Trennung mit Kindern – was nun? - Liselotte Staub - E-Book

Trennung mit Kindern – was nun? E-Book

Liselotte Staub

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Beschreibung

Eltern sind oftmals unsicher, was das Vorgehen bei einer Trennung betrifft. Was ist das Beste für das Kind? Wie können Schwierigkeiten erkannt und angegangen werden? Der Ratgeber macht die Eltern im ersten Teil mit ihrer eigenen Situation vertraut. Erst wenn sie diese verstehen, sind sie in der Lage, die Paar-Ebene von der Eltern-Ebene zu trennen und sich mit den Anpassungsproblemen der Kinder zu beschäftigen. Nach einer Erörterung der unterschiedlichen Gewöhnungs- und Verhaltensprobleme der Kinder beschäftigt sich die Autorin mit der Frage, was Eltern ganz konkret tun können, damit sich die Kinder nach der Trennung ihrer Eltern gesund und schadlos weiterentwickeln. Im dritten Teil, dem Kernstück dieses Ratgebers, erhalten Eltern praktische Erziehungs- und Verhaltensratschläge, die die Anpassung des Kindes an die neue Situation nach der Trennung der Eltern nachweislich und nachhaltig erleichtern. Anschauliche Beispiele unterstützen das Verständnis und den Transfer auf die eigene Situation.

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Seitenzahl: 226

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Trennung mit Kindern – was nun?

Trennung mit Kindern – was nun?

Liselotte Staub

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Psychologie:

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich; Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich; Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen; Prof. Dr. Astrid Schütz, Bamberg; Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Br.

Liselotte Staub

Trennung mit Kindern – was nun?

Ratgeber für betroffene Eltern

Dr. phil. Liselotte Staub

Eisenbahnweg 6

3426 Aefligen

Schweiz

[email protected]

www.staub-psychologie.ch

Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopien und Vervielfältigungen zu Lehr- und Unterrichtszwecken, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychologie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel: +41 31 300 45 00

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri

Bearbeitung: Edeltraud Schönfeldt, Berlin

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: iStock/Nick Tandy

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Illustrationen (Innenteil): Angelika Kramer, Stuttgart/Idee: Liselotte Staub

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr s. r. o., Český Těšín

Printed in Czech Republic

1. Auflage 2018

© 2018 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95877-4)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75877-0)

ISBN 978-3-456-85877-7

http://doi.org/10.1024/85877-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf ­befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Teil I

Trennung – die Folgen

1Wie geht es Ihnen?

1.1 Vom Verlassen und Verlassenwerden

1.2 Die Klärung der eigenen Gefühle

1.3 Vom Nicht-darüber-Hinwegkommen

1.4 Umgang mit Schuldgefühlen

1.5 Wenn das Geld nicht mehr reicht

1.6 Von der Kommunikation auf der Eltern-Ebene

1.7 Wenn Eltern die Kinder parentifizieren

2Und die Kinder?

2.1 Altersspezifische Trennungsreaktionen

2.1.1 Kleinkinder und Kinder im Vorschulalter

2.1.2 Kinder im Schulalter

2.1.3 Jugendliche

2.2 Das Kind im Loyalitätskonflikt

2.3 Zur Ambivalenzfähigkeit

2.4 Zum Nachtrennungskonflikt der Eltern

2.4.1 Konflikt-Charakteristik und das Kind

2.4.2 Wie sich der Elternkonflikt auf die Entwicklung des Kindes auswirkt

2.5 Eltern-Kind-Beziehung nach der Trennung

2.5.1 Arten von Entfremdung zwischen Eltern und Kindern

2.5.2 Umgang mit Eltern-Kind-Entfremdung

Teil II

Praktischer Teil

3Was Sie für Ihre Kinder tun können

3.1 Wie Sie die Beziehung pflegen

3.1.1 Eltern-Kind-Zeit

3.1.2 Positives Verhalten erkennen

3.1.3 Aktiv und effektiv zuhören

3.2 Wie Sie die Kinder aus der Kampfzone heraushalten

3.2.1 Kommunikationsregeln

3.2.2 Wer lügt hier: der Elternteil oder das Kind?

3.2.3 Zum Ausfragen von Kindern

3.2.4 Zu den Botschaften und Fragen der Kinder

3.2.5 Zu Ihrem Bedürfnis, den Kindern die Wahrheit zu sagen

3.2.6 Zum Ärgermanagement

3.3 Wie Sie den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil gewährleisten

3.3.1 Für hauptsächlich betreuende Eltern: Umgang mit Kontakten des Kindes zum anderen Elternteil

3.3.2 Für getrennt lebende Eltern: Umgang mit Ängsten vor ­Kindesverlust

3.4 Wie Sie wirkungsvoll disziplinieren

3.4.1 Unterschiedliche Erziehungsstile

3.4.2 Erwartungen und Konsequenzen

3.5 Was soll ich tun …

3.5.1 … wenn das Kind glaubt, dass die Eltern wieder zusammenkommen?

3.5.2 … damit das Kind uns als Eltern wahrnimmt?

3.5.3 … wenn das Kind meine neue Partnerschaft ablehnt?

3.5.4 … wenn das Kind Druck auf mich ausübt?

3.5.5 … wenn mein Kind mich ablehnt?

3.6 Braucht mein Kind eine Therapie?

Teil III

Betreuungsanteile

4Wo bleibt das Kind?

4.1 Zu den Konzepten und Rechtsbegriffen

4.1.1 Sorgerecht

4.1.2 Obhut, Obsorge

4.1.3 Alltagssorge

4.2 Modalitäten des üblichen Kontaktrechts

4.3 Zum Kontakt bei Kleinkindern

4.3.1 Entscheidungskriterien für die Kontaktregelung bei Kleinkindern

4.3.2 Kontaktregelung bei Widerständen eines Elternteils

4.4 Kontakt- und Betreuungsregelung bei Schulkindern

4.5 Alternierende Obhut / Wechselmodell

4.5.1 Entscheidungskriterien auf der Elternseite

4.5.2 Entscheidungskriterien auf der Kinderseite

Anhang

Brief an Kinder im Schulalter

Familie Igel Iltis – eine Geschichte zum Vorlesen

Weiterführende Literatur

Die Autorin

Sachwortverzeichnis

Vorwort

Die Trennung der Eltern geht mit einer Veränderung des ganzen Familiensystems einher. Die größte Angst der Eltern bezieht sich in der Regel darauf, dass ihre Kinder Schaden nehmen. In ihrer Sorge lassen sich Eltern oft von Fachleuten unterstützen oder beraten; andere suchen in Büchern nach Ratschlägen, wie sie die Situation für ihre Kinder erträglicher gestalten können.

Dieser Praxisleitfaden für getrennte Eltern unterscheidet sich von anderen Scheidungs- und Trennungsratgebern darin, dass er die Eltern zunächst mit ihrer eigenen Situation vertraut macht und ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse und Nöte schafft. Dieses Vorgehen fußt auf der Annahme, dass die Eltern zuerst ihre Lage und Lebensumstände analysieren und verstehen müssen, bevor sie in der Lage sind, die Paar-Ebene von der Eltern-Ebene zu trennen, und sich nun mit den Anpassungsproblemen der Kinder beschäftigen können.

Im zweiten Teil wird die Situation der Kinder erörtert. Die unterschiedlichsten kindlichen Gewöhnungs- und Verhaltensprobleme werden zusammenfassend erläutert, wobei das Hauptaugenmerk auf der bio-psycho-sozialen Situation und den damit zusammenhängenden Anpassungsprozessen liegt, die jedes Kind von getrennten Eltern bewältigen muss.

Das Kernstück dieses Ratgebers beschäftigt sich schließlich mit der Frage, was Eltern ganz konkret tun können, damit sich die Kinder nach der Trennung ihrer Eltern ungeschädigt weiterentwickeln. Betroffene Eltern erhalten praktische Erziehungs- und Verhaltensratschläge, welche die Anpassung des Kindes an die neue Situation nach Trennung der Eltern nachweislich und nachhaltig erleichtern. Anschauliche Beispiele unterstützen das Verständnis und den Transfer auf die eigene Situation.

Der Ratgeber richtet sich explizit an betroffene Eltern. Die Erklärungen im zweiten Teil und die Ratschläge im dritten Teil helfen aber auch weiteren Bezugspersonen der Kinder, zum Beispiel Großeltern oder Paten. Nicht zuletzt dient der Ratgeber Fachleuten und Mediatoren in der Zusammenarbeit mit betroffenen Eltern als Arbeitsheft und Gesprächsgrundlage.

Einleitung

Ihre Partnerschaft oder Ehe wurde vor kurzer Zeit getrennt, und Sie leben nun mit Ihren Kindern allein oder begegnen ihnen nur noch zeitweise. Die Trennung hat Sie mit einer Vielzahl von Veränderungen konfrontiert, und Sie sind nun dabei, sich an die neuen Lebensumstände anzupassen. Ihren Kindern geht es nicht anders: Auch für diese hat sich der Alltag verändert, und die neue Situation verlangt auch ihnen große Anpassungsleistungen ab.

Sie stellen sich vielleicht hin und wieder die Frage, wie sich Ihre Kinder unter diesen Umständen entwickeln und ob sie durch die Trennung der Eltern Schaden nehmen. Möglicherweise haben Sie sich bereits Gedanken gemacht, wie Sie als Eltern Ihre Kinder im Anpassungsprozess noch besser unterstützen könnten.

Für die Kinder ist die Trennung der Eltern in jedem Fall eine einschneidende und schwerwiegende Erfahrung. Diese Erfahrung muss nicht in die Katastrophe führen, sondern birgt auch die Chance alternativer Entwicklungserfahrungen. Es ist zwar wissenschaftlich gut belegt, dass Kinder aus Trennungsfamilien zwei- bis dreimal häufiger Verhaltensauffälligkeiten oder eine psychische Störung entwickeln als Kinder aus vollständigen Familien. Aber das Aufwachsen mit getrennten Eltern ist für Ihre Kinder nicht grundsätzlich traumatisierend. Kinder können die zeitlich begrenzte Krise der elterlichen Trennung innerhalb weniger Jahre durchaus ohne langfristige Störungen überstehen. Von entscheidender Bedeutung sind dazu allerdings die Umstände, die nach der Scheidung auf die kindliche Entwicklung einwirken.

Die Scheidungsforschung konnte hinreichend belegen, dass die Benachteiligung der Kinder nicht durch die elterliche Trennung an sich hervorgerufen wird, sondern durch die mit der Trennung einhergehenden belastenden Umstände. Gewisse Umstände sind gegeben und lassen sich kaum verändern, so zum Beispiel der Verlust der Eltern als Einheit oder die ökonomische Einbuße, die aus der Finanzierung von zwei Lebenswelten resultiert. Die neuere Scheidungsforschung hat jedoch entscheidende Risiko- und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Problemen der Kinder aufzeigen können, die von den Eltern durchaus beeinflusst werden können.

In den folgenden Kapiteln werden die unterschiedlichen Gesichtspunkte von Müttern, Vätern und Kindern aufgezeigt.

Zunächst stehen Sie als Eltern im Zentrum der Betrachtung: Wie geht es Ihnen mit der veränderten Situation? Welche Anpassungshürden müssen Sie überwinden? Was läuft einigermaßen, und wobei brauchen Sie Unterstützung?

Im zweiten Kapitel wird die psychische Situation des Kindes beim Übergang von einer Dreierbeziehung zu zwei Zweierbeziehungen diskutiert: Trennungsinhärente Loyalitätskonflikte und Anforderungen an die Ambivalenzfähigkeit, das Aushalten unterschiedlicher oder sogar gegensätzlicher Gefühle, bestimmen die seelische Situation des Kindes weitgehend. Aber Sie als Eltern haben die Möglichkeit, Ihre Kinder beim Bewältigen ihrer Anpassungsaufgaben zu unterstützen.

Im dritten Kapitel werden Fertigkeiten vermittelt, mit denen Sie Ihrem Kind die Gewöhnung an die veränderte Lebensumwelt erleichtern. Die konkreten Interventionen mit anschaulichen Beispielen zielen auf diejenigen Einflussfaktoren ab, welche die Kinder erfahrungsgemäß am meisten beeinträchtigen.

Abschließend geht es um juristische Begrifflichkeiten und wie Sie sich im Rechtsraum bewegen können.

Anhang 1 richtet sich direkt an Ihre Kinder. Der Anhang beinhaltet einen Wegweiser für den Umgang mit der elterlichen Trennung und für jüngere Kinder eine Geschichte zum Vorlesen. Den Eltern dient die einfache Geschichte als Vorlage zum Schreiben oder Erzählen eigener Geschichten mit dieser Thematik.

Teil I

Trennung – die Folgen

1Wie geht es Ihnen?

Christian, 39 Jahre und Vater von zwei Kindern: „Ich bin doch immer für meine Familie da gewesen, wenn sie mich gebraucht hat. Und das Haus wollten meine Frau und ich doch beide. Wir wussten, dass das viel Mühe, Zeit und Geld kosten wird. Natürlich musste ich Überstunden machen und war froh, dass dies in meiner Branche überhaupt möglich ist. Wir hätten das sonst gemeinsam nie geschafft. Ich kann nicht verstehen, dass sie mich jetzt mit den Kindern verlässt – wo wir doch so weit gekommen sind.“

Claudia, 35 Jahre und Mutter von drei Mädchen: „Ich kann nicht verstehen, wie er mich ein Jahr lang mit einer anderen Frau hintergehen konnte. Wir hatten eine gute Beziehung, gesunde und glückliche Kinder und waren finanziell abgesichert. Es ging uns richtig gut. Er hing so sehr an den Mädchen und hat jede freie Minute mit diesen etwas unternommen. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass er die Familie verlassen könnte.“

Ihre Entscheidung, als Eltern fortan getrennte Wege zu gehen, beeinflusst nicht nur Ihre Kinder einschneidend. Die Veränderungen in Ihrem Leben beziehen sich auch auf Ihre Herkunftsfamilie, Ihre Beziehungen, Ihre persönlichen, beruflichen, finanziellen Lebensumstände und Ihre Wohnsituation. Die Trennung selber geht mit vielen Unsicherheiten und Problemen einher, mit denen Sie und Ihre Kinder zurechtkommen müssen. Unsicherheit entsteht zum Beispiel darüber, wer nun noch und in welchem Ausmaß zur Familie gehört, wer welche Verantwortung, welche Rechte und welche Pflichten hat. Organisatorische Fragen lassen sich regeln. Aber die Art und Weise, wie Sie als Paar miteinander umgehen und die Nachscheidungsbeziehung gestalten, kann Ihnen niemand vorfabrizieren: Beziehungen kann man grundsätzlich nicht verordnen.

Obwohl Sie sich als Paar trennen, bleiben Sie Eltern. Auch wenn Sie Ihre Verantwortung nicht mehr in derselben Art und Weise wahrnehmen können wie bisher, bleiben Sie dennoch Vater oder Mutter Ihrer Kinder. Ihre Aufgabe besteht nun darin, die Paar-Ebene von der Eltern-Ebene zu trennen, damit Sie sich trotz des Zerwürfnisses gemeinsam den Kindern zuwenden können. Dies ist leichter gesagt als getan. Die Anforderungen an Sie als Ehepartner und als Eltern sind hoch und lassen sich nicht immer vereinbaren: Als Ehepartner müssen Sie mit der Tatsache der Trennung zurechtkommen, sich vom Partner oder der Partnerin ablösen und mit Ihrem veränderten oder neuen sozialen Umfeld klarkommen. Sie müssen sich wahrscheinlich um rechtliche, finanzielle oder berufliche Dinge kümmern, müssen Wohnungs- und Kinderbetreuungsprobleme lösen. Als Eltern müssen Sie trotz bestehender oder neuer Konflikte weiterhin Kontakt zueinander pflegen. Sie müssen Ihren Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin als Vater oder Mutter der gemeinsamen Kinder akzeptieren. Gleichzeitig müssen Sie für Ihre Kinder gerade jetzt besonders starke und gefasste Eltern sein.

Wie Sie mit diesen Anforderungen zurechtkommen und wie Sie sich an die veränderte Lebenssituation anpassen, hängt von mehreren Faktoren ab: zum einen von der Art und dem Ausmaß der konkreten und praktischen Probleme, die Ihnen durch die Trennung entstanden sind. Zum anderen sind Ihr persönlicher Charakter und Ihre gesundheitliche Verfassung von großer Bedeutung. Und schließlich kommt es darauf an, wie Ihre Kinder, Ihr Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin und Ihr soziales Umfeld auf die Trennung reagieren und damit zurechtkommen.

Die Verhaltensweisen und Reaktionen Ihres Umfeldes bestimmen sehr stark, wie Sie auf die Trennung reagieren. Umgekehrt haben Ihre Reaktionen einen großen Einfluss auf die Anpassungsleistungen Ihrer Kinder, Ihres Ex-Partners oder Ihrer Ex-Partnerin.

1.1 Vom Verlassen und Verlassenwerden

Im Gegensatz zum Entschluss, die Ehe zu schließen, tragen die Entscheidung, sich zu trennen, häufig nicht beide Partner gleichzeitig und gemeinsam. Oft ist es nur ein Partner, der für sich den Trennungsentschluss fasst. Wenn eine Partnerschaft oder Ehe endet, so geht dies aber in jedem Fall mit emotionalem Stress für beide Partner einher, und zwar unabhängig davon, wer von beiden die Trennung wollte, wie „schlecht“ die Partnerschaft oder Ehe war und wie groß der Wunsch nach deren Auflösung.

Waren Sie die initiierende Kraft der Trennung, sind Sie wahrscheinlich emotional besser auf die Trennung vorbereitet als Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin. Wahrscheinlich fühlen Sie sich aber für den Bruch nun stärker verantwortlich und empfinden auch Schuldgefühle, vor allem wenn Ihr Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin in große psychische Not geraten ist. Vielleicht zweifeln Sie an der Richtigkeit Ihrer Entscheidung oder versuchen sich ständig zu entschuldigen.

Wenn Sie die Trennung eingeleitet haben, ist es wichtig, für diesen Schritt auch die volle Verantwortung zu übernehmen. Nehmen Sie die Not Ihres Gegenübers wahr, und muten Sie diese Ihrem Ex-Partner bzw. Ihrer Ex-Partnerin zu, ohne sich zu rechtfertigen oder diese Not zu bagatellisieren. Wenn Ihr Gegenüber Ihnen zum Beispiel vorhält: „Du hast mir alles genommen, was meinem Leben Sinn gegeben hat!“, könnten Sie in einfühlsamem, aber nicht reumütigem Ton antworten: „Ja, ich weiß, was ich dir zumute.“

Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin beschlossen, ohne Sie weiter durchs Leben zu gehen, fühlen Sie sich vermutlich verletzt, wertlos, nicht liebenswert, verlassen oder deprimiert. Vielleicht haben Sie das Bedürfnis, den „Täter“ für die erlittene Ungerechtigkeit zu bestrafen oder Rache zu üben. Diese Gefühle sind legitim und normal. Akzeptieren Sie, dass Sie so denken, denn erst dann ist es möglich, dass sich diese Gefühle verändern.

1.2 Die Klärung der eigenen Gefühle

In der Zeit der Trennung werden viele Eltern beherrscht von Wut und Zorn auf den Ex-Partner. Auch Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, Selbstzweifel, Hoffnungslosigkeit und das Gefühl, gescheitert zu sein oder versagt zu haben, sind üblich. Halten diese Gefühle unverändert über ein Jahr lang an, droht die Gefahr, dass die Betroffenen das psychische Gleichgewicht verlieren oder körperliche Beschwerden entwickeln. Hinzu kommt, dass das Ausagieren dieser ungeklärten Gefühle den Aufbau einer von der Paar-Ebene getrennten Elternschaft erheblich beeinträchtigt. Deshalb ist es wichtig, sich der aggressiven Gefühle bewusst zu werden und diese in konstruktive Bahnen zu leiten.

Suchen Sie sich erwachsene Ohren für Ihre Klagen. Scheuen Sie sich nicht, auch professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn die aggressions- und rachebetonten Gefühle nicht nachlassen und Sie daran hindern, Ihre Aufgaben zu erfüllen, nach vorwärts zu schauen oder wieder Freude zu empfinden.

Erliegen Sie nicht der Illusion, dass die räumliche Distanz und ein totaler Kommunikationsstopp zum Ex-Partner bzw. zur Ex-Partnerin Ihre unangenehmen Gefühle ausbremst. In der Regel ist nämlich mit der räumlichen Trennung die gefühlsmäßige Trennung noch längst nicht abgeschlossen. Bemühen Sie sich um ein verträgliches Gleichgewicht zwischen Funkstille und Kontakt. Bedenken Sie, dass bei Flucht vor der notwendigen Auseinandersetzung oder Boykott die Gefahr droht, dass der Prozess des Abschiednehmens in der Vorstufe steckenbleibt.

Dieser Abschiedsprozess bleibt aber auch stecken, wenn Paare unnötige Auseinandersetzungen provozieren und sich darin verkeilen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Streit und der Kampf das ehemalige Liebespaar davor „schützt“, sich der Endgültigkeit des Verlustes und dem damit verbundenen Schmerz zu stellen. Gleichzeitig macht er Ihnen aber auch deutlich, dass die Liebe endgültig vorbei ist. Jeder Kampf tendiert leider dazu, sich zum Flächenbrand auszuweiten, wenn er nicht von verantwortlichen Köpfen gesteuert und beendet wird. Im Kampf können Sie weder eine Liebe zu Grabe tragen noch Verständnis für Ihre Kinder aufbringen noch eine gemeinsame Elternschaft organisieren. Im Kampf herrscht nur Kampf. Die anstehenden Aufgaben werden nicht mehr gelöst. Der erste Schritt aber, den Kampf zu Ende zu bringen, besteht darin, seine Hintergründe besser zu verstehen. Versuchen Sie, sich über die Gefühle hinter der Kampfhandlung klar zu werden.

1.3 Vom Nicht-darüber-Hinwegkommen

Ob Sie die Trennung gewollt haben oder nicht: Der Verlust der Familie stellt für Sie ein Unglück dar, das Sie schmerzlich betrauern müssen. Die Sehnsucht nach Ihrem Ex-Partner bzw. Ihrer Ex-Partnerin hängt unter anderem von Ihrer Beziehungserfahrung ab, vom Grund der Trennung und vom Trennungsprozess.

Manche Eltern können die Tatsache der Trennung nicht akzeptieren. Sie lieben ihren Ex-Partner bzw. ihre Ex-Partnerin immer noch und wollen diese(n) nicht verlieren oder sind hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch und der Sehnsucht nach Wiedervereinigung und der Sicherheit, ihn oder sie nicht mehr zurückhaben zu wollen. Im ersteren Fall wird jedes freundliche Zeichen des Ex-Partners als Hoffnungsschimmer für eine Versöhnung oder Wiedervereinigung gedeutet. Meistens werden diese Hoffnungen jäh enttäuscht und führen zu noch tieferen Verletzungen, Kränkungen und abweisendem Verhalten. Droht die Beziehung zwischen dem ehemaligen Paar endgültig abzubrechen, wird oft von einer oder beiden Seiten mit allen Mitteln versucht, den Kontakt wieder aufzunehmen. Die Mittel dazu sind zum Beispiel Streit über finanzielle Regelungen oder über die Kinder, und sie führen oft zu einer regelrechten gegenseitigen Terrorisierung. Der Kampf wird dann zum emotionalen Leim zwischen den Partnern. Man kann sich nicht trennen, weil ganz starke Gefühle verbinden, nämlich Hass- und Rachegefühle.

Vor allem im ersten Jahr nach der Trennung erleben getrennte Eltern sehr unterschiedliche Gefühle gleichzeitig. Vielleicht stellen Sie fest, dass Ihre Stimmung häufig und rasch schwankt: Eben erfüllte Sie ein Hochgefühl der Freiheit und der Befreiung, und kurz darauf fallen Sie in ein Tief, fühlen sich niedergeschlagen und voller Zukunftsangst.

Die große Herausforderung besteht nun aber darin, im Zuge der ausgeprägten Stimmungsspitzen kein „Geschirr zu zerschlagen“. Achten Sie darauf, dass Sie im Kontakt mit Ihrem Ex-Partner bzw. Ihrer Ex-Partnerin keinen Kollateralschaden produzieren bzw. nicht mehr kaputt machen, als schon kaputt ist.

Insbesondere wenn Sie nicht sicher sind, ob die Paarbeziehung noch eine Zukunft hat, tun Sie gut daran, dem Partner mit Ihrem Verhalten nicht die Legitimation für die Trennung zu geben im Sinne von: „Nur gut, dass wir uns getrennt haben. Mit einem Menschen, der sich so verhält, kann man ja nicht zusammenleben.“ Wenn es Ihnen zunehmend besser gelingt, Ihre Gefühle vor dem Ex-Partner bzw. der Ex-Partnerin zu verbergen, verhindern Sie eine Konflikteskalation, die der Ex-Partner bzw. die Ex-Partnerin für sich verbuchen könnte.

Möglicherweise haben Sie aber das starke Bedürfnis, Ihrem Gegenüber mit aller Deutlichkeit zu sagen, was er oder sie Ihnen angetan hat. Das ist verständlich. Vermutlich bewirken Ihre Worte im Moment nicht das, was Sie sich wünschen. Sparen Sie Ihre Energie. Teilen Sie sich Freunden mit und suchen Sie den Kontakt mit Menschen. Unterstützende Kontakte und ­gemeinsame Aktivitäten mit anderen wirken auf Ihre emotionale Lage ausgleichend.

Diese Achterbahnfahrt der Gefühle ist energiezehrend, aber normal. Vertrauen Sie darauf, dass sich mit der Zeit immer häufiger ausgeglichene Stimmungs­lagen einstellen. Scheuen Sie sich aber nicht, auch psychologische Hilfe in ­Anspruch zu nehmen. Psychotherapeuten sind dafür ausgebildet, Menschen in Krisensituationen zu unterstützen.

Wie auch immer Sie Ihre eigene Trennung erleben, wahrscheinlich brauchen Sie nach der Trennung zuerst einmal Raum und Zeit für sich selbst: Zeit, um Ihre Gefühle zu ordnen und Kurs auf eine neue Zukunft zu nehmen. Vergessen Sie aber trotz Trennungsschmerz und den damit einhergehenden Belastungen und Veränderungen nicht, dass Ihre Kinder gerade jetzt besonders auf Sie angewiesen sind. Ihre Kinder brauchen Ihre ganze Zuneigung und müssen sich auf Sie verlassen können.

1.4 Umgang mit Schuldgefühlen

Weil der Übergang von einer Dreierbeziehung mit beiden Eltern zu einer Zweierbeziehung mit der Mutter und einer Zweierbeziehung mit dem Vater für die Kinder eine riesige Herausforderung darstellt, zeigen Kinder vor allem in der ersten Zeit nach der Trennung häufig Problemverhalten oder gar Verhaltensauffälligkeiten (s. Kap. 2). Wenn sie einen sehr hohen Anspruch an sich selber stellen, halten Eltern dies oft nur schwer aus: Trotz der Trennung möchten sie ihren Kindern perfekte Eltern sein, wollen ihr Kind immer glücklich und fit sehen und zu jeder Zeit von ihm geliebt werden.

Durch die Notsignale der Kinder und deren Problemverhalten geraten solche Eltern unter Druck. Sie versuchen sich zu entlasten, indem sie die Auffälligkeiten entweder verharmlosen und die Not der Kinder bagatellisieren oder indem sie dem verhassten Partner die Schuld an den Reaktionsweisen der Kinder zuschieben. Führt dies nicht zum Ziel, werden die Schuld und die Verantwortung nicht selten an die Behörden delegiert. Mit solchen unbewussten Abwehrmechanismen manövrieren sich die Eltern aus dem Sumpf der unerträglichen Schuldgefühle, welche ihnen die Not der Kinder bereitet. Diese Strategien absorbieren nun aber viel psychische Energie und nähren viel eher eine Kampfbeziehung als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Not und den Bedürfnissen ihrer Kinder.

Für Sie als verantwortliche Eltern besteht die Erziehungsverantwortung im genauen Gegenteil: Ihre Aufgabe besteht in der bewussten und aktiven Übernahme der Schuld für die Folgen des Scheiterns Ihrer Paarbeziehung. Akzeptieren Sie die Schuld als einen Teil von Ihnen, ohne sich damit zu identifizieren. Erst wenn Sie in der Lage sind, Ihre Schuldgefühle auszuhalten, können Sie Ihr Kind verstehen und von seiner Not wirklich betroffen sein – ohne die Schuld auf fremden Bühnen zu inszenieren.

Halten Sie die Not des Kindes aus, und rechtfertigen Sie nichts. Sagen Sie Ihrem Kind sinngemäß: „Ja, ich weiß, dass wir dir weh tun und dir etwas zumuten, was du nicht willst. Aber ich kann und will es nicht ändern. Ich werde dich aber bei der Anpassung an die neue Situation so gut wie möglich unterstützen.“

1.5 Wenn das Geld nicht mehr reicht

Durch die Trennung wird ein Familienbudget auf zwei Haushalte verteilt. Sie oder Ihr Ex-Partner bzw. Ihre Ex-Partnerin ist vielleicht gezwungen, sich eine kostengünstigere Wohnung zu suchen. Unter Umständen ist es sogar notwendig, dass Sie beide in eine günstigere und kleinere Wohnung umziehen. Je nach finanzieller Situation müssen Sie mit größeren oder kleineren Einschränkungen rechnen. In den meisten Familien drängen sich Abstriche bei Ferien oder Reisen auf, oder die Kinder müssen auf liebgewonnene Freizeitaktivitäten wie Ballettunterricht oder Reiten verzichten. Besonders gravierend ist die Einkommenssituation für Familien, die bereits vor der Trennung finanzielle Probleme hatten. Die finanziellen Mittel dieser Familie sinken nach der Trennung unter Umständen sogar unter das Existenzminimum. Diese Armut hat für alle Betroffenen große Konsequenzen. In vielen Familien ist dann wahrscheinlich auch der Elternteil, der die Kinder hauptsächlich betreut, über kurz oder lang gezwungen, einer Teil- oder Vollzeitarbeit nachzugehen. Von dem Zeitpunkt an, zu dem das jüngste Kind eingeschult wird, ist den Kindern eine Arbeit des betreuenden Elternteils außerhalb des Hauses zumutbar.

Erklären Sie Ihren Kindern angemessen, warum nun beide Eltern arbeiten. Vermeiden Sie es aber, finanzielle Angelegenheiten vor Ihren Kindern zu besprechen. Nehmen Sie Abstand von Aussagen wie: „Weil der Papa nicht genug bezahlt, müssen wir über kurz oder lang das Haus verlassen.“ Oder: „Weil Papa nicht genügend für euch bezahlt, muss ich nun arbeiten gehen.“ Geldsorgen gehen Ihr Kind nichts an.

1.6 Von der Kommunikation auf der Eltern-Ebene

Die Anforderungen an Sie, sich als Paar zu trennen und gleichzeitig als Eltern zusammenzuarbeiten, sind sehr hoch. Auf die Probe gestellt werden Ihre Fähigkeiten zur Zusammenarbeit auf der Eltern-Ebene und Ihre Aufgabe, die Eltern-Ebene von der Paar-Ebene zu trennen. Abgesehen davon drängen schwelende Konflikte zwischen den Eltern um die Zeit der Kindesübergabe oft besonders stark an die Oberfläche. Die Kinder reagieren darauf und benehmen sich dann auffällig schwierig, so dass die Vermutung aufkommt, sie seien beim andern Elternteil nicht gut aufgehoben. In den meisten Fällen liegen die Probleme der Kinder jedoch in den noch ungelösten Konflikten der Eltern und in der Art und Weise, wie die Betreuungsregelung gehandhabt wird. Wenn die Erwachsenen nicht aufrichtig bemüht sind, ihre Konflikte zu begraben und sich auf die Zukunft zu konzentrieren, werden sie immer eine Gelegenheit finden, den Streit weiterzuführen, wenn die Kinder abgeholt oder gebracht werden.

Insbesondere wenn die Trennung für Sie sehr schmerzlich war und Sie nur mühsam darüber hinwegkommen, werden die schmerzlichen Gefühle bei jeder Begegnung mit dem anderen Elternteil im Rahmen der Übergaben wieder aktiviert. In Ihrem Kummer kommen Sie sich vor wie ein Süchtiger, der von seiner Sucht loskommen will, dem aber das Suchtmittel jeden Tag wieder angeboten wird. Sie sind mutlos, verzweifelt und sagen sich: „So komme ich doch nie darüber hinweg!“

Sie haben das Recht, sich zu schützen. Dabei gilt es einen Weg zu finden, der die im Interesse des Kindes notwendige Kommunikation und den Austausch mit dem anderen Elternteil ermöglicht, Ihnen aber keine unnötigen Schmerzen zufügt.

Je nachdem, was Sie aushalten, ist es legitim, wenn Sie sich in der ersten Zeit nach der Trennung bei den Übergaben begleiten lassen. Emotional aufrüttelnde Gespräche mit dem anderen Elternteil können Sie vermeiden, indem Sie sich schriftlich austauschen und sich um einen sachlichen Umgangston bemühen. Viele Eltern wählen den Weg über SMS oder Whats App. Der kurze und teilweise stichwortartige Austausch birgt aber ein hohes Potential für Missverständnisse, die den Konflikt noch mehr anheizen oder falsche Hoffnungen auf eine Versöhnung oder Wiedervereinigung schüren. Daher stellt der Austausch über Mail ein geeigneteres Kommunikationsmittel dar. Wenn Sie sich für diese Form entscheiden, sollten Sie sich um einen sachlichen und respektvollen Stil bemühen. Sie sind auf dem richtigen Weg, wenn Sie die Frage, ob Sie diese Mail so auch Ihrem Arbeitgeber oder Ihrem Versicherungsberater schicken würden, mit „Ja“ beantworten können. (Für Kommunikationsratschläge s. Kap. 3.2.1.)

1.7 Wenn Eltern die Kinder parentifizieren1

Hand aufs Herz:

Lassen Sie Ihre Kinder bei sich im Bett schlafen, damit Sie weniger einsam sind?Fragen Sie Ihre Kinder um Erlaubnis, wenn Sie sich verabreden wollen?Erklären Sie Ihren Kindern detailliert Ihre finanzielle Lage?Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Ihr Intimleben oder Liebesleben?Beklagen Sie sich bei Ihrem Kind darüber, wie hart das Leben ist?Reden Sie Ihrem Kind Kontakte mit dem anderen Elternteil oder anderen Personen aus?Versuchen Sie Ihre Kinder von der Schule fernzuhalten, um damit Ihrer eigenen Einsamkeit oder Depression zu begegnen?

Insbesondere wenn Sie verlassen worden sind oder im Rahmen der Trennungskrise stark belastet, verstört, deprimiert oder einsam, kann es vorkommen, dass Sie in Ihrer Enttäuschung Trost bei Ihren Kindern suchen. Auch wenn Sie Ihre Kinder nicht bewusst an Ihrer Not teilhaben lassen, merken diese doch, dass es Ihnen nicht gut geht. In der Trennungszeit reagieren Kinder und Jugendliche besonders empfindlich auf die Gemütslage ihrer Eltern. Im Versuch, deren Not zu lindern, fühlen sie sich weniger hilflos, weil sie wenigstens etwas tun können. Stellt Ihr Kind nun fest, dass es Ihnen tatsächlich besser geht, wenn es sich um Sie kümmert, wird es sein Helferverhalten noch intensivieren. Dabei besteht die Gefahr einer „Parentifizierung“. So nennt man einen Rollenwechsel zwischen Eltern und Kindern, bei dem Kinder „pseudo-erwachsen“ Entscheidungen und Verantwortung für das Wohl der Eltern und der Familie übernehmen. Ein solches Verhalten gefährdet die alters­entsprechende Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen. Es ist nicht die Aufgabe des Kindes, für das Wohl seiner Eltern zu sorgen. Das Kind hat eigene und altersentsprechende Entwicklungsaufgaben, von denen es nicht abgehalten werden darf, zum Beispiel sich auf die Schule konzentrieren, mit Gleichaltrigen spielen, in der Freizeit seine eigenen Interessen entdecken. All diese Prozesse sind beeinträchtigt, wenn ein Kind sich gedanklich ständig mit dem Wohlbefinden der Eltern auseinandersetzen muss.