Traumdeutung für Aufgeweckte - Dietmar Schlau - E-Book

Traumdeutung für Aufgeweckte E-Book

Dietmar Schlau

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Beschreibung

Die Sprache der Träume war Jahrhunderte verborgen und vergessen. Dabei steuern Träume unsere Gesundheit, unsere Lebensqualität und sogar das gesellschaftliche Zusammenleben. Jetzt sind die Traumsymbole entschlüsselt! Träume folgen einem sichtbaren Muster, ihnen liegt eine greifbare Funktionsweise zugrunde. Wir wissen heute zuverlässig, was uns die Psyche mit Träumen sagen will. Unser seelisches Geschehen schreibt nicht nur das Drehbuch der Träume, sondern prägt auch unsere Lebensweise und unsere Zivilisationen. Das ist der Schlüssel zum Geheimnis der Traumsymbole – anhand archäologischer Funde und alten Mythen können sie enträtselt und bestätigt werden. Humorvoll, tiefsinnig und kompetent nimmt der Autor Sie mit auf eine packende Reise durch vergangene Kulturen und zu rätselhaften Phänomenen. An heiligen Kultstätten und uralten Schauplätzen legen Sie das Fundament der Traumsymbolik frei. Dieses Buch lehrt Sie die Kunst der Traumanalyse. Damit können Sie die Bedeutung auch völlig neuer Traumsymbole treffsicher und zuverlässig herleiten. Ohne Symboltabellen, denn Sie erkennen das ›dahinterliegende Prinzip‹ der Traumsprache. Sie verstehen, was die Psyche sagt. In Ihren eigenen Träumen, und in denen Ihrer Kinder und Mitmenschen. Nutzen Sie die Kraft der Träume für Ihre Gesundheit, Ihre Lebensplanung und Ihr Wohlbefinden.

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Die Traumsymbole sind enträtselt
Un­sere Psyche schreibt nicht nur das Dreh­buch un­se­rer Träu­me, son­dern sie prägt auch un­se­re Kul­tu­ren. Das ist der Schlüs­sel zum Ge­heim­nis der Traum­sym­bo­le – an­hand ar­chäo­lo­gi­scher Fun­de und al­ten My­then kön­nen sie ent­schlüs­selt und be­stä­tigt wer­den. Hu­mor­voll, tief­sin­nig und kom­pe­tent nimmt der Au­tor Sie mit auf ei­ne pa­cken­de Rei­se durch ver­gan­ge­ne Kul­tu­ren und zu rät­sel­haf­ten Phä­no­me­nen. An hei­li­gen Kult­stät­ten und ur­al­ten Schau­plät­zen le­gen Sie zu­sam­men das Fun­da­ment der Traum­sym­bo­lik frei. Die­ses Buch lehrt Sie die Kunst der Traum­ana­ly­se. Sie er­ken­nen das ›da­hin­ter­lie­gen­de Prin­zip‹ der Traum­spra­che. Sie wer­den ver­ste­hen, was die Psy­che mit­teilt. In Ih­ren ei­ge­nen Träu­men, und in de­nen Ih­rer Kin­der und Mit­men­schen. Nut­zen Sie die Kraft der Träu­me für Ih­re Ge­sund­heit, Ih­re Le­bens­pla­nung und Ihr Wohl­be­fin­den.

Am Anfang war der Traum

»Hört meine Worte: Ist je­mand un­ter euch ein Pro­phet des Herrn, dem will ich mich kund­ma­­chen in Ge­sichten oder will mit ihm re­den in Trä­umen.«

Bibel AT, 4. Mose 12,6

Sie haben heute Nacht geträumt und wollen nun wissen, was Ihr Traum bedeutet? Kein Problem, erzählen Sie den Traum einem Psycho­logen – schon erhalten sie zwei Deutungen. Widersprüchliche. Deshalb erzählen sie den Traum noch einem Traumtherapeuten. Jetzt haben Sie schon eine Handvoll Varianten. Zwei Experten – vier Meinungen.

Also recherchieren Sie im Internet und ziehen ein Traumlexikon zura­te. Damit steigt die Anzahl der Deutungen rasant an, über manche müssen Sie lachen, andere kränken Sie. Am Schluss sind Sie ratlos und schwören, Träume bedeuten alles und nichts. Oder – das ist mensch­lich – Sie glauben derjenigen Deutung, die Sie am meisten bauchpin­selt.

Das sind die üblichen Erfahrungen auf der Spielwiese der Traumdeu­tung. Kein Wunder, dass diese Kunst im Ruf steht, so zuverlässig zu sein wie das Lesen im Kaffeesatz und der Blick in die Glaskugel.

Dieses Image ist nicht akzeptabel, Träume sind wichtig für unsere Gesundheit, unsere Lebensqualität und für unser soziales Gefüge. Zu wichtig, um ihre Entschlüsselung Traumgurus, Google und der Bibel zu überlassen. Ich verkünde hier­mit eine frohe Botschaft – die Sprache der Träume ist entschlüs­selt!

Bild 1: Mosaikfragment, byzantinisch, 5. Jahrhundert

Träume, ar­chäo­lo­gi­sche Ar­te­fak­te und Re­li­gi­on­en be­zie­hen ihre Sym­bo­le aus der glei­chen Quel­le – das ist der Schlüs­­sel zum Ge­heim­nis der Traum­sym­bo­le.

Die Überraschung: Träume folgen einem erklärbaren Muster, Traum­symbolen liegt ein erkennbares Prinzip zugrunde. Wir haben den Me­chanismus der Träume verstanden, und wir können ihn sogar bewei­sen. Träume sind analysierbar, es gibt objektiv ableitbare Kriterien für die Bedeutung der Traumsymbole. Wir wissen zuverlässig, was unsere Psyche uns durch Träume mitteilt.

Freuen Sie sich also auf ein Buch, das anders ist, als Sie es vielleicht von Traumbüchern gewohnt sind. Sie finden bei mir keine vorgekau­ten Symbolta­bellen oder abgekupferte Listen. Dafür gibt es aber auch keine leeren Wort­hülsen und heiße Luft. Hier gibt es Antworten – kon­kret, objektiv und beweisbar. Fachwissen eben. Damit werden Sie Träume selbst deuten können. Nicht nur Ihre eigenen, sondern auch die Ihrer Kinder und Mitmenschen. Und da die Ergebnisse objektiv sind, und der Wahrheitsgehalt nicht länger vom ›persönlichen Richtig­keitsgefühl‹ abhängt, verwenden wir ab jetzt nicht mehr den Ausdruck Traumdeutung, sondern Traumanalyse.

Traum: Sommernachtstraum

Der Wächter kommt näher und näher – wenn er mich entdeckt, tö­tet er mich. Ich presse mich an eine alte Stadtmauer aus rauen, war­men Sandsteinblöcken. Neben mir steht ein Wehrturm, ebenfalls aus braunen Bruchsteinen. Ich muss auf diesen Turm, nur dort oben bin ich in Sicherheit.

Ich weiche zurück, stoße an eine Steintreppe. Fast gelähmt vor Angst, schleiche ich mich hoch und betrete einen modrigen Wehrgang. Gerade habe ich es bis zu einer Holztür geschafft, die ins Innere des Turmes führt – da wird der Wachmann misstrauisch. Er trägt ein Le­derwams, sein Gesicht ist hinter einem schwarzen Bart versteckt. Die Klinge seiner Hellebarde hält er schützend vor sich – ich bin im Mit­telalter! Vorsichtig kommt er auf mich zu, verharrt dann und lauscht. Er steht dicht neben mir, ich höre sein Herz klopfen – der hat ja auch Angst! Er muss nur den Kopf wenden, dann sieht er mir direkt ins Gesicht. Da – er dreht sich weg, plaudert mit seinem Kameraden über Vierecke.

Gleich wird ein Gewitter losbrechen. Ein mächtiger Wolkenturm verdunkelt die Sonne, die Luft knistert vor Spannung. Ich sehe ein Segelflugzeug, elegant wird es vom Aufwind nach oben getragen. Di­rekt in das Gewitter hinein, merkt der Pilot das denn nicht!

Jetzt stehe ich auf der Plattform der Turmspitze. Drei japanische Touristen sprechen mich an, es sind Männer. Typisch, wie sie den Fo­toapparat bereithalten. Sie reden sehr freundlich, auch ich bin ausge­sprochen höflich zu ihnen. Ich soll erklären, was mit dem Flugzeug los ist …

»Also heut’ hab’ ich wieder nur Mist geträumt!«

Das ist mein Lieblingssatz. Wenn andere ihn aussprechen. Er ist für mich eine Steilvorlage, ich kann dann prahlen und schulmeistern: »Nein, das ist kein Mist. Und ich weiß genau, was der Traum bedeutet!«

Daraufhin ernte ich verschiedene Reaktionen: Ein Teil der Gesprächs­partner hält mich für einen entrückten Guru, der auf einer Wolke sitzt und Schmetterlingen Yoga beibringt. Der andere – zu meinem Glück größere – Teil ist fasziniert und meldet sich zu meinen Traumsemina­ren an. Es gibt noch eine dritte Variante, aber die verschweige ich lie­ber. ›Durchgeknallt‹ wäre eines der Wörter, die ich gebrauchen müsste.

Da Sie dieses eBook in Händen halten, hege ich die Hoffnung, Sie ge­hören zu der zweiten Gruppe. Ich lade Sie also herzlich ein, mich auf einer Traumreise zu begleiten. Es wird eine faszinierende Reise, mit vielen Überraschungen und Aussichtsplätzen zum Staunen. Wir bege­hen verborgene Pfade und erkunden geheime Plätze, an denen ver­schüttetes Wissen auf seine Entdeckung wartet. Wir wagen uns in den Urwald vergrabener Naturkräfte, und mit dem Buschmesser des ge­sunden Menschenverstandes schlagen wir uns durch das Gestrüpp im Dschungel der Vergessenheit. Ihr Gepäck lassen Sie am besten zu Hau­se, einiges davon werden Sie sowieso über Bord werfen.

Oft werde ich gefragt, ob es denn wirklich ›die eine‹ Traumdeutung geben kann, schließlich seien die Menschen individuell, und jeder träume doch seine ganz persönlichen Träume.

Das stimmt selbstver­ständlich, jeder Traum ist eine ganz individuelle Aussage der Traum­psyche. Dennoch können wir die Traumbedeutung erkennen. Man kann es sich so vorstellen: In meinem Bücherregal stehen hundert Ro­mane. Jeder erzählt seine eigene Geschichte, schildert eigene Emotio­nen und Inhalte. Die Romane sind also ganz individuell – obwohl sie alle in derselben Sprache geschrieben sind, und auch dieselben Wörter verwenden.

So ist es auch bei Träumen – die Traumsymbole sind die ›Wörter‹ der Traumsprache. Und deshalb kann die Psyche – obwohl die Traumspra­che für alle Menschen gleich ist – ganz individuelle Trauminhalte er­zeugen.

Unsere Reise wird also auch zur Sprachreise, denn wir lernen, die Sprache des Traumes zu verstehen. Diese Sprache war jahrhundertelang vergessen und verschüttet. Verboten bisweilen, denn sie offenbart uns den Zugang zu unserer Seele. Und damit wird sie zu einem der mächtigsten Werkzeuge der Menschheit. Und, wenn dieses Werkzeug in die falschen Hände gerät, zur stärksten Waffe. Gerne benutzen welt­liche und religiöse Machthaber dieses Werkzeug. Wer die Seele beein­flusst, bestimmt das Geschick der Menschheit. Sie lernen jetzt die Traum­sprache, Sie sorgen gerade dafür, dass Sie Ihr eigener Seelsorger werden.

Der anfangs vorgestellte Traum mag verwirren: Warum schleicht man im Mittelalter auf einen Turm – zumal man nicht mal weiß, was man da oben soll? Und dass man dabei von drei japanischen Fototou­risten angesprochen wird, macht die Sache auch nicht verständlicher.

Oft geht es uns so, wenn wir träumen, wir wissen mit den Traumbil­dern einfach nichts anzufangen. Scheinbar wahllos reihen unsere klei­nen grauen Zellen abstruse Bilder aneinander, bis nur noch ein heillo­ses Durcheinander übrig bleibt. Verwirrt bleiben wir zurück, doch die Gnade des Vergessens führt uns binnen Minuten in den Alltag.

Aber ich verspreche Ihnen, wenn Sie dieses Buch zu Ende lesen, wer­den Sie diesen Traum verstehen! Er ist keineswegs ein Durcheinander, die Synapsen des Träumers haben keine Orgie gefeiert. Der Traum ist eine ganz klar erkennbare Aussage des Inneren. Am Ende des Buches werden Sie sich wundern, dass Sie nicht schon vor Jahren das Offen­sichtliche erkannt haben. Und Sie werden ganz alleine – ohne Symbol­tabellen – Ihre und fremde Träume analysieren können. Wir werden uns die Bedeutung der Träume Schritt für Schritt erarbeiten, und Sie sind live dabei.

Ich muss Sie allerdings um etwas Geduld bitten. Diese Investition lohnt sich, denn ich werde in diesem Buch keine Behauptungen auf­stellen – ich werde erklären. Erklären, wie die Traumsymbole entstan­den sind, und was ›hinter‹ ihnen steht. Sie werden nicht nur wissen, Sie werden verstehen. Und deshalb kann ich Ihre berechtigte Ungeduld nicht in wenigen Sätzen befriedigen. Wäre das möglich, dann brauchte dieses Buch nicht geschrieben zu werden. Und ich wäre des Vergnü­gens beraubt, viele Worte machen zu dürfen. Im Moment ist mein An­sinnen, Sie zu ködern, damit Sie mir von Anfang an folgen.

Deshalb vorab ein Appetithäppchen: Die Sprache der Träume ist ur­alt. Die Symbole, derer sich der Traum bedient, waren vergessen und verschüttet. Verschwunden im Dunkel der Vergangenheit, zugedeckt vom moralischen Mantel der Religionen und Zivilisationen. Und nicht immer ging das Wissen durch den Vorgang des Vergessens verloren – nein, es wurde versteckt, vernichtet, vertuscht, geleugnet und verbo­ten. Mächtige Institutionen hatten ein Interesse daran, dass dieses Wis­sen ausgelöscht wurde. Geheimes Wissen, verbotenes Wissen, im kirchlichen Sinne – gefährliches Wissen.

Ja, die Kirchen und Religionen waren daran maßgeblich beteiligt, ge­rade die Bibel ist voller Aussagen, deren Sinn verdreht wurde. Ich dre­he den Sinn wieder in die Ausgangslage, das Buch, das Sie in Händen halten, ist sozusagen die Bibel 2.0.

Apropos Bibel – haben Sie schon einmal von Schlangen geträumt?

In meinen Workshops und Seminaren zur Traumanalyse sitzen rei­henweise Teilnehmer, bei denen die Schlange im Traum auftaucht. Die Schlange ist ein weltweit verbreitetes Traumsymbol. Aber nicht nur im Traum, sondern auch in der christlichen Lehre spielt die Schlange eine zentrale Rolle. Sie erinnern sich – durch die fiesen Tricks einer Schlan­ge wurden die Menschen aus dem Paradies vertrieben. Seither müssen wir für unser Auskommen selbst sorgen. »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Weißbrot essen«, »Bete und arbeite« und all so was. Tja, und die Schlange hat Schuld.

Bild 2: Adam und Eva Albrecht Dürer, Kupferstich 1504

Der Sündenfall, Eva lässt sich von der Schlan­ge ver­führ­en. In dem Ge­mäl­de fin­den sich noch wei­te­re Sym­bo­le, ach­ten Sie bei­spiels­wei­se auf die Kuh, den Ha­sen und die Raub­kat­ze. Al­le die­se Sym­bo­le ha­ben sich nicht zu­fäl­lig ge­bil­det, son­dern fol­gen ein­er in­ner­en Lo­gik.

Bild 2a: Adam und Eva Albrecht Dürer, Kupferstich 1504, Detailansicht

Schlangen sind in fast al­len an­ti­­ken Kul­tur­en, und be­son­ders in der christ­li­chen Leh­re, mit stark­em Sym­­bol­ge­halt be­legt. Auch in Träu­men tau­chen sie oft auf.

Oder sind Sie schon einmal gestürzt im Traum? Einen Berg oder einen Turm hinunter gefallen?

Träume, in denen ein rasanter Sturz vorkommt, sind häufig. (Und meist mit Angst verbunden). Aufwärts geht’s oft langsamer. Doch auch das kommt vor, der Träumer lernt zu fliegen. Jetzt der Bezug zur Bibel: In allen Hochreligionen ist der Himmel links, die Hölle rechts zu fin­den.

Nein, stimmt natürlich nicht, ich wollte nur mal kurz zeigen, wie mächtig diese Symbole sind. Automatisch und unbewusst ordnen wir den Himmel nach oben und die Hölle nach unten.

Da fragt man sich doch: »Warum, zur Hölle, ist der Himmel oben?« Warum ist der Himmel nicht hinter dem Himalaja, und die Hölle auf dem Frankfurter Kreuz? Nein – Himmel oben, Hölle unten.

Das ist kein Zufall, das ist steinzeitliche Logik, und die hat direkte Auswirkungen auf Ihren Kontostand. Ihre Verwirrung über diesen Satz ist verständlich, aber Sie werden im Laufe des Buches den tieferen Sinn erkennen. Oder den höheren Sinn.

Noch ein Beispiel zum Anfüttern: Im Traum hat die Himmelsrichtung eine besondere Aussagekraft. Unbedarfte Träumer achten nicht darauf, aber nachdem ich es erklärt habe, können die meisten Träumer zuver­lässig die Richtung angeben. Die Richtung, in die sie gewandert sind, zum Bei­spiel, oder die Richtung, aus der die Wölfe kamen. Dabei sind ›Ost‹ und ›West‹ besonders häufig vertreten. Jetzt schauen Sie sich mal Kirchen an – so gut wie alle Kirchengebäude stehen in Ost-West-Rich­tung. Der Eingang ist im Westen, der Altar im Osten. Das hat nichts, wie man vermuten könnte, mit deutschen Baugesetzen zu tun, son­dern mit Seelen­inhalten.

Auch dieses Rätsel werden wir auf unserer Reise lösen. Und da­mit auch gleich das Rätsel der Pyramiden, denn die zeigen auch nach Ost-West.

Bild 3: Stonehenge

So wie Stonehenge, sind viele an­ti­ke Bau­­wer­ke nach der Son­­ne aus­ge­rich­tet. In Träu­­men ist die­se Aus­rich­t­ung so gut wie im­mer vor­­han­den.

Oje Genderregeln. Also noch etwas Bürokratie, bevor es losgeht. Weil es einfacher zu lesen ist, verzichte ich auf Konstrukte wie: »Liebe(r) Leser(in), haben Sie Ihre(n) Traumfrau/Traummann schon gefunden?« Ich verwende einfach die männliche Form. Da wir Männer in diesem Buch echt schlecht weg­kommen, halte ich das für einen kleinen Ausgleich an Gerechtigkeit. Meine Damen, Sie werden erkennen, dass Sie Göttinnen sind! Das soll­te Sie für entgangene grammatikalische Würdigung entschädigen.

Gut. Nachdem ich Sie jetzt der Illusion beraubt habe, dass ich Ihnen die Analyse des Traumes vom Anfang auf dem Silbertablett servieren werde, können wir ja anfangen.

Zuerst die Frage: Wieso träumt ein Mensch eigentlich? Die Antwort ist einfach: »Wir wissen es nicht.« Das fängt ja gut an, schon bei der ers­ten Frage muss ich passen. Das ist in hohem Maße unbefriedigend, aber da hilft auch kein Telefonjoker. Niemand weiß das. Schlafforscher, Neurologen und Psychologen rücken dem Traum mit raffinierten Me­thoden und viel Computerpower auf den Pelz. Sie können Gehirnströ­me messen, Kurven aufzeichnen und die Aktivität der Gehirnareale bildhaft darstellen. Sogar Aussagen über die Chemie in den winzigen Spalten zwischen den Neuronen sind möglich. Wir haben also jede Menge Wissen über den technischen Ablauf eines Traumes. Der Sinn dieser Datenflut bleibt uns aber leider verschlossen: Warum entführt uns das Gehirn jede Nacht ins Gefühlskino? Und wie entsteht aus elek­trischen Strömen und chemischen Reaktionen das Bewusstsein, einen Traum geträumt zu haben?

In Schlaflabors hat man bereits in den 1950er Jahren folgenden Ver­such gemacht: Testschläfern, (sie verdienen ihr Geld im Schlaf, ein ech­ter ›Traumjob‹) wurde es unmöglich gemacht, zu träumen. Dazu braucht man keinen chirurgischen Eingriff vorzunehmen und keine Chemikalien zu verabreichen – es reicht, wenn man ein Wecker ist. Je­der Mensch hat im Laufe einer Nacht mehrere Traumphasen. Diese ha­ben einen Abstand von ungefähr 90 Minuten. Dazwischen träumt man nicht. Eine Traumphase ist von außen deutlich erkennbar, nämlich durch die REM, die Rapid Eye Movement, das heißt ›schnelle Augen­bewegung‹.

Betrachtet man einen träumenden Menschen, sieht man die Augäpfel unter den geschlossenen Lidern hin und her rollen. Die Phase, wäh­rend der man träumt, nennt man demnach auch REM-Phase. Unsere Testschläfer wurden einfach immer zu Beginn einer Traumphase ge­weckt, sie hatten so nie eine Chance zu träumen. Nach spätestens zehn Tagen mussten die Versuche abgebrochen werden, da sich große ge­sundheitliche Probleme zeigten. Die Hälfte der Probanden litt unter schweren psychopathologischen Symptomen, wie Angstzuständen, Halluzinationen und Desorientiertheit. Das sind Symptome, die bei ernsten psychischen Krankheiten auftreten, wie etwa der Schizophre­nie oder bei hirnorganischen Veränderungen. Damit haben wir die Eingangsfrage doch beantwortet, wenn auch etwas oberflächlich und mit wenig Tiefenschärfe: Ein Mensch, der nicht träumen darf, ist nicht lebensfähig.

Damit keine Missverständnisse auftreten: Die Versuchspersonen lit­ten nicht an Schlafmangel, die Zeiten zwischen den Traumphasen sind lange genug, um ausreichend Schlaf zu erhalten – das Einzige, was ih­nen fehlte, waren die Träume.

Ziehen wir einen Vergleich. Ein trainierter Apnoetaucher hält ohne zu Atmen bis zu 15 Minuten durch. Ohne Trinken kann man einige Tage überleben, ohne Essen – je nach körpereigener Vorratskammer auf den Hüften – dreißig bis sechzig Tage.

Ohne Träumen nicht. Wir haben es also mit einer Funktion zu tun, die wichtiger ist als die Nahrungsaufnahme. Da erstaunt es uns, dass wir über Ernährung mehr wissen als über Träume. Und dennoch – ohne zu träumen, sind Sie schneller krank, als ohne zu essen. Trotz­dem wird ein Arzt nie nach Ihren Träumen fragen, sondern nur nach Ihrer Verdauung.

Träumen ist wichtig für unsere Gesundheit. Ein deutliches Indiz da­für ist Folgendes: Die Natur hat dafür gesorgt, dass wir das, was für uns wichtig ist, auch tatsächlich tun. Stellen wir das Atmen ein, ver­spüren wir sofort den Lufthunger, wenn wir zu wenig trinken, haben wir Durst, zu wenig Essen, und der Magen knurrt. Wenn wir zu wenig träumen erfolgt Ähnliches, wir fühlen uns unausgeglichen, nervös und missmutig. Die Seele kann nicht verarbeiten, es kommt zum Stau, den wir noch nicht erklären können.

Wie kann man zu wenig träumen? Ganz einfach, schlafen Sie zu we­nig, arbeiten Sie zu viel. Oder arbeiten Sie im Schichtdienst. Die REM-Phasen folgen einer komplizierten Gesetzmäßigkeit. Sie sind eigentlich mit dem Körpertemperaturzyklus synchronisiert, nicht mit den Schlaf­zeiten. Bringt man Personen künstlich in Zeitisolation, folgen ihre bio­logischen Zyklen nicht einem 24-Stunden-Rhythmus. Schlaf- Wach- und REM-Zeiten können dann sogar wild aus dem Ruder laufen. (Elli­ot Weitzmann und Charles Czeisler Mitte der 1970er Jahre.)

Bei denjenigen von uns, die einem 24-Stunden-Rhythmus folgen dür­fen, werden die biologischen Zyklen aber in ein 24-Stunden-Raster synchronisiert. Die erste REM-Phase ist gewöhnlich kurz, sie dauert zehn bis zwanzig Minuten. Meist werden die REM-Phasen im Laufe der Nacht länger, sodass wir in den Morgenstunden eine ganze Stunde lang von Träumen unterhalten werden können. Schlafen Sie zu kurz, dann fallen ausgerechnet die langen REM-Phasen weg, und Sie haben in der Summe nicht genug Traumzeit. Bei Menschen, die im Schichtbetrieb arbeiten müssen, können vollkommen unregelmäßige Schlaf- und REM-Zeiten auftreten. Es ist nicht nur das Schlafdefizit, es ist auch das Traumdefizit, das diesen Menschen schwer zu schaffen macht und sie erkranken lässt.

Offensichtlich hat die Natur uns eine Art Traumhunger mitgegeben. Da wir meistens im Schlaf träumen, ist dieser natürlich eng gekoppelt an das Schlafbedürfnis – und deshalb von uns nicht als eigenständige Größe zu erkennen. Doch es gibt ihn, und wir träumen jede Nacht. Träume sind wichtig für unsere kognitiven Funktionen, wie zum Bei­spiel die Urteilsfähigkeit – bei allem was wir anfangen, sollten wir erst mal ›eine Nacht drüber schlafen‹. Das ist keine verlorene Zeit, denn im Traum erarbeitet sich die Psyche Lösungen. Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.

Träume sind ein erfolgreiches Prinzip der Natur, denn nicht nur Men­schen träumen. Manchmal bellt mein alter Hund im Schlaf, und seine Pfoten machen Laufbewegungen. Ich bin sicher, er träumt dann von fetten, fußlahmen Hasen.

Ein bestimmendes Element für unsere Träume ist der Umstand, dass menschliche Exemplare in zweierlei Geschlecht vorkommen. Der Grund dafür ist – Sie werden es erahnen – 150 Millionen. Und zwar Ki­lometer.

Der Grund, warum diese Zweigeschlechtlichkeit auch unsere Gesell­schaftsordnung, Religion und unseren Kontostand beeinflusst, ist – auch das wissen Sie sicher – die Neigung der Erdachse.

Der Reihe nach. 150 Millionen Kilometer, das ist der mittlere Abstand der Sonne zur Erde. Nur weil die Erde in günstigem Abstand die Son­ne umkreist, gibt es hier Lebewesen mit Augen. (Abgesehen davon würden wir gar nicht existieren, schwebte die Erde nicht in der be­wohnbaren Zone.) Das Licht der Sonne hat hier auf Erden gerade die richtige Intensität, um es als Informationsquelle zu nutzen. Die Bil­dung von Augen war der Clou der Evolution. Augen ermöglichten es, Nahrung zu finden und Gefahren frühzeitig auszuweichen. Ein Tier konnte das Auftauchen eines Räubers auch mittels Tastsinn erfahren – Fangzähne in der Kehle sind deutlich zu spüren, wenn auch nicht allzu lange. Ein mit Augen ausgestattetes Lebewesen überlebte also länger und konnte deshalb die Erbinformation ›Augen‹ öfter weitergeben. Weil ein aufgefressenes Tier sich nicht mehr paaren kann, deshalb. Augen waren eine technische Revolution der Evolution, die meisten Arten haben Augen.

Die Natur liebt Symmetrie. Das hat mit günstigen Energiezuständen zu tun. Augen unterstützten das Auftreten von Symmetrie, denn die Ausführung der Augen als Paar potenzierte deren Möglichkeiten. Mit zwei Augen ist es möglich Entfernungen zu bestimmen, das ist ein un­schätzbarer Vorteil, sowohl beim Ergreifen von Nahrung, als auch beim Ergreifen der Flucht. Auch wurde durch das Zusammenspiel zweier Augen das Bild lichtstärker und sogar schärfer, nachtaktive Tie­re wissen das besonders zu schätzen.

Durch die Augen wurde unser Gehirn symmetrisch und Symmetrie führte letztlich zur Ausbildung der zwei Geschlechter. Der Abstand zur Sonne wirkte also an der Erfindung der zwei Geschlechter maß­geblich mit. Willkommen in der Welt des vernetzten Denkens.

Die Tatsache, dass es zwei Geschlechter gibt, ist von zentraler Bedeu­tung für unsere Trauminhalte. Das hat nichts mit Sex zu tun, wie Sie vielleicht insgeheim hoffen. Es ist aber trotzdem lustvoll, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Nebenbei sei noch bemerkt, dass wir ohne Augen keine Bilder wahr­nehmen könnten. Wir würden also gar nicht, oder auf eine gänzlich andere Weise, träumen.

Und was hat es mit der geneigten Erdachse auf sich?

Sie erzeugt die Jahreszeiten. Warum ist das Zusammenspiel zwischen Jahreszeiten und Zweigeschlechtlichkeit bestimmend für unsere Träume? Und wie­so für die Religionen, die Gesellschaftsordnung und Ihr Vermögen? Ich werde Ihnen das erzählen. Unsere Reise beginnt in der Steinzeit …

Die Steinzeit war ’ne harte Zeit

»Erst kommt das Fres­sen, dann die Mo­ral.«

Bertold Brecht

Versetzen Sie sich in Gedanken in die Steinzeit. Sie schauen sich um – überall Steinzeit. Sie sind mittendrin, nicht nur dabei:

Bei einer kleinen Baumgruppe lagern Sie mit Ihrer Sippe. Die Sonne steht schon tief und rot über dem Horizont. Sie sitzen im saftigen Gras, lehnen mit dem Rücken gegen einen warmen Stein. Ihr Säugling liegt zufrieden an Ihrer Brust. Die Natur beruhigt sich, bereitet sich auf die Nacht vor – die Hitze des Tages weicht einer angenehm kühlen Brise – das Geschrei der Vögel verstummt nach müdem Geschnatter. Sie rie­chen den typischen Duft von sich abkühlender Erde. Sie schauen zum Mond, der leuchtend über der Stille aufgeht. Alle sind satt, die Jäger haben in der Frühe einen Hirsch erlegt. Die Nacht wird warm werden, keine Raubtiere sind in der Nähe. Alles ist so, wie Sie es sich wün­schen.

Zwei Vollmonde später. Hunger! Der Winter ist da, Sie sind ausge­zehrt. Ihre Brüste bilden keine Milch mehr, Ihr Säugling ist verhungert. Heute Nacht hat ein Rudel Wölfe angegriffen. Zwei Sippenmitglieder waren zu schwach, um sich zu wehren. Dieser rote Saft lief aus ihnen heraus. Sie selbst sind auch am Ende. Wenn Sie nicht bald etwas zu Es­sen finden, ziehen Sie in Betracht, die Oma zu verspeisen. Angesichts des Hungertodes mögen kleinere Zugeständnisse hinsichtlich des Sip­penfriedens durchaus angebracht sein. Aber Sie lassen die Oma leben, an der ist ja auch nicht mehr viel dran. Stattdessen werden Sie …

… in Ihr Auto steigen und im Supermarkt eine Hammelkeule kaufen.

Verzeihen Sie den Registersprung, aber ich wollte Ihnen den Unter­schied in der Weltanschauung zeigen. In der Steinzeit gab es halt ganz andere Bewertungen als heute. Es gab keine Häuser und keine Dis­counter. Es gab kein Geld und keine Gesetze, und selbst die Begriffe ›gut‹ und ›böse‹ im moralischen Sinne waren noch nicht bekannt. Das gesamte Denken und Fühlen kreiste hauptsächlich um zwei Probleme: Satt werden, nicht frieren. (Im Winter. Im Sommer kam noch ›Fortpflanzung‹ dazu.) Um satt zu werden, musste man Jagdglück haben oder Früchte und Beeren finden. Das Anbauen von Getreide war zwar inzwischen bekannt, aber es war nicht bekannt, dass biologische Abläufe das Wachstum steuern – nicht die Laune irgendwelcher Götter. Der Zusammenhang zwischen Säen und Ernten war bestimmt von der Anzahl der dargebrachten Blutopfer – und nicht von der Bodenbeschaffenheit.

Apropos Blutopfer. Wie es scheint, waren die Steinzeitmenschen kei­ne Barbaren. Woher wissen wir das? Man hat Knochen gefunden. Die heutigen Pathologen können so gut wie alles. Außer dem Menschen auf ihrem Tisch helfen. Aber an 20.000 Jahre alten Knochen können sie Verletzungen identifizieren. Sie haben verheilte Verletzungen gefun­den, Verletzungen, die der Inhaber der Knochen nicht ohne Hilfe über­lebt hätte. Statt ein verletztes Sippenmitglied aufzufuttern, hat die Gruppe es also auf sich genommen, es durchzufüttern. Vielleicht ge­schah dies aus gefühlsmäßiger Bindung, vielleicht aber auch aus rein praktischen Überlegungen: Es macht wenig Sinn den besten Speerwer­fer zu verspeisen, der ist auf der Jagd von größerem Nutzen als im Kochtopf.

Die überlebensnotwendige Forderung, Nahrung zu finden, erzeugte natürlich (Todes-)Ängste in unseren Vorfahren. Genau genommen mussten diese Ängste nicht einmal erzeugt werden, sie waren schon immer da. Auch bei uns sind sie da. Jeder von uns hat diese Angst vor dem Verhungern schon gehabt. Als wir noch Säuglinge waren, konn­ten wir uns auf keine andere Weise bemerkbar machen, als durch Schreien. Wir taten dies hauptsächlich, wenn wir hungrig waren. Wenn nun die Mutter auf unser krakeelen nicht sofort reagierte, beka­men wir es mit der Angst zu tun. Völlig hilflos, unfähig uns selbst zu ernähren, mit Hunger im Bauch, und kein Mensch kommt … Ein Säug­ling hat in so einer Situation die natürliche Angst vor dem Verhungern. Dies ist auch gerechtfertigt, denn wird sein Schreien tatsächlich nicht erhört, wird er sterben. Die Natur ist da recht unkompliziert.

Diese Angst war es also, die unsere Urväter plagte. Vielleicht nicht immer, aber als die Eiszeit anbrach, immer öfter. Nahrung wurde sel­ten, das Leben wurde zum Überlebenskampf. Wäre es da nicht schön, man bräuchte nur zu schreien, und schmackhafte Pilze schießen aus dem Boden?

Diese seelischen Spannungen (Angst vor Tod, Schmerzen, Hunger, Kälte) bildeten einen ausgezeichneten Nährboden für Ersatzwahrhei­ten. Um seelische Schmerzen abzuwenden, ist der Psyche nämlich je­der Trick recht. Sigmund Freud hat solche Tricks – er nannte sie Ab­wehrmechanismen – entdeckt, und seine Tochter Anna hat sie er­forscht und beschrieben. Sicher kennen Sie ›Verdrängung‹, der wohl bekannteste dieser Mechanismen.

Während ich dies schreibe, fliegt in Japan gerade ein Atomreaktor in die Luft. Die Nachrichten überschlagen sich, es ist durchaus möglich, dass die Welt ab heute verseucht ist und wir unseren Planeten unbe­wohnbar gemacht haben. Zumindest für Japan sieht es im Moment so aus, als ginge es einer strahlenden Zukunft entgegen. War’s das also? Wie war das möglich, warum haben wir Atomkraftwerke gebaut? Kein Mensch kann von so sagenhafter Dummheit sein, einen Atomreaktor mitten auf eine Kontinentalspalte zu bauen. Dummheit war’s also nicht, was dann? Die Antwort ist einfach: Es war die Verdrängung. Ge­fahren und Unangenehmes werden einfach nicht wahrgenommen, sie gelangen nicht ins Bewusstsein. »Wird schon gut gehen …«, der Slogan der Verdrängung. Jetzt höre ich unsere Politiker sagen: »Bei uns kann das nicht passieren, hier gibt’s keine Erdbeben.« Sie können entweder sa­genhaft verdrängen, oder sie sind sagenhaft dumm. Suchen Sie sich aus, was Ihnen lieber ist, bei den Leuten, die Ihre Zukunft bestimmen.

Diese Abwehrmechanismen funktionieren nicht erst seit der Neuzeit, auch unsere Altvordern waren ihnen ausgesetzt. Die Abwehrme­chanismen sind notwendig, um seelisch funktionieren zu können. Man muss manche Gefahren ausblenden, damit man überhaupt am Leben teilnehmen kann. Wenn man einen Speer auf ein Mammut schleudert, muss man verdrängen, dass man dabei niedergetrampelt werden kann. Verdrängt man nicht, dann hat man Angst. Hat man aber Angst, geht man nicht nah genug ran, verzittert den Wurf und verhungert. Oder man jagt kleinere Portionen, Hasen etwa. Aber davon wird halt nicht die gesamte Sippe satt, was der Moral der Truppe abträglich ist. Die Abwehrmechanismen sind also notwendig, um Ängste und andere seelische Unannehmlichkeiten handhaben zu können.

Ein weiterer Abwehrmechanismus ist Projektion. Sie ermöglichte es den Menschen, ihre Ängste auf etwas ›Handfestes‹ zu projizieren. Et­was, das für Kälte, Hunger und Tod verantwortlich ist. Im Weltbild der Frühmenschen wuchs deshalb die Vorstellung, dass es eine Gottheit geben musste, die für alles verantwortlich war. Das klang logisch. Die Gottheit, die sie erfanden, war weiblich – eine Göttin. Aber auch mit Göttin im Weltbild mussten die Menschen hungern und sterben. Die Göttin existierte ja nicht, sie war ein Psychotrick, der etwas Seelenfrie­den ermöglichte. Aber die Menschen hatten wenigstens eine Erklärung für das Mysterium des Todes. Und jemanden, dem sie die Schuld in die Stroh­schuhe schieben konnten. Das erleichtert ja manchmal auch.

Doch Schuldzuweisungen helfen nicht wirklich, der Königsweg wäre es doch, wenn man die Sache beeinflussen könnte. Wenn man also der Natur nicht ausgeliefert wäre, sondern wenn man selbst mitgestalten könnte. Nahrung wachsen lassen, zum Beispiel. Das war nun möglich, da man eine Gottheit hatte. Die konnte man nämlich anbeten, ihr Op­fergaben darbringen, sie gnädig stimmen, notfalls mit ihr schimpfen. Alles in der Hoffnung, sie möge doch für ein leichteres Überleben sor­gen.

Die an Höhlenwände gezeichneten Gottheiten, die Steinfiguren, die Mythen, alles, was unsere Archäologen heute entdecken, sind Projek­tionen der Zivilisationsstufe der Menschheit von damals. Die Göttin­nen sind ein Ausdruck der damaligen Weltvorstellung, eine Beschrei­bung des Entwicklungsstandes der Menschen.

Wir wissen heute, dass die Menschen zu jener Zeit durchaus in der Lage waren, logisch zu denken. Anhand von Schädelfunden kann man rekonstruieren, wie das damalige Gehirn ausgesehen haben muss. Das Gehirn hinterlässt im Schädel einen Abdruck, die Hirnschale ist die ›Form‹ des Gehirns. Das bedeutet, wenn man die Schädelform kennt, kann man Rückschlüsse auf das einstmals vorhandene Gehirn ziehen. So hat man festgestellt, dass der Gehirnkomplex, der für das logische Denken verantwortlich ist, damals schon existierte. Es war den Stein­zeitmenschen also möglich, logisch zu denken und Schlüsse zu ziehen. Allerdings füllten sie diese Logik noch mit falschem Inhalt.

Die Menschen hatten also Angst vor dem Tod – welch eine Binsen­weisheit. Doch dies ist der Anfang einer ganzen Entwicklungskette. Um mit dieser seelischen Belastung fertig zu werden, glaubten sie nur allzu gerne an eine Macht, die beeinflussbar war. Die Angst vor dem Verhungern war sofort viel kleiner, denn man brauchte nur die betref­fende Göttin gnädig zu stimmen, und schon wuchs das Getreide, oder das Jagdglück war einem hold. Es wurde also zum allgemeinen Ge­dankengut, dass nicht mehr der Zufall (also die Natur) über die Nah­rung bestimmte, sondern dass die Menschen es [via die Göttin] selbst in der Hand hatten, ob sie hungerten oder nicht.

Dieses Allgemeinwissen hat sich durchgesetzt, weil die Menschen auf diese Weise beruhigter Leben konnten – waren sie doch nicht mehr un­bekannten Mächten ausgeliefert.

Die Göttinnen, die sie bildeten, waren nicht völlig frei konstruiert – sie konnten in der Natur beobachtet werden. Außerdem machten sich die Menschen ein Bild davon. Im übertragenen -, wie im wörtlichen Sinne:

Bild 4: Venus von Laussel

Frankreich, Halbrelief in Kalk­stein, ca. 50 cm hoch, ca. 25.000 Jahre alt, Ur­sprüng­lich be­malt mit ro­tem Ocker.

Warum muss eigentlich jede in Stein ge­hauene Frau immer gleich eine Göttin dar­stellen? Behaupten die Archäologen das, damit ihr Fund bedeutsamer erscheint? Vielleicht hat ein neolithischer Romeo nur eben mal seine Geliebte im Fels verewigt. Zugegeben, für einen verliebten Mann ist seine Angebetete natürlich eine Göttin, aber muss das gleich für die gesamte Menschheit gelten? Also, was zeigen die Figuren – Wilma Feuerstein oder Göttinnen?

Es sind Göttinnen! Und das sage ich nicht, weil mir der abgebildete Frauentyp so gefällt, sondern weil es eine logische Auswirkung der steinzeitlichen Lebensumstände ist. Ich werde das noch genau erklä­ren, doch um des größeren Erkenntnisgewinns willen, müssen wir noch etwas Vorarbeit leisten.

Die Göttinnen wurden verehrt, sonst gäbe es nicht die große Anzahl von Figuren und Höhlenmalereien. Von Europa bis nach Sibirien wur­den inzwischen über 200 dieser Venusfigurinen gefunden. Jetzt kann man hochrechnen, wenn man selbst durch Zufall eine so hohe Anzahl findet, dann müssen noch recht viele dieser Figuren unter der Erde lie­gen. Wir dürfen also annehmen, dass der Glaube an diese Göttin weit verbreitet war und zum gängigen Weltbild gehörte.

Dass die Göttin natürlich nur erfunden war, und keineswegs den ma­teriellen Lauf der Welt beeinflussen konnte, spielt für die seelische Zu­friedenheit keine Rolle. Der Psyche ist es egal, was Realität ist, wenn etwas geglaubt wird, ist es auch wahr. Zugegeben, das klingt unwahr­scheinlich, aber es stimmt. Wie ist es also möglich, dass etwas Ausge­dachtes als Wahrheit wahrgenommen und akzeptiert wurde? Die Göt­tin war nur erfunden, doch sie spielte im Denken, Fühlen und Handeln eine so ausgeprägte Rolle, dass wir annehmen dürfen, sie wurde als tatsächlich existent wahrgenommen. Um dieses Rätsel zu lösen, heben wir ab und steuern das nächste Etappenziel an. Und landen im menschlichen Gewissen. Halten Sie sich fest, es wird eine harte Landung.

Das Wissen über das Gewissen

»Mit und oh­ne Re­li­gi­on kön­nen gu­te Men­schen Gu­tes, und schlech­te Men­schen Bö­ses tun. Doch da­mit gu­te Men­schen Bö­ses tun, braucht es die Re­li­gi­on.«

Steven Weinberg, Nobelpreisträger

»Gott würfelt nicht.«

Albert Einstein, Nobelpreisträger

»Frauen tragen Röcke.«

Dietmar Schlau, Hosenträger

Sorry für den Kalauer, es war die einzige Möglichkeit meinen Namen in einer Liste von Nobelpreisträgern unter zu bringen. Sie werden aber erkennen, er passt zum Thema. Der Kalauer, meine ich.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass unsere Reise kein Spazier­gang wird? Upps, das hätte ich tun sollen, denn jetzt haben wir einen steilen Berg vor uns. Manchen wird der Weg einfach erscheinen, ande­re werden sich entschließen nicht weiter zu reisen.

Das Dümmste was man bei einem steilen Aufstieg machen kann, ist unnützes Gepäck mit sich zu schleppen. Lassen Sie also Ihre Koffer stehen und werfen Sie Ballast ab. Ballast in Form von vorgefertigten Meinungen und Wertmaßstäben, meine ich. Nehmen Sie die mit Grundsätzen und Prinzipien vollgestopften Rucksäcke ab, und stellen Sie sie hier hin. Vielleicht wird Ihnen auf dem Weg nach oben schwarz vor Augen, aber wenn Sie den Gipfel erklommen haben, werden Sie sogar hinter den Horizont blicken können.

Die vor uns liegende Etappe kann Ihre bisherige Weltsicht verändern. Wem das zu gefährlich ist, dem mache ich einen Vorschlag: Lassen Sie Ihr Gepäck stehen und kommen Sie mit auf den Gipfel. Wenn Ihnen das, was Sie dort sehen, gefällt, dann reisen Sie weiter mit uns. Wenn nicht, gehen Sie zurück – Ihr Gepäck wird unangetastet auf Sie warten.

Völlig unbelastet von alten Einsichten geh’n wir also los …

Unser Thema ist das menschliche Gewissen. Umgangssprachlich ist ›Gewissen‹ ein Charakterzug eines Menschen, der seine moralische Qualität beschreibt. Und Moralbegriffe werden als etwas wahrgenommen, das ohne unser Zutun existiert, das ›einfach so da ist‹, einer Naturkonstante gleich.

Diese Betrachtungsweise wird aber den physiologischen Tatsachen und der Würde des Menschen nicht gerecht – denn Gewissen ist keine moralische Instanz, sondern eine [im Stirnlappen angesiedelte] Gehirn­funktion, und Moralbegriffe sind die gesellschaftsweite Manifesta­tion von seelischen Verarbeitungsprozessen. ›Gewissen‹ ist demnach kein ›göttlicher Auftrag‹, sondern eine Reaktion des Gehirns, so wie auch Freude, Angst und Neugier.

Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass das Gewissen für alle Menschen gleich ist – oder jedenfalls gleich sein sollte. Was ›gut‹ und was ›böse‹ ist, das ist festgelegt – nämlich im [objektiven] Gewissen. In Extremsituationen – zum Beispiel wenn ein Mann aus religiösen Gründen ein Flugzeug entführt und es in ein Hochhaus steuert – nehmen wir schon mal wahr, dass es offenbar zwei unterschiedliche Meinungen zu Gut und Böse gibt. Der Terrorist hat ja auch geglaubt, dass er das Richtige tut – sonst hätte er es ja nicht getan.

Aber in Zweifelsfällen ist unser eigenes Gewissen der richtige Maß­stab, und der Andere hat unrecht. Dass der Andere das natürlich ge­gengleich sieht – er hat recht und wir sind im Irrtum – dringt nicht all­zu tief in unsere Wahrnehmung ein. Das ist keine moralische Schwä­che, so ist unser Gehirn nun mal gebaut.

Aber, wenn sich zwei Einstellungen so krass widersprechen, können nicht beide gleichzeitig richtig sein. Einer von beiden hat also ein ›falsches‹ Gewis­sen. (Das hat nichts mit Weltanschauung zu tun, das ist wertfreie Lo­gik.) Welches Gewissen ist also gültiger? Unseres natürlich! Tja, das behaupten beide Seiten.

Nehmen wir einen handelsüblichen Disput zwischen zwei Menschen, etwa um die Frage, ob homosexuelle Paare heiraten dürfen oder nicht. Dazu gibt es im Groben zwei Mei­nungen: ›Ja‹ versus ›Nein‹.

Stellen wir uns nun einen neutralen Beobachter vor, ein Außerirdischer, der aus den Weiten des Weltraums zufällig auf unsere Erde trifft. Er schwebt über der Situation und schaut hinunter. Er sieht zwei Kontrahenten, je­der von ihnen hat seine Meinung. Der Beobachter kann keinen Unter­schied in der Rechtmäßigkeit der Bewertungen entdecken, für ihn ist die Situation vollkommen symmetrisch. Er schaut sich also im gesamten Universum um und sucht nach einem Maßstab. Irgendeine Regel oder ein Naturgesetz, das die Frage eindeutig entscheidet. Er findet aber nichts. Doch der gesunde Alienverstand sagt ihm: Es können nicht beide Ansichten gleichzeitig richtig sein. Wie löst sich dieser Widerspruch auf?

Das ist sehr einfach. Und so ungeheuer schwierig zu ak­zeptieren! Die einfache Tatsache: Der Inhalt des Gewissens ist frei pro­grammiert und hängt im Wesentlichen vom Zufall ab. Es gibt kein hö­heres Prinzip, das bestimmt, was in unser Gewissen gelangt. Es gibt keinen galaktischen Maßstab, an dem wir ablesen können, ob homose­xuelle Paare heiraten dürfen oder nicht. Es gibt nur durch zufällige äu­ßere Umstände gebildete Gewissensinhalte.

Und dieses zufällig gebildete Gewissen hat die Eigenart, in uns ein Gefühl zu erzeugen. Dieses Gefühl nehmen wir als ›Wahrheit‹ wahr.

Genau, wir nehmen es so wahr, als wäre es die Wahrheit – völlig unabh­ängig davon, wie die Sachlage in Wirklichkeit ist, und ob es eine sol­che Sachlage überhaupt gibt.

Wie funktioniert das? Wenn wir einem Reiz ausgesetzt werden (z. B. eine Nachricht hören), wird dieser Reiz nicht einfach in unser Bewussts­ein geleitet, sondern er durchläuft zuerst die Gehirnregion, in der das Gewissen sitzt. Das Gewissen arbeitet dabei wie eine Zensur­stelle, der Reiz wird ei­ner Prüfung unterzogen, er wird beurteilt. Je nach Ergebnis dieses Ur­teils bekommt er eine Art Stempel: ›Das ist gut‹ oder eben: ›Das ist schlecht‹. Dieser Vorgang läuft automatisch ab und geschieht blitzschnell. Und – das ist wichtig – er wird von uns nicht be­merkt! Erst nach der Zensur wird uns der Reiz bewusst.

Je nach Art des Gewissensinhaltes bekommt unser Bewusstsein also eine mit den persönlichen Wertvorstellungen eingefärbte Information zugespielt. Es klingt unglaublich, aber in unser Bewusstsein treten fast nie wertneutrale Informationen. Wir können überhaupt keine objekti­ven Wahr­heiten empfangen, immer wurde über das, was wir wahrneh­men, be­reits ein Urteil gefällt.

Jetzt brauche ich ein griffiges Beispiel, was nehmen wir? Kopftuch, genau. Ihr Kind hat also eine muslimische Lehrerin, die im Unterricht ein Kopftuch trägt. Dieser Reiz wird nicht als objektive Tatsache ›Frau mit Kopftuch‹ weitergelei­tet, sondern – je nach persönlichem Gewissen – als ›das ist okay‹ oder als ›nein, das muss man verbieten‹. Mit Variationen natürlich.

Wie Sie sicher bemerkt haben, hat Ihnen das Gewissen aber keine Infor­mation zugespielt, sondern ein Gefühl. Es ›fühlt sich an‹, ob es richtig ist oder nicht, ein Kopftuch als Zeichen der Religionszugehörigkeit zu tragen. Dieses Gefühl ist es, das dann im Gehirn weiterverarbeitet wird – nicht das Faktum ›Kopftuch‹.

Diese – als Gefühl verpackte – beurteilte Information ist es auch, die wir – genauer das ganz persönliche Gehirn – als Tatsache akzeptieren. Klar, schließlich haben wir sie ja wahrgenommen. Dass die Informati­on zuerst durch eine Zensurstelle gelaufen ist, bemerken wir nicht. Im Gegenteil, das Gewissen gaukelt uns vor, wir hätten es mit der Wahr­heit zu tun – denn es ist das Einzige, das es bis ins Bewusstsein schafft. Und das muss ja richtig sein, denn sonst wäre es nicht da. Außerdem fühlt es sich richtig an, was wir als Beweis für Gültigkeit werten.

Halten wir also fest: Unser Gehirn macht aus neutralen Reizen eine scheinbare Wahrheit.

Aber aufgrund welcher Kriterien wird dieses Urteil gefällt, beziehungsweise das Gefühl erzeugt? Es kann ja nicht die Tatsache alleine sein, denn die ist für alle gleich, und deshalb müssten alle die gleiche Reaktion erleben.

Im Ge­wissen befinden sich Wertmaßstäbe, Gut/Böse-Kriterien, Moral- und Glaubenssätze usw. Sie sind die Grundlagen, nach denen wir urteilen.

Diese Bewer­tungsrichtlinien heißen Axiome. Sie bestimmen, was man als richtig/gut, und was man als falsch/böse wahr­nimmt. Axiome sind nicht fest im Gehirn verdrahtet – es sind Inhalte des Gehirns, vergleichbar mit erlerntem Wissen. Es gibt also nicht die Zellstruktur ›Kopftuch ist falsch‹, sondern es gibt die Information ›Kopftuch ist falsch‹. Das ›Bauteil‹ Gewissen ist also selbst kein Wertmaß­stab, es kann aber beliebige Axiome als Wertmaßstab benutzen.

Hier eine kleine Auswahl an Axiomen, wie sie in unserem Kulturkreis vorkommen: ›Faul sein ist schlecht‹, ›Menschenfleisch isst man nicht‹, ›Geld ist gut, mehr Geld ist besser‹, ›Kopftuch im Unterricht ist falsch‹, ›Kopftuch im Unterricht ist okay‹, ›Gott existiert‹, ›Du sollst nicht töten‹, ›Frauen können nicht einparken‹.

Wichtig ist es zu verstehen, dass die Axiome nicht gottgegeben sind, und dass sie auch nicht von den Naturgesetzen erzeugt werden. Sie sind einfach erlernt – es gibt keine höhere Instanz, die vorschreibt, was gut/richtig und was böse/falsch ist. Axiome sind deshalb auch von Mensch zu Mensch unterschiedlich – jeder hat seinen eigenen Katalog an Bewer­tungskriterien. Es gibt durchaus Menschen, die glauben daran, dass Frauen gut einparken können.

Halten wir also weiterhin fest: Unser Gehirn gaukelt uns ›Wahrheit‹ vor. Und die hängt nicht von objektiven Tatsachen ab, sondern von persönlichen Glaubenssätzen.

Nächster Schritt.

Und wovon hängt es ab, ob unser Gewissensareal im Gehirn ein positives -, oder ein negatives Gefühl erzeugt, sobald ein Axiom berührt wird?

Hier ist der Mechanismus der Deckungsgleichheit (Kongruenz) wirksam: Ein gutes Gewissen fühlen wir, wenn die eingegangene Information mit einem Axiom übereinstimmt – ein schlechtes Gewissen fühlen wir, wenn die Information einem Axiom entgegensteht.

Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie ›draußen‹ die vorherrschende Moral ist, oder wie andere denken, einzig der innere Vergleich mit unseren persönlichen Axiomen bestimmt unser Fühlen. So einfach ist das, dieser simple Vorgang steuert unser ganzes Leben und die gesamte Menschheitsgeschichte.

Ich zeige Ihnen das anhand einer Beispielkette:

Ein Mensch habe das Axiom ›Hunde isst man nicht‹. In den Nachrich­ten erfährt er nun, dass in China gebratene Hunde eine Delikatesse sind. Reiz und Axiom sind nicht deckungsgleich, das Gewissen dieses Mitmenschen wird ein ›Das-ist-falsch-Gefühl‹ erzeugen.

Ein Chinese hingegen habe das Axiom ›Hundefleisch ist gesund und le­cker‹. Kommt ein Hundebraten auf den Tisch, sind Erlebnis und Axiom deckungsgleich, sein Gewissen erzeugt ein ›OK-Gefühl‹.

Doch dann: Um der restlichen Welt einen kultivierten Eindruck zu vermitteln, verbietet anlässlich der Olympischen Spiele 2008 die chine­sische Regierung Hundefleisch in Restaurants. Das Gewissen des Chi­nesen wird dieses Verbot als ›Unsinn und falsch‹ bewerten, weil die Nachricht nicht mit seinem Axiom übereinstimmt.

Ein gläubiger Moslem hat das Axiom ›Schweinefleisch ist unrein‹. Er wird beim Verzehr eines Schweineschnitzels Gewissensbisse oder gar Ekelgefühle erleiden. Ist das Fleisch hingegen vom Rind, wird kein Axiom verletzt und Gewissen und Magen bleiben ruhig.

Ein praktizierender Katholik aber hat kein Problem beim Verzehr von Schweinefleisch. Es sei denn, es ist Freitag. Denn an Freitagen wird das Axiom ›Frei­tags kein Fleisch!‹ verletzt, was zum Gefühl der Sünde führt.

Und Lamm? Der Gewissenskomplex eines orthodoxen Juden wird keine negativen Gefühle erzeugen, wenn er Lammbraten ist. Erfährt er aber danach, dass das Lamm mit einem Messer getötet wurde, an dem nur eine winzige Schramme ist, dann erleidet der Gläubige ein heftiges Gefühl von Sün­de. Denn dann sind das Erlebnis und das Axiom ›Nur koschere Nahrung darf gegessen werden‹ nicht deckungsgleich.

Sie sehen, die Reaktion des Gewissens hängt nicht von einer Tatsache ab, sondern davon, ob das dargereichte Menü mit einem Axiom de­ckungsgleich ist oder nicht. Weder die Art des gebratenen Tieres, noch der Wochentag oder die Tötungsart alleine, vermögen es, ein schlech­tes Gewissen zu erzeugen. Nur in Kombination mit einem inneren Glaubenssatz – einem Axiom – passiert dies.

Es kommt also immer auf die Paarung an: Axiom mit Erlebnis (Tat, Wunsch, Gedanke …) Selbst die schlimmste Gräueltat wird kein schlechtes Gewissen produzieren, wenn nicht gleichzeitig im Täter ein entsprechendes Axiom installiert ist. Und die – ich sag’s ungern, aber so ist es nun mal – sind nicht gottgegeben, sondern hängen vom Kulturkreis und den zufälligen Erlebnissen der Person ab.

Auch wenn es sich gerade anders anfühlen sollte, wir reden immer noch über Träume. Denn Träume zeigen uns unsere Axiome. Besonders diejenigen, die kulturweit entstanden sind.

Axiome sind ungeheuer mächtig, ein Mensch wird sein Leben so einrichten, dass er im Einklang mit seinen Axiomen lebt. Es ist uns nicht möglich, auf Dauer gegen unsere Axiome zu verstoßen. Axiome sind das bestimmende Element für alle Entscheidungen. Und deshalb ge­stalten sie ganz direkt unsere Kultur und Zivilisation.

Folgendes Beispiel zeigt beide Phänomene – wie mächtig Axiome sind, und wie sie unsere Zivilisation prägen.

Ich hatte jüngst einen Patienten mit einer ernsten seelischen Erkrankung. Er war überzeugt davon, dass Bruce Willis ihm ins Gehirn schauen –, seine Gedanken lesen –, und ihm Gedanken sogar einpflanzen kann. Er glaubte, Bruce Willis würde ihn ständig beobachten, wüsste zu jedem Zeitpunkt, wo er sich aufhält und was er gerade tut. Er glaubte auch, Bruce Willis hätte Macht über ihn, könne ihn alleine durch einen Gedanken töten. In diesem Krankheitsbild sind ernste psychopathologische Symptome zu erkennen, Ich-Störungen, Denkstörungen, Wahngebäude, die harten Sachen also. Dieser Patient brauchte dringend stationäre Behandlung.

Frage: Ist er wirklich psychisch krank? Hätte er nicht ›Bruce Willis‹ gesagt, sondern ›Gott‹, wäre keinem etwas aufgefallen. Oder andersrum: Tauschen Sie ›Gott‹ aus durch ›Bruce Willis‹, und schon haben wir einige Milliarden Verrückte. Ob Himmel oder Klapse hängt nur von einem Namen ab. Gott, Bruce Willis, Jehova, Allah.

Das zeigt die Macht der Axiome. ›Gott existiert‹ ist ein Axiom. Hat man es, wurden durch das Beispiel eben religiöse Gefühle verletzt. Hat man es nicht, wurde man gut unterhalten.

So ein Axiom definiert weltweit, was richtig und was falsch ist. Und damit formt es unsere Zivilisationen, es schafft Religionen und schreibt Gesetzestexte.

Axiome erzeugen den Lebenszweck der gesamten Menschheit. ›Geld ist gut, mehr Geld ist besser.‹ Das ist das Ziel, und diesem Ziel wird alles unterge­ordnet – Kinder sehen ihren Vater nur abends, weil er auf Arbeit ist. Urwälder werden gerodet, um billiges Palmöl zu produzieren. Men­schen verhungern, weil auf den Weizenpreis an der Börse spekuliert wird. Verantwortung und Moral blei­ben auf der Stre­cke – und so stürzen ein paar Banker eine ganze Ge­sellschaft beinahe in den Abgrund.

Aber Achtung, das ist keine Moralpredigt. Es ist die Erklärung eines Phänomens: Die Gesellschaft ist nicht so geworden, weil die Menschen Monster sind oder dumm – die Gesellschaft hat diesen Weg genom­men, weil eine kleine Hirnregion uns bei einem Verstoß gegen das Axiom ›Geld ist gut, mehr Geld ist besser‹ mit einem schlechten Gefühl bestraft.

Noch ein Beispiel: In unserem Kulturkreis gehen die meisten Men­schen davon aus, dass wir nur einmal leben. Das ist so selbstverständ­lich, dass man darüber gar nicht nachdenkt. Für Milliarden Menschen aber ist die Vorstellung nur einmal zu leben völlig absurd. Sie glauben an die Wiedergeburt, Sie glauben, dass wir mehrmals nacheinander le­ben. Wer hat recht? Wir natürlich, alle anderen leben im Irrtum.

Nein, im Ernst: Wir wissen es nicht. Wir glauben es halt. Jeder seins. Die Frage, was nach dem Tod kommt, hat unsere Religionen gebildet. Die Religionen wiederum haben dann unsere Gesellschaftsformen er­zeugt.

Manchmal wünsche ich mir, wir würden alle an die Wiedergeburt glauben, denn dann würden wir nicht unsere Welt zerstören. Weil wir ja wieder in sie hinein geboren werden und sie noch brauchen. Ich lass’ mal meine niederen Triebe raus – was wäre das für eine Genugtuung zu sehen, wie der Boss einer Rüstungsfirma wiedergeboren wird. Dies­mal aber nicht auf der Sonnenseite, sondern in einem Krisengebiet, in dem er selbst Landminen wie Samenkörner verstreut hat. Zittert ihr Kriegsgewinnler – es erwischt euch, ihr könnt euch nicht davonsterben.

Wer sich schon mal berufen fühlte, die Welt zu verbessern, wird es mir bestätigen: Axiome sind sehr stabil. Einmal etablierte Gewissensin­halte lassen sich sehr schwer verändern. Nur weit entwickelte Persön­lichkeiten schaffen dies aus eigener Kraft. Das ist der Grund, warum einige meiner Leser jetzt kehrt machen und zu ihrem deponierten Ge­päck zurückkehren.

In diesem Gepäck ist nämlich fest verschnürt, dass das Gewissen ab­solut ist, dass es uns von einer höheren Instanz mitgegeben wurde.

Diese Vorstellung ist selbst ein Axiom. Das macht dieses Thema so kompliziert – es gibt Axiome, die sagen, es gäbe keine Axiome. So raf­finiert schützen sich Axiome davor, entlarvt zu werden. Dadurch, dass es sie gibt, können wir sie nicht entdecken. Es ist eine ungeheuer schwierige Aufgabe, diesen sich selbst induzierenden Mechanismus zu knacken. Wenn Ihnen also diese Herausforderung zu groß ist, und Sie lieber umkehren möchten, so haben Sie mein volles Verständnis. Es tut weh, gegen Axiome zu verstoßen.

Diejenigen, die bleiben, werden das gleich spüren: Denn sie setzen sich mit der Tatsache auseinander, dass alle ihre bisherigen Gewissens­entscheidungen durch zufällige Wertmaßstäbe gefällt wurden. Alles was Sie je für richtig oder falsch hielten, waren Gefühle aufgrund Ih­nen unbekannter Richtlinien. Wären Sie zufällig im Iran geboren, hätten Sie vielleicht auch gejubelt, als die Zwillingstürme einstürzten.

Und Sie hätten sich dabei im Recht ge­fühlt. Nicht weil Sie ein schlechter Mensch sind, sondern weil die brennenden Türme eine Deckungsgleichheit mit Ihren Axiomen erzeugt hätten. Die Idee, dass es ein von Gott verord­netes, weltweit identisches Moralsystem gibt, ist eben faktisch falsch. Falsch. FALSCH!

Hm, wie geht es Ihnen damit? Zu erfahren, dass das Gewissen ein Spiel mit uns treibt, ist nicht leicht zu verarbeiten. Doch es winkt rei­cher Lohn – denn ab jetzt gestalten Sie ihr Leben selbst. Und ein weite­res: Haben wir erst einmal begriffen, dass jedes Gewissen die gleiche Gültigkeit hat, dann können wir viele Mysterien des menschlichen Verhaltens begreifen. Es ist wie ein Durchbruch, Widersprüche lösen sich auf, Menschheitsfragen lassen sich beantworten. Wir sehen hinter die Dinge, wir können hinter den Horizont schauen.

Nach dieser wortreichen Rast setzen wir unseren Aufstieg fort. Wir sind noch nicht auf dem Gipfel. Noch sehen wir statt des Ho­rizontes nur Steine, die uns im Weg liegen. Also vorwärts, und zurück zur Frage, warum einmal etablierte Ge­wissensinhalte sich so schwer von innen heraus ändern lassen. (Von außen sind Axiome manchmal leicht zu verändern, davon später mehr.) Warum sind Axiome so stabil, als seien sie in Beton gegos­sen? Warum gibt es so viele Betonköpfe?

Erstens: weil unser Gewissen Gefühle erzeugt. Damit kann es uns bestrafen. Es hat die Macht uns [seelische] Schmerzen zu bereiten. Diese können ungeheuer stark sein. Wer schon mal unter einem ›schlechten Gewissen‹ oder Schuldgefühlen gelitten hat, weiß, wo­von ich rede.

Auf der anderen Seite kann uns das Gewissen aber auch positive Ge­fühle eingeben. Das Gefühl etwas richtig gemacht zu haben, im Recht zu sein, oder die Wahrheit erkannt zu haben, kann ebenfalls sehr stark sein. Das Belohnungszentrum wird aktiviert, wir empfinden ein Hoch­gefühl.

Und zweitens: weil unser Gewissen einen raffinierten Trick drauf hat: Immer wenn gegen ein Axiom verstoßen wird, fühlen wir seelisches Unbehagen. Dann läuft et­was ganz Logisches ab: Fühlt man sich schlecht, hat man offensichtlich etwas Falsches getan. Das Axiom hat seine Macht demonstriert, es hat uns bestraft. Und da wir Schmerzen vermeiden wollen, werden wir ge­gen diese Macht nicht mehr aufbegehren – wir werden nicht nochmals gegen dieses Axiom verstoßen wollen. Also: Ich tue [oder denke] etwas Falsches und bekomme eins auf den Deckel. Dadurch hat das Axiom seine Gültigkeit bewiesen und es wird sich tiefer festsetzen.

Andersherum gilt Ähnliches: Machen wir etwas, was mit einem Axiom konform geht, werden wir mit einem ›OK-Gefühl‹ belohnt – wir haben ein ›gutes Gewissen‹. Wenn es mir gut geht, kann das was ich getan habe, nicht schlecht sein. Wir werden also dieses Axiom nicht infrage stellen – wir haben gar keinen Grund dazu, denn wir fühlen uns ja gut. Und wieder hat das Axiom seine Gültigkeit bewiesen und wird stär­ker. Dieser Effekt in Kurzfassung:

Wenn ich das Axiom infrage stelle, geht es mir schlecht – also lass’ ich’s bleiben.

Es geht mir gut, warum also soll ich das Axiom infrage stellen?

Die Reaktion auf eine Reizung der Axiome wirkt also immer so, dass die Axiome sich selbst bestätigen. Egal was ich tue, Axiome drehen es immer so hin, dass sie nicht hinterfragt werden. Dadurch sind sie un­geheuer stabil und langlebig. So ist zum Beispiel erklärbar, warum die christliche Religion sich nun seit zwei Jahrtausenden behaupten kann. Keine andere Idee hat sich so lange gehalten, nicht mal GZSZ.

Kennen Sie das wirksamste Mittel für Depressionen? Die katholische Kirche. Ich sagte für, nicht gegen. Die katholische Kirche arbeitet viel mit schlechtem Gewissen und mit Schuldgefühlen. Sie macht die Gläu­bigen klein, unmündig und unterwürfig. Mit anderen Worten: Sie nützt den Trick des Gewissens aus. Sie redet uns Sünden (›Nicht-OK-Gefühle‹) ein, und damit das schlechte Gewissen bestimmt an keinem vorbeigeht, muss der Gläubige regelmäßig zur Beichte. Im Beichtstuhl werden die Axiome im Geiste aktiviert und dürfen ihre Wirkung er­neut entfalten. Was sie verstärkt. Ich will nicht behaupten, dass die Gründer der Religion und die jetzigen Würdenträger diesen Mechanis­mus absichtlich einsetzen, aber ihre Macht begründet sich auf ihm. (… und dumm sind die ja schließlich auch nicht.)

Kaum konnte ich stehen, musste ich knien. Und zwar in der Kirchen­bank im Gottesdienst. Die Menschen verhielten sich so seltsam: kni­end, mit gesenktem Kopf und sich selbst auf die Brust tippend, klagten sie in monotonem Sprechgesang: »… durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld.« Im Alter von sechs Jahren wurde ich angehalten, diese Formel mitzusprechen. Auf meine Frage, was ich denn angestellt habe, erntete ich keinen Trost, sondern die Antwort: »Erbsünde«. Keine Chance also, auch nicht bei vorbildlichem Lebenswandel. Die Schuldformel ist nicht die einzige Phrase, die in die Kerbe der Minderwertigkeit schlägt, die katholische Liturgie ist voll davon.

Das ist strukturbildend, das schafft seelische Tatsachen. In unserer Sprache: Das pflanzt Axiome ein. Ein so geprägter Mensch hat fast kei­ne Chance sich selbst als wertvoll anzusehen, seine innere Wahrheit macht ihn klein, sündig und unwürdig. Sollte mal durch einen glückli­chen Umstand sein Selbstvertrauen wachsen, bestraft ihn das Axiom sofort mit einem schlechten Gewissen. Er wird sich also wieder auf sei­ne Minderwertigkeit besinnen. Aus Sicht der Kirche sind solche Men­schen pflegeleicht und einfach zu handhaben.

Heute verdiene ich meine Brötchen damit, den von der Kirche ange­richteten Schaden zu beheben. Viele meiner Patienten leiden an De­pressionen. Manche haben seit dreißig Jahren kaum Lebensfreude, kei­ne Hoffnung, kein Selbstvertrauen. Sie können keine vertrauensvolle Beziehung eingehen und fühlen sich minderwertig und nicht liebens­wert. Im Laufe der Therapie stoßen wir dann auf diese inneren Glau­benssätze, und es bedarf mächtig viel Arbeit, diese dysfunktionalen ›Wahrheiten‹ zu löschen. Axiome, die sich dreißig Jahre festätzen konn­ten, sind tief eingegraben. Die Kirche versündigt sich systematisch an den Menschen. Der Leidensdruck ist immens hoch, viele Suizide ge­hen auf Kosten der Kirche.

Es gibt einen wunderbaren Satz von Manfred Rommel dem früheren Oberbürgermeister von Stuttgart: »Glaub’ nicht alles, was du denkst.« So viel Weisheit in sechs Worten macht mir Gänsehaut. Dennoch möchte ich die Lösung des Rätsels anhängen, warum wir in diese Falle tappen: »Glaub’ nicht alles, was du denkst, es könnte sich um Axiome handeln.«

Um es nochmals klar zu sagen: Ob sich etwas richtig oder falsch an­fühlt, hängt nicht von der Realität ab – sondern ausschließlich davon, ob der Reiz mit einem Axiom kongruent ist oder nicht! Mag dabei Reiz oder Axiom blanker Unsinn sein, das spielt keine Rolle.

Ein Beispiel: Es gab eine Zeit, da war die Erde das Zentrum des Uni­versums. Das war auch richtig so, denn schließlich war die Erde Gottes Meisterstück. Dann aber hat Nikolaus Kopernikus behauptet, die Son­ne stehe im Mittelpunkt des Sonnensystems. Damit war Gottes Schöp­fung zur Randfigur degradiert, und Gott seiner Wichtigkeit beraubt. Kopernikus’ Werk kam auf den kirchlichen Index. Im Lichte der Ge­wissensaxiome sieht dieser Vorgang so aus:

›Gottes Erde ist der Mittelpunkt des Universums‹ war ein Axiom. Dann hat Kopernikus ›einen Reiz ausgesendet‹ der in den Köpfen auf das Axiom traf. Da Reiz und Axiom sich widersprachen, fühlte sich das so unwahr an, dass Kopernikus bekämpft werden musste. Hun­dert Jahre mussten vergehen, bis das Axiom der Realität klein beigeben musste.

Und 350 Jahre, bis zum Jahr 1992, brauchte der Vatikan, um eine Re­habilitation Galilei Galileos zustande zu bringen. Er wurde seinerzeit von der Kirche verurteilt, weil er Kopernikus’ Weltbild populär mach­te. Er hatte das Fernrohr weiter entwickelt, ein verwerfliches Instru­ment, das ein Universum offenbarte, das im krassen Gegensatz zu den kirchlichen Axiomen stand.

Diese Beispiele veranschaulichen Folgendes: Auch wenn die Realität offenkundig ist, das vom Gewissen erzeugte Gefühl hängt nicht von der Realität ab, sondern ausschließlich von der Wechselwirkung zwi­schen Axiom und eintreffendem Reiz.

---ENDE DER LESEPROBE---