Trauer fühlen und annehmen - Jens de Jonge - E-Book

Trauer fühlen und annehmen E-Book

Jens de Jonge

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Beschreibung

Tod und Trauer können jeden Menschen treffen. Für die Verarbeitung ist es wichtig, die Trauer zu fühlen. Jeder Verlust hinterlässt tiefe Spuren in unserem Leben und unserer Seele. Trauer ist wichtig, aber auch herausfordernd. Unser Umfeld, sowie unsere eigenen Gedanken und Gefühle prägen den Trauerprozess. Oft wird Akzeptanz mit Verdrängung verwechselt. Auch in meinem Leben gab es Verluste, die ich ganz unterschiedlich erlebte.

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Vorwort

Jedes Jahr sterben rund um den Globus Millionen Menschen aus unterschiedlichen Gründen. Unheilbare oder schwere Krankheiten und fortgeschrittenes Alter, aber auch Unfälle und Suizide gehören zu den häufigsten Ursachen.

Der Umgang von Hinterbliebenen mit der Trauer und dem eigentlichen Verlust ist individuell verschieden und kann niemals von außen bestimmt werden.

Trauer ist nicht gleich und auch das, was uns trauern lässt, kann unterschiedliche Hintergründe haben. Immer wieder bekommen Trauernde gut gemeinte Ratschläge, welche jedoch den Trauerprozess mitunter erschweren.

Der Tod unserer geliebten Tochter im Frühjahr 2023 war der Auslöser, mich mit dem Thema Trauer näher zu beschäftigen und Menschen bei der Bewältigung eines Trauerfalls zu unterstützen. Heute bin ich als Personal Coach und Trauerbegleiter tätig.

Auch Männer dürfen und sollen trauern. Alte Klischees vom „starken Mann“ sind längst überholt und trotzdem führen genau diese und andere Lebensweisheiten dazu, dass nicht selten Männer in einen längeren Trauerprozess geraten. Zu früh wird verdrängt und zu spät erkannt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Verlust ist.

Mit dem Buch möchte ich trauernden Angehörigen Mut machen, ihre Trauer zu fühlen und zu erleben.

Herzlichst,

Jens de Jonge

Die Bezeichnungen für Personen sind geschlechterneutral formuliert.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Was ist Trauer?

Leugnen

Wut

Verhandeln

Depression

Akzeptanz

Ursachen für Trauer

Trauer früher und heute

Unser Umfeld während der Trauer

Familie und Partnerschaft

Der Freundeskreis

Das Arbeitsumfeld

Gutgemeinte Ratschläge

Die andere Trauer vieler Männer

Orte der Trauer und Freiräume

Die Farben der Trauer

Vorwürfe

Vergebung

Der Tod und unser Glaube

Spiritualität im Trauerprozess

Ziele unserer Trauer

Verdrängung oder Akzeptanz

Trauer hat kein Ablaufdatum

Was habe ich selbst erlebt

Der erste Todesfall in meinem Leben

Mein Vater wurde mir genommen

Der Tod meiner Oma

Die Diagnose unserer Tochter Katharina

Als unsere Tochter starb

Was hat das alles für einen Sinn?

Trauer fühlen und annehmen

Hilfreiche Dinge während der Trauer

Schreiben oder nehmen Sie Ihre Emotionen auf

Schreiben Sie dem Verstorbenen Briefe

Sprechen Sie mit Freunden und Bekannten

Basteln Sie Erinnerungsstücke

Nehmen Sie sich kleine Auszeiten

Malen Sie Ihre Gefühle

Seien Sie offen für Unbekanntes

Die Zukunft stirbt nicht

Was ist Trauer?

Die Frage, was Trauer überhaupt bedeutet, ist wichtig, um dieses menschliche Gefühl grundlegend zu verstehen. Wir sollten in diesem Zusammenhang auch genauer betrachten, was Trauer in uns eigentlich auslöst. Nicht immer, wenn wir vom Trauern sprechen, ist der Tod eines geliebten Menschen der Auslöser dafür.

Trauer ist im Allgemeinen ein sehr starkes Gefühl in uns Menschen, das fast immer nach einem schwerwiegenden Verlust auftritt. Dieser Verlust kann sehr unterschiedlich sein, worauf wir aber später noch einmal zurückkommen. Des Weiteren kann und wird die Schwere der Trauer von Person zu Person variieren, so wie auch der jeweilige Umgang mit dieser. Trauer wird als eines der schwersten und tiefsten Gefühle beschrieben, welche wir als Mensch empfinden können.

Selbst körperliche Symptome können in der Trauer auftreten. Manchmal beschreiben Trauernde ein Herzrasen oder ein Leeregefühl im Magen sowie eine starke Müdigkeit.

Wir trauern, wenn wir etwas oder jemanden vermissen. Bereits im Kindesalter kommen wir mit dem Gefühl der Trauer in Berührung, wodurch dessen Entwicklung schon sehr früh beginnt.

Da es jedoch keine richtige oder falsche Trauer gibt, lässt sich auch dieses Gefühl nicht generell beschreiben. Eine Leere, die uns umgibt, könnte ebenso für die Beschreibung von Trauer verwendet werden, wie auch die fehlende Zukunftsperspektive für das eigene Leben. Etwas, das vor einiger Zeit noch wunderbar war, ist nun vollkommen anders und wir sehnen uns nach der vergangenen Zeit.

Es gibt in der Trauer eines Menschen nichts, was ungewöhnlich wäre, denn jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise. Weinen. Lachen, Tanzen, Singen und vieles mehr kann sich wellenartig abwechseln. In einem Moment sind wir traurig und in uns gekehrt, aber im nächsten Augenblick kann schon eine kleine lustige Erinnerung für herzhaftes Lachen sorgen. Nichts darf uns in der Trauer fremd oder gar unsinnig erscheinen.

Alles, was heilsam für unsere Seele ist, sollte erlebt und durchfühlt werden. Niemand sollte sich seiner Gefühle und seines Verhaltens in der Trauer schuldig fühlen oder schämen.

Seit es Lebewesen auf dieser Erde gibt, gehört der Tod und der Verlust zum Kreislauf des Lebens.

Wenn wir trauern, empfinden wir eine unglaubliche Traurigkeit und Sehnsucht in uns, die in verschiedenen Phasen ablaufen kann.

In der Literatur wird das Modell „Fünf Phasen der Trauer“ von Elisabeth Kübler Ross (1) gerne benannt, welches sich mit dem Thema Sterben und Trauer auseinandersetzt. Vordergründig wurde es aufgestellt, um zu beschreiben, welche Phasen unheilbar kranke Patienten bei einem Sterbeprozess durchlaufen.

Später fand es auch für den Trauerprozess Anwendung, den Hinterbliebene nach einem Verlust durchlaufen.

Die fünf Phasen werden wie folgt bezeichnet:

Leugnen: Der Verlust darf nicht wahr sein.

Wut: Wir suchen einen Schuldigen für den Verlust.

Verhandeln: Was kann ich tun, um es abzuwenden?

Depression: Das Lösen und Akzeptieren beginnen.

Akzeptanz: Unser neues Leben wird akzeptiert.

Nach eigener Erfahrung laufen diese Phasen sehr oft gar nicht strikt nacheinander ab und folgen auch keinem festen Plan. Es ist eher eine wellenartige Bewegung, durch die man immer wieder Teile einzelner Phasen erlebt, die mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt sind.

Lassen Sie uns die einzelnen Phasen einmal genauer betrachten und versuchen. Versuchen Sie dabei gerne, sich an Ihre Trauer zu erinnern und zu fühlen, welche Emotionen Sie in den einzelnen Phasen erlebt haben.

„Je schöner und voller die Erinnerung,

desto schwerer ist die Trennung.

Aber die Dankbarkeit verwandelt

die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.

Man trägt das vergangene Schöne nicht

wie einen Stachel,

sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“

Dietrich Bonhoeffer

1)https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf_Phasen_der_Trauer

Leugnen

Manchmal ist es nur ein Anruf und unser Leben verändert sich von einem auf den anderen Augenblick. Ein geliebter Mensch ist für immer aus unserem Leben gerissen worden. Zuweilen geht dem Tod eine lange Krankheit voraus oder es geschieht ganz plötzlich durch einen Unfall oder sogar ein Verbrechen.

Einem Angehörigen mitzuteilen, dass ein Familienmitglied verstorben ist, gehört vermutlich zu den schwierigsten Aufgaben, die man sich vorstellen kann. In einzelnen Ausbildungen und Studiengängen gehören solche Situationen zum Teil des Lernumfangs. In der Theorie und in praktischen Übungen erlernen Menschen, einem Angehörigen eine Todesnachricht zu überbringen. Doch wie kann man etwas lernen, ohne dabei besonders den Menschen gegenüber und die ganz persönlichen Emotionen der jeweiligen Situation zu berücksichtigen? Eine noch so gute Vorbereitung kann die Realität vermutlich niemals ersetzen.

Für die Hinterbliebenen bedeutet eine solche Botschaft nicht selten einen freien Fall in ein schier unendlich erscheinendes tiefes schwarzes Loch. Manchmal geht es sehr plötzlich, obwohl man am Vorabend noch gemütlich zusammen auf dem Sofa saß.

Ein anderes Mal geht dem Verlust eine Krankheit voraus und man hatte vielleicht bis zuletzt die Hoffnung auf Besserung oder sogar Heilung.

Ein Vorbereiten auf den Tag oder den Moment des Sterbens eines geliebten Menschen ist schwer und fast unmöglich. Wenn sich unsere Liebsten auf die letzte Reise begeben, ist dies unumkehrbar und das Gefühl, das in den zurückbleibenden Angehörigen aufkommt, kann man weder planen noch vorhersagen. Jeder Verlust ist auf seine Weise einmalig und jedes Gefühl menschlich unterschiedlich.

Nach der traurigen Nachricht reagiert unser Körper in der Regel mit einem Schockzustand. Wir leugnen das Geschehene automatisch als eine Art Selbstschutz.

Zudem sind wir teils emotionslos und verstehen nicht, was geschehen ist. Worte fallen schwer und wir verschließen uns sogar Menschen in unserem engsten Umfeld.

Auch unser Zeitgefühl ist quasi nicht mehr vorhanden. Es scheint, als würde die Zeit stehen bleiben. Wenn wir auf die Uhr schauen, stellen wir oft fest, dass kaum Zeit vergangen ist. Die Tage erscheinen endlos.

Und dennoch geht das Leben um uns herum unvermittelt weiter. Menschen, denen wir im Alltag begegnen und die nichts von unserem Verlust wissen, sind uns gegenüber fröhlich. Sie ahnen natürlich nicht, was geschehen ist und wie wir uns fühlen.

Wir verstehen das gar nicht in unserer Trauer. Der Gedanke, dass jemand so fröhlich sein kann, obwohl gerade ein geliebter Mensch gestorben ist, weckt im ersten Moment Unverständnis in uns.

Wir wollen das alles nicht wahrhaben. Diese Phase lässt sich, ebenso wie die Trauer insgesamt, nicht zeitlich begrenzen.

Möglicherweise bekommt hierbei wieder die gedankliche Vorbereitung auf den Verlust eine gewisse Bedeutung, die das Leugnen etwas eher vergehen lassen könnte, als bei einem sehr plötzlichen Verlust.

Es bleibt die Tatsache, dass man nicht wahrhaben will, was passiert ist und was das Leben derart verändert hat.

„Was als wahr betrachtet wird, kann unwahr sein.

Was als unwahr betrachtet wird,

hat seine eigene Wahrheit.“

Georg-Wilhelm Exler

Wut

In der Wut-Phase spricht man auch oft von Frustration. Wir suchen einen Schuldigen für den Verlust. Die Fragen nach dem „Warum ich?“ oder „Wieso werde ich so bestraft?“ klingen immer wieder durch. Wir empfinden, dass alles, was passiert ist, nicht fair ist.

Nicht selten werden in dieser Phase auch Menschen beleidigt oder man verhält sich ausfällig ihnen gegenüber. Dabei spielt es kaum eine Rolle, wer der Gegenüber ist. Familienangehörige, Ärzte oder Freunde bekommen schon einmal Dinge zu hören, die aus der Trauer heraus entstanden sind. Und auch dies ist gewissermaßen notwendig, da es für den Trauernden wichtig ist, die eigenen Gefühle zuzulassen. Kaum jemand wird einem Hinterbliebenen, der um einen geliebten Menschen trauert, eventuelle verbale Entgleisungen in gewissen Situationen und ausdrücklich in der Wut-Phase übelnehmen.