Traumdeutung und empirische Traumforschung - Christian Roesler - E-Book

Traumdeutung und empirische Traumforschung E-Book

Christian Roesler

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Beschreibung

Träume und ihre Bedeutung haben Menschen schon immer beschäftigt und erscheinen oftmals seltsam bedeutungsvoll. Aber hat der Traum Bedeutung? Stellt er eine Verzerrung seiner tatsächlichen Inhalte dar oder eher eine umfassende Selbstdarstellung der Situation der Psyche? Ist der Traum als ein neurotisches Symptom zu verstehen, oder haben Träume nicht vielmehr ein kreatives und problemlösendes Potenzial? Was bedeuten diese unterschiedlichen Auffassungen für die klinische Arbeit mit Träumen? Auf Basis der empirischen Erkenntnisse beurteilt der Autor die Gültigkeit unterschiedlicher Traumtheorien und legt eine zeitgemäße, forschungsbasierte Theorie des Traumes und seiner Funktion vor. Ein Fokus liegt auf dem Vergleich zwischen Freud und Jung, die gegensätzliche Auffassungen über den Traum und seine Bedeutung für die Persönlichkeit vertreten.

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Der Autor

Prof. Dr. Christian Roesler, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, lehrt Klinische Psychologie an der Katholischen Hochschule Freiburg i. Br. sowie Analytische Psychologie an der Universität Basel. Er ist darüber hinaus Dozent an den C.G. Jung-Instituten Zürich und Stuttgart sowie Lehranalytiker am Aus- und Weiterbildungsinstitut für Psychoanalytische und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg (DGPT).

Christian Roesler

Traumdeutung und empirische Traumforschung

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-038432-3

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-038433-0

epub:        ISBN 978-3-17-038434-7

Inhalt

 

 

1   Einleitung

2   Traumtheorien

2.1   Traum und Traumdeutung in der Menschheitsgeschichte

2.2   Kulturelle Auffassungen zum Verständnis und zur Deutung von Träumen

2.3   Der Traum bei Freud

2.3.1   Freuds Methode der Traumdeutung am Beispiel vom »Traum von Irmas Injektion«

2.3.2   Probleme und Weiterentwicklungen

2.4   Die Entwicklung der psychoanalytischen Traumtheorien

2.4.1   Ist der Traum sinnloser Schaum?

2.4.2   Verschlüsselung oder Abbildung/Kommunikation?

2.4.3   Wunscherfüllung oder kreative Problemlösung?

2.4.4   Neuere psychoanalytische Traumtheorien

2.4.5   Aufwertung des manifesten Trauminhalts

2.4.6   Der Traum als Darstellung (und Wiederherstellung) des Selbst

2.4.7   Theoretischer Pluralismus

2.5   Jungs Theorie des Traums und der Traumdeutung

2.6   Konvergenz freudianischer und jungianischer Traumtheorie

2.7   Psychotherapeutisches Arbeiten mit Träumen in anderen Therapieschulen

3   Die empirische Traumforschung

3.1   REM-Schlaf ist wichtig für den Organismus

3.2   Aktivierungs-Synthese-Theorie

3.3   Träume sind keine Schäume

3.4   Kontinuität zwischen Wachen und Träumen

3.5   Sinnvolle Zusammenhänge zwischen Wachleben und Trauminhalt

3.6   Die Funktion von Träumen

3.6.1   Gedächtniskonsolidierung

3.6.2   Emotionsregulation

3.6.3   Threat Simulation Theory (TST)

3.6.4   Förderung von Einsicht

3.6.5   Problemlösen

3.6.6   Träumen und Kreativität

3.6.7   Zusammenfassung: eine aktuelle Theorie der Funktion von Träumen

3.7   Die empirische Untersuchung des Inhalts von Träumen

3.7.1   Traumbasierte Persönlichkeitsdiagnostik

3.7.2   Muster in den Träumen einer Nacht

3.7.3   Welche Rolle spielt der Tagesrest?

3.8   Empirische Studien über die Wirkung der Arbeit mit Träumen in der Psychotherapie: Das Modell der Traumarbeit von Clara Hill

4   Zwischenbilanz: Was bedeuten diese empirischen Erkenntnisse für die psychoanalytischen Traumtheorien?

4.1   Träume haben eine psychologische Bedeutung

4.2   Träumen dient der psychischen Selbstregulation

5   Psychoanalytische klinische Traumforschung

5.1   Die Untersuchung von Traumserien und Traumprozessen in Psychotherapien

5.2   Exemplarische Darstellung der psychoanalytischen klinischen Traumforschung am Fall Amalie X

6   Die Methodik der Strukturalen Traumanalyse

6.1   Grundsätzliche Probleme der wissenschaftlichen Untersuchung des Inhalts von Träumen

6.2   Exkurs: Geträumter, erinnerter und erzählter Traum

6.3   Eine strukturalistische Betrachtungsweise

6.4   Strukturale Traumanalyse

6.5   Exemplarische Analyse einer Traumserie aus einer analytischen Psychotherapie

6.5.1   Zusammenfassung der Ergebnisse und Interpretation der Traumserie

6.5.2   Ergebnisse der Strukturalen Traumanalyse im Vergleich mit der Psychodynamik des Träumers und dem Psychotherapieverlauf

6.6   Fallübergreifende Analyse und Systematik von Traumtypen

6.6.1   Veränderungsmuster in der Struktur der Träume über den Verlauf der Therapie

6.6.2   Traumtypen spiegeln die psychologischen Probleme des Träumers

6.6.3   Fazit der Analyse

6.7   Zusammenfassung: hypothetisches theoretisches Modell

6.8   Überprüfung der Hypothese am Fall Amalie X

6.9   Bezüge zu Ergebnissen aus der empirischen und klinischen Traumforschung

7   Fazit: Inwiefern unterstützt bzw. widerlegt die empirische und klinische Traumforschung psychoanalytische Traumtheorien?

7.1   Eher Selbstdarstellung als Verhüllung

7.2   »Hüter des Schlafes« oder kreativer Problemlöser?

7.3   Wunscherfüllungstheorie

7.4   Kompensiert der Traum?

7.5   Traumdeutung als Hermeneutik

7.6   Auf dem Wege zu einer forschungsinformierten Theorie des Traumes

8   Ausblick

Literatur

1          Einleitung

 

 

Das Phänomen Traum ist praktisch allen Menschen bekannt, auch wenn die einen ihre Träume besser erinnern können, die anderen weniger oder kaum. Die Träume und ihre Bedeutung haben Menschen schon immer beschäftigt und auch heutigen Menschen erscheinen sie oftmals seltsam bedeutungsvoll. In früheren Zeiten wurden sie gar als Sprache Gottes bzw. der Götter verstanden.

Erst im Moment des Erwachens realisieren wir mitunter, dass wir uns gerade noch in einer »anderen Welt« befunden haben, diese sich relativ rasch zurückzieht und kaum noch erinnerbar ist. Manchmal sind die Ähnlichkeiten der beiden Welten stärker, manchmal schwächer. Diese Unfassbarkeit und die Rätselhaftigkeit dieses Prozesses wurden eindrücklich in der linguistischen Bedeutung des Wortes Traum festgehalten: Das germanische draugma, aus der indogermanischen Wortgruppe dreugh- (trügen), bedeutet Trugbild (Strauch & Meier, 2004). Träumen kann uns das Gefühl vermitteln, dass da jenseits unserer Vernunft noch andere Dinge, eine andere Welt bestehen, die uns »unsere Schulweisheit nicht träumen lässt«.

Verschiedene Wissenschaftsbereiche haben sich mit dem Phänomen Traum beschäftigt: Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychologie, Erfahrungswissenschaft des Bewusstseins, Neurowissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften, Kunst- und Kulturwissenschaften. Die Auffassungen sind dabei durchaus kontrovers und es gibt bisher keine allgemein akzeptierte Definition des Träumens (Windt, 2015). Hier seien stellvertretend drei bewusst sehr unterschiedliche Erklärungsversuche erwähnt, ohne zunächst näher auf die einzelnen Theorieansätze einzugehen.

Für den Begründer der modernen Psychoanalyse Freud ist der Traum ein störender Rest psychischer Aktivität aus dem Wachleben und »eine besondere Form unseres Denkens, die durch die Bedingungen des Schlafzustandes ermöglicht wird. Die Traumarbeit ist es, die diese Form herstellt, und sie allein ist das Wesentliche am Traum, die Erklärung seiner Besonderheit« (Freud, 1900, S. 510f.; Hervorh. im Original). Für den britischen Psychoanalytiker Bion (1962; vgl. auch Berner 2018a) ist Träumen ein Prozess, der im Schlaf und auch im Wachzustand stattfindet (Bewusstsein und Unbewusstes funktionieren simultan), identisch ist mit unbewusstem (Wach-)Denken und die Voraussetzung für das Funktionieren der Psyche darstellt. Als Grundlage aller psychischen Arbeit gewährleistet der Traum die Umwandlung der Sinnes- und Gefühlswahrnehmungen zu Erfahrung, ermöglicht bewusste Erinnerungs-, Denk- und Lernprozesse und somit die Persönlichkeitsentwicklung (Angeloch, 2020). Für den Neuropsychologen und Psychoanalytiker Solms (2011, S. 540) ist Träumen »(1) a state of consciousness, characterized by (2) reduced constraints and controls on (3) memory and perceptual imagery with (4) motivational incentive and emotional salience. The occurrence of this hallucinatory mental state during normal sleep probably requires no further explanation than that motivated behaviour is precluded during sleep«.

Die Definition eines zeitgenössischen Traumforschers klingt demgegenüber fast simpel: Träumen sei schlichtweg die psychische Aktivität während des Schlafes (Schredl, 2018).

Andererseits ist mittlerweile durch die empirische Traumforschung ein umfangreicher Fundus an Erkenntnissen über die Funktionsweise des Träumens sowie die Zusammenhänge zum Wachleben entstanden. Diese Erkenntnisse wurden unter anderem auch in der Entwicklung von Theorien zum Bewusstsein sowie der Philosophie des Geistes aufgenommen und hat zu sehr aufregenden Konzepten hinsichtlich des Funktionierens des menschlichen Geistes überhaupt geführt (Windt, 2015).

Ausgehend von Freuds epochalem Werk »Die Traumdeutung« (1900) hat die Deutung von bzw. Arbeit mit Träumen in der Psychoanalyse bis heute einen zentralen Stellenwert. Im Grunde wurde mit der Entwicklung der modernen Psychotherapie fast zeitgleich auch die therapeutische Arbeit mit Träumen etabliert. Allerdings haben sich die Auffassungen vom Traum und seiner Bedeutung sowie der Verwendung von Träumen in der Therapie im Laufe der Zeit als auch in verschiedenen psychoanalytischen Schulen gewandelt. Hinzu kommt, dass auch andere therapeutische Schulen, bis hin zur Verhaltenstherapie, mittlerweile Konzepte zur Arbeit mit Träumen in der Psychotherapie entwickelt haben. Zudem ist seit der Entdeckung des REM-Schlafes in der empirischen Traumforschung ein umfangreiches Korpus an Erkenntnissen entstanden, ebenso wie in der psychoanalytischen und nicht-psychoanalytischen klinischen Traumforschung. Diese Erkenntnisse können zu einer besseren Beurteilung verschiedener Auffassungen vom Traum, nicht nur in der Psychoanalyse, beitragen. Nach meinem Eindruck werden diese oftmals sehr interessanten Forschungsergebnisse, insbesondere aus der empirischen Traumforschung, nach wie vor in breiten Kreisen der Psychoanalyse sowie in der Psychotherapie und Psychologie im Allgemeinen ignoriert. Das ist meines Erachtens bedauerlich, weil sie interessante Aspekte zu einem Verständnis des Traumes und seiner Verwendung in der Psychotherapie liefern können und darüber hinaus Aussagen zur Gültigkeit verschiedener psychoanalytischer Traumtheorien ermöglichen. Das vorliegende Buch möchte die zentralen Fragestellungen, die seit Freud in Bezug auf den Traum diskutiert werden, mit den empirischen Forschungsergebnissen zusammenbringen, um damit zu einer Weiterentwicklung insbesondere psychoanalytischer Traumtheorien beizutragen.

Es werden zunächst verschiedene Auffassungen vom Traum und seiner Bedeutung sowie der klinischen Verwendung referiert. Die Darstellung bezieht sich dabei insbesondere auf Fragestellungen, die die Debatte innerhalb der Psychoanalyse seit Freuds Zeiten bestimmen sowie Fragestellungen aus der empirischen Traumforschung:

Was genau ist die Funktion von Träumen: Hütet der Traum den Schlaf oder produziert er vielmehr Lösungen für psychische Probleme des Wachlebens? Gibt es einen Unterschied zwischen latentem und manifestem Trauminhalt, d. h. entstellt der Traum die eigentlichen unbewussten Inhalte, oder deckt er sie vielmehr gerade auf? Ist der Traum insofern eine Verschlüsselung unbewusster Inhalte oder gerade eine umfassende Selbstabbildung des Unbewussten? Soll der Traum als eine Wunscherfüllung betrachtet werden oder kompensiert er eher die Einstellung des Bewusstseins? Braucht es die Assoziationen des Träumers oder stellt der Traum nicht schon als solcher psychologische Informationen über den Träumer bereit? Ja, hat der Traum überhaupt Bedeutung, wie die Psychoanalyse annimmt, oder ist er so etwas wie ein bedeutungsloser Leerlauf des Gehirns?

Es werden zunächst verschiedene theoretische Positionen zum Traum und zur Traumdeutung in der psychoanalytischen Literatur gesichtet, mit einem besonderen Fokus auf dem Vergleich zwischen Freuds und Jungs Auffassung vom Traum, weil diese beiden in Bezug auf die oben aufgeführten Fragestellungen besonders kontrastieren. Der Fokus dieser Darstellung liegt nicht darauf, eine erschöpfende Darstellung psychoanalytischer Traumtheorien sowie deren Entwicklung zu liefern (ausführliche Darstellungen hierzu bei Deserno, 1999; Moser, 2003; Bohleber, 2012; Vinocur Fischbein, 2011; Jiménez, 2012). Der Fokus liegt vielmehr auf den oben formulierten Fragestellungen, die die Debatte zu Traumtheorien innerhalb der Psychoanalyse seit über einem Jahrhundert durchziehen und zu denen die empirische und klinische Traumforschung Erkenntnisse beitragen kann, die im Folgenden berichtet werden. Auf dieser Basis wird versucht, Schlussfolgerungen bezüglich der Gültigkeit verschiedener Auffassungen vom Traum zu ziehen.

Es wird die These vertreten, dass sich die Traumdeutung in der Psychoanalyse, sowohl in theoretischen Konzepten als auch in der Praxis, von Freuds Konzeption weg entwickelt und dabei der von Jung vertretenen Auffassung angenähert hat. Dazu werden zum einen verschiedene theoretische Positionen zum Traum und zur Traumdeutung in der psychoanalytischen Literatur gesichtet. Ergänzt wird dies zum anderen durch Erkenntnisse aus der empirischen (nicht psychoanalytischen) Traumforschung, welche Jungs Auffassung deutlich unterstützt, wogegen zentrale Annahmen in Freuds Traumtheorie widerlegt oder zumindest kritisch betrachtet werden.

Vor einer Darstellung der Traumtheorien und Forschungsergebnisse ist es allerdings notwendig, die grundsätzlichen Unterschiede im Erkenntnisinteresse sowie in den Methoden der Erkenntnisgewinnung in der Psychoanalyse sowie in der Psychotherapie im Allgemeinen einerseits und der empirischen Forschung andererseits zu diskutieren.

Die Psychoanalyse entwickelt ihre Theorien über den Traum und seine Bedeutung mit dem Ziel, im Rahmen der Psychotherapie Träume des Klienten für die Bewusstmachung des Unbewussten zu nutzen; in diesem Sinne ist der Traum der Königsweg zum Unbewussten. Die Bedeutung des Traumes wird in einem dialogischen und hermeneutischen Prozess in der Beziehung zwischen Analytiker und Klient (re-)konstruiert. Das Ergebnis ist also immer (inter-)subjektive Bedeutung mit dem Ziel, therapeutische Veränderungen zu fördern, und nicht die Auffindung einer allgemeingültigen oder objektiven Bedeutung des Traumes, wenn dies denn überhaupt möglich sein sollte. Klinische Traumforschung, zumindest insofern sie innerhalb der Psychoanalyse stattfindet, zielt darauf ab, diese Prozesse der intersubjektiven Bedeutungsherstellung und ihre Effekte auf die Therapie empirisch nachzuzeichnen.

Die empirische Traumforschung dagegen, mit ihrem Anspruch als nomothetische Wissenschaft, zielt auf allgemeingültige und objektive Erkenntnisse über Gesetzmäßigkeiten des Traumes und seine Funktion für den menschlichen Organismus. Daher ist sie an einer subjektiven Bedeutung des Traumes für den Träumer gerade nicht interessiert. Hinzu kommt, dass die Psychoanalyse in ihrem grundlegenden theoretischen Modell bei der Entstehung des Traumes von den Wirkmechanismen eines dynamischen Unbewussten ausgeht, was impliziert, dass der Traum auch Bedeutungen enthält, die der Träumer eben nicht wissen kann und auch nicht wissen will. Die Arbeit mit dem Traum zielt gerade darauf ab, unbewusste Inhalte in diesem Sinne zugänglich zu machen. Von daher ist auch die Überprüfung der Korrektheit der Deutung – wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann – erkenntnistheoretisch zumindest komplex, wenn nicht problematisch. Da der eigentliche Kern der Bedeutung des Traumes dem Träumer ja unbewusst ist, kann er diesen nicht bestätigen. Eine Bestätigung aus Sicht der Psychoanalyse findet eher dadurch statt, dass emotionale Betroffenheit entsteht, dass in der Therapiesitzung oder in weiteren Träumen neues Material auftaucht und insbesondere dadurch, dass therapeutische Veränderung entsteht. Diese Dialektik der Bedeutungsfindung ist der nomothetisch orientierten Traumforschung nicht nur fremd, sondern wird von dieser explizit abgelehnt. Interessanterweise ist die empirische Traumforschung anfänglich mit dem Anspruch angetreten, nachzuweisen, dass die psychoanalytischen Auffassungen vom Traum, der Traum habe überhaupt Bedeutung, zu widerlegen ist. Insofern ist es umso verblüffender, dass die Ergebnisse eben dieser Forschung mittlerweile viele der ursprünglichen psychoanalytischen Annahmen zum Traum bestätigt haben oder diese zumindest unterstützen. Daher betrachte ich diese Ergebnisse als besonders interessant für die Psychoanalyse, und diese darzustellen ist das Ziel dieses Buches. In einem gewissen Sinne könnte man sogar sagen, die Psychoanalyse hat mit ihren Annahmen gegenüber den anfänglichen Zielen der empirischen Traumforschung einerseits letztlich einen Sieg davongetragen. Andererseits macht aber auch die Psychoanalyse durchaus Aussagen mit Allgemeingültigkeitsanspruch, z. B. was die Funktion des Träumens für den Organismus sei, und diese lassen sich durchaus anhand empirischer Forschungsergebnisse überprüfen. Meines Erachtens hat die Psychoanalyse im Allgemeinen bislang die Auseinandersetzung mit der empirischen Traumforschung gescheut, was schade ist, weil hier tatsächlich sehr interessante Ergebnisse produziert wurden, die auch eine Prüfung verschiedener psychoanalytischer Traumtheorien zulassen. Ich halte es für sehr wichtig, dass die Psychoanalyse ihre theoretischen Konzepte nicht mit einem Wall von Immunisierungsstrategien umgibt, da diese Konzepte, auch wenn sie letztlich der intersubjektiven Bedeutungsfindung im Rahmen der Psychotherapie dienen sollen, durchaus Geltungsansprüche von nomothetischem Charakter haben – und das impliziert, dass man sich auch einer Überprüfung stellen muss. Das vorliegende Buch möchte hierzu einen Beitrag leisten.

2          Traumtheorien

 

 

2.1       Traum und Traumdeutung in der Menschheitsgeschichte

Träume und ihre Bedeutung haben die Menschheit schon immer beschäftigt (Barrett & McNamara 2007b). Zu den ältesten erhaltenen Schriften der Menschheit zählen Anleitungen zur Traumdeutung oder regelrechte Traumdeutungsbücher, z. B. der Beatty Papyrus (Ägypten um 1800 v. Chr.) oder das Traumdeutungsbuch des Artemidoros v. Daldis, ca. 500 v. Chr. Im Gilgamesch Epos (ca. 1200 v. Chr.), einer der ältesten aufgezeichneten Geschichte der Menschheit, steht ein Traum und seine Bedeutung ebenfalls an zentraler Stelle und bestimmt das weitere Schicksal des Helden. Bulkeley (2007, 2008) argumentiert sogar, dass Religionen ohne Träume und ihre Deutung an zentraler Stelle gar nicht denkbar seien. Religion nehme ihren Ausgang vom Phänomen des Traumes, der als eine Mitteilung göttlicher oder jenseitiger Mächte verstanden wird, und ihrer Deutung.

In den ältesten Ansätzen war die ursprüngliche Auffassung zur Bedeutung von Träumen, dass sie Mitteilungen der Götter an Fürsten darstellen und Hinweise auf die Zukunft geben. Im antiken Griechenland und auch im hebräischen Talmud kommt erstmals die Idee auf, dass Träume unterdrückte Regungen enthalten und im Zusammenhang mit den aktuellen Lebensumständen des Träumers stehen (Kramer & Glucksman, 2015). Dies wird auch im Koran betont (Bulkeley 2008): Es gäbe keine universell passenden Trauminterpretationen, man müsse den Inhalt des Traumes in Verhältnis zur Persönlichkeit und den Lebensumständen des Träumers setzen. Schon die Sumerer sowie der antike Arzt Hippokrates nahmen an, dass Träume wichtige Informationen beinhalten, die für die Diagnostik medizinischer Probleme genutzt werden können. Im antiken Griechenland gab es die Tradition der Trauminkubation. Dabei verbrachte man bei gesundheitlichen Problemen, wenn man medizinischen Rat und Behandlung suchte, eine Nacht im Tempel des Gottes der Heilkunst, Asklepios., Dort schlief und träumte man und am nächsten Morgen erzählte man den Priestern des Tempels diesen Traum, aus dem diese dann Hinweise auf die Diagnostik der Erkrankung sowie deren Behandlung zogen (Bulkeley, 2008). Faszinierenderweise lebt diese Tradition der Trauminkubation an manchen Orten bis heute fort, so zum Beispiel auf der griechischen Insel Naxos sowie in anderen Zentren der orthodoxen Christenheit, wie in Theben oder Bulgarien, wo Patienten in Kirchen schlafen und dabei auf ihre Träume achten. Auch im Koran wird eine Praxis beschrieben, genannt Istikhara, die aus Gebeten und bestimmten Praktiken besteht, die man vor dem Schlaf absolviert, um einsichtsfördernde Träume zu fördern oder hervorzurufen (Bulkeley, 2008). Auch diese Praxis findet ihre Fortsetzung in modernen islamischen Ländern. Beispielsweise bieten im Iran populäre Zeitschriften Kolumnen an, in denen die Leser seltsame Träume einsenden können, die dann von muslimischen Psychiatern mit kurzen Interpretationen und praktischen Hinweisen versehen werden.

Im Europa der Neuzeit dagegen wurde erstmals infrage gestellt, ob Träume überhaupt eine Bedeutung enthalten, und angenommen, dass sie eher eine Art Leerlauf des Gehirns darstellen. Diese Auffassung verbreitete sich im 19. Jahrhundert und die entsprechende wissenschaftliche Debatte erhielt eigentlich erst durch Freuds Veröffentlichung »Die Traumdeutung« im Jahr 1900 eine neue Wende.

In zeitgenössischen Theorien des Traums ist es weitgehend akzeptiert, dass Träume Bedeutungen tragen und diese eng verknüpft sind mit dem Wachleben des Träumers und dass Traumdeutung eine hilfreiche und effektive Methode bei psychotherapeutischen Interventionen darstellt (Hill, 1996). DeCicco, Donati und Pini (2012) geben einen aktuellen Überblick über Studien, die die Wirksamkeit von therapeutischer Arbeit mit Träumen im Rahmen der Psychotherapie untersuchen. Außerdem zeigen sie unterschiedliche therapeutische Methoden der Traumdeutung auf, darunter ihre eigene Storytelling Method of Dream Interpretation als ein Beispiel für eine in jüngerer Zeit entwickelte Methode.

Die Psychoanalyse beginnt gewissermaßen mit der Traumdeutung (Freud, 1900) und immer noch wird die therapeutische Arbeit mit Träumen in den psychoanalytischen Schulen als der Königsweg zum Unbewussten betrachtet (Fosshage, 1987; Fonagy, Kächele, Leuzinger-Bohleber & Taylor, 2012).

2.2       Kulturelle Auffassungen zum Verständnis und zur Deutung von Träumen

Hamburger (2013) berichtet über eine vergleichende Studie der Ethnopsychologie, in der weltweit 221 Ethnien auf fünf Kontinenten hinsichtlich ihrer Auffassung zum Traum und zum Umgang mit den Träumen untersucht wurden. Weltweit geht die Mehrzahl indigener Kulturen davon aus, dass das Traumleben eine Wirklichkeit abbildet, die mit anderen Menschen geteilt wird und auch eine Verbindung zu den Vorfahren darstellt.

Lohmann (2007) bietet auf der Basis ethnografischer Forschung eine Liste von Typen kultureller Traumtheorien:

1.  Nonsenstheorie: Interessanterweise gibt es auch bei traditionellen Völkern die Vorstellung, dass Träume nichts bedeuten, sondern sozusagen sinnloser Leerlauf des Gehirns sind.

2.  Träume als die wahre Wirklichkeit: Manche Völker, wie der südamerikanische Indianerstamm der Jivaro, gehen davon aus, dass Träume eine stärkere Wirklichkeit darstellen als die Welt des Wachbewusstseins; letzteres wird eher als eine Illusion betrachtet.

3.  Nachrichtentheorie: Diese sehr weit verbreitete Theorie nimmt an, dass Träume Mitteilungen vom Träumer selbst an andere oder von anderen an den Träumer darstellen, insbesondere von verstorbenen Ahnen, Geistern oder Gottheiten.

4.  Generative Theorien: Dieser Typ von Theorien nimmt an, dass Träume nicht nur einfach die Zukunft voraussagen, sondern sogar die Manifestation zukünftiger Ereignisse bedingen oder zumindest dazu beitragen.

5.  Visitations-Theorien: Hier wird angenommen, dass der Träumer während des Traums von spirituellen Wesenheiten besucht wird. Diese Theorien können sich auch mit anderen, bereits genannten Theorietypen überlappen.

Eine große Zahl von Ethnien folgt in ihrem Verständnis der Träume der unten dargestellten Auffassung Jungs. Hollan (2003) beschreibt, was er selfscape dreams nennt, d. h. Träume, die eine Karte der inneren Landschaft, eine Beschreibung des aktuellen Selbst darstellen:

»To summarize briefly, selfscape dreams involve complex, developmentally sensitive imaginal, emotional, and cognitive processes that reflect back to the dreamer how his or her current organization of self relates various parts of itself to itself, its body, and to other people and objects in the world« (Hollan, 2003, S. 65).

In einem Vergleich von Träumen von Personen aus den USA und Indonesien fand er nicht nur, dass sich der Inhalt der Träume ähnelte (sie handelten von Konflikten des Selbst mit anderen und ihrer persönlichen Lebenssituation), Individuen aus beiden Kulturen interpretierten ihre Träume auch als eben dies: eine Darstellung ihrer aktuellen Lebenssituation. In vergleichbarer Weise fand Mageo (2003) eine hohe Übereinstimmung zwischen verschiedenen Kulturen hinsichtlich ihres Verständnisses von Träumen, dass diese nämlich das bewusste Ich mit ungelösten Themen oder konflikthaften Anteilen konfrontieren, die noch nicht ins Ganze der Persönlichkeit integriert sind: »Westerners are not alone in alienating an affective and embodied self. Cultures tend to highlight either subjectivity or sociality, and to associate the other with body and emotion« (Mageo, 2003, S. 37).

2.3       Der Traum bei Freud

Man muss sich klarmachen, dass Freud seine »Traumdeutung« (1900) zu einem Zeitpunkt veröffentlichte, als man sich in der europäischen Geistesgeschichte im Zuge der Aufklärung weitgehend einig war, dass Träume nicht, wie es in der Antike und im Mittelalter immer angenommen wurde, bedeutungsvoll sind, also z. B. Mitteilungen Gottes/der Götter an den Träumer darstellen, sondern zufällig zustande kommen, so etwas wie Leerlauf des Gehirns darstellen und insofern bedeutungslos sind. Vor diesem Hintergrund gebührt Freud der Verdienst, nicht nur den Traum als bedeutungstragend rehabilitiert zu haben, sondern darüber hinaus eine kohärente wissenschaftliche Theorie erstellt zu haben, wie Träume zustande kommen, welche Funktion sie für den Träumer übernehmen und eine systematische klinische Methodik entwickelt zu haben, wie im Kontext der Psychotherapie Träume gedeutet werden können.

Für Freud (1933) erfüllt der Traum im Grunde eine doppelte Funktion: »Er ist einerseits Ich-gerecht, indem er durch die Erledigung der schlafstörenden Reize dem Schlafwunsch dient, andererseits gestattet er einer verdrängten Triebregung die unter diesen Verhältnissen mögliche Befriedigung in der Form einer halluzinierten Wunscherfüllung« (Freud, 1933, S. 19). Da im Schlaf aufkommende verdrängte Triebregungen, weil für das Ich bedrohlich, den Schlaf stören könnten, werden sie im Zuge einer Zensur durch die Traumarbeit (Verdichtung, Verschiebung, Verbildlichung, Symbolisierung) in den nicht mehr bedrohlichen manifesten Trauminhalt umgewandelt. Diese Mechanismen der Traumarbeit funktionieren gemäß primärprozesshafter Arbeitsweise. Auf diese Weise gilt: »Der Traum ist der Hüter des Schlafes« (Freud, 1913, S. 398). Der Traum ist eine Wunscherfüllung, er versucht, die Schlafstörung durch eine halluzinatorische Wunschbefriedigung zu beseitigen. Freud nimmt an, dass die entsprechenden Wünsche durch tagesaktuelle Ereignisse angeregt wurden, allerdings sieht er nur solche Ereignisse als stark genug an, einen Traum hervorzubringen, wenn sie gleichzeitig unbewusste Wünsche bzw. unbefriedigte Bedürfnisse wecken bzw. sich mit diesen verknüpfen. Dies sind nach Freud vor allem die aus dem Es hervorkommenden Wünsche und Triebregungen. Die auslösenden tagesaktuellen Ereignisse werden dann als Tagesrest bezeichnet. Da nach diesem Verständnis die Träume die tiefen unbewussten Wünsche und Triebregungen enthalten – wenn auch in entstellter Form – wird die Traumdeutung als der Königsweg zum Unbewussten bezeichnet.

Primärprozess und Traumarbeit

Freud geht davon aus, dass die menschliche Psyche zwei distinkte Vorgänge enthält: den Primär- und den Sekundärvorgang. Der Primärvorgang umfasst die unbewussten Prozesse unseres Seelenlebens. Im Traum produziert er die Erlebnisinhalte und greift dabei auf unbewusste Wünsche zurück. Im Wachleben wird dieser durch den Sekundärvorgang gehemmt. Unter Sekundärvorgang versteht Freud die Vorgänge, die zwischen Vorbewusstem und Bewusstsein vermitteln. Darunter fallen nach Freud auch die Ich-Funktionen, d. h. Kognition, Aufmerksamkeit, kontrollierte Handlungen und Urteilsvermögen. Da im Schlaf der Sekundärvorgang reduziert ist, wird der Primärvorgang entsprechend weniger gehemmt. Daher können im Traum über den Primärvorgang Wünsche aus dem Unbewussten in das Bewusstsein aufsteigen. Diese werden dann halluzinatorisch als Traum sichtbar. Da diese Wünsche jedoch zu erschreckend für das Bewusstsein sind und den Träumenden aufwecken könnten, müssen diese vom Sekundärvorgang unkenntlich gemacht werden. Der Sekundärvorgang funktioniert im Traum wie ein Zensor, der den ursprünglichen Trauminhalt verschleiert, um den Schlaf zu schützen.

Unter dem Begriff der Traumarbeit fasst Freud die verschiedenen Mechanismen zusammen, mit denen im Traum die unbewussten Wünsche unkenntlich gemacht werden. Zu diesen Mechanismen zählen Verdichtung (das Kondensieren von verschiedenen Ideen und Bildern zu einem), Verschiebung (ein potenziell erschreckendes Bild wird durch ein ähnliches aber weniger erschreckendes Bild ersetzt), Verbildlichung (Gedanken werden in visuelle Inhalte übersetzt) und Symbolisierung (ein neutrales Objekt repräsentiert ein sexuelles oder eines, welches damit in Verbindung steht). Durch diese vier genannten Mechanismen werden die aufsteigenden Wünsche, zusammen mit dem Tagesrest und Kindheitserinnerungen, komprimiert zu einem Traum zusammengefasst.

Für die Methodik der Traumdeutung bedeutet dies, dass ausgehend vom manifesten Trauminhalt der Weg zurück zu den latenten Trauminhalten gefunden werden muss. In seinen »Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse« (Freud, 1916, S. 112) stellt er hierzu drei Regeln auf:

1.  »Man kümmere sich nicht um das, was der Traum zu besagen scheint, sei er vollständig oder absurd, klar oder verworren, da es doch auf keinen Fall das von uns gesuchte Unbewußte ist […]

2.  Man beschränke die Arbeit darauf, zu jedem Element die Ersatzvorstellung zu erwecken, denke nicht über sie nach, prüfe sie nicht, ob sie etwas Passendes enthalten, kümmere sich nicht darum, wie weit sie vom Traumelement abführen;

3.  Man warte ab, bis sich das verborgene, gesuchte Unbewußte von selbst einstellt, […]«

Freud betont, dass nur über die Assoziationen des Träumers wieder von diesem manifesten Oberflächeninhalt des Traumes der Weg zurück zu den eigentlichen latenten Trauminhalten möglich ist.

2.3.1     Freuds Methode der Traumdeutung am Beispiel vom »Traum von Irmas Injektion«

Freud exemplifiziert seine Methode an zentraler Stelle in der »Traumdeutung« an einem Traumbeispiel, das mittlerweile in der Geschichte der Psychoanalyse einen historischen Stellenwert erlangt hat. Zur Einleitung diskutiert Freud die Problematik, dass er aufgrund seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht nicht einfach Träume seiner Patienten in einer Publikation ausbreiten und analysieren könne, weswegen er den Schritt geht, einen seiner eigenen Träume seiner Traumdeutungsmethode zu unterziehen. Dieser »Traum von Irmas Injektion« datiert vom 24. Juli 1895. Er selbst betrachtet diese Interpretation als besonders gelungen. Der Traum bezieht sich auf eine Patientin Freuds, die zugleich eine enge Freundin der Familie war. Irma, so ihr Deckname, hatte sich ursprünglich an Freud wegen ihrer hysterischen Angst gewandt. Die Analyse war bis zu diesem Zeitpunkt teilweise erfolgreich, die Hauptsymptomatik war verloren gegangen, aber gewisse körperliche Symptome bestanden nach wie vor. Freud schlägt ihr, eher untypisch für die analytische Vorgehensweise, eine Lösung vor, die für Irma aber nicht infrage kommt. Durch die Ferien wird die Behandlung unterbrochen. Ein mit Freud befreundeter Arzt trifft die Patientin im Urlaub und erfährt, dass es ihr zwar besser, aber nicht richtig gut gehe, was er Freud berichtet. Dies macht Freud unzufrieden, er tut aber die damit verbundenen Gefühle beiseite. Am Abend vor dem Traum bemüht er sich, die bisherige Anamnese und den Verlauf der Therapie aufzuschreiben, um sie an einen Kollegen weiterzugeben. Dann träumt Freud den besagten Traum: