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Ein packender Krimi über Menschenhandel, Gewalt und Geldwäsche von Dänemarks Bestseller-Duo Nr. 1 In einer entlegenen Hütte im Wald nördlich von Kopenhagen wird eine junge afrikanische Zwangs-Prostituierte von Gangstern gefoltert. Weil sie rebelliert, ihren Kunden nicht zu Willen ist. Doch die Aktion läuft aus dem Ruder. Als die Frau stirbt, wird ihre Leiche in einem Moortümpel versenkt. Nur durch Zufall werden ihre Überreste von einem streunenden Jagdhund entdeckt. Niemand weiß, wer sie ist, niemand hat sie vermisst gemeldet. Kommissar Konrad Simonsen übernimmt die Ermittlungen. Die Moorleiche ist für ihn der Schlüssel zu einer Welt gnadenloser Gewalt, in der Fehler mit dem Leben bezahlt werden. Es geht um Menschenhandel, Geldwäsche und Zwangs-Prostitution. Die Spur führt bis in beste Kreise. "Das Beste, was Dänemark seit Jahren im Krimi zu bieten hat." Lars Kepler
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Seitenzahl: 536
Lotte & Søren Hammer
Totenmoor
Kriminalroman
Aus dem Dänischen von Maike Dörries und Günther Frauenlob
Knaur e-books
In einer entlegenen Hütte im Wald nördlich von Kopenhagen wird eine junge afrikanische Prostituierte von Gangstern gefoltert. Weil sie rebelliert, ihren Kunden nicht zu Willen ist. Doch die Aktion läuft aus dem Ruder. Als die Frau stirbt, wird ihre Leiche in einem Moortümpel versenkt. Nur durch Zufall werden ihre Überreste von einem streunenden Jagdhund entdeckt. Niemand weiß, wer sie ist, niemand hat sie vermisst gemeldet. Kommissar Konrad Simonsen übernimmt die Ermittlungen. Die Tote aus dem Moor ist für ihn der Schlüssel zu einer Welt gnadenloser Gewalt, in der Fehler mit dem Leben bezahlt werden. Es geht um Menschenhandel, Geldwäsche und Zwangsprostitution. Und die Spur führt in beste Kreise …
Mitte März kam der erste richtige Frühlingstag. Hoch über den Stoppelfeldern trillerten Lerchen, warme Sonnenstrahlen spiegelten sich in den morgendlichen Pfützen und lockten die mutigsten der Buschwindröschen aus dem Waldboden.
Zwischen Lillerød und Lynge fuhr ein schwarzer Audi A8 über die Landstraßen Nordseelands und zog neidische Blick auf sich. Der Fahrer des Wagens trat das Gaspedal durch und genoss, wie sich der Wagen regelrecht an die Straße saugte, während die Landschaft immer schneller vorbeirauschte.
»Fahr nicht so schnell.«
Henrik Krag sah zum Beifahrersitz hinüber. Jan Podowski hatte die Augen halb geschlossen, schlief aber nicht. Er war schwer einzuschätzen. Zwischendurch war er völlig abwesend, nahezu unerreichbar, obwohl er schon eine Woche abstinent war. Andere Male war er schon morgens betrunken, reagierte aber trotzdem schnell und heftig. Henrik Krag wurde einfach nicht schlau aus ihm. Er arbeitete nun seit bald zwei Monaten mit ihm zusammen, wusste aber noch immer nicht, ob er ihn mochte oder nicht.
»Es ist doch nichts los.«
»Den Führerschein können sie dir trotzdem abnehmen, außerdem steht das nicht zur Diskussion.«
Jan Podowskis Stimme war ruhig, gelassen und entspannt. Er brauchte sich aber auch keinen Kopf zu machen, da vollkommen klar war, wer von ihnen das Sagen hatte. Henrik Krag parierte ohne Widerrede. Er war Anfang zwanzig, mit wilden, blonden Haaren, Vertrauen einflößenden blauen Augen, kräftigen Armen und einer ziemlich langen polizeilichen Akte. Er hatte sich mit aller Macht vorgenommen, seinen neuen Job gründlich zu machen, von dem erfahrenen Kollegen zu lernen und die Chance beim Schopf zu packen. Bis jetzt war alles gutgegangen, jedenfalls seiner Meinung nach, aber ihn fragte ja niemand.
»Richtig geile Karre. Wie lange haben wir die?«
»Bis unser Wagen wieder fertig ist.«
»Und wann wird das sein?«
Der ältere Mann antwortete beiläufig: »Dienstag oder Mittwoch, vielleicht auch später.«
»Wollen wir hoffen.«
Sie fuhren schweigend weiter, bis Krag erneut auf das Auto zu sprechen kam.
»Was kostet so ein Schlitten eigentlich?«
»Mehr als du in deinem ganzen Leben verdienen wirst. Fang also gar nicht erst an, davon zu träumen.«
Vom Rücksitz meldete sich eine Stimme.
»Warum nicht? Lass ihn doch träumen, Paw Pojanski. Träume sind gut, die halten die Leute bei der Stange. Hast du etwa nicht irgendwelche unrealistischen Wünsche? Zum Beispiel, ein paar Jahre länger zu leben?«
Von hinten kam ein klares, perlendes Lachen. Jan Podowski zog den Kopf ein.
»Es wäre mir sehr recht, wenn du mich nicht mehr so nennen würdest, Benedikte. Du weißt genau, wie ich heiße«, sagte Jan Podowski.
Sie lachte wieder, und ganz gegen seinen Willen musste Henrik Krag lächeln. Er konnte nicht anders, dabei hätte er seinen Kollegen gerne unterstützt. Er drehte den Rückspiegel etwas und musterte verstohlen die Frau hinter sich, die auch Träume in ihm weckte.
Benedikte Lerche-Larsen war auf erfrischende und direkte Art sinnlich. Henrik Krag schätzte, dass sie ungefähr in seinem Alter war, vielleicht etwas jünger. Sie war fraglos eine Schönheit mit ihren roten Haaren und den hohen, ausgeprägten Wangenknochen. Irgendwie wirkte sie verspielt und sorglos, so dass man jederzeit mit einem unwiderstehlichen Lächeln rechnete.
Sie bemerkte, dass er sie über den Spiegel betrachtete, zog einen Mundwinkel hoch, legte den Kopf schräg und hielt seinen Blick fest. Henrik Krag konnte seine Augen nicht von ihr lassen, auch wenn ihre Reaktion ihm nicht gefiel. Plötzlich änderte sie ihr Verhalten:
»Glotz mich nicht so an, für wen hältst du dich eigentlich?«
»Entschuldigung.«
»Willst du wirklich wissen, was die Autos meines Vaters kosten? Er hat drei, und das hier ist das billigste. Das entspricht so in etwa dem, was fünfundzwanzig Nutten erwirtschaften können. Und an diesem Punkt kommst du ins Spiel, mein kleiner Freund, denn einige von denen sitzen lieber auf ihren platten Ärschen und feiern die Miete ab, statt ihren Job zu machen.«
Sie deutete mit dem Kopf auf ihre Sitznachbarin.
»Ja, ich rede von dir, wertes Fräulein. Wir haben dich hier in dieses zivilisierte Land geholt, und jetzt willst du plötzlich deinen Teil der Abmachung nicht mehr einhalten? Aber weißt du was? Meiner Familie tanzt keiner auf der Nase herum, und ich garantiere dir, dass hier bald ein ganz anderer Wind weht.«
Die junge Frau hatte ihr Gesicht zu einer ängstlichen Grimasse verzogen, die dennoch zeigte, dass auch sie hübsch war. Ihr Alter war schwer zu schätzen. Sie drückte sich in die äußere Ecke der Rückbank, so weit weg von Benedikte Lerche-Larsen wie möglich, und zog den Hals ein, als sie angesprochen wurde, obwohl sie sicher nur Bruchstücke von dem Gesagten verstand. Niemand außer ihr selbst kannte ihren richtigen Namen. Hier in Dänemark hieß sie Jessica. Alle Frauen ihrer Lieferung hatten der Einfachheit halber einen Namen bekommen, der mit »J« anfing.
Henrik Krag warf einen kurzen Blick über die Schulter und musterte sie. Als sie sie vor einer Stunde abgeholt hatten, hatte sie geweint, und jetzt flossen erneut Tränen.
Benedikte Lerche-Larsen warf einen Blick auf das Mädchen, verlor das Interesse und beugte sich zwischen den Sitzen vor.
»Hast du ihm gesagt, wie es weitergeht?«
Die Frage galt Jan Podowski.
»Das ist doch nicht schwer zu erraten.«
»Dann weiß er nicht, dass es das zweite Mal ist?«
»Nein.«
Sie richtete sich an Henrik Krag.
»Na, das wird ja spannend. Für dich ist es das erste Mal, Henrik, aber unsere Heulsuse hier kennt das bereits. Während du noch gar nicht weißt, was du zu tun hast. Das wird eine echte Feuertaufe!«
Henrik Krag antwortete nicht. Was sollte er auch sagen? Sie würde ihn mit ihrer Schlagfertigkeit ohnehin übertrumpfen. Und mit alldem anderen, das sie so unnahbar machte.
»Wie hieß noch mal die andere, die das zweimal durchstehen musste, bis sie endlich begriffen hat, warum wir sie importiert haben? Nein, sag nichts, ich komme selbst auf den Namen. Moment … Isabella, das war Isabella, nicht wahr, Jan?«
»Stimmt.«
»Ha, wusste ich doch, dass ich mich erinnern würde. Weißt du, was Jan mit ihr gemacht hat, Henrik? Er hat die Starterkabel seines Autos genommen, die eine Klemme an ihre Zunge geklemmt und die andere an ihre … na ja du ahnst es schon, oder? Auf jeden Fall hat sie gequiekt wie ein Schwein, bevor der Strom überhaupt eingeschaltet war.«
Das Auto machte einen leichten Schlenker auf die Gegenfahrbahn. Henrik Krag war sichtlich beeindruckt von dem Bild, das in seinen Hinterkopf gehämmert wurde. Benedikte Lerche-Larsen genoss den Effekt, den sie auf den jungen Mann hatte, schob ihre Hand vor und wickelte eine von Henriks blonden Locken um ihren Finger.
»Oje, war das so leicht auszurechnen? Aber du irrst dich, mein Freund, wir machen unsere Ware doch nicht selbst kaputt. Wer will schon jemanden kaufen, der …«
Jan Podowski unterbrach sie.
»Wenn du irgendwo Coke hast, solltest du es jetzt lieber aus dem Fenster schmeißen, Benedikte.«
»Hä? Wovon redest du?«
»Davon, dass die kleine goldene Antiquität in deiner Tasche eine Durchsuchung überstehen sollte. Nur für den Fall der Fälle, meine ich. Außer du hast Lust auf einen Ausflug auf die Polizeiwache von Hillerød.«
Auch Henrik Krag war inzwischen auf die Straßensperre aufmerksam geworden, er drosselte das Tempo und schob den Kopf nach vorn, um die Haarsträhne von ihrem Finger zu befreien. Einige hundert Meter vor ihm standen einige Wagen am Straßenrand. Ein Polizist in gelber Warnweste mit weißen Reflektorstreifen blockierte mit seinem Motorrad die Straße. Benedikte Lerche-Larsen streckte den Hals. Nachdem sie sich einen Überblick verschafft hatte, fragte sie etwas verunsichert:
»Was ist da los, Jan?«
»Keine Ahnung. Alkoholkontrolle? Radar? Was weiß ich?«
»Hat das irgendwas mit uns zu tun?«
»Nein, aber das kann noch kommen, wenn du dich nicht anständig benimmst.«
Benedikte Lerche-Larsen schob die Hand in die Tasche und fischte ein reichverziertes Goldetui heraus, aber statt den Inhalt nach draußen in die Frühlingsluft zu entleeren, reichte sie das Etui Henrik Krag.
»Halt mal.«
Henrik Krag sah fragend zu Jan Podowski hinüber. Der ältere Mann zuckte resigniert mit den Schultern, und Henrik Krag steckte das Etui in die Tasche. Dann fragte er:
»Und was ist mit Jessica? Ich meine, falls sie rauswill?«
»Warum sollte sie das wollen?«
»Na ja, da vorne steht die Polizei … dein Freund und Helfer …«
»So läuft das nicht.«
»Wie?«
»Das System, denk doch mal nach. Wenn Jessica zu den Polizisten geht, schicken die sie nur zurück nach Nigeria. Und in ihrem Heimatland gibt es Menschen, vor denen sie viel mehr Angst hat als vor uns.«
»Und das weiß sie?
»Unter Garantie. Das wissen die alle.«
Jan Podowski sollte recht behalten. Die afrikanische Frau machte keine Anstalten, bei den Polizisten Schutz zu suchen, begann aber zu zittern und unverständlich vor sich hin zu murmeln, als der Wagen kurz nach dem Kontrollpunkt von der Hauptstraße auf einen kleinen Waldweg abbog. Henrik Krag wich den schlimmsten Schlaglöchern aus und bog in einen noch schmaleren Weg mit tiefen Fahrspuren ein. Die dunklen Nadelbäume über ihnen schirmten das Licht ab, bevor sie schließlich auf eine kleine Lichtung kamen, auf der ganz am Ende eine kleine, unauffällige Holzhütte stand.
Kaum hatte der Wagen gehalten, stieg Benedikte Lerche-Larsen aus und verschwand ohne weiteren Kommentar im Wald. Die beiden Männer blieben sitzen, Jan Podowski nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Flachmann.
»Was macht die jetzt?«, fragte Henrik Krag.
»Pinkeln, wahrscheinlich.«
»Warum ist sie überhaupt mitgekommen? Ich dachte, wir sollten alleine fahren.«
»Vergiss sie und mach die Arbeit, für die du bezahlt wirst.«
Henrik Krag nickte. »Stimmt das, was sie über Isabella gesagt hat?«, fragte er.
»Nur zum Teil. Sie hat übertrieben. Aber mach dir keine Sorgen, diese Methode wenden wir heute nicht mehr an. Sie war zu unberechenbar, außerdem sprang hinterher das Auto nicht mehr an.«
»Und was machen wir stattdessen?«
Eigentlich sollte die Frage ganz beiläufig klingen, als wäre ihm das alles egal. Der Ältere nahm seine Nervosität aber trotzdem wahr.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er leise. »Das wird schon. So schlimm ist das nicht. Komm, strecken wir die Beine aus, das wird uns guttun.«
Sie stiegen aus und blieben neben dem Wagen stehen. Henrik Krag bemerkte, dass sein Partner bei jeder Bewegung keuchte. Das ist echt nicht normal, dachte er.
»Ich will gar nicht drum herumreden, das hier ist definitiv der übelste Teil des Jobs. Aber wir müssen das glücklicherweise nicht oft machen, maximal zwei- bis dreimal im Jahr. Außerdem wird es mit der Zeit immer leichter. Das erste Mal ist mit Abstand am schlimmsten«, sagte Jan Podowski, als er wieder zu Atem gekommen war.
Henrik Krag nickte. Ein schwacher Trost, dachte er.
»Die haben alle mindestens zwei Monate Erfahrung aus anderen Bordellen, bevor wir sie übernehmen. Da sind ihnen die schlimmsten Macken schon rausgeprügelt worden. Und bei den wenigen, die noch immer rumzicken, reichen in der Regel ein paar Ohrfeigen, kombiniert mit den richtigen Worten. Es kommt echt selten vor, dass wir die ganz großen Geschütze auffahren müssen. Das ist dann ihre letzte Chance. Wenn das nicht hilft, geben wir sie zurück.«
»Warum?«
»Weil Gewalt nicht ins Geschäftskonzept passt. Die meisten unserer Partner wollen damit nichts zu tun haben.«
»Und was hat sie gemacht?«
»Frag lieber, was sie nicht gemacht hat. Sie liegt wie ein Stück totes Fleisch unter den Kunden. Es gab jetzt schon mehrere Klagen, und sieben oder acht Kunden wollten ihr Geld zurück, ganz genau weiß ich das auch nicht. Das Seltsame ist, dass es anfangs nie Klagen gab, da hat sie noch richtig mitgearbeitet. Was plötzlich in sie gefahren ist, weiß niemand so genau.«
»Und was sagt sie selber?«
»Nichts, oder nichts, das irgendeinen Sinn ergeben würde.«
»Möglich, dass sie es selbst nicht weiß.«
Ein Hoffnungsschimmer zeichnete sich in Henrik Krags Hirn ab. Vielleicht half es ja, mit der jungen Frau zu reden. Er schlug Jan Podowski vor, sie so zur Vernunft zu bringen, aber der winkte gleich ab.
»Wer weiß, das werden wir dann heute Abend sehen.«
»Sie hat heute Abend einen Kunden?«
»Klar. Außerdem, bei Winter oder frostigen Temperaturen wirkt es häufig Wunder, wenn man sie eine halbe Stunde ohne Klamotten draußen anbindet. Der Effekt ist echt nicht zu unterschätzen. Ich habe das schon dreimal gemacht und alle drei haben anschließend ohne zu murren gearbeitet, und das sogar im Sommer.«
Er lachte, als hätte er einen Witz gemacht, und Henrik Krag lachte mit.
»Schau mal, unser Fräulein kommt von ihrem Spaziergang zurück. Bring du Jessica in die Hütte, ich schließe auf und hole dann unsere Sachen.«
Henrik Krag drehte sich um und sah Benedikte Lerche-Larsen. Es war Zeit, mit der Arbeit anzufangen.
Die Blockhütte war eine reine Jagdhütte ohne jeden Komfort. Rechts und links waren zwei schmutzige Fenster, an der einen Stirnwand stand ein Etagenbett mit verstaubten Schaumgummimatratzen, an der anderen ein gusseiserner Ofen mit einem langen Ofenrohr. Möbliert war der Raum mit einem langen, an den Boden genagelten Tisch und schweren Holzstühlen. An den Wänden hingen ein Stahlstich von einem Jäger mit Hund und mehrere morbide wirkende Hirschgeweihe mit weiß schimmernden Schädelplatten. Die Luft war abgestanden und schwer. Henrik Krag rümpfte die Nase. Dosenbier, Nikotin und ein alter Grillrost mit angebranntem Fett konkurrierten mit Schimmel- und Modergeruch. Er überlegte, ein Fenster zu öffnen, ließ es dann aber bleiben.
Sie hängten das Mädchen mit einem Seil an einem der Deckenbalken auf. Sie war nackt und ließ den Kopf hängen, nachdem Jan Podowski ihr mit routinierten Handbewegungen die Hände gefesselt, die Arme über die angewinkelten Knie geschoben und einen kräftigen Stock zwischen Armen und Kniekehlen hindurchgeschoben hatte.
Das andere Ende des Seils befestigte Podowski mit einer Schlaufe an dem gusseisernen Ofen. Sie wimmerte leise. Ihre lockigen Haare hingen wie schwarze Wolle herunter, während ihnen das Weiß ihrer Augen entgegenblitzte.
Henrik Krag war nicht wohl in seiner Haut, und er wandte den Blick für einen Moment ab, bis Jan Podowski ihm den kunstfertig aus einem Elektrokabel geflochtenen Klöppel reichte. Er war gleichermaßen schwer wie flexibel. Dann ging sein Blick zurück zu dem Mädchen. Eines ihrer Haargummis war heruntergerutscht und hing wie ein schwarzes, gut getarntes Insekt an den Spitzen ihrer Haare.
»Schlag sie über den Schenkeln, vom Arsch über den Rücken bis zu den Schultern. Aber lass Nieren, Nacken und Geschlechtsorgane aus.«
Jan Podowski zeigte ihm wie ein Lehrer die entsprechenden Bereiche, ohne sie zu berühren.
»Wie oft soll ich sie schlagen«, fragte Henrik Krag.
»Bis ich stopp sage.«
»Und wie hart?«
»So hart du kannst.«
Damit waren alle Fragen geklärt, es gab keinen Grund mehr, die Sache noch länger hinauszuzögern. Henrik Krag wog den Klöppel in der Hand und schlug ihn dann kraftvoll, aber kontrolliert auf den Rücken des Mädchens. Sie schluchzte auf, zuckte vor Schmerz zusammen und schaukelte langsam an ihrem Seil vor und zurück. Wie ein Mehlsack. Henrik Krag biss die Zähne zusammen, um die Tränen zurückzuhalten, die ihm in die Augen stiegen.
»Ist das alles? Das kannst du doch wohl besser, du hast doch mehr Kraft, Mann.«
Er schlug noch einmal, auf die gleiche Stelle, dieses Mal tatsächlich so fest er konnte. Das Mädchen schrie herzzerreißend, Benedikte Lerche-Larsen sah weg, und Jan Podowski nickte müde.
Henrik Krag fühlte eine seltsame Wut in sich aufsteigen, eine Wut auf das Mädchen, das er schlug. Vielleicht ihrer Schreie wegen, vielleicht weil er sie aus dem Auto hier in die Hütte hatte schleppen müssen oder weil sie nicht einmal bereit gewesen war, sich selbst auszuziehen. Vielleicht aber auch nur, weil sie hilflos vor ihm hing und er sie schlagen musste. Das Schlagen fiel ihm zunehmend leichter, er schlug fünf Mal, zehn Mal, zwanzig Mal, er zählte nicht mehr mit, wollte es einfach nur hinter sich bringen. Die Schreie gingen ineinander über, nur noch unterbrochen vom Luftholen. Und dann, als alles endlich wie von selbst lief, traf Henrik Krag mit dem nächsten Schlag das Seil. Die Schlaufe am Ofen löste sich, und das Mädchen stürzte kopfüber zu Boden. Ihr Hals brach mit einem hässlichen Knacken. Dann war es still.
Der See lag eingezwängt zwischen den unregelmäßigen Steilhängen. Vor Urzeiten hatte das abschmelzende Eis hier ein Tal in die von Nadelwald dominierte Landschaft gegraben, in dem die Laubbäume nun eine kleine Nische hatten. Die Ufer waren von Schilf, Rohrkolben und Schwadengras gesäumt, und weiter zum Land hin folgte ein Streifen Wollgras, dessen grauweiße Köpfe im Wind wogten.
Es gab keinen offiziellen Namen für den See, dafür war er zu klein und zu gut versteckt. Für die Leute aus der Gegend war er bloß der kleine See, und für die anderen, die sich in diese Gegend verirrten – vorwiegend Ornithologen oder Jäger –, war der Name des Sees uninteressant. Mit Ausnahme des östlichen Ufers, das auf einer historischen Karte als Totenmoor bezeichnet war. Einer alten Sage nach hatte genau an dieser Stelle 1658 auf dem Weg nach Kopenhagen ein Trupp schwedischer Soldaten gelagert, um einen der zahlreichen Bruderkriege gegen Frederik III. zu führen. Abends sollen die Fremden sich mit den Töchtern der Bauern vergnügt haben, ob diese wollten oder nicht. Die Orgie gipfelte darin, dass der Pastor der Kolleløse Kirche im See ertränkt wurde, als er mutig und allein mit Gottes Wort und seinem eigenen Zorn bewaffnet den Männern entgegentrat, um die Vergewaltigungen zu beenden. Die Geschichte war mit der Zeit sicher ausgeschmückt worden, aber noch heute hielten die Ortsansässigen und Alten daran fest, dass man sich dreifach bekreuzigen musste, bevor man im Totenmoor Gras schneiden konnte. Wer das nicht tat, dem widerfuhr noch vor Ablauf des Jahres ein schreckliches Unglück.
Jan Podowski bekreuzigte sich nicht. Zum einen, weil er die Legende nicht kannte, zum anderen, weil das Unglück bereits über ihn hereingebrochen war. Er stand am Ufer des Sees und starrte in den mannshohen Schilfgürtel. Hinter ihm wartete schweigend Benedikte Lerche-Larsen, und zwischen ihnen lag ein grob zugehauener Granitstein, an den mit dem gleichen Strick, mit dem sie das Mädchen bestraft hatten, zwei solide Fichtenäste gebunden waren. Jan Podowski drehte sich um.
»Gute Leistung, Benedikte.«
Er deutete mit dem Fuß auf den Meilenstein zwischen ihnen. Seinem Gewicht zum Trotz war es ihnen gelungen, den Stein fast zwei Kilometer weit zu schleppen. Benedikte hatte nicht ganz so viel stemmen müssen wie Henrik, da sie die Last über die Länge der Holzträger ausgeglichen hatte, aber das minderte ihre Leistung kaum. Trotzdem perlte das anerkennende Lob an ihr ab.
»Was wirst du meinem Vater sagen?«, fragte sie.
»Dass es ein Unfall war, über den er nichts wissen will. Ja und natürlich auch, dass er diese Investition abschreiben muss.«
»Sonst nichts?«
»Nein, sonst nichts. Das reicht doch wohl. Deine Mutter und dein Vater kalkulieren solche Rückschläge im Budget ein.«
»Und was ist mit mir?«
»Was soll mit dir sein?«
»Wirst du ihnen sagen, dass ich dabei war?«
Der ältere Mann zögerte mit seiner Antwort. Von irgendwoher war der hohle Ruf einer Rohrdommel zu hören.
»Ich dachte, du wärst heute auf Wunsch deiner Mutter hier? Damit wir nicht zu brutal vorgehen.«
»Lass das, Jan. Du weißt ganz genau, dass das eine Lüge war.«
Er wusste tatsächlich, dass ihre Mutter sie nicht geschickt hatte, aber das hinderte ihn nicht, den schwelenden Konflikt zwischen ihr und ihren Eltern anzusprechen.
»Dir ist doch klar, dass deine Eltern dich nicht aus dieser misslichen Lage retten können, oder? Dir droht jahrelanger Knast. Genau wie Henrik und mir.«
Sie nickte gereizt.
»Ich weiß, wie … misslich die Lage ist, um deine Worte zu nutzen. Wir drei stecken bis zum Hals in der Scheiße.«
Es gelang Henrik Krag, seine Last bis nach unten ans Ufer des Sees zu bugsieren, ohne ein einziges Mal auszurutschen oder das Gleichgewicht zu verlieren. Mit dem nackten, toten Mädchen über der Schulter taumelte er von einem Baum zum nächsten, bis er schließlich neben den beiden anderen stand. Er legte das Mädchen neben dem Stein ab.
»Hat dich auch niemand gesehen?«, fragte Jan Podowski.
Die Frage war überflüssig. Wäre ihm jemand begegnet, würde er kaum so ruhig vor ihnen stehen. Tatsache blieb aber, dass Jan Podowski ein hohes Risiko eingegangen war, den Jungen das Mädchen auf diese Weise tragen zu lassen. Andererseits wäre jede Alternative genauso riskant gewesen.
»Ich glaube nicht«, antwortete Krag.
»Und die Hütte kann jetzt angezündet werden?«
»Ja.«
Benedikte Lerche-Larsen hatte der Leiche und damit auch den beiden Männern den Rücken zugewandt.
»Warum willst du sie anstecken, das erregt doch nur Aufsehen«, fragte sie.
»Weil das notwendig ist. Wir haben in der Hütte einen Haufen Spuren hinterlassen, die zu finden sind, falls jemand sucht.«
Auf Jan Podowskis Geheiß wurde die Leiche des nigerianischen Mädchens mit dem Stein und den Ästen zusammengeschnürt. Das Ganze war sehr umständlich, und Henrik Krag fürchtete, jeden Moment entdeckt zu werden. Von einem Förster oben am Waldrand, oder – noch schlimmer – von mit Gewehren bewaffneten Jägern. Aber nichts dergleichen geschah, und ihre makabre Arbeit schritt ruhig und gleichmäßig voran. Erst befreiten sie den Stein von den Stangen, dann befahl Podowski, zwei parallele Gräben auszuheben, beide etwa einen halben Meter lang und fünf Zentimeter tief. Mit einem Stock markierte er, wo gegraben werden sollte. Mit den bloßen Händen begannen die beiden jungen Menschen zu graben, ohne nach dem Zweck zu fragen. Henrik Krag wollte nicht dumm wirken, und Benedikte Lerche-Larsen gehorchte, weil sie längst eingesehen hatte, dass sie diesen Alptraum am schnellsten hinter sich lassen konnte, wenn sie ohne Widerrede gehorchte. Als sie mit dem Graben fertig waren, legten sie die Stangen im rechten Winkel über die Gräben, rollten den Stein heran und hievten ihn längs darauf. Auf diese Konstruktion legten sie das Mädchen, in einer obszönen Positur, die schlaffen Arme und Beine zur Seite gespreizt, als umarme sie den Stein. Jan Podowski und Henrik Krag schnürten sie so fest, wie es nur ging, und Benedikte Lerche-Larsen führte das Ende des Seils, immer wenn es nötig wurde, durch einen der ausgehobenen Gräben. Zum Schluss blieb noch die gemeinsame Aufgabe, die Tote in den See zu tragen.
Wieder war es Jan Podowski, der das Wort ergriff.
»Alles ausziehen – bis auf die Unterwäsche. Wir können nicht mit klitschnassen Klamotten nach Hause fahren.«
Weder Henrik Krag noch Benedikte Lerche-Larsen protestierten.
»Zieht eure Schuhe an und bereitet euch darauf vor, dass es weh tut. Das Wasser dürfte kaum mehr als fünf Grad haben, es bleiben uns also höchstens ein paar Minuten für die Aktion, verstanden?«
Nickend begannen sie sich auszuziehen. Jan Podowski hielt sie zurück.
»Wartet, bis wir alles vorbereitet haben und jeder genau weiß, was er tun muss. Wir sollten nicht zu diskutieren anfangen, wenn wir frierend am Wasser stehen.
Kurz darauf standen die Männer in Unterhosen und Benedikte Lerche-Larsen in Slip und BH da. Und mit Schuhen an den Füßen. Henrik Krag schauderte vor Kälte, noch bevor er seine Schuhe zugebunden hatte. Der leichte Wind, den er zuvor gar nicht bemerkt hatte, prickelte nun wie Nadelstiche auf seiner Haut. Er suchte Schutz hinter den Efeuranken einer alten Linde.
»Mann, ist das kalt!«
Jan Podowski stürzte sich wie ein Falke auf ihn.
»Hör auf zu jammern, das macht es nur noch schlimmer!«
»Wenn du es warm haben willst, geh ins Gefängnis. Ich frier lieber ein bisschen«, unterstützte Benedikte Lerche-Larsen ihn überraschend.
Sie stapfte zielstrebig durch das Schilf, bis das Wasser ihr bis zu den Schenkeln reichte. Die Männer folgten ihr langsam mit der schweren Last zwischen sich. Henrik Krag verschlug es vor Kälte den Atem, aber er litt stumm. Benedikte Lerche-Larsen drückte das Schilf zur Seite, und Schritt für Schritt wurde das auf den Stein gebundene Mädchen durch die Vegetation getragen, die sich gleich wieder hinter ihnen schloss und vom Ufer abschirmte. Als das Wasser den Männern bis zum Bauchnabel reichte, erleichterte ihnen der Auftrieb die Arbeit, aber der Kontrollverlust über ihre gefühllosen Glieder setzte ihnen eine natürliche Grenze.
»Noch zehn Schritte, dann lassen wir sie los«, kommandierte Jan Podowski. »Komm schon, Henrik, das schaffst du. Nur noch zehn Schritte, dann ist Schluss. Lass uns gemeinsam zählen.«
Sie zählten im Chor und ließen bei zehn gleichzeitig los. Das Wasser reichte ihnen jetzt bis zum Hals.
»Pass auf, dass du auf dem Rückweg keine Scheiß-Schilfhalme abbrichst. Wir gehen genauso langsam und vorsichtig an Land, wie wir ins Wasser gegangen sind«, sagte Podowski.
Henrik Krag hörte fast nichts, nur das Wort Rückweg drang durch. Benedikte Lerche-Larsen überholte ihn und drückte das Schilf mit einer Hand zur Seite, während sie ihm mit der anderen an Land half. Die Kälte raubte ihm langsam, aber sicher die Besinnung. Jan Podowski sah den beiden jungen Menschen hinterher. Sein Fett bot einen willkommenen Schutz gegen den Temperaturunterschied, er spürte noch nicht viel.
Er würde sich von Henrik Krag trennen müssen, ihm etwas Geld geben und ihm einbleuen, das Weite zu suchen und möglichst zu vergessen, was geschehen war. Ärgerlich, er mochte den Jungen, aber es ging nicht anders. Dann sah er lächelnd zu Benedikte hinüber. Zum ersten Mal hatte er eine Ähnlichkeit mit ihren Eltern gesehen. Sie war ebenso zielstrebig, stark und zynisch – ohne sich oder andere zu schonen. Diese Seite von ihr hatte er bislang noch nicht kennengelernt.
Als Henrik Krag und Jan Podowski ihre Bürde fallen ließen und das Mädchen auf den Grund des Sees sackte, verrutschte der Stein so, dass sie etwa einen Meter vor dem Schilfstreifen auf der Seite landete. Sie lag mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund da, als stoße sie einen stummen Schrei in ihre neue Welt aus, in der ihre zeugenlose Zersetzung begann. Anfangs noch zögernd, weil die niedrige Wassertemperatur die biologische Aktivität des Seegrundes drosselte, später immer schneller. Anfang April fielen ihre Augäpfel den Schnecken zum Opfer, Gliedertiere mit langen lateinischen Namen fanden den Weg in ihre Körperöffnungen, und als die Buchen ausschlugen und die Wasserpflanzen hellgrün und elastisch über ihr wogten, beschleunigte sich der Verwesungsprozess noch weiter. Faulgase blähten den Körper von innen auf und trieben ihn gemächlich an die Wasseroberfläche, während mal hier, mal da dünne Bläschenperlenketten aus ihm aufstiegen. Im Laufe des Frühsommers zog der Geruch der Frauenleiche die Aasfresser des Sees an: Krebse, Larven und Fische aller Art und Größe. Eine Gruppe Aale nistete sich über Mittsommer und die folgende Zeit in ihr ein, und in der Woche, als die Linden blühten und der kurze dänische Frühling sich seinem Ende entgegenneigte, war sie skelettiert. Im August gaben die letzten Sehnen nach, und ihre rechte Hand trieb ab, kurz darauf gefolgt von der linken. Am ersten September wurde die Entenjagd eröffnet.
Der Jäger hatte seinen Platz am Seeufer frühmorgens bezogen. Er saß geduldig auf seinem Klappstuhl, während im Osten bleiches Licht durch die perlgraue Wolkendecke sickerte und die Natur um ihn herum allmählich Farbe annahm. Sein Jagdhund lag neben dem Stuhl, ein dreijähriger irischer Setter, der ihm in seinem noch kurzen Hundeleben mehr Verdruss als Freude bereitet hatte. Er hieß Rübe und war schlicht und ergreifend dumm. Der Jäger vermisste seinen alten Hund, der sich tragischerweise Lungenwürmer eingefangen hatte und nach leidvollem Krankheitsverlauf im besten Alter von ihm gegangen war. Diese Gedanken gingen dem Jäger durch den Kopf, als es langsam heller wurde und er seinen neuen Hund hinterm Ohr kraulte. Der konnte ja nichts für seine mangelnde Begabung.
Er traf die Stockente perfekt im Flug. Sie fiel wie ein Stein herunter und landete mit einem dumpfen Klatschen im Schilfgürtel aufs Wasser, während das Echo des Schusses von der Böschung widerhallte. Er klappte die Flinte auf und ballte kurz die Faust gen Himmel, um seinen genialen Schuss zu feiern. Der Hund kniff winselnd den Schwanz ein. Jetzt musste nur noch die Beute aus dem Wasser geholt werden. Dreimal kommandierte er Rübe in den See, und dreimal kam der Hund schwanzwedelnd mit leerem Maul zurück. Sein Herrchen stellte sich kopfschüttelnd darauf ein, selber zu apportieren, wenn er heute Abend einen Vogel in den Ofen schieben wollte, oder einen neuen Vogel über dem Land zu schießen.
»Sei froh, dass wir bei uns keine Hunde essen«, sagte er trocken.
Rübe sah ihn erwartungsvoll an.
»Komm schon, eine Chance kriegst du noch, such die Ente, verdammt noch mal.«
Zum vierten Mal verschwand das Tier in der Vegetation, und der Jäger musste es mit unterschiedlichen Befehlen zurückrufen, bis Rübe sichtlich stolz mit Beute auftauchte, allerdings brachte er nicht die Stockente.
In seinem Zivilberuf als Pressefotograf hatte der Jäger häufig mit Toten zu tun, weshalb ihn der Anblick des gefleckten, dunkel verfärbten Schädels mit den algenbraunen Haarsträhnen und den unnatürlich weißen Zähnen des Oberkiefers nicht wirklich schockierte. Der Unterkiefer fehlte. Er betrachtete den Schädel eine Weile und sah dabei wie Hamlet aus, bis er sicher war, dass der Totenkopf echt war. Er legte ihn behutsam ins Gras, überlegte es sich aber schnell anders, weil sein Hund nicht wie die meisten Hunde tickte und er nicht riskieren wollte, dass der mit seinem Fund abhaute. Also hob er den Schädel wieder auf und hängte ihn stattdessen außer Reichweite des Hundes mit der Augenhöhle über den Zweig einer jungen Birke. Diese respektlose Tat bezahlte er später mit einer über zwei Stunden dauernden Befragung in der Polizeistation Hillerød, wo man nur mäßiges Verständnis für Rübes mangelnde Kinderstube hatte.
In den nächsten Tagen trieben von Westen Unwetter über das Land, die die Arbeit der Taucher erschwerten. Der See war nicht sonderlich groß, in der Mitte aber an die zwölf Meter tief, während die flache Uferzone wegen der dichten Vegetation nur schwer zu untersuchen war. Die Ausbeute des ersten Tages beschränkte sich auf eine tote Stockente, was die Aussage des Jägers bestätigte, die trotz des taktlosen Umgangs mit dem Schädel niemand in Frage stellte. Der zweite Tag verlief ergebnislos, wohingegen der dritte endlich Gewinn abwarf. Am Morgen fanden sie die Reste einer Hand und kurz danach, versteckt zwischen Seerosen, einen Unterkiefer. Die Funde gaben den Tauchern neuen Mut, und nachmittags entdeckten sie das Skelett im See am Totenmoor. Das Skelett der jungen Frau wurde mitsamt Stein an einem Tag geborgen, der ungefähr so kalt war wie der, an dem ihre Mörder sie ein halbes Jahr zuvor ins Wasser getragen hatten.
Die Ermittlungen wurden von der Kriminalpolizei in Hillerød übernommen, brachten trotz hervorragender technischer Vorarbeit aber zunächst keine Resultate. Im Obduktionsbericht stand, dass es sich um eine Frau zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren handelte, gewöhnlicher Körperbau, 1,68 groß. Todesursache war der Bruch des zweiten Halswirbels, ansonsten gab es keine Frakturen oder Missbildungen der Knochen, abgesehen von einer gebrochenen Rippe, vermutlich durch den Granitblock verursacht, an den sie festgebunden war. Am schwierigsten und nur mit großer Unsicherheit zu beantworten war die Frage, wie lange die Leiche im Wasser gelegen hatte. Der Rechtsmediziner gab eine Spanne von vier bis sieben Monaten an, wonach die Frau zwischen Februar und April im See versenkt worden sein konnte. Vermutlich. Dafür deckte die Obduktion aber die überraschende Tatsache auf, dass die Frau negrider Abstammung war, was dreifach durch die Haarreste, ihren Schädel und ihre DNA bestätigt wurde. Die weiteren technischen Untersuchungen bescherten keine nennenswerten Fortschritte. Das Seil, mit dem die Frau an den Granitblock gefesselt war, wurde bis auf die letzte Faser untersucht. Es war ein sehr verbreitetes Fabrikat, das es in jedem beliebigen Baumarkt zu kaufen gab. Auch der Granitblock wurde gemessen und gewogen, obwohl bereits feststand, dass er von der Ecke stammte, an der der Forstweg, der in den Hanehoveder Wald führte, auf die Landstraße mündete. Dort war er irgendwann aus der Erde gehebelt worden. Die Techniker leisteten einen weiteren konstruktiven Beitrag zu den Ermittlungen, indem sie eine Rekonstruktion vom Gesicht der Toten lieferten. Die Technik für Nachbildungen dieser Art hatte sich in den letzten Jahren dramatisch verbessert, der Prozess war schneller und billiger geworden und die Resultate valider als früher.
Die Kriminalpolizei konzentrierte sich auf zwei Spuren, die leider beide im Sande verliefen. Die eine war der Gutshof Kolløse, zu dem der Hanehoved Skov und damit auch der Waldsee gehörte, in dem die Frauenleiche gefunden worden war. Das Gut gehörte Kammerherrn Adam Blixen-Agerskjold, dessen Ahnentafel Jahrhunderte zurückreichte, der darüber hinaus aber ein moderner, unprätentiöser Zeitgenosse Anfang vierzig war. Gemeinsam mit seiner Ehefrau und einer Handvoll Angestellter betrieb er auf seinen 700 Hektar Land eine durchindustrialisierte Landwirtschaft mit wechselnden Ernten von primär Frühlingsgerste, Winterweizen und Mais. Eine Goldgrube war das sicher nicht, außerdem floss jede Krone, die der Gutsbesitzer flüssigmachen konnte, in die Instandhaltung seiner historischen Gebäude. Er und seine Frau waren sich ihrer Kulturerbeverpflichtung sehr bewusst, was die wenigsten zu schätzen wussten.
Das Interesse der Polizei galt vorrangig dem Wald des Kammerherrn und weniger der Landwirtschaft. Aber Hanehoved Skov wurde im Großen und Ganzen nicht von ihm genutzt. Die Jagd war an eine Jagdgesellschaft in Fredriksberg verpachtet, und manchmal vergingen Monate, bis jemand vom Gut im Wald etwas zu erledigen hatte. Dazu kam, dass weder einer der Leute vom Gut noch von der Jagdgesellschaft jemals eine afrikanische Frau auf dem Anwesen gesehen hatten.
Die zweite Spur, die die Ermittler aus Hillerød verfolgten, erwies sich ebenfalls als Sackgasse. In einem aufwendigen Einsatz wurde das rekonstruierte Porträt des Mädchens in der Umgebung und bei den Einzelhändlern in den drei nächsten größeren Ortschaften Slangerup, Lynge und Ganløse herumgezeigt. Der hohe Arbeitsaufwand brachte keinen Ertrag. Die Ermittlungen gerieten danach aus Mangel an Ideen allmählich ins Stocken. Ein Jahr nach dem Tod der Frau – ein Jubiläum, von dem nur sehr wenige Menschen wussten – war bei der Polizei niemand da, der sich ernsthaft mit ihrem Fall beschäftigte. Genauso wenig setzte sich die Öffentlichkeit mit ihrem Schicksal auseinander, was sich allerdings dramatisch ändern sollte.
Der lokale Fernsehsender Hillerød, TV-20 strahlte unter der Woche jeden Abend um 20 Uhr sein Programm aus. Die Tätigkeit von TV-20 basierte auf freiwilliger Arbeitskraft und Zuschüssen vom Kultusministerium und lieferte zeitweise eine hervorragende und seriöse Berichterstattung über alle möglichen Aktivitäten in der Gegend. Die Themen reichten von Gemeindeversammlungen über Sportevents bis hin zu Amateurtheatervorstellungen. Ein fester Beitrag an jedem zweiten Mittwoch war das Magazin Recht und Gesetz in Hillerød. Ohne Sensationshascherei oder Druck versuchte man darin, den lokalen »Kriminalfällen« auf den Grund zu gehen. So auch an einem Mittwoch im April, als in einer Live-Ausstrahlung ein längeres Interview mit Hillerøds Polizeipräsident über seinen vor kurzem veröffentlichten Statusbericht über die Polizeieinsätze des vergangenen Jahres geführt wurde. Unglücklicherweise hatte der Polizeipräsident kurz vor Sendebeginn abgesagt und einen älteren Polizeiobermeister geschickt.
Der Polizeiobermeister war natürlich unvorbereitet, bekannte aber vernünftigerweise, wenn es um ihm unbekannte Sachverhalte ging. Zum Glück schaffte der Reporter es, einen brauchbaren Dialog über die vielen Themen in Gang zu bringen, mit denen der Polizist sich auskannte. Die erste Hälfte des Interviews lief daher ganz ordentlich, aber als die beiden Männer sich offenbar sicher fühlten, das Gespräch gut zu Ende bringen zu können, ging es schief. Ausgangspunkt waren die Ermittlungen im Fall der afrikanischen Frau, deren Leiche in einem See im Hanehoved Skov gefunden worden war. Der Fall gehörte nicht zu den Aufklärungserfolgen der letzten Jahre. Der Polizeiobermeister tat sich schwer, das zuzugeben. Der Moderator hakte vorsichtig nach.
»Dann stimmt es nicht, dass die Polizei in diesem Fall nicht weiterkommt?«
Der Polizeiobermeister nickte. »Doch schon, aber die Kollegen von der Kriminalpolizei haben sich wirklich ins Zeug gelegt und einen hochlobenswerten Arbeitseinsatz geliefert. Es ist halt verdammt schwierig, herauszufinden, wo so eine … Nuggiwaua herkommt.«
Der Reporter verlor den Faden, und eine peinliche Pause entstand. Dann sagte er ungläubig: »Was sagen Sie da?«
»Na ja, sie war halt Afrikanerin, ich meine … Sie kann schließlich überall gewohnt haben.«
Der Polizeiobermeister hatte seinen Sprachgebrauch vermutlich nicht böse gemeint, so unpassend er war. Sein Vater hatte in den Siebzigern den Ausdruck Nuggiwaua für Gastarbeiter verwendet, und der war ihm nun spontan eingefallen. Völlig fehl am Platz und zum falschen Zeitpunkt. Der Moderator riss sich zusammen und versuchte zu retten, was zu retten war.
»Sie wollen damit aber nicht sagen, dass die Frau wegen ihrer Hautfarbe anders behandelt wurde?«
Der Polizeiobermeister legte die Stirn in Falten und antwortete verwirrt: »Nein, natürlich nicht. Warum sollte ich?«
In den nächsten Tagen spitzte sich das Ganze noch zu, weil der Polizeipräsident in Hillerød dumm genug war, seinen Angestellten vor der Presse in Schutz zu nehmen und dessen Aussage zu erklären, was dazu führte, dass der unselige Ausdruck mehrfach im Fernsehen aufgegriffen und wiederholt wurde. Zur besten Sendezeit. Danach begann die Medienmühle zu mahlen: Fernsehen, Radio, die überregionalen Zeitungen und diverse Web-Blogger griffen das Thema auf, Philologen gaben schlaue Kommentare zu der fatalen Bezeichnung ab, Soziologen zogen spekulative Schlüsse über Rassismus bei der dänischen Polizei, und eine lebhafte Debatte über Beleidigung und mögliche Entschuldigungen begann. Das Interview mit dem Polizeiobermeister wurde immer wieder gezeigt, während dieser unfreiwillig Urlaub zu Hause machte, wo er abwechselnd über die dänischen Medien und seine neuen Freunde von der extremen Rechten fluchte.
Aber die Sache hatte einen klaren Vorteil. Im Windschatten des sprachlichen GAUs wurde der Fund der Frauenleiche eingehend in sämtlichen Medien behandelt, wobei selbst der dickköpfigste Redaktionssekretär einsehen musste, dass der Mordfall die Debatte bunter machte und gleichzeitig das peinliche Auftreten der Polizei herausstrich. Der Mediensturm gipfelte am dritten Tag in einer Nachrichtensendung, in der die Geschichte den Zuschauern unter der Überschrift »Druck auf den Staatspolizeichef wächst« serviert wurde, ohne besonders zu vertiefen, worin der Druck bestand oder zu was der Mann gedrängt wurde. Seine Medienberaterin reagierte trotzdem prompt: Noch am gleichen Abend verfasste sie eine scharfe Stellungnahme, in der sie ihrem Chef riet, etwas zu unternehmen, um Tatkraft zu demonstrieren und bis zum letzten Durchschnittsdänen durchzudringen. Obwohl der Staatspolizeichef nichts mehr hasste als den oft gegen ihn verwendeten Durchschnittsdänen, folgte er ihrem Rat. Die praktisch inexistenten Ermittlungen um die Frauenleiche im Waldsee wurden unter hohem Wellenschlag und auf seine direkte Anweisung hin den Kollegen von Nordseeland entzogen und dem Morddezernat in Kopenhagen übergeben. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
Hauptkommissar Konrad Simonsen war früh an seinem Arbeitsplatz im Polizeipräsidium in Kopenhagen, um sich einen Überblick über den Inhalt der drei Stapel Akten auf seinem Schreibtisch zu verschaffen, die den frisch aufgezwungenen Fall ausmachten. Er ließ seinen Vorsatz der Akteneinsicht aber fallen, als eine Mail des Staatspolizeichefs ihn in äußerst nebulösen Formulierungen aufforderte, sämtliche Mitarbeiter der Mordkommission bezüglich der Sprachregelung im Mordfall Totenmoor zu instruieren. Gegen neun Uhr, als Konrad Simonsen mit seiner Order von oben noch keinen Deut weitergekommen war, betrat Arne Pedersen das Büro. Pedersen war sein engster Mitarbeiter, ein Mann Anfang vierzig, kompetent und in der Regel gut gelaunt. Heute war keine Ausnahme.
»Hallo, Konrad. Was für ein schöner Tag, wenn das so bleibt, kriegen wir einen schönen Ausflug.«
»Für den Nachmittag sind Schauer vorhergesagt, freu dich also nicht zu früh.«
»Höre ich da einen gewissen Widerwillen gegen die Gratisfreuden dieses schönen Morgens heraus?«
»Halt die Klappe und hilf mir lieber bei dieser Angelegenheit hier.«
Arne Pedersen warf seine Jacke auf den Tisch und stellte sich hinter seinen Chef.
»Ich dachte, du wolltest früher kommen, um dich in den Nuggiwaua-Fall einzuarbeiten?«
»Sag das bitte nie wieder. Ich habe dazu gerade eine reichlich kryptische Mail vom obersten Chef bekommen. Lauter leere Phrasen, noch mehr als üblich, aber wenn ich das richtig interpretiere, erwartet er von uns in unserem neuen Fall keine allzu großen Anstrengungen, solange wir nach außen hin kommunizieren, dass wir hart und zielstrebig daran arbeiten. Und wir haben strikte Anweisung – komme was wolle –, keine abwertenden Bezeichnungen mit rassistischen Unter- oder Übertönen zu benutzen, weder intern, extern, mündlich, schriftlich noch in Gedanken oder im Traum. Und ich soll das jetzt sämtlichen Mitarbeitern und am besten noch ihren Familien umgehend und unmissverständlich mitteilen.«
»Dann ist Nuggi…«
»Hüte deine Zunge!«
»Sorry, Boss. Du wirst aber ordentlich zu tun haben, dieses Wort auszurotten. Es reden doch alle über den Fall, und dabei fällt immer der Name, den ich nicht aussprechen darf. Der ist geradezu ein Synonym für den ganzen Fall. Du wirst ihn nicht ausrotten können, egal was du tust.«
»Falsch. Ich werde ihn nicht ausrotten können, egal was du tust.«
Arne breitete genervt die Arme aus.
»Nicht dein Ernst.«
»Ich bin dein Chef und meine das sehr ernst. Übernimm einfach ein paar Formulierungen aus dieser wunderbaren Mail, dann freut unser Chef sich, aber bring sie möglichst in einen sinnvollen Kontext. Das Resultat schickst du dann an alle Uniformträger des Königreiches. Ich vertraue dir und muss nicht absegnen, was du fabrizierst, außer du willst das so. Lass dir Zeit, Deadline ist erst in ein paar Stunden. Ich verzieh mich so lange in dein Büro. Könntest du mir die Tür aufmachen?«
Konrad Simonsen stand mit dem Stapel Akten im Arm da.
»Nein, mach ich nicht. Komm selbst klar.«
Arne Pedersen brauchte etwa eine Stunde für die Ausführung seiner neuen Mission. Das Resultat war, unter Berücksichtigung der Umstände, okay. Nach mehreren Durchgängen mit kleineren Korrekturen beschloss er, dass es so reichen musste, und verschickte die Rundmail wie beauftragt in Konrad Simonsens Namen. Danach trank er den Rest seines inzwischen kalten Kaffees und loggte sich in einem Zeitungsportal ein, um sich einen Überblick über die Nachrichten des Tages zu verschaffen. Etwas anderes fiel ihm nicht ein, da sein eigenes Büro ja besetzt war. Er scannte die Leitartikel der drei überregionalen Tageszeitungen, als er von der Comtesse unterbrochen wurde, die das Büro ihres Chefs betrat. Sie war Mitte vierzig, kompetent und respektiert und seit gut einem Jahr die Lebensgefährtin von Konrad Simonsen, der in ihre Villa in Søllerød eingezogen war.
»Hallo, Arne, hast du zu tun?«, fragte sie, ohne sich zu wundern, dass er im Büro des Chefs saß.
»Nö, kann man nicht so sagen. Die Finanzkrise und die Sportnachrichten können gerne warten, aber wenn du Konrad suchst, der sitzt in meinem Büro und liest Akten.«
»Mit dir wollte ich auch reden. Wieso habt ihr eigentlich getauscht?«
Arne Pedersen erklärte es ihr und nutzte die Gelegenheit, sich über die Auftragsarbeit zu beschweren, traf aber nur auf taube Ohren. Die Comtesse war ganz auf der Linie des Staatspolizeichefs.
»So eine Ermahnung ist doch wichtig, und du kannst solche Sachen um Längen besser formulieren als Konrad, das steht fest.«
Das Lob perlte an ihm ab.
»Ist doch albern. Man kann den Kollegen nicht vorschreiben, wie sie zu reden haben. Es geht mir auf den Senkel, dass alles immer so korrekt sein muss. Man kann heutzutage ja kaum noch den Mund aufmachen, ohne dass die Sprachpolizei sich im Namen irgendeiner gekränkten Gruppe echauffiert.«
»Quatsch, Arne – und das weißt du auch. Du kannst respektvoll über andere Menschen reden, ohne dass deine persönliche Haltung eingeschränkt wird.«
»Mag sein, aber ich fände es wichtiger, dass wir uns anstrengen und alles tun, um diesen Fall zu lösen und nicht über irgendeine Sprachregelung streiten.«
»Das eine schließt das andere ja nicht aus. Und im Übrigen, wieso sollten wir uns nicht anstrengen?«
Arne Pedersen erklärte ihr die Zusammenhänge, und wieder nahm die Comtesse die Position des Staatspolizeichefs ein, was längst nicht immer der Fall war. Sie war dafür bekannt, ihr Fähnchen niemals in den Wind zu hängen, was ihr Respekt von allen Seiten einbrachte.
»Vermutlich will er damit sagen, dass wir unsere Ressourcen realistisch einsetzen sollen. Hillerød hat hervorragende Ermittlungsarbeit geleistet, weshalb es keinen Grund gibt, den Fall ganz von vorne aufzurollen, solange wir keine neuen Erkenntnisse haben. Es geht nicht darum, dass die Ermordete Afrikanerin ist. Aber alle Spekulationen darüber räumen wir nur aus dem Weg, wenn wir den- oder diejenigen finden, die sie umgebracht haben«, sagte sie und schloss mit einem Lächeln.
Arne Pedersen erwiderte das Lächeln, nutzte die Gelegenheit aber zu einem Themenwechsel, um seine Neugier zu befriedigen. Das ganze Präsidium wusste, dass die Comtesse an diesem Morgen bei ihrem Finanzberater gewesen war, und es liefen Wetten, ob der Einbruch der Finanzmärkte nun auch sie ans Hungertuch brachte. Auch wenn es ihn nichts anging, fragte er sie ganz direkt, das war die Art, mit der sie am besten zurechtkam.
»Und, Comtesse – ist dein Vermögen verpufft? Oder bist du nach wie vor stinkreich?«
»Mein Fondsverwalter ist ein erzkonservativer, professioneller Schwarzseher, der nie ans schnelle Geld geglaubt hat. Das scheint mir jetzt zugutezukommen. Aber genug davon. Ich wollte mit dir über Pauline sprechen – sie kommt auf keinen Fall mit.«
»Weil?«, fragte er vorsichtig. Er wusste, wie emotional besetzt dieses Thema war.
»Weil sie sich im Wald nicht sicher fühlt. Sie würde gerne mitkommen, schrecklich gerne, aber das geht nicht.«
Arne Pedersen nickte kommentarlos. Es war, wie es war.
Pauline Berg war Kriminalkommissarin Anfang dreißig und gehörte zu Konrad Simonsens engstem Mitarbeiterkreis. Vor etwa zwei Jahren hatte sie ihr persönliches Trauma erlebt. Sie war entführt, in einem Schutzbunker festgehalten worden und hätte um ein Haar ihr Leben verloren. Seitdem bereiteten ihr alle möglichen Dinge Probleme, nun also, einen Wald zu betreten. Im Winter hatte sie die Diagnose bekommen: posttraumatisches Stresssyndrom oder PTSD, wie der Arzt, der die Mordkommission über die Umstände informierte, es konsequent nannte. Brauchbare Vorschläge, wie sie sich der Kollegin gegenüber verhalten sollten, lieferte er nicht. Pauline Bergs Auftreten war häufig unvorhersehbar und nervig. Sie arbeitete nicht mehr zuverlässig. Genauso wenig funktionierte ihr Privatleben. Dazu kam, dass sie manisch besessen war von einem nichtexistenten Fall, in dem eine junge Frau in Melby Overdrev zwischen Asserbo und Hundested in Nordseeland unter tragischen, aber natürlichen Umständen zu Tode gekommen war. Zwischendurch war dieser Fall – den Pauline Berg konsequent als Mordfall bezeichnete – das Einzige, wofür sie bei der Arbeit noch Interesse aufbrachte.
»Was sagt Konrad dazu?«, fragt Arne leise.
Die Comtesse antwortete nicht gleich, stattdessen senkte sie den Kopf und betrachtete mit unergründlichem Blick den Bodenbelag. Dann richtete sie sich unvermittelt auf.
»Das Gleiche wie du, nichts, aber das ist schlicht und ergreifend nicht okay. Fakt ist, dass wir ein Riesenproblem mit Pauline haben, und zwar seit sie zurück ist. Aber jedes Mal, wenn ich das mit dir oder Konrad besprechen will, kriege ich nichts anderes als Ausweichmanöver und unbrauchbare Antworten.«
Sie zeigte anklagend auf ihn, um ihrer Irritation Nachdruck zu verleihen. Er konzentrierte sich auf ihre kurzgeschnittenen Fingernägel, deren klarer Nagellack das Licht reflektierte, das durch das Fenster hereinfiel.
»Wie lange, glaubt ihr, kann das noch so weitergehen? Drei Jahre? Vier, fünf?«
Arne Pedersen hatte keine Antwort darauf. Vor einigen Jahren hatte er ein Verhältnis mit Pauline Berg gehabt, eine Zeitlang war er regelrecht verliebt in sie gewesen, aber weil er nicht bereit gewesen war, seine Kinder zu verlassen, hatte sie die Affäre beendet. Heute vermisste er die Pauline, die sie einmal gewesen war. Er ging ihr aus dem Weg, wenn sich das unauffällig machen ließ.
»Was willst du machen? Sie feuern?«, fragte er und unterdrückte einen Seufzer. »Das ist im Übrigen nicht möglich. Es liegt eine schriftliche Stellungnahme des Staatspolizeichefs vor, dass es keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben darf, egal, wie sie sich bei der Arbeit anstellt. Ich weiß das, weil ich die Stellungnahme in meiner Phase als Interimschef entgegengenommen habe, und ich geh mal davon aus, dass die noch immer gültig ist.«
Arne Pedersen war für eine Übergangszeit, in der Konrad Simonsen sich noch von einer Herzoperation erholte, stellvertretender Leiter der Mordkommission gewesen.
Die Comtesse schüttelte den Kopf.
»Natürlich werde ich sie nicht feuern, was sollte das bringen? Wir müssen mit ihr reden, verdammt noch mal. Es nützt doch nichts, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung.«
»Warum bist du ihretwegen mit einem Mal so engagiert? Das ist doch schon lange so. Wollen wir nicht erst mal mit Konrad darüber reden?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Glänzende Idee, genial ausgedacht, Arne, mit Konrad darüber reden – wo nimmst du das bloß her? Wir haben jede Menge Zeit auf der Fahrt nach Kolleløse, da kannst du wunderbar mit Konrad darüber reden. Ich unterstütze dich gerne, abgemacht?«
Er versuchte gar nicht erst zu protestieren, wenn sie so drauf war, konnte er ohnehin nichts ausrichten. Ohnmächtig breitete er die Arme aus, als sie den Raum verließ.
Sie fuhren im Wagen der Comtesse vom Präsidium nach Hanehoved Skov in Nordseeland. Arne Pedersen saß am Steuer, die Comtesse hatte sich auf den Rücksitz gesetzt und das Fahren einem ihrer drei Kollegen überlassen. Konrad Simonsen hatte sich ebenfalls für den Rücksitz entschieden, und da sich der Vierte im Bunde, Klavs Arnold, in Kopenhagen noch nicht recht auskannte, war nur Arne Pedersen als möglicher Chauffeur übrig geblieben. Er fuhr durch die City in Richtung Autobahn Hillerød und überlegte gerade, ob er das vage Versprechen, das er der Comtesse gegeben hatte, einhalten und das Thema »Pauline« ansprechen sollte, als die Comtesse ihm zuvorkam und einen längeren, offensichtlich vorbereiteten Monolog begann. Als sie zum Ende gekommen war, herrschte betretenes Schweigen im Wagen. Klavs Arnold neigte den Kopf zur Seite und blickte durch die Windschutzscheibe zum Himmel.
»Ich glaube, wir kriegen Regen«, sagte er schließlich.
Die Provokation war offensichtlich, die Stimmung im Wagen ungut.
»Vielleicht sollten wir«, fuhr Klavs Arnold fort, »erst einmal über unsere Ermittlung sprechen. Deinen Pauline-Monolog sollten wir vielleicht kommentieren, wenn es besser passt.«
Arne Pedersen wich dem Blick der vor Wut schnaubenden Comtesse aus, und Konrad Simonsen klappte demonstrativ die Fallakte zu, in der er gerade las. Er wusste, dass er sich aus diesem Streit nicht heraushalten konnte, stellte sich dann aber erstaunlicherweise auf die Seite von Klavs Arnold.
Keiner der drei Männer rechnete damit, dass die Comtesse nachgab, bloß weil sie allein war und ihren Chef gegen sich hatte. Kampfesmutig stürzte sie sich auf Konrad Simonsen, ohne etwas Neues zu sagen. Die Bezeichnung Pauline-Monolog hatte sie getroffen. Sie stritten sich von Utterslev Mose bis Værløse, wobei Konrad Simonsens Laune synchron mit dem Wetter immer schlechter wurde. Aus dem Nieselregen waren heftige Schauer mit starken Windböen geworden, so dass Arne Pedersen vom Gas gehen musste.
Und wieder überraschte Klavs Arnold sie mit seiner Direktheit.
»Ihr klingt wie ein altes Ehepaar.«
Die Comtesse antwortete nicht.
»Pass auf, was du sagst«, fauchte Konrad Simonsen.
»Ist ja gut, aber wollt ihr nicht bald heiraten?«
Konrad Simonsen verfluchte den Jütländer im Stillen, während die Comtesse die Gelegenheit nutzte, ihm eins auszuwischen.
»Haben wir, letzten Samstag.«
Klavs Arnold gratulierte ihnen herzlich, und die Comtesse erzählte bereitwillig von dem frohen Ereignis, wobei sie nicht verschwieg, dass sie sich eigentlich ein größeres Fest gewünscht hätte, am Ende aber Konrads Wunsch akzeptiert hatte. Sie waren im Standesamt von Rudersdal getraut worden, und ihr einziger Gast war Konrads Tochter Anna Mia gewesen.
»Wir mussten den Nachbarn bitten, als Trauzeuge einzuspringen, weil die Eheschließung sonst nicht rechtsgültig gewesen wäre. Stimmt doch, Konrad, oder?«
Ihr Ehemann brummte sauer.
»Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, als wärst du beim Zahnarzt!«
»Na, die herzlichsten Glückwünsche, Konrad. Oder natürlich euch beiden. Das habt ihr echt perfekt geheim gehalten!«, sagte Arne Pedersen fröhlich und brachte das Fass damit zum Überlaufen.
»Halt deinen Mund!«, brüllte Konrad Simonsen.
Ein Wunsch, dem alle nachkamen, bis sie am Ziel waren.
Kammerherrin Lenette Blixen-Agerskjold erwartete ihre Gäste am Abzweig des Feldwegs, der in den Hanevold Skov führte. Freundlich lächelnd und mit Regentropfen auf der Stirn winkte sie ihnen zu, während sich hinter ihr ein Regenbogen abzeichnete.
Sie war Mitte dreißig, recht klein und übergewichtig und trug einen praktischen blaugrünen Regenmantel mit passenden, unten umgekrempelten Hosen. Die selbstgefärbten Haare schrien förmlich nach einem Besuch beim Friseur. Ihr Gesicht war offen, nicht ohne Charme, und aus ihren Augen sprachen Intelligenz und Humor.
Nachdem der Wagen abgebogen war, leitete sie die Besucher mit unauffälligen Gesten weiter. Überraschend elegant, dachte Arne Pedersen und folgte ihren Anweisungen. Dann zeigte sie auf eine Ausbuchtung am Wegrand, wo sie parken konnten.
»Na ja, das ist ja ein wirklich adeliger Empfang«, kommentierte Klavs Arnold.
»Die ist auch nicht adeliger als du und ich«, korrigierte ihn die Comtesse.
»Ist Kammerherrin nicht ein royaler Titel?«
»In gewisser Weise schon. Man kann dazu ernannt werden, wenn man auf gutem Fuß mit der Königin steht.«
»Willst du damit sagen, dass sie gar nichts Besonderes ist?«
»Ein Kammerherr ist sozusagen ein royaler B-Promi, auf der gleichen Rangstufe wie Bischöfe, Oberbürgermeister oder unser allseits beliebter Polizeipräsident.«
»Wie viele Rangstufen gibt es da denn«, fragte Klavs Arnold interessiert.
»Vier, ganz unten rangieren vorlaute jütländische Kriminalbeamte, Zeichentrickfiguren und billige chinesische Gartenzwerge. Los, konzentrieren wir uns jetzt auf unsere Arbeit.«
Konrad Simonsen ging auf Lenette Blixen-Agerskjold zu. Sie begrüßten sich höflich und tauschten lächelnd Namen und Titel aus. Simonsen bedankte sich für den freundlichen Empfang und stellte seine Mitarbeiter vor, die die Kammerherrin einer nach dem anderen per Handschlag begrüßten.
Dann erklärte er ihr den Grund ihres Kommens.
»Wir wollen uns ein Bild von der Umgebung machen. Ich weiß nicht, ob Sie mit Ihrem Mann gesprochen haben?«
»Ja, ich habe mit Adam gesprochen. Es tut ihm sehr leid, dass er Sie nicht selbst empfangen kann, aber er hat einen Termin bei der Bank. Sie müssen also erst einmal mit mir vorliebnehmen. Aber er ist bestimmt wieder zurück, wenn wir nachher zum Gut fahren.«
Ihre Stimme war tief, sinnlich, fast so, als flirtete sie beim Reden. Konrad Simonsen lachte reflexartig, ihre gute Laune war ansteckend.
»Natürlich würden wir gerne auch mit ihm reden, wenn sich das einrichten lässt. Hat er Ihnen gesagt, dass keiner von uns bisher wirklich die Gelegenheit hatte, sich richtig in den Fall einzuarbeiten. Wir werden also vielleicht Fragen stellen, die …«
Er zögerte etwas, und sie vollendete spontan den Satz.
»Die wir vielleicht schon beantwortet haben. Halb so wild, das war mit den Beamten aus Hillerød nicht anders. Ich habe uns eine Route ausgearbeitet. Natürlich ist das nur ein Vorschlag, aber eine Sache müssen Sie sich anschauen, am besten fangen wir damit gleich an.«
Sie führte die Gruppe zurück auf den Feldweg. Oben an der Landstraße blieb sie stehen und zeigte auf ein Loch im Boden. Die Beamten nickten bedeutungsvoll. Hier hatte der Meilenstein, mit dem der Körper der Afrikanerin beschwert worden war, gestanden. Die Beamten sahen sich um. Es war kaum vorstellbar, dass jemand den schweren Granitblock von hier aus zum Wasser geschleppt hatte.
»Weiß jemand, wie viel der gewogen hat?«, fragte Konrad Simonsen. »Das stand irgendwo.«
»An die achtzig Kilo«, antwortete Arne Pedersen. »Bis zum See sind es von hier etwa zwei Kilometer, Luftlinie.«
Mit den möglichen sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen mussten sie warten, bis sie allein waren.
»Sie wollen doch sicher wissen, wie man von hier zum See kommt«, fragte die Kammerherrin, zog eine Karte aus der Innentasche ihres Mantels, faltete sie auseinander und legte sie auf den Boden. Die Polizisten hockten sich im Halbkreis hin, während sie mit einem Stock in der Hand erklärte.
»Hier liegt das Gut und dort der See, in dem das Mädchen gefunden wurde. Man gelangt auf zwei unterschiedlichen Wegen dorthin. Von der Landstraße führt ein Waldweg in Richtung See, aber der ist beinahe zugewachsen, da ist kaum noch ein Durchkommen. Die andere Möglichkeit ist dieser Feldweg bis zu einem Abzweig nach rechts, der zu einer Jagdhütte führt. Von da aus kann man durch den Nadelwald nach unten zum See gelangen. Auf diesem Weg landet man am nördlichen Ufer, wo das Mädchen gefunden wurde. Der andere Weg führt zu einem Hochsitz am südlichen Ufer.«
»Was gibt es hier für Wild«, wollte Klavs Arnold wissen.
»Vereinzelt Rotwild, aber vorwiegend Rehwild. Welche Arten genau, weiß ich nicht, aber da kann Adam Ihnen sicher weiterhelfen. Ich halte nicht viel von der Jagd.«
»Führt der Feldweg direkt bis zum Gut?«, wollte Konrad Simonsen wissen. Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, er endet nach ein paar Kilometern einfach, aber von da aus kann man dem Feldrain folgen, das ist ziemlich einfach, so bin ich auch hergekommen.«
»Fahren kann man da nicht?«
Sie sah ihn skeptisch an.
»Vielleicht mit einem Traktor, aber vermutlich auch nur bis zum Ende des Feldwegs, da ist eine alte Mauer.«
»Mit einem normalen Pkw nicht?«
»Kaum, aber ob es wirklich unmöglich ist … Sie können mich ja zurück zum Gut begleiten und sich selbst ein Bild machen.«
Schweigend folgten sie dem Feldweg. Hoch über ihnen trillerte eine Lerche, während der Regenbogen langsam verblasste und sich die grauen Wolken in Richtung Osten verzogen. Arne Pedersen dachte, dass ihr Job schon auch gute Seiten hatte. Klavs Arnold fragte sich, ob die Kammerherrin in ihrem Entgegenkommen nicht eine Spur zu perfekt war. Konrad Simonsen und die Comtesse gingen wortlos nebeneinander her.
Der erste Halt war an der Jagdhütte im Wald. Sie war neu, eine Art Fertig-Blockhaus mit sechseckigem Grundriss. In jeder Wand war ein kleines Sprossenfenster. Eine Stufe führte hinauf zu der schweren Tür. Die Hütte war gründlich durchsucht worden, Quadratzentimeter für Quadratzentimeter, aber es waren keine Spuren gefunden worden. Mit der wissenschaftlichen Expertise, die der Kriminalpolizei zur Verfügung stand, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass das afrikanische Mädchen jemals in dieser Hütte gewesen war.
Lenette Blixen-Agerskjold bückte sich und zog einen Schlüssel aus dem Versteck unter der Stufe. Sie öffnete die Tür, betrat die Hütte selbst aber nicht. Auch Konrad Simonsen und die Comtesse blieben draußen. Klavs Arnold begnügte sich mit einem flüchtigen Blick, während Arne Pedersen als Einziger in die Hütte ging. Den Innenraum dominierte eine offene, sechseckige Feuerstelle, die von einem massiven Specksteintisch eingerahmt war, der vermutlich als Wärmespeicher fungierte. Vier Pritschen, die gleichzeitig als Sitzgelegenheiten dienten, standen um den Tisch herum. An den zwei freien Wänden befanden sich die Eingangstür und Schränke. Arne Pedersen setzte sich auf eine der Pritschen und sah sich um, ohne etwas von Interesse zu entdecken.
Draußen fragte Klavs Arnold:
»Die Hütte ist neu, wann wurde die errichtet?«
»Vor anderthalb Jahren«, antwortete Lenette Blixen-Agerskjold. »Die alte war baufällig, die konnten wir nicht mehr verpachten.«
»Verpachten? An wen?«
»Die Jagd ist an eine Jagdvereinigung in Kopenhagen verpachtet. Die Mitglieder dürfen das ganze Jahr über hier sein, in der Praxis kommen sie aber nur im Herbst. Die alte Hütte ist deshalb im Winter abgerissen und die neue gebaut worden.«
»Der Verwalter ist Frode Otto, oder?«, fragte Konrad Simonsen.
Die Stimme der Kammerherrin klang zum ersten Mal etwas schärfer, als sie antwortete.
»Ja, das stimmt. Er ist in jungen Jahren schon mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, aber das ist mehr als fünfzehn Jahre her. Trotzdem ist er mindestens ein Dutzend Mal befragt worden, als würde man in allem, was er sagt, von vornherein Lügen vermuten. Ein Mensch kann sich doch ändern, oder glauben Sie nicht, dass das möglich ist?«
Konrad Simonsen antwortete ohne Umschweife.
»Doch, doch, sicher. Es ist natürlich sehr unangenehm, verdächtigt zu werden, obwohl man seine Strafe abgesessen und sich nichts zuschulden hat kommen lassen. Aber ich ermittle hier in einem Mordfall, und dabei kann und will ich auf solche Dinge keine Rücksicht nehmen.«