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Eine dunkle Kurzgeschichte über einen lieben Vater, der eines Nachts einen Herzanfall erleidet. Aufgrund seiner Erkrankung bekommt er ein Spenderherz. Doch dieses Spenderherz führt bald ein grausiges Eigenleben und droht alles im Leben des Mannes zu verschlingen.
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Wo endet die Wirklichkeit?
Wo beginnt das Unfassbare?
Sind wir wirklich fähig zu sehen?
Sind wir wirklich fähig zu verstehen?
Ist Wahnsinn definierbar?
Laufen wir geradewegs ins Verderben?
Passiert nicht alles nur im Kopf?
Oder doch eher im Herzen?
*
Und wieder dieses Gefühl. Wie ein Schlag ins Gesicht. Ein tiefer Schmerz. Unter der Haut. Tief im Inneren. An einem unbekanntem Punkt, verloren zwischen den Arterien und Venen seines sterbenden Leibes. Schmerzen, die das Herz zu zerreißen schienen, marterten seinen Körper. Quälende Angst, die die Seele erkalten ließ. Angst vor dem Ende. Vor dem Unausweichlichen. Gedanken an das Leben danach. Grausame Pein, irgendwo zwischen den unzähligen Windungen des Gehirnes. Er spürte, wie das Blut wieder einige Grad kälter durch seinen Leib floss. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis ihn der bittersüße Tod ereilt und ihn hinabreißt, in die finsteren Abgründe der Hölle. Er war doch noch so jung. Erst Ende Zwanzig. Sein ganzes Leben lag doch noch vor ihm. Er wollte noch so viel machen. Eigene Kinder bekommen, eine Weltreise, einfach das Leben in vollen Zügen genießen. Wie konnte ihm das arme Herz dann nur schon solche Probleme bereiten? Er konnte es einfach nicht verstehen. Wieso schlugen die Tabletten nicht an? Er hatte doch nie jemandem etwas getan. Eine stumme Träne rann von seinen Wangen. Und wieder dieses Pochen. Und wieder stand sein Herz für wenige Sekunden still. Es gab das Schlagen auf. Ganz langsam. Und mit einer Gewalt, die schlimmer war, als alles auf der Welt je Dagewesene. Seine Zeit lief ab.
Mit schwitzendem, von Angst verzerrtem Gesicht saß er auf seinem Stuhl, vor dem alten, vergilbten Briefpapier und sinnierte über das, was bald kommen mag. Die Kerzen flackerten im zarten Hauch des Windes, der durch das offene Fenster drang und zauberten geheimnisvolle Schatten an die Wände. Er konnte ihn förmlich spüren. Er spürte den eiskalten Hauch des Todes, der langsam wie ein unheimlicher, grausamer Schatten lautlos in sein Zimmer trat und ihn holte. Er konnte spüren, wie das Ende allen Lebens die eisigen, knöchernen Finger um ihn schloss, tief in seinen Körper eindrang und seine Seele mit sich riss in die abgrundtief schwarze Unendlichkeit. Das Leben konnte so einfach vorbei gehen. So schnell. Es ist nur ein kurzer, schneller Augenblick, der das Leben nimmt… Zeit ist nichts. Nur der Moment zählt.
In seinen Mundwinkeln hing eine Zigarette, an der er eifrig zog. Er nahm die giftigen Dämpfe tief in sich auf und stieß den blauen Dunst kunstvoll durch die Nase wieder aus. Sein Blick war starr auf das Blatt gerichtet. Wie von fremder Hand geführt, raste die Feder in seinen zittrigen Fingern über das alte Papier, welches hunderte von Jahren alt zu sein schien. Er versuchte verzweifelt, alles niederzuschreiben, was er seinen Angehörigen noch zu sagen hatte. Die Depression seines Lebens ließ ihn verzweifeln. Schon bald wird es vorbei sein. Er merkte, dass die Zigarette aufgeraucht war, nahm sie aus dem Mund und drückte sie im Aschenbecher aus, die Feder nach wie vor in der rechten Hand. Er wollte sich gerade eine neue Zigarette aus der halbvollen Packung nehmen, als es wieder geschah. Und wieder dieses stechende Gefühl in seiner Brust. Er steckte die Feder in das silberne Tintenfass, nahm den rechten Arm und legte sie auf seinen Körper, genau an der Stelle, wo sein Herz seinen grauenhaften Platz hatte. Er kniff die Augen zusammen und stieß einen leisen, fast unhörbaren Schmerzensschrei aus. Einige Tränen traten aus seinen Augen und perlten wie Regentropfen von seinen Wangen. Der Schmerz verschwand. Doch nur kurz. Er nahm seine Arbeit wieder auf und schrieb seine Gedanken weiter hernieder. Dann schlug der Tod mit voller Kraft zu…
Der Schmerz war nicht zu ertragen. Ihm war, als wäre eine glühende Klinge direkt in sein Herz gerast und hätte es in tausende Fetzen zerrissen. Noch ein kurzes Röcheln, ein stummer Schrei und dann versank alles in endloser Finsternis.
Darius sackte zusammen. Die Feder fiel aus seiner Hand. Auf dem Teppich bildete sich ein kleiner, schwarzer Tintenfleck.
Ein lauter Donner durchzuckte die Nacht. Ein greller Blitz folgte und erleuchtete die Straßen. Der kalte Regen setzte ein.
*
Ich bin in Dir. Du wirst es nicht verstehen. Du kannst diesen Weg nicht alleine gehen. Ich lasse Dich nie wieder gehen. Du bist mein! Für immer...
*
Elisa, die Tochter von Darius‘ Lebensgefährtin, schrak aus ihrem Traum hoch und hörte ein leichtes, wie Donner klingendes Geräusch, aus dem Arbeitszimmer des lieben Stiefvaters widerhallen. Die Turmuhr schlug gerade mit dumpfen Klängen zur Mitternachtsstunde. Elisa fragte sich, in kindlicher Naivität, was wohl passiert sein mag und stand auf. Ihre Augen noch ganz klein, verschlafen. Die blondgelockten Haare waren wirr zerzaust. Dann erfolgte wieder ein Donnerschlag. Dieses Mal jedoch von anderer Stelle. Elisa blickte hastig in Richtung Fenster und fast blendete sie der folgende, grelle Blitz. Wie unheimliche Krallen klopften die Regentropfen gegen das Glas. Sie kniff verängstigt ihre Augen zu. Ich hasse Gewitter, dachte sie und wollte schnell zu Papa. Sie schlüpfte leise in ihre rosafarbenen Hausschuhe mit den weißen Bommeln daran und trat, wie auf Federn aus ihrem Kinderzimmer. Luca schlief friedlich seinen Hundeschlaf. Er lag seinem weichen, felligen Rücken in seinem Körbchen in ihrem Zimmer und hatte alle Viere von sich gestreckt. Elisa bildete sich ein, als sie aus dem Zimmer trat und sich noch einmal zu ihm umdrehte, ihn sogar etwas schnarchen zu hören. Dann verschloss sie leise die Zimmertür und bewegte sich, leise wie ein Geist, durch den Flur in der oberen Etage ihres Elternhauses. Das dunkle Haus war still im tiefen Schlummer der unheimlichen Nacht versunken. Die Mutter war noch auf der Arbeit. Sie würde erst in ein paar Stunden wieder nach Hause kommen. Auf dem großen, fast schwarz erscheinenden Flur schienen die alten Dielen bei jedem ihrer Schritte zu knarren und zu quietschen. Die Geräusche klangen wie das Heulen gepeinigter Seelen, die in den tosenden Feuern der Hölle die schlimmsten, unaussprechlichsten aller Qualen erlebten. Elisa zuckte vor Schreck zusammen und versuchte mit heiserer Stimme nach ihrem Papa zu rufen, doch ihr Rufen wurde von einem weiteren Donnerhall übertönt. Der Schrei verstummte unter dem Knall, der die Wände des alten Hauses erzittern ließ. In Elisa wuchs die Panik weiter. Sie wünschte sich erneut, ihren Papa zu finden. Er würde sie in seine großen, starken Arme schließen und ihr zusprechen, dass alles in Ordnung wäre und sie keine Angst vor so einem kleinen Gewitter zu haben bräuchte. So war es immer. So wie früher.