Towers of Germany - Thomas Zabel - E-Book

Towers of Germany E-Book

Thomas Zabel

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Beschreibung

Hochhäuser und Skyscraper, die an den Wolken kratzen, entstanden zunächst vor allem in New York und in Chicago, später auch in Ostasien und in Europa. In Deutschland waren Wohnhochhäuser bisher nicht populär. Doch der Trend nach oben hat mittlerweile auch uns erreicht. Denn die Menschen wollen im Herz der Stadt wohnen, gleichsam spielt das urbane Wohnen eine immer größere Rolle. Thomas Zabel, führender Wohnhochhausexperte in Deutschland, analysiert den neuen Boom von Wohnhochhäusern. Woher kommt dieser Trend und warum erreicht er erst mit so viel Verzögerung Deutschland? Wer sind die Macher, wer sind die Treiber? Wo entstehen die spannendsten Projekte? Und können deutsche Wohnhochhäuser mit internationalen Projekten überhaupt mithalten?

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Seitenzahl: 284

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Thomas Zabel

TOWERS OF GERMANY

Wohnhochhäuser in Deutschland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe, 1. Auflage 2020

© 2020 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Projektgesamtleitung: Michael Wehran

Redaktion: Caroline Kazianka

Korrektorat: Bärbel Knill

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: gsp Städtebau

Satz: Röser MEDIA, Karlsruhe

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-207-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-382-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-383-1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Inhalt

1. KapitelHoch hinaus: Einführung und Grundsätzliches

2. KapitelWarum so hoch? Eine kurze Kulturgeschichte der Wohnhochhäuser

3. KapitelHoch bauen – hoher Aufwand: Vor- und Nachteile von Wohnhochhäusern

Definition des Begriffes »Hochhaus«

Das Hochhausspezifische: charakteristische Merkmale und Unterschiede zu Geschossbauten

Brandschutz: Sicherheit, Treppenhäuser und Fluchtwege

Das Bauen und die Wirtschaftlichkeit: Gründung, Statik & Co.

Nachhaltigkeit und Ökologie

Die Finanzierung

Die Preise

Motive: Warum in ein Wohnhochhaus?

4. KapitelHoch fliegen: die Renaissance der Wohnhochhäuser in Deutschland

Geschichte und frühere Projekte – öffentlicher Wohnungsbau in Ost und West

Der Imagewandel der Wohnhochhäuser

Der Markt für Wohnungen und Hochhäuser in Deutschland

Projektentwickler und Erlösmodelle

Erfolgsfaktoren

Nutzung und Kombinationen – »Mixed-Use«

Eigentum versus Miete

Mittendrin: die Lage

Standort

Qualität und Ausstattung

Zielgruppen

Politik und Verwaltung

Stadtplanung, Baupolitik und Behörden

Regulierung und Gesetze

Öffentliche Meinung und Bürgerinitiativen

5. KapitelBis zu den Wolken: aktuelle und bestehende Wohnturmprojekte

Frankfurt am Main

Grand Tower

Omniturm

FOUR

Neuer Henninger-Turm

One Forty West

Eden

Riverpark Tower

Porsche Design Tower

Axis

160 Park View

Onyx

Wohnen am Park/Praedium

Solid Home

High Lines

Great East

Grand Central Tower

Blue Horizon

Ruby Tower

Westside Tower

Taunusturm Residential

NewFrankfurt Towers (Offenbach)

Berlin

Alexander – Berlin’s Capital Tower

D 3

Hines-Tower

Grandaire

Living Levels

Upside Berlin

Überlin

Q218

OASIS Berlin

The Fritz Tower

HavelPerle

Spreegold

High West

Fanny-Zobel-Straße

Hamburg

Kristall Tower

Marco Polo Tower

Fiftynine Strandkai & Co.

Arabica Wohnturm

Cinnamon Tower

Elbphilharmonie

Konrad

Wildspitze

Strandhaus by Richard Meier

Stuttgart

Skyline

Cloud No. 7

SLT 107 Schwabenlandtower (Fellbach)

Düsseldorf

Stadtquartier Le Quartier Central

Ciel et Terre

Pandion D’Or

Rhein740 Tower

Upper Nord Tower

White Max

Grand Central/Die drei Geschwister

win win

Pandion Le Grand

Wohnprojekt »Niederkasseler Lohweg«

Köln

OPAL

Gerling-Hochhaus

Parkview Cologne

Pandion Vista (Kranhaus)

Coloria

München

One Rock

Friends Tower

IsarBelle

The Seven

Fazit

Literatur und Quellen

Endnoten

1. KAPITEL

Hoch hinaus: Einführung und Grundsätzliches

Sozialer Brennpunkt, Anonymität, Plattenbau und »weit weg vom Zentrum«, das waren jahrzehntelang die ersten Gedanken, die aufkamen, wenn man das Wort »Wohnhochhaus« hörte. Das miserable Image lag im krassen Gegensatz zur Gebäudehöhe. Doch seit Kurzem hat sich hier der Wind gedreht. Denn ein neuer Typus von Wohntürmen hat sich entwickelt – einer, der den modernen, weltläufigen Lebensstil seiner Bewohner in den Fokus rückt. Und dieses Versprechen tragen die aufragenden Immobilienprojekte bereits im Namen: Grand Tower, Grand Central Tower, Grandaire, Grand Central oder Le Grand sind nur einige Beispiele und Namen aktueller Vorhaben.

Die Entwicklung von Immobilien ist seit jeher von gesellschaftlichen Megatrends geprägt. So ist es auch bei Wohnhochhäusern, die der urbanen und sich verändernden Lebensart ihrer Bewohner gerecht werden. In einem verdichteten und komplexen Alltag möchten viele Menschen ihre kostbare Zeit nicht für Routineaufgaben rund um die Wohnung, sondern für sich selbst oder Begegnungen mit anderen Menschen aufwenden – und dies spiegelt sich auch in neuen, zumindest für Deutschland neuen, Wohnformen wider.

Zu diesen gesellschaftlichen Megatrends gesellen sich die Anforderungen einer modernen Stadtentwicklung: Die Flächen für Baugrund werden knapper und moderne Mobilitätskonzepte versuchen eine Antwort auf das wachsende Verkehrsaufkommen zu finden. Durch den industriellen Strukturwandel liegen innerstädtische Flächen brach, vor allem auch Bahngelände oft mitten in der Stadt, die sinnvoll genutzt werden könnten.

Ihre zweifelhafte Reputation haben Hochhäuser in Deutschland durch den oft verfehlten sozialen Wohnungsbau der 1960er- und 1970er-Jahre erhalten. In Städten wie New York, Schanghai oder São Paulo ist es dagegen ganz normal, dass Menschen in Hochhäusern wohnen und sich dort wohlfühlen. Hierzulande beginnt erst langsam ein Umdenken – und das war der Anlass für mich, dieses Buch zu schreiben.

Ich werde die Entwicklung von vielen Seiten beleuchten und dabei auch die wichtigsten Akteure und ihre Motive und Erkenntnisse vorstellen. Dazu gehören namhafte nationale und internationale Projektentwickler und Immobilienberater. Selbstverständlich steht dabei der zentrale Mitspieler mit seinen Interessen und Bedürfnissen im Mittelpunkt: der Kunde in seiner Eigenschaft als Käufer/Kapitalanleger und Nutzer/Mieter. Denn mit seiner Nachfrage ist er am Ende, wie bei allen Produkten und Dienstleistungen, die treibende Kraft. Ohne ihn würde es das beeindruckende Revival gar nicht geben.

Daneben gehe ich den gewichtigsten technischen, wirtschaftlichen, städtebaulichen und soziologischen Aspekten auf den Grund. Denn Bauen, zumal so weit nach oben, ist eine hochkomplexe Angelegenheit und birgt ab einer gewissen Höhe besondere ingenieurtechnische Herausforderungen, die Wohnhochhäuser teurer machen. Trotzdem lohnt sich deren Bau, zumal auch andere Motive beim Kauf einer solchen Wohnung mit hineinspielen. Gerade Wohntürme und Hochhäuser im Allgemeinen erfüllen wahrlich viele Funktionen, das zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Sie sind Wahrzeichen. Darin zu wohnen, ist auch ein Statussymbol – und der zentrale Aspekt, die Aussicht, ist oft betörend und mit Geld gar nicht aufzuwiegen. »Ziel ist hierbei immer das Setzen eines Zeichens des Wohlstandes und der Repräsentation, welches von den einzelnen Gebäuden und Gebäudeensembles einer Skyline auf die Gesamtstadt abfärben soll«, sagt die Bulwiengesa AG, ein Analyseunternehmen der Immobilienbranche, in einer Studie.1

Einer der globalen Megatrends ist die anschwellende Urbanisierung. Städte prägen die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung massiv. In den Städten spielt die Musik, weltweit. Dabei ist für einen Wohnturm selbstverständlich auch die optische Integration in die jeweilige Stadt und Lage wichtig, genauso wie Hochhäuser die Fläche optimal ausnutzen und auf kleinstem Platz viel Wohnraum schaffen.

Wir erleben eine fantastische Renaissance: vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan. Ich bin davon überzeugt, dass diese Entwicklung noch lange andauern wird. Allein in Frankfurt drängen sich die Entwickler bereits ziemlich dicht. Nachdem die Projektentwicklungsgesellschaft gsp Städtebau mit ihrem Grand Tower 2015 als Planung gestartet ist und Mitte 2020 der Turm abgeschlossen sein wird, haben etliche Bauherren nachgezogen. Allein wir zählen aktuell (Februar 2020) knapp zwei Dutzend Projekte in der Mainmetropole, die im Bau, gerade fertig oder in einem substanziellen Planungsstadium sind. Damit zeigt sich Frankfurt auch bei Wohnhochhäusern als die deutsche Turm-Hauptstadt, während die richtige, Berlin, ihr jedoch nacheifert. Hier ist der Boom am zweitstärksten, derzeit zählen wir mehr als ein Dutzend Vorhaben, wobei die Zählweise immer auch vom Betrachter und unterschiedlichen Kriterien abhängt. Denn die baurechtliche Definition von Hochhäusern (alles über 22 Meter) taugt wahrlich nicht, erst recht nicht im internationalen Maßstab.

Dabei vollziehen wir nur das nach, was in anderen Ländern seit Jahrzehnten gang und gäbe ist, von den USA bis Brasilien/São Paulo, besonders in den Metropolen Asiens und in den Golfstaaten. Internationale Investoren, Geschäftsleute aus dem Ausland und deutsche Expats kennen das Konzept schon lange. Gerade sie springen darauf an, und sie bilden damit eine bedeutsame Kernzielgruppe, die nun durch jene Deutsche ergänzt wird, die von den Projekten wegen ihrer Argumente überzeugt sind. Beide Gruppen gemeinsam ermöglichen die Bauvorhaben in Deutschland ökonomisch.

Dabei könnte ich von Hunderten Gesprächen mit potenziellen deutschen Nutzern berichten, die zwar aktiv nie daran gedacht haben, eine Immobilie in einem Wohnturm zu kaufen (weil es sie in attraktiven Lagen fast gar nicht gab). Nun aber sind sie sofort überzeugt, wenn ich ihnen ein Domizil präsentiere. Dies sind meine Erfahrungen als Berater und Vermittler beim Grand Tower in Frankfurt, einem der ersten modernen Neubauvorhaben in dieser Größenordnung und Pionier auf diesem Gebiet. Ich werde da, wo es passt, immer wieder auf dieses Objekt zurückkommen, aber selbstverständlich alle nennenswerten Projekte nicht nur auflisten, sondern auch von den entsprechenden Erfahrungen und dazugehörigen Erkenntnissen erzählen sowie die jeweiligen Chefs der Projektentwickler zu Wort kommen lassen. Hierbei bedanke ich mich besonders bei Uwe Schmitz von der Frankonia Eurobau AG, Klaus Franken von der Catella Project Management GmbH, Jürgen Blankenberg von der gsp Städtebau GmbH, Fabian von Köppen von der Garbe Immobilien-Projekte GmbH und Olivier Bastin von der belgischen Immobel. Ihr Engagement zeigt, dass es sich hier um keinen kurzlebigen Trend handelt. Genauso möchte ich meinen Dank aussprechen gegenüber Mark Collins, Chairman of Residential bei der britischen Immobilienberatungsgesellschaft CBRE, Hugo Thistlewayte, Head of Residential International bei der Immobilienberatungsgesellschaft Savills, und Andrew Frost, Head of Residential für die EMEA-Region (Europa, Naher Osten und Afrika) der Beratungsfirma Jones Lang LaSalle (JLL), der ich als Head of Residential Development Germany angehöre.

Ich werde im Laufe des Buchs die wichtigsten inhaltlichen Punkte durchdeklinieren. Der Wohnungsmarkt, wie sollte es anders sein, ist dabei einer der bestimmenden Faktoren, auch wenn Wohnhochhäuser rein von ihrer Anzahl her nur einen sehr geringen Anteil an allen Wohnungen ausmachen. Dennoch: Wenn die Bevölkerung wächst, immer mehr Wohnungen gebraucht werden und beispielsweise Arbeiten in anderen Städten als der Heimatstadt ebenfalls attraktiver wird, tragen auch Wohntürme zur Lösung bei. Singles, Studenten und Wochenpendler benötigen etwa verstärkt Mikroapartments, für die es auch ausgezeichnete Beispiele in Wohnturmprojekten gibt.

Interessant ist dabei: Während die Projekte der ersten Generation – die so sehr für das Negativimage dieses Genres gesorgt haben – von staatlicher Seite in West und Ost gebaut wurden, sind es nun mit wenigen Ausnahmen private Investoren. Früher hat der Staat mit seinen Wohnungsbaugesellschaften den »Markt« geprägt – und zugespitzt gesagt: So sah es dann auch aus. Natürlich hatten die Wohnhochhäuser von einst den zeitgenössischen Standard, den man damals erwarten durfte. Freilich stand hier die rasche und pragmatische Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Vordergrund, nicht ästhetische oder Ausstattungsaspekte. Genauso war dies mit dem umfassenden Wohnungsbauprogramm in der DDR, für die Hochhäuser ebenfalls ein prägendes Element waren. Hier allerdings waren die sogenannten Neubauten – den Begriff »Platte« gab es damals noch nicht – bis zum Untergang der DDR äußert beliebt, ja erhielten sogar mit dem Hochhaus an der Weberwiese (obwohl es nur neun Etagen auf 35 Metern misst) im Hinterland der ehemaligen Stalinallee im Jahr 1952 ein frühes Vorzeigeobjekt. Durch den Komfort mit Bädern, Zentralheizung, fließend Warmwasser und oft Balkonen hoben sie sich von den meisten (vernachlässigten) Altbauten ab. Doch später, nach der Wende, wurden die Objekte ebenfalls Teil des sozialen Wohnungsbaus. Wer es sich leisten konnte, zog aus den besonders dicht bebauten Plattenbausiedlungen in Berlin-Hohenschönhausen, Hellersdorf, Leipzig-Grünau, Halle-Neustadt oder Marzahn aus – und nahm den umgekehrten Weg in die nun sanierten Gründerzeitwohnungen in Prenzlauer Berg oder Leipzig-Schleußig.

Natürlich spielen der Staat, Politik und Verwaltung beim Wohnungsbau nach wie vor eine entscheidende Rolle, nämlich beim Schaffen der Rahmenbedingungen, den Bauvorschriften oder der Städtebaupolitik. So werden in einigen Metropolen Hochhausrahmenpläne oder ähnliche Regelwerke aufgestellt, um die Entwicklung in Bahnen zu lenken. Damit ist es an manchen Lagen sogar zwingend geworden, in die Höhe zu bauen. Von Frankfurt einmal abgesehen, reagiert die Politik dabei vor allem auf den Markttrend, der Treiber der gesamten Entwicklung ist. Und dabei gilt es, Fehler von einst zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass Hochhäuser heute nahezu ausschließlich in zentralen Lagen entstehen.

Dabei sind auch und gerade in diesem Teil des Markts allein wegen der Bauform die Preise hoch und obendrein in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dem Thema entsprechend reden wir hier von einem gehobenen Segment. Dies heißt jedoch nicht, dass alle aktuellen Projekte eine Chance haben, rasch vermarktet und verkauft zu werden. Bei der Fülle der Objekte in manchen sogenannten A-Städten habe ich durchaus Zweifel. Ich sehe hier zwar keine Blase, aber es ist doch erstaunlich, wie viele Vorhaben in so kurzer Zeit in Angriff genommen worden sind, während es vor 2015 so gut wie keine Neubauten auf diesem Gebiet gab. Der Markt ist eindeutig da und entwickelt sich. Aber es braucht seine Zeit, um alle in den nächsten Jahren verfügbaren Immobilien an den Mann und die Frau zu bringen. All dies ist aber Bestandteil normaler Marktzyklen mit den entsprechenden Mechanismen.

Zu den wichtigsten Standorten zählen dabei fast alle sogenannten A-Städte mit einigen Einschränkungen in der jeweiligen Anzahl. In München etwa gibt es zwar ebenfalls eine Menge Hochhäuser nach deutscher Definition und es wird auch weiter gebaut. Doch ist dort aufgrund eines Volksentscheids eine Höhe ausgeschlossen, die die Frauenkirche überragt, also 100 Meter. Frankfurt besonders, aber auch Berlin und Düsseldorf gelten hier als ordnungs- und realpolitisch offener – auch die beiden letztgenannten Städte haben bereits einige Projekte vorzuweisen. In Köln und Hamburg gibt es ebenso spannende Objekte, teilweise auch bestehende. Dreh- und Angelpunkt überall ist dabei die Stadtverwaltung oder Landesregierung mit ihrer Baupolitik, aber auch den Genehmigungsprozessen – und die Nachfrage einer entsprechend betuchten Klientel ist zwingende Voraussetzung und sollte vor Baubeginn analysiert worden sein. Aus diesen Gründen finden sich in sogenannten B-Städten wesentlich weniger solcher Vorhaben. Nach Erkenntnissen von Bulwiengesa machen sie gerade einmal 10 Prozent aller Planungen aus,2 während es in Stuttgart lokale Gegebenheiten sind, die dort einen Boom, trotz mutmaßlich hoher Nachfrage, verhindern – nämlich die Lage im Talkessel, der ohnehin bereits recht dicht bebaut ist.

Ein starkes Element des Buchs ist der Vergleich – und zwar der mit den Großwohnsiedlungen früherer Jahrzehnte, die als eher abschreckendes Beispiel dienen. Gerade sie haben dadurch über lange Zeit die Umsetzung moderner Projekte verhindert. Nahezu all unsere Gesprächspartner für ihr jeweiliges Land auch aus Großbritannien haben darauf hingewiesen. Dennoch erfüllen sie eine wichtige Funktion, nämlich aufzuzeigen, wie man es heute besser machen kann. Dabei wäre ein Eins-zu-eins-Vergleich nicht fair. Schließlich sind die damaligen Siedlungen zu einer bestimmten Zeit unter speziellen Umständen entstanden und haben damals ihre Funktion voll erfüllt: nämlich schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und/oder die Konjunktur anzukurbeln. Eines hat sich aber auch gezeigt, und dies ist eben die Herausforderung bei Immobilienentwicklung: Für spätere Perioden unter veränderten Bedingungen waren diese Objekte nicht mehr attraktiv für die breite Masse der Bevölkerung, die die Wahl hatte, wegzuziehen – oder gar nicht erst hinzuziehen. Die Lehren aus dieser Epoche sind ungeheuer wertvoll bei der Realisierung heutiger Projekte. Denn die Unlust der Kunden auf Wohnhochhäuser hat Projektentwickler in Deutschland und ganz Westeuropa lange paralysiert.

Die zweite Ebene des Vergleichs ist der mit anderen Weltgegenden, Ländern und Metropolen. Dort gehört diese Wohnform, in ihrer modernen Ausprägung, schon seit Jahrzehnten zum guten Ton und wurde besonders auch für breite Schichten realisiert. Es ist dort alles andere als eine Nische, und anders wären in Asien oder den Golfstaaten eine prosperierende Volkswirtschaft, aber auch die entsprechenden Skylines gar nicht mehr denkbar, so etwa in Bangkok, Dubai, Singapur oder Schanghai. Die Wohnhochhäuser dort sind Vorbilder für uns. Denn sie richten sich – wie nun auch hierzulande – konsequent an den Bedürfnissen und Interessen der dazugehörigen Kunden aus. Überhaupt steht der Servicegedanke, also Annehmlichkeiten oder eine besondere Ausstattung, dort im Mittelpunkt – und sowohl wir mit JLL als auch andere Akteure versuchen, diese Philosophie am deutschen Markt zu verankern.

»Echte« Wolkenkratzer gibt es freilich nur wenige in Deutschland. International gesehen – und dies entspricht sicher auch dem Gefühl vieler Leser – starten diese bei 150 Metern. In den nächsten Jahren werden in diesem Rahmen nur vier bis fünf Projekte zum Wohnen umgesetzt: der Grand Tower, Omniturm und FOUR in Frankfurt am Main, das D 3 und möglicherweise der Hines-Tower am Alexanderplatz in Berlin. Zum Vergleich: Allein in Hongkong gibt es mehr als 300 Gebäude, die mindestens 150 Meter Höhe aufweisen. Dies ist weltweit betrachtet Platz eins.3

Warum beschäftige ich mich mit Wohnhochhäusern? Ich bin vor allem über das Thema »Ausstattung, Komfort, Amenities« darauf gekommen. Amenities, das sind Annehmlichkeiten, und alles zusammen entspricht den Kundenwünschen. Ich reise sehr viel, vor allem durch die boomenden Volkswirtschaften Asiens oder die Golfstaaten. Dort wird der Standard für Hochhäuser gesetzt – und der definiert sich über den Komfort und die Ausstattung. In Deutschland wird zu 99,9 Prozent erst einmal nur Wohnraum geschaffen. Weitergehende Wünsche muss sich der Kunde/Käufer/Mieter in der Regel selbst erfüllen – oder er baut eben selbst. Das höchste der Gefühle, aber trotzdem selten, war in der Vergangenheit ein Concierge. Hier und da ein Swimmingpool (der nach kurzer Zeit Patina ansetzte), ein liebloses Fitnessstudio oder eine Dachterrasse ohne Mobiliar – über dessen spätere Anschaffung sich die Wohneigentümergesellschaft nicht einigen konnte ... Letztlich blieb vieles ungenutzt.

Hinzu kommt ein naheliegendes Manko bei solchen »Annehmlichkeiten«: Sie lassen sich sinnvollerweise nur in einem Hochhaus realisieren. Denn ich nutze sie nur, wenn ich direkt mit einem Fahrstuhl dorthin gelangen kann und nicht erst von Haus G zu Haus A laufen muss, wo sich der Concierge befindet. Annehmlichkeiten, die für alle Nutzer da sind – und von ihnen auch in Anspruch genommen werden –, lassen sich lediglich in einem Wohnhochhaus (das automatisch eine größere Wohnanlage ist) umsetzen – mit einem zentralen Eingang und wo sich alles konzentriert. So bin ich überhaupt erst auf das Thema Wohnhochhäuser gekommen: vom Service her und den dahinterstehenden Kundenwünschen.

Aus dem Ausland, vor allem Asien, kennt man all dies schon lange. Hierzulande hingegen habe ich mir jahrelang eine blutige Nase geholt. Als Immobilienberater hätte ich das längst gern bei einem von uns zu begleitenden Projekt umgesetzt. 2015 endlich war die Stunde gekommen: Der Projektentwickler gsp Städtebau sprach mich an. Sie planten ein Wohnhochhaus, beauftragten mich/uns – und ich konnte all meine gesammelten Ideen vieler Jahre präsentieren und ins Feld führen. Hilfreich war dabei, dass wir bei gsp auf einen Mitarbeiter stießen, der gerade aus Bangkok kam und dem dieser Ansatz vertraut war. Bei ihm rannten wir daher offene Türen ein. Eigentümer eines Apartments im Wohnturm, vor allem ausländische, wünschen sich einen hotelähnlichen Komfort (5 Sterne natürlich), eine Lobby, einen Concierge oder auch einen Pool. Und alles erreichbar über einen Aufzug.

So sieht es auch im von gsp realisierten und durch uns begleiteten Grand Tower in Frankfurt aus: Auf dem Parkhaus hat der Architekt einen 1000 Quadratmeter großen Garten platziert. Ganz, ganz oben, auf dem Dach, ist eine Terrasse und eine Gemeinschaftsküche/Profiküche. Auf diese Weise kann jemand, der sonst nicht viel kocht und gar nicht entsprechend ausgerüstet ist, trotzdem Gäste zum Abendessen empfangen. In Bangkok geht der Fokus auf Kundenwünsche schon so weit, dass in einem Wohnhochhaus keine einzelne Küche mehr eingebaut wird – weil direkt in dem Viertel Hunderte von Garküchen/Restaurants existieren. In London sind private Kinos groß angesagt – Netflixgucken, aber auf großen Leinwänden und mit zehn Freunden.

All dies kannten viele unserer deutschen Kunden von anderen Kontinenten. Und auch wenn wir jetzt keine Kinos eingebaut oder nicht auf Küchen verzichtet haben, fanden sie die Ideen interessant – unsere ausländischen Klienten sowieso. Im Kern haben wir aber, und das ist bei jedem Unternehmen die Basis des Erfolgs, auf die Kundenwünsche gehört. Partner und Kollegen haben eingestimmt, und bereits vor Fertigstellung waren nahezu alle Wohnungen im Grand Tower verkauft. Viele der dortigen Interessenten haben zunächst Wohnhochhäuser mit Problemvierteln und mangelndem Komfort in Verbindung gebracht. Aber unsere Vorhaben und Ideen haben sie überzeugt. Wir wollten den Ruf von Wohntürmen und den Markt ändern – und rasch sollten oder sollen mehrere Dutzend Projekte folgen: High Lines in Frankfurt und High West in Berlin, Upside Berlin und Überlin, Great East und One Forty West (beide Frankfurt). Nicht Stück für Stück und zeitversetzt, sondern alle innerhalb eines recht kurzen Zeitraums. Im Nu holt Deutschland nun das nach, was seit Jahrzehnten internationaler Standard ist.

2. KAPITEL

Warum so hoch? Eine kurze Kulturgeschichte der Wohnhochhäuser

Schon immer wollte der Mensch hoch hinaus: Er wollte und hat die höchsten Berge bestiegen. Er wollte fliegen und hat es geschafft (wenn auch nicht aus eigener Kraft). Auch Gebäude in die Höhe zu bauen, war oft ein wichtiges Bestreben – und wie bei den beiden vorangegangenen Beispielen ebenfalls nicht so leicht umzusetzen. Technologische, physikalische und auch finanzielle Grenzen bremsten Bauherren und Architekten über Jahrhunderte.

Tempel, Türme, Grabanlagen (vor allem Pyramiden) – wenn es hoch hinausging, sollte der Betrachter erschaudern und sich in Demut üben. Beeindrucken sollte diese Gebäudeart von Anfang an, ja Türme und andere Hochbauten dürften die Gebäudeform sein, die am meisten auf Wirkung und Effekt abzielt – und im wahrsten Sinne des Wortes herausragen soll. Gerade in der Antike ging es nur um das Imponieren – um einem Gott oder anderen Mächten zu huldigen oder die Untertanen zu beeindrucken. Für eine praktische Nutzung kamen die Bauten seinerzeit eher nicht infrage, es waren Prestigeobjekte.

Viele Jahrhunderte später – überwiegend ab dem Mittelalter – kamen Kirchtürme hinzu und noch viel später, 1890, das Ulmer Münster mit dem bis heute höchsten Kirchturm der Erde: 161,53 Meter. Eine wesentlich weltlichere Bestimmung hatte da der Leuchtturm von Alexandria (etwa 300 v. Chr.), mit etwa 115 bis 160 Metern bis ins 20. Jahrhundert der höchste Leuchtturm, der je erbaut wurde. Doch auch er sollte nicht nur Schiffen den Weg in den Hafen weisen, sondern wohl auch im übertragenen Sinne ein Leuchtturm sein, sonst hätte er es kaum in die Liste der sieben antiken Weltwunder geschafft.

Haben also sakrale und Prestigebauten schon lange eine imponierende Höhe erreicht, hielten sich die Dimensionen bei – nennen wir es einmal geschäftlichen und praktischen Nutzungsarten lange in Grenzen. Auch und gerade in europäischen Städten kannte man durchaus die Knappheit von Baufläche. Höher als drei, vier Stockwerke ging es jedoch meist nicht hinaus, zumal zum Wohnen. Als erstes Hochhaus Europas kann man das Augsburger Rathaus (erbaut 1624) ansehen. 200 Jahre lang war es mit 57 Metern das höchste nichtsakrale Bauwerk der Welt.

Erst moderne Technologien, Methoden und Materialien, Stahl, Stahlbeton, Skelettbauweise, Elektrizität und vor allem die Perfektionierung von Fahrstühlen (im Hinblick auf Sicherheit und Absturzvorrichtungen) haben dafür gesorgt, dass hohe Gebäude »funktionieren«. Auf diese Weise konnte man diese Art Bauten nicht nur stabil errichten, vielmehr waren Nutzer und Bewohner nur so in der Lage, in akzeptabler Zeit und auch sicher in die oberen Etagen zu gelangen. Vor Einführung dieser Innovationen ergab das Bauen von Hochhäusern keinen Sinn, ja war praktisch und ökonomisch schwer möglich.

Nun, mehr als zwei Jahrtausende nach dem Turmbau zu Babylon, entstanden die Tempel der Neuzeit: Bekanntlich haben vor allem in Amerika die ersten Hochhäuser an den Wolken gekratzt, gerade in New York und in Chicago, später in Ostasien und dort besonders Hongkong – und zwar vor allem auch wegen explodierender Grundstückspreise. Spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts traten Bauherren, Investoren und zunehmend auch Staatslenker in einen Wettstreit um das höchste Gebäude, der mit dem Burj Khalifa in Dubai seinen vorläufigen Rekordhalter gefunden hat. Auch hier muss man keine ausgeprägte Menschenkenntnis besitzen, um festzustellen, dass Prestigesucht ein wichtiger Treiber war. Von den 828 Metern sind nämlich nur 638 nutzbar, denn dort, in der 163. von 189 Etagen, endet der Lift. Burj Khalifa hält den Bestwert bereits seit 2010 (aber wohl nicht mehr lange). Er ist das Gebäude mit der höchsten genutzten Etage, dem höchsten Dach und der höchsten Aussichtsplattform. Er ist zudem das welthöchste Gebäude, das auch Wohnzwecken dient. Bei klarer Sicht ist der Turm aus 100 Kilometern Entfernung zu erkennen.

Sein Vorgänger Taipeh 101 in der gleichnamigen taiwanesischen Hauptstadt mit 101 Stockwerken hatte nur wenige Jahre die Nase vorn und ist mit 508 Metern deutlich kürzer. Doch auch der Burj Khalifa wird bald zumindest auf den zweiten Platz verwiesen werden. Mehrere Projekte sind nämlich längst in Planung – und die genaue Höhe oft ein Staatsgeheimnis. Zahlen von einem Kilometer sind im Gespräch. All dies hat technologische und physikalische Grenzen – aber wo? Es scheint, als wolle der Mensch den Wunsch zu fliegen mit jenem des Hochbauens, Hochlebens und Hocharbeitens verbinden.

Und warum das Ganze? Natürlich spielt der angesprochene Platzmangel in den Metropolen, in denen sich alles drängt und wohin es jeden zieht, eine wichtige Rolle. Dabei haben auch Wolkenkratzer und Hochhäuser ihren ökologischen Fußabdruck. Aber es ist, einfach gesagt, auch umweltfreundlicher, dicht zu bauen und kompakt zu leben, statt Flächen zu zersiedeln und Verkehr zu generieren. Denn es ist nun einmal ein wesentliches Merkmal und ein Vorteil von Hochhäusern, viele Wohnungen auf einer relativ geringen Grundfläche zu errichten. Auch wenn das Motiv, hoch zu bauen, (noch) nicht im Umweltschutz liegen dürfte, so ist er doch ein Wesenszug und ein gewichtiges Argument. Hinzu kommt ebenfalls etwas Naheliegendes, obwohl dieser Druck in Deutschland und Europa aufgrund eines eher begrenzten oder sogar stagnierenden Bevölkerungswachstums nicht so groß ist: In manchen Weltgegenden geht es nur noch nach oben, weil die Metropolen selbst ohnehin schon in die Landschaft gewuchert sind und alles versiegelt haben.

Es ist kein Geheimnis, sondern geradezu eine extrem öffentliche Aussage: Natürlich sollte und soll der Bau eines Hochhauses – etwa durch einen Großkonzern oder eine Bank, die dort ihren Sitz haben – etwas mitteilen: »Wolkenkratzer sind seit Langem mit der Finanzdienstleistungsbranche und der Demonstration von Wohlstand verbunden. Hochhaustürme sprechen vor allem Unternehmen an, die ein Statement abgeben wollen«, formuliert es die Unternehmensberatung CBRE4 im Hinblick auf die geschäftlichen Nutzer eines Hochhauses wie etwa Banken. Freilich hat der (relativ teure) Bau in die Höhe auch einen ökonomischen Hintergrund, bei allem Wunsch, die Nummer eins zu sein oder etwas darzustellen. Die Gebäude haben ein solch hohes Investitionsvolumen, dass selbst milliardenschwere Scheichs mehr brauchen als die Genugtuung, das höchste Gebäude zu haben (und so musste mitten in der Finanzkrise 2008/2009 auch das Nachbaremirat von Dubai, Abu Dhabi, einspringen, um den Bau des Burj Khalifa zu vollenden). Ein Hochhaus muss Geld einspielen, und so ist die Nutzung zuallererst auch von geschäftlichen Themen geprägt, also vor allem Büros und mit großem Abstand Hotels – obendrauf dann gern ein Penthouse.

Womit wir beim »vertikalen Wohnen« wären, dem Thema, um das es im Hinblick auf Hochhäuser und Türme in diesem Buch gehen soll. In hohen Häusern zu wohnen, das scheint auf den ersten Blick erst die dritte Nutzungsart zu sein, obwohl es auf der Hand liegt. Doch von wenigen Ausnahmen abgesehen, ergaben die modernen Hochhäuser ökonomisch vor allem durch eine Büronutzung oder bei Hotelbauten (und jeweils entsprechend hohen Mieten) Sinn. Der Fokus lag auf dem Geschäftsleben, weniger auf Wohnungsnutzern.

Je nach Marktlage und Zyklus ist solch ein Mechanismus aber Schwankungen unterworfen, und vor einigen Jahrzehnten war der Bedarf nach Wohnnutzung da – oder wurde geschaffen. Auch bei reinen oder überwiegenden Wohnhochhäusern war New York Vorreiter und ebenso Hongkong. Viele Projekte sind dabei aus bestehenden Büroimmobilien entstanden, sodass am Anfang der Geschichte eine sogenannte Mischnutzung (Mixed-Use) stand, worauf ich noch eingehen werde.

Das höchste Wohngebäude steht – wie sollte es anders sein – in New York: 423 Park Avenue mit 425,50 Metern und 96 Stockwerken. Auf den nächsten vier Plätzen folgen Wolkenkratzer allesamt in Dubai mit Höhen von 343 bis 414 Metern. »Derzeit« muss man bei all diesen Rekorden als wichtiges Attribut hinzufügen, denn weltweit sind etliche Projekte im Bau. Schließlich ist Wohnen in luftiger Höhe ein starker Trend.

In Europa, zumal Deutschland, werden dagegen kleinere Brötchen gebacken. Wohnhochhäuser sind längst nicht so populär, weitverbreitet und selbstverständlich wie in den USA, Südamerika (etwa São Paulo, wo die weltgrößte Hubschrauberflotte die Bewohner hin- und herfliegt; nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern wegen der Sicherheit), Asien oder in den Golfstaaten. Die Gründe dafür sind vielschichtig und ich werde im Laufe des Buchs darauf zurückkommen. Hierzulande werden die Wohnhochhäuser jedoch ebenfalls immer mehr. Der eindeutige Trend nach oben hat auch Deutschland erfasst: Die Menschen wollen im Herzen der Stadt (dort ist der Platz begrenzt) und in bestimmten Städten wohnen. Daher konzentrieren sich die Projekte auf eine Handvoll Städte in Deutschland, in anderen Ländern ist es meist sogar nur die Hauptstadt und, wenn überhaupt, noch eine zweite Metropole.

Doch nicht überall lässt das Stadtbild Hochhäuser und Wohnhochhäuser zu, oftmals sind daher einschlägige Viertel am Rand dafür reserviert (etwa La Défense in Paris). Nur sehr vorsichtig und langsam entstehen Hochhäuser mitten in westeuropäischen Städten, sehen wir einmal von London und dem Ausnahmebeispiel Frankfurt ab, das sich konsequent vor Jahrzehnten dafür entschieden hat. Allerdings sind dort bislang ebenfalls fast nur Bürohochhäuser errichtet worden. Wohnhochhäuser folgen freilich eigenen ökonomischen Gesetzen und hier reden wir von Käufern, Nutzern, Mietern und der spezifischen Kosten-, Vermarktungs- und Verwertungsstruktur.

Woher kommt dieser Trend in Europa und Deutschland? Und warum erst jetzt und mit so viel Verzögerung gegenüber anderen Weltgegenden? Wer sind die Macher und Treiber? Wo entstehend die spannendsten Projekte? Wer zieht dort eigentlich ein und woher kommen Käufer und Nutzer? Und was sind deren Motive? Diese gesellschaftlichen und Marktthemen werde ich im weiteren Verlauf behandeln.

Interessieren sollen uns auch die handfesten baulichen Vor- und Nachteile von Wohnhochhäusern, deren Kosten und Nutzen, vor allem aber das Spezifische an ihnen. Was macht sie aus, was sind ihre charakteristischen Merkmale, eben die Unterschiede zu »normalen«, niedrigeren Häusern? Denn neben dem Wunsch, den limitierten Platz in spannenden Metropolen zu bevölkern, in der Regel eine tolle Aussicht zu genießen oder viel Licht zu haben (die Motive von Nutzern), treiben Bauherren, Architekten, Stadtplaner, Ingenieure und Bauleute ganz andere Fragen um: Wie ist die Verkehrsanbindung, wo parken die Leute und wie lässt sich die (eher teure) Haustechnik kostengünstiger gestalten? Wie kann es gelingen, dass möglichst viele Nutzer eine attraktive Wohnung erhalten und nicht auf der Schattenseite wohnen? Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt zunehmend eine Rolle. Wie also bleiben die grundsätzlichen Baukosten beherrschbar – und was kann den Nutzern an Ausstattung, Annehmlichkeiten, Design, Grundriss, ja Luxus individuell angeboten und verkauft werden? Und all dies versteht sich im Hinblick auf den Markt, die Finanzierung, Preise, Zielgruppen – denn die Bauten entstehen schließlich, weil Investoren damit Geld verdienen wollen.

Wir wollen uns mit diesem Buch Projekte in Deutschland ansehen, und wie jeder Markt hat auch der deutsche einen eigenen Kontext. Wie nahezu überall auf der Welt ist der Druck auf den Wohnungsmarkt groß, freilich nicht flächendeckend, sondern konzentriert auf Metropolen, Boomregionen und deren Umland. Obwohl Wolkenkratzer in Manhattan, Dubai oder Hongkong Ikonen sind, die von den meisten Menschen bewundert werden, besaß das Wohnen in deutschen Hochhäusern in den vergangenen Jahren eine eher schlechte Reputation. Oft dachte man dabei an Sozialbauten in Brennpunkten und weniger an Lifestyle mit Concierge und Blick auf den Taunus. Das hat sich nun drastisch geändert. Die Meinungen (und auch der Markt und die Nachfrage) haben sich gedreht, genauso wie die Einstellungen von Stadtplanern, Entscheidern und Verantwortlichen, die jetzt auch außerhalb Frankfurts viel offener für das Bauen gen Himmel sind. Ein großes Umdenken hat eingesetzt.

Die Beispiele, die ich vorstellen werde, sind dabei mannigfaltig: Neben völlig neu geplanten und gedachten Vorhaben, kommenden und fertigen Konzepten gibt es spannende Beispiele für revitalisierte und umgenutzte Gebäude, allerdings auch gescheiterte Vorhaben – und jene im Wartestand, etwa das am Berliner Alexanderplatz, für das der Architekt Hans Kollhoff bereits vor 25 Jahren seinen berühmten Masterplan für zehn Hochhäuser vorgelegt hat und bei dem seitdem (durchaus berlintypisch) nicht viel passiert ist. Nun dürfen es auch nur noch neun werden.

Und in welchen Lagen entstehen die Neubauprojekte? Für sie werden schließlich nur teilweise Häuser abgerissen (was jedoch Kollhoffs Masterplan massiv vorsah). Sie wachsen auch nicht auf der grünen Wiese, sondern nahezu ausschließlich in den Innenstädten oder zumindest in deren Nähe. Damit bekommt die Angelegenheit, neben dem gewaltigen Projekt selbst, eine wichtige stadtplanerische Komponente. Denn Bauen ist nie etwas Isoliertes, vielmehr bindet es sich immer in sein Umfeld ein: Brachflächen werden zum Leben erweckt und vernachlässigte innerstädtische Gebiete aufgewertet.

Nun ist der Zug auch in Deutschland in Fahrt gekommen – und die »modernen Wohntürme haben wenig mit den Sozialbauten aus vergangenen Jahrzehnten gemein. Ihre Architektur ist spektakulär«, schreibt die Tageszeitung Die Welt.5 Und weiter: »Heute und damals stehen die architektonisch spektakulär gestalteten Wohntürme für Macht und Lifestyle. Sie haben nichts gemein mit den Hochhaussiedlungen der 60er- und 70er-Jahre, die auf der grünen Wiese gebaut wurden.«6

3. KAPITEL

Hoch bauen – hoher Aufwand: Vor- und Nachteile von Wohnhochhäusern

Definition des Begriffes »Hochhaus«

Bevor ich weiter in das Thema einsteige, sollte erst einmal geklärt sein, was man grundsätzlich unter einem Hochhaus versteht. Die meisten Leser werden überrascht sein: In Deutschland sind dies tatsächlich schon Gebäude ab 22 Meter Höhe (in der Schweiz ab 30 Metern). Folgt man dieser Definition – geprägt durch den Brandschutz und jene Höhe, bis zu der die normalen Feuerwehrleitern reichen –, wäre Deutschland und Europa voller Hochhäuser. Den rechtlichen Rahmen geben die Landesbauordnungen oder die Musterbauordnung des Bundes vor, die Gebäude mit einer Höhe von mehr als 22 Metern als Hochhäuser bezeichnet, wobei hier der Fußboden eines Aufenthaltsraums zählt, nicht etwa das Dach. Ganz genau beschreibt es die Beratungsgesellschaft Bulwiengesa AG in ihrem PANDION Marktreport Wohnhochhaus 2018: »Als Hochhaus gilt ein Gebäude in Deutschland gemäß den Landesbauordnungen, wenn sich die Oberkante des Fertigfußbodens des letzten bewohnten Geschosses bzw. Aufenthaltsraumes in einer Höhe von mehr als 22 Metern über der für das Aufstellen von Feuerwehrfahrzeugen notwendigen Geländeoberfläche befindet.«7 Der Grund für diese Festsetzung ist, wie gesagt, der Brandschutz: Die längsten Feuerwehrdrehleitern reichen nur bis zu dieser Höhe – was wiederum bedeutet, dass höhere Gebäude mehr für den Brandschutz tun müssen, vor allem extra Fluchtwege benötigen, und daher heißen sie baurechtlich Hochhäuser oder Sonderbauten. Auch auf diese Herausforderungen werde ich noch zurückkommen.

22 Meter, das können übrigens bis zu neun Stockwerke sein.8 Für den Begriff Wohnturm wiederum fehlt eine exakte Definition, die für den deutschen oder europäischen Markt Sinn ergeben würde. Wolkenkratzer verdienen diese Bezeichnung ab 150 Metern und werden mittels eines Regelwerks offiziell vom Council on Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH) erfasst, der ebenfalls die einschlägigen Rekorde bestätigt. Dies ist keine rechtliche Festlegung. Aber sie entspricht auch meiner persönlichen Einschätzung, die freilich subjektiv ist. Doch meines Erachtens sollte ein Wohnturm schon 150 Meter aufweisen. Dabei zählt manches Gebäude durchaus auch deshalb als hoch, weil die umliegenden Bauten niedrig sind. Und für den Internationalen Hochhauspreis, initiiert von der Stadt Frankfurt, muss ein Gebäude auf jeden Fall mindestens 100 Meter hoch sein.