hand noch nach dem zweiten Koffer, dann sah ich zweifelnd zum Motorrad und stöhnte. Es gab nur einen Weg, wie ich die Koffer ins Camp bekommen würde: zu Fuß. Unmöglich konnte ich sie die Fahrt über hochhalten. Selbst eine Person mit einer besseren Fitness als meiner hätte damit ihre Probleme. Frustriert schloss ich die Augen.
»Nun kommen Sie schon endlich!«
»Ich werde wohl laufen müssen, für die Koffer gibt es auf Ihrem Motorrad keinen Platz.«
»Ich schnalle sie auf dem Sattel fest.«
»Gut, dann muss ich die Koffer wenigstens nicht tragen und kann hinterherlaufen.«
»Sie laufen nicht.« Luca stieg vom Motorrad und kam auf mich zu. Seine Lippen waren fest aufeinandergepresst. Er nahm mir knurrend die beiden Esquire ab und ging damit zurück zur Honda. Aus der Satteltasche zog er einen Gurt und befestigte beide Koffer damit. Ich zog eine Augenbraue hoch und trat näher.
»Wenn Sie glauben, ich setze mich auf die Koffer, dann haben Sie sich geirrt.«
»Keiner sagt, Sie sollen sich auf die Koffer setzen. Sie setzen sich vor mich.« Luca stieg auf und sah mich abwartend an. Ich sah ihn zweifelnd an. Vor ihm auf diesem Gefährt zu sitzen, brachte mich in noch engeren Kontakt mit seinem Körper und ich wusste nicht, ob mir das gefiel. Was ich aber sicher wusste, war, dass mir das Kribbeln in meiner Magengrube, das mich bei dieser Vorstellung überkam, sehr wohl missfiel.
»Entweder kommen Sie jetzt oder ich werde Sie wirklich hier stehenlassen.«
Ich trat unschlüssig an das Motorrad heran und musterte das hohe Chromlenkrad, den wirklich breiten Tank und Luca.