Triumvirat - Markus Schauer - E-Book

Triumvirat E-Book

Markus Schauer

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Beschreibung

ROM – 60 v.Chr. Auf dem Spielplan der Geschichte steht das Drama vom Untergang der römischen Republik. Die Protagonisten – Pompeius, der mächtigste Feldherr, Crassus, der reichste Mann Roms, und Iulius Caeser, der geniale Taktiker der Macht – haben mit ihrem Dreibund, dem Triumvirat, alle politischen Widersacher ausgeschaltet und sich Rom zur Beute gemacht. Zwar liegen am Ende die Totengräber der Republik in ihrem eigenen Blut, doch der römische Staat, so wie er im Laufe der Jahrhunderte zum Herrn der antiken Welt aufgestiegen war, ist nicht mehr zu retten. Wie es dazu kommen konnte, erzählt Markus Schauer in diesem spannenden Buch. Im Jahr 60 v. Chr. erhebt sich über Rom ein dreiköpfiges Ungeheuer und bringt den Staat in seine Gewalt. Damals beginnt die Geschichte eines Geheimbündnisses dreier Männer, die beschlossen haben, dass nichts im Staat geschehen solle, was einem von ihnen missfalle. Markus Schauer schlägt in seiner fesselnden Darstellung der dramatischen Vorgänge einen großen Bogen von den sozialen Unruhen in der Gesellschaft und den tiefsitzenden Spannungen in der Aristokratie während der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bis zu den blutigen Bürgerkriegen des 1. Jahrhunderts v. Chr. In dieser Zeit eröffnen sich mächtigen Einzelpersönlichkeiten ungeahnte Handlungsmöglichkeiten, die sie skrupellos nutzen und dabei all ihre Machtmittel einsetzen. Schließlich gelingt es Pompeius, Crassus und Caesar, alle politischen Gegenspieler auszumanövrieren und selbst das Zentrum römischer Herrschaft – den traditionsreichen römischen Senat – auszuschalten. Welche Motive sie bewegen,wie sie zueinanderfinden und sich Rom unterwerfen, wird in diesem Buch ebenso spannend wie informativ beschrieben. Und während man atemlos verfolgt, wie sich der Strudel der Ereignisse immer schneller dreht, der die Republik in den Abgrund reißen wird, fühlt man den Zeitpunkt kommen, an dem die neuen Herren einander nicht mehr ertragen werden und es am Schluss nur einen geben kann …

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Markus Schauer

TRIUMVIRAT

Der Kampf um das Imperium Romanum

Caesar · Crassus · Pompeius

C.H.Beck

Zum Buch

Im Jahr 60 v. Chr. erhebt sich über Rom ein dreiköpfiges Ungeheuer und bringt den Staat in seine Gewalt. Damals beginnt die Geschichte eines Geheimbündnisses dreier Männer, die beschlossen haben, dass nichts im Staat geschehen solle, was einem von ihnen missfalle.

Markus Schauer schlägt in seiner fesselnden Darstellung der dramatischen Vorgänge einen großen Bogen von den sozialen Unruhen in der Gesellschaft und den tiefsitzenden Spannungen in der Aristokratie während der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bis zu den blutigen Bürgerkriegen des 1. Jahrhunderts v. Chr. In dieser Zeit eröffnen sich mächtigen Einzelpersönlichkeiten ungeahnte Handlungsmöglichkeiten, die sie skrupellos nutzen und dabei all ihre Machtmittel einsetzen. Schließlich gelingt es Pompeius, Crassus und Caesar, alle politischen Gegenspieler auszumanövrieren und selbst das Zentrum römischer Herrschaft – den traditionsreichen römischen Senat – auszuschalten. Welche Motive sie bewegen, wie sie zueinanderfinden und sich Rom unterwerfen, wird in diesem Buch ebenso spannend wie informativ beschrieben. Und während man atemlos verfolgt, wie sich der Strudel der Ereignisse immer schneller dreht, der die Republik in den Abgrund reißen wird, fühlt man den Zeitpunkt kommen, an dem die neuen Herren einander nicht mehr ertragen werden und es am Schluss nur einen geben kann …

Über den Autor

Markus Schauer lehrt als Professor für Klassische Philologie mit Schwerpunkt Latinistik an der Universität Bamberg. Im Verlag C.H.Beck ist von ihm ferner lieferbar: Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk (22017).

Inhalt

Vorwort

Dreifacher Zorn

Crassus, der Finanzmagnat – Frühsommer, 60 v. Chr.

Pompeius, der Feldherr – Frühsommer, 60 v. Chr.

Caesar, der Politiker – Frühsommer, 60 v. Chr.

Auf dem ‹Spielfeld› der Geschichte

Die Spielfiguren: Darsteller oder Dargestellte?

Antike Geschichtsschreibung – zwischen Dichtung und Wahrheit

Männer machen Geschichte – das antike Geschichtsbild

Geschichte macht Männer – moderne Geschichtsbilder

Moderne Gesellschaftstheorie – Seiltanz der Eliten

Biographische Perspektiven – Zulässigkeit des Unzuverlässigen

Das Spielbrett in Bewegung – von der Res publica zum Imperium Romanum

Die Spielregeln im Wandel – Machtkämpfe zwischen Regelbruch und ungeschriebenem Gesetz

Die römische Republik zwischen Reform und Ruin – 133 bis 78 v. Chr.

Die Zerstörung des Konsenses: Tiberius und Gaius Gracchus

Die Eskalation der Eskalation: Marius und Sulla

Jugend im Bürgerkrieg – bis 78 v. Chr.

Crassus – 114–79 v. Chr.

Im Höhlenversteck

Rivalen

Reich durch Feuer und Krieg

Pompeius – 106–79 v. Chr.

Vom Ritter zum Imperator

Vom Imperator zum Triumphator

Von klein auf der Große

Caesar – 100–80 v. Chr.

Der verhinderte Jupiterpriester

Krank und auf der Flucht

Im Schatten des Großen – 78 bis 60 v. Chr.

Pompeius – 78–72 v. Chr.

Ein Meuchelmord mit Folgen

Der doppelte Prokonsul

Pompeius und Crassus – 73–70 v. Chr.

Der geraubte Ruhm

Das Konsulat der Konkurrenten

Caesar – 80–70 v. Chr.

Im bithynischen Bordell

In der Hand der Piraten

Pompeius – 69–61 v. Chr.

Der Herr der Meere

Ein zweiter Achill

Herr des Ostens

Auf den Spuren Alexanders des Großen

Der imperiale Baumeister

Ruhmvolle Rückkehr

«Bedenke, dass du ein Mensch bist …»

Crassus – 69–61 v. Chr.

Caesar – 69–61 v. Chr.

Die Auferstehung des Marius

Alles auf eine Karte

Ein Kopf für einen starken Körper

Im Schweinestall des Romulus

Pompeius, Caesar und Crassus – 61–60 v. Chr.

Gegenwind

Das dreiköpfige Ungeheuer – 60 bis 52 v. Chr.

Caesar – 59–52 v. Chr.

Unter dem Konsulat des Iulius und des Caesar

Der Tauschhandel – Provinzen gegen Frauen

Von der Kunst, Kriegsgründe zu erfinden

Pompeius, Caesar und Crassus – 56–55 v. Chr.

Eine Verschwörung zur Vernichtung des Staates

Pompeius und Caesar – 54 v. Chr.

Tod einer Frau und die Folgen

Crassus – 54–53 v. Chr.

Tod in der Wüste

Zweikampf der Giganten – 52 bis 46 v. Chr.

Pompeius und Caesar – 49 v. Chr.

Ciceros Kampf um Frieden

Caesar – Anfang 49 v. Chr.

Der Würfel soll geworfen sein

Caesar und Pompeius – 49–48 v. Chr.

Schwiegervater gegen Schwiegersohn

Pompeius – 48 v. Chr.

Tod auf dem Nachen

Caesar – 48–46 v. Chr.

Letzte Kämpfe

Resümee

Anhang

Anmerkungen

Chronologie der Eskalation (52 bis 11. Januar 49 v. Chr.)

52 v. Chr.

Anfang 51 v. Chr.

29. September 51 v. Chr.

Dezember 51 v. Chr.

1. März 50 v. Chr.

Juni 50 v. Chr.

1. Dezember 50 v. Chr.

4. Dezember 50 v. Chr.

1. Januar 49 v. Chr.

4. Januar 49 v. Chr.

7. Januar 49 v. Chr.

Die Nacht vom 10. auf den 11. Januar v. Chr.

Glossar

Literaturverzeichnis

Allgemeines

Zu Caesar

Zu Pompeius

Zu Crassus

Zu Cicero

Deutsche Textausgaben antiker Quellenautoren

Namenregister

Stellenindex

Zeittafel

Zeitangabe v. Chr.

Abbildungsnachweis

Vignetten

Abbildungen

Karten

Für Tom und Erika

Geschichte ist ein Besitz für immer.

Thukydides

Vorwort

Der Schauplatz unserer Geschichte – Rom und das Imperium Romanum im ersten Jahrhundert vor unserer Zeit – liegt beruhigend weit zurück, und doch weisen die Ereignisse, die damals stattfanden, beunruhigend viele Parallelen zu den Entwicklungen der Gegenwart auf: Mächtige Männer kämpfen um mehr Macht und gegen den Rest der Welt, und danach ist die Welt eine andere! – Wiederholt sich Geschichte?

Der griechische Geschichtsschreiber Thukydides ist davon überzeugt. Denn nach seiner Auffassung bleibt die menschliche Natur immer die gleiche, und Geschichte wird für ihn damit «ein Besitz für immer». Folgt man Thukydides, so werden Machthaber und Welterschütterer wie Caesar und Co. nicht aussterben. Was in einer modernen globalisierten Welt wie ein überholt geglaubter Archaismus erscheint, wäre demnach eine anthropologische Konstante, die so lange fortwirkt, wie es Menschen gibt; in der Antike hätte man ein wenig anders formuliert: Mächtige Männer gestalten eben die Geschichte. – Doch liegt es wirklich in der Hand einzelner historischer Persönlichkeiten, Geschichte zu machen, oder werden diese nicht vielmehr von der Geschichte erst hervorgebracht und geprägt? – Nicht zuletzt um Fragen dieser Art wird es in dem vorliegenden Buch gehen; und die Mechanismen der Macht, so wird sich zeigen, waren damals wie heute vielschichtig und steckten voller Überraschungen.

Es war Dr. Stefan von der Lahr, Lektor im Verlag C.H.Beck, der mit der Idee an mich herantrat, an einem berühmten Beispiel diesen Mechanismen der Macht nachzuspüren. Wie kam es dazu, dass Caesar, Pompeius und Crassus in der Form des sogenannten Ersten Triumvirats ein Machtkartell schaffen konnten, mit dem sie die Ordnung des Staates aufhoben und eine Entwicklung in Gang setzten, die zum Untergang der römischen Republik und zur Entstehung des römischen Kaisertums führte?

Die Buch-Idee stellte sich rasch auch als große Herausforderung dar: Ich hatte drei politische Karrieren zu erzählen, und das vor dem Hintergrund ihrer Zeitgeschichte. War mir doch wichtig, nicht nur die Biographien der drei Männer nachzuzeichnen, die sich in fataler Weise überschnitten, sondern auch deutlich zu machen, dass Caesar, Pompeius und Crassus ganz und gar Geschöpfe ihrer Zeit waren. Hinzu kam, dass die eigentliche Erklärung dafür, dass die Triumvirn übermächtig wurden, in Vorgängen lag, die eine Generation zuvor stattfanden. So wird in diesem Buch römische Geschichte gleich aus vier Blickwinkeln betrachtet: aus der biographischen Perspektive des jeweiligen Triumvirn und zudem aus der Vogelperspektive des Historikers. Die Aufgabe reizte mich, und ich versuchte mich an der Quadratur des Kreises.

Diese Multiperspektivität entfaltet sich auch im Aufbau des Buches:

Das erste Großkapitel führt sogleich mitten in die Geschehnisse des Jahres 60 v. Chr. – das Schicksalsjahr der römischen Republik, in dem Caesar das Triumvirat aus der Taufe hebt. In diesem Zusammenhang werden die Triumvirn vorgestellt: ihre Beweggründe, Gedanken und Sorgen, die sie um- und antreiben. Schnell werden ihre unterschiedlichen Sichtweisen, aber auch ihre gemeinsamen Interessen deutlich – und zugleich auch, wie verzweigt und voraussetzungsreich ihre Welt ist. Es sollte mich freuen, wenn der Leser oder die Leserin am Ende der Lektüre nochmals zu diesem Kapitel zurückkehrt, um beim zweiten Lesen festzustellen, dass ihm oder ihr nun die Gedankenwelt der Triumvirn nicht nur verständlicher, sondern vielleicht sogar vertraut geworden ist.

Das zweite Großkapitel ist Fragen der Geschichtstheorie gewidmet und richtet sich – möglicherweise – eher an jene, die sich professionell mit Geschichte auseinandersetzen. Doch wollte ich auch interessierten Laien nicht vorenthalten, was die moderne Forschung bewegt, und habe versucht, auf den betreffenden Seiten einen Überblick über die Vielzahl theoretischer Ansätze für mein Thema zu bieten. Freilich konnte und wollte ich in diesem Buch nicht durchgängig die sperrige Terminologie verwenden, welche moderne Geschichtstheorien bereithalten. Vielleicht ist es mir in diesem Kapitel aber gelungen, meine Leserinnen und Leser so auszustatten, dass sie die hier dargestellte Geschichte, wenn sie mögen, auch mit den Augen des Theoretikers lesen können. Sie müssen es aber nicht und dürfen dieses Kapitel auch gern überspringen.

Im dritten Großkapitel wird die Vorgeschichte erzählt, also die Zeit der Elterngeneration der Triumvirn, in der die eigentlichen Rahmenbedingungen für den steilen Aufstieg der drei Machthaber geschaffen wurden. Der Einfluss der Gracchen und Sullas auf die Umstände, unter denen Caesar, Pompeius und Crassus ihre Karrieren durchliefen, kann kaum überschätzt werden. Daher wird in dieser Darstellung der Vorgeschichte, ohne die man die Triumvirn nicht verstünde, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Großkapitel vier bis sieben beschreiben die entscheidenden Stationen im Leben der Triumvirn. In ihnen wird zunächst ein Überblick über den zu behandelten Zeitabschnitt gegeben, dann wird dieser Zeitraum jeweils aus der Perspektive der einzelnen Triumvirn dargestellt. In diesen Abschnitten zeigen Vignetten mit den Konterfeis der Triumvirn, welcher der drei Männer gerade im Fokus steht. Den Abschluss des Buches widme ich der Frage, ob Caesar trotz seiner Siege letztlich gescheitert ist.

Das Glossar der Fachbegriffe, das sich am Ende des Buches findet, soll Laien und Kennern gleichermaßen bei der Lektüre helfen und die Darstellung selbst von allzu vielen Erklärungen entlasten.

Es war mir ein besonderes Anliegen, auch und gerade antike Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Die antiken Autoren standen dem Diskurs der Zeit der Triumvirn näher, und ihre klugen Gedanken und scharfen Analysen sind es wert, im wörtlichen (übersetzten) Zitat zu Gehör gebracht zu werden. Ihrer Bedeutung trägt auch das Layout der Quellentexte in geeigneter Weise Rechnung.

Natürlich war es unmöglich, die gesamte wissenschaftliche Literatur zu diesem großen Thema explizit einzuarbeiten. Implizit hat allerdings durchaus mehr an Forschung in das Buch Eingang gefunden, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die wichtigsten Quellen sind im Anhang – auch aufgeschlüsselt nach Großkapiteln – bereitgestellt.

An dieser Stelle ist es mir ein großes Bedürfnis, jenen zu danken, die mir mit großer Geduld und unermüdlichem Engagement geholfen haben, dieses Buch zu schreiben. Mein erster Dank geht an Herrn Dr. von der Lahr für die Idee zu diesem Buch und für seine gründliche Lektüre. Für ihre Geduld möchte ich mich auch bei Andrea Morgan (Lektorat) und Christa Schauer (Herstellung) bedanken. Zu größtem Dank bin ich darüber hinaus meinem Bamberger Kollegen Herrn Prof. Dr. Hartwin Brandt verpflichtet, der das Manuskript gelesen und mich vor manchem Irrtum bewahrt hat. Nicht weniger dankbar bin ich den Mitgliedern meines Lehrstuhlteams, die das Manuskript durchgesehen und Korrektur gelesen haben: Meinen beiden Assistentinnen Annette Hillgruber und Sarah Weichlein, meinen studentischen Mitarbeitern Dominik Herrmann, Leon Oberst und Georg Stumpf. Annette Hillgruber hat zudem die Supervision des umfangreichen Anhangs übernommen. Dank schulde ich ferner Frau Dr. Caroline Kreutzer, die das Glossar geprüft hat. Schließlich danke ich vielmals Frau Dr. Silke Anzinger, deren kritische Lektüre als Latein-Lektorin (eines anderen Verlags) dem Buch sehr gut getan hat.

Mag dieses Buch nicht nur dazu beitragen, die Machtkämpfe in Rom besser zu verstehen, sondern auch ganz allgemein zum Nachdenken über das Wesen von Macht anregen: Woher kommt sie, was macht sie aus, und warum lassen wir ihren Missbrauch zu?

Schloß Eurasburg, im Frühsommer 2023 Markus Schauer

Vom Zorn singe, Muse …

Homer, Ilias

Dreifacher Zorn

Drei mächtige Männer von höchstem Stand machen gemeinsame Sache, verbinden ihre Interessen und bringen den ganzen Staat ins Wanken. Und da der Staat groß ist und sich sein Einflussbereich über drei Erdteile erstreckt, steht die gesamte Weltordnung auf dem Spiel.

So geschehen vor über 2000 Jahren in Rom, als sich im Jahre 60 v. Chr. Caesar, Pompeius und Crassus zum sogenannten ersten Triumvirat (was man mit Dreimännerbund übersetzen mag) zusammentaten, «damit nichts im Staat geschehen könne, was einem von ihnen dreien nicht gefiele» (Suet. Iul. 19). Die Folgen dieses Bündnisses waren weitreichend: Sie führten zu großen Bürgerkriegen, etwa 30 Jahre später zum Untergang der freien römischen Republik, wie sie fast ein halbes Jahrtausend bestanden hatte, und schließlich zum Aufstieg des römischen Kaisertums.

Drei Männer gegen den Rest der Welt und danach ist nichts mehr so, wie es war? – Was es damit auf sich hat und warum eine Antwort auf diese Frage gar nicht so einfach ist, davon handelt dieses Buch.

Der Kampf um die Macht, den Roms führende Männer untereinander ausfochten, wurde zugleich zur Geburtsstunde des Imperium Romanum. So könnte man den Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius oder des Folge-Bürgerkrieges zwischen Octavian und Antonius an den Anfang des römischen Kaisertums stellen. Doch das griffe zu kurz. Das ganze letzte Jahrhundert der römischen Republik war ein Jahrhundert der Bürgerkriege. Denn schon länger kämpften viele Männer um viel Macht – die Gracchen, Sulla, Marius, Sertorius, Catilina, um nur einige von ihnen zu nennen. Solange die Republik funktionierte, waren es viele, die um ihre Vorrangstellung im Staat kämpften, und es gab auch viele Sieger: Ihr Preis war das Konsulat für ein Jahr. Je kleiner aber die Zahl derer wurde, die um die Macht kämpften, desto größer wurde der Machtzuwachs der Sieger, bis schließlich vor allem drei Männer übrigblieben, die über die Ressourcen verfügten, um sich an die Spitze Roms zu stellen: Crassus, Pompeius und Caesar. Crassus hatte Geld, Pompeius Soldaten und Caesar Ideen und den Mut, sie umzusetzen, und alle drei erfreuten sich größter Beliebtheit beim römischen Volk. Sie betrieben – Caesar und Crassus immer, Pompeius manchmal – eine populare Politik, das heißt, dass sie sich nicht scheuten, ihre politischen Vorstellungen über die Volksversammlung durchzusetzen, wenn sie im Senat scheiterten.

Die sogenannten Popularen, zu denen auch Gestalten gehörten wie Catilina, der 63 v. Chr. eine Verschwörung gegen den Staat anzettelte, und Clodius, der ein notorischer Unruhestifter war und als Volkstribun 58 v. Chr. Cicero in die Verbannung trieb, brachten seit einigen Jahrzehnten neue Dynamik ins politische Geschehen. Die populare Vorgehensweise, den Senat zu übergehen und ihn über die Volksversammlung auszuhebeln, führte zu einem fatalen Dualismus: Der Senat war nicht mehr alleiniger Mittel- und Ausgangspunkt der staatlichen Macht, sondern hatte mit der Volksversammlung als zweitem Machtzentrum Konkurrenz bekommen. Das missfiel konservativeren Politikern, den sogenannten Optimaten, die den Senat als primäre Instanz der politischen Willensbildung verteidigten. Männer wie Cicero, der als Konsul des Jahres 63 v. Chr. die Catilinarische Verschwörung niederschlug, der ehrwürdige Catulus, der mit dem Wiederaufbau des Jupitertempels beauftragt war, oder Cato der Jüngere, der als Urenkel des alten Cato jeder Neuerung ablehnend gegenüberstand, bekämpften die populare Politik, wo sie nur konnten. Dabei unterschieden sich die Popularen von den Optimaten vor allem formal dadurch, in welchem Gremium sie ihre Politik durchsetzten – also entweder im Senat oder aber in der Volksversammlung. Doch es gab auch inhaltliche Unterschiede: Die Popularen brachten volksfreundliche Gesetze ein, die Optimaten hielten dagegen und versuchten Senat und Nobilität zu stärken. Man kann sagen, dass der strukturelle Antagonismus zwischen Optimaten und Popularen erheblich dazu beitrug, dass die römische Republik zerbrach und anschließend in die Form der kaiserlichen Monarchie überging. Dass dieser Konflikt in der ausgehenden Republik so eskalierte, daran haben die sogenannten Triumvirn Caesar, Pompeius und Crassus gleichermaßen Anteil, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein konnten.

Pompeius, dem seine militärischen Erfolge schon in früher Jugend den stolzen Beinamen Magnus, der Große, eintrugen, und Crassus, der reichste Mann in Rom, erreichten zwar 70 v. Chr. gemeinsam das Konsulat, zerstritten sich aber während ihrer Amtsführung – die genauen Gründe liegen im Dunkeln – und waren einander fortan feindlich gesinnt. Caesar, der taktisch kluge Politiker und hochtalentierte Redner, hatte sich, um das Volk zu beeindrucken, während seiner Ämterlaufbahn besonders hoch verschuldet und strebte nun nach dem Konsulat. So war die Lage, als die drei 60 v. Chr. in Rom wieder aufeinandertrafen: Im Jahr zuvor waren Pompeius aus Asien, Crassus aus Griechenland zurückgekehrt und Caesar soeben aus Spanien. Obwohl es keine besondere Verbindung zwischen ihnen gab und niemand sie als Trio wahrgenommen hätte, schlossen sie dennoch eine folgenschwere Vereinbarung, die den ganzen Staat erschüttern und das Ende der römischen Republik heraufbeschwören sollte. Caesar gelang es mit seinem sicheren Instinkt für das politisch Mögliche, die Rivalen Pompeius und Crassus zu versöhnen und sie zu einem Bündnis unter seiner Ägide zu gewinnen: das sogenannte erste Triumvirat. Man versicherte einander mit feierlichen Eiden politische Treue.

Dieser Dreibund war ein informeller Pakt und blieb zunächst geheim; man könnte ihn gut und gern eine Verschwörung nennen. Sein Bestehen drang erst im Laufe des nächsten Jahres nach und nach an die Öffentlichkeit, in der Politik war man auf das Höchste alarmiert: Cato, Mittelpunkt der Optimaten, fürchtete um die Macht des Senats, der den Optimaten nahestehende Cicero um das Bestehen der Republik und seine eigene Existenz, und beide sollten Recht behalten.

Wie kam es zu dieser politischen Konstellation, die den Senat machtlos und die Optimaten ratlos zurückließ? Was trieb die Triumvirn zu ihrem Zusammenschluss? Was war im schicksalsträchtigen Jahr 60 v. Chr. in den innersten Machtzirkeln der römischen Politik geschehen? – Ein Blick auf die politischen Wirren, die in Rom herrschten, und auf die persönlichen Verwicklungen, in denen sich die drei damals befanden, kann erste Hinweise geben. Was mag damals in den Köpfen der Triumvirn vorgegangen sein? Wir wollen ihnen ein wenig beim Nachdenken zuhören …

Crassus, der Finanzmagnat

Frühsommer, 60 v. Chr.

Marcus Licinius Crassus, Konsular, Anhänger der Popularen und der reichste Mann Roms, war übel gelaunt: Wieder einmal hatte ihm Cato einen Strich durch die Rechnung gemacht – ausgerechnet Cato, der Optimat und Wortführer der Senatspartei. Es ging um einen Nachlass für die Steuerpächter der Provinz Asia, die sich verspekuliert hatten und nicht auf ihre übliche Rendite kamen. Die Rendite der Steuerpächter interessierte einen Mann wie Cato natürlich nicht, und zwar aus Prinzip nicht. Doch selbst Cicero – obwohl auch er ein Anhänger der Senatspartei – hatte sich für die Steuerpächter ausgesprochen. Aber wenn der starrsinnige Cato sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es durch – koste es, was es wolle. Der Senat war Cato gefolgt, und nun stand er, Crassus, düpiert da und konnte als Patron der reichen Ritter, zu denen auch die Steuerpächter gehörten, für diese seine so wichtige Klientelgruppe in dieser Sache nichts mehr tun.

Aber auch auf Cicero war Crassus alles andere als gut zu sprechen. Unvergessen blieb die peinliche Situation, in die ihn Cicero in einer Senatssitzung vor drei Jahren gebracht hatte. Es wurde gerade die vereitelte Verschwörung verhandelt, die Catilina gegen den Staat angezettelt hatte, als Cicero einen gewissen Tarquinius als Zeugen auftreten ließ. Dieser behauptete dann vor dem versammelten Senat, dass Crassus ihn mit der Aufforderung zu Catilina gesandt hätte, seine Fluchtpläne aufzugeben und bewaffnet gegen Rom zu marschieren. Als ob er, Crassus, Interesse an einem derartigen Umsturz gehabt hätte. Gewiss, er hatte Catilina bei der Bewerbung um das Konsulat mit viel Geld unterstützt, aber Catilina fiel durch, weil die Senatspartei alles getan hatte, um mit Cicero einen Garanten der optimatischen Politik ins Konsulat zu hieven – Cicero, einen Emporkömmling, einen homo novus, dessen Familie nicht einmal der Nobilität angehörte! Damit war auch klar, dass aus den Ackergesetzen, die Crassus mit Caesar plante, nichts werden würde und populare Politik unter einem Konsul Cicero keine Chance im Senat hatte.

Doch mit dem gescheiterten Bewerber und Putschisten Catilina wollte Crassus nichts mehr zu schaffen haben und hatte sich im Senat auf das Schärfste gegen den Vorwurf verwahrt, an dessen Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. Hatte er nicht im Gegenteil zu deren Aufdeckung maßgeblich beigetragen? Er war sich sicher, dass Cicero mit Absicht Tarquinius zu dieser verleumderischen Aussage angestiftet hatte, um ihn in Verlegenheit zu bringen. Immerhin schenkte man Tarquinius keinen Glauben, aber gemunkelt wurde dann doch darüber, ob er und auch Caesar nicht doch mehr mit Catilina in Verbindung standen, als sie zugeben wollten.

Natürlich hatten er und Caesar versucht, die verkrustete Politik der Optimaten im Senat aufzubrechen und mit popularen Aktionen frischen Wind in den Staat zu tragen. Der Senat blockierte alle Reformen, so dass neue Politik nur über die Volksversammlung zu machen war. Freilich brauchte man dafür erstens eine gute Machtposition und zweitens hartgesottene Politiker vom Schlage eines Catilina oder auch Clodius, eben Männer für das Grobe, die notfalls auch Wege jenseits der Gesetze beschreiten würden. Und konnte man überhaupt von einem Staatsstreich reden, wenn man das römische Volk hinter sich wusste?

Wütend dachte Crassus an die vielen Fehlschläge, die er in den letzten Jahren im Senat trotz seiner massiven Bestechungsversuche hatte hinnehmen müssen. Wenn nicht der eiserne Cato ihm das Leben schwermachte, dann der alte Catulus. Vor fünf Jahren war dieser Erzoptimat sogar sein Kollege im Zensorenamt. Und was hatte er als solcher getan? Nichts weniger, als dass er den ehrgeizigen Plan der Popularen vereitelte, Ägypten zur römischen Provinz zu erheben. Es wäre eine einmalige Chance gewesen, denn am ägyptischen Königshof herrschte eine Krise, die er und andere Popularen hatten nutzen wollen, um Rom neue Ressourcen zu verschaffen, vor allem aber um ihre Klientelgruppen zu versorgen. Aber nein, Catulus musste alles verderben. Und auch das ging auf das Konto des lieben Amtskollegen, dass sein, Crassus’, Antrag, den Bürgern in Oberitalien das römische Bürgerrecht zu verleihen, vom Senat in Bausch und Bogen verworfen wurde. Die Sippschaft der Optimaten kannte offenbar nur eine Angst: dass die Popularen ihre Macht durch volksfreundliche Politik noch mehr ausbauen könnten. Deshalb blockierten sie, so sehr sie nur konnten, einen Antrag nach dem anderen, der aus ihren Reihen kam – ganz egal, ob sinnvoll oder nicht. Und er, Crassus, war ihnen mit seinem riesigen Vermögen besonders verdächtig. Derweil war er für den Staat schon so oft in die Bresche gesprungen, hatte auch militärische Siege errungen und sich in vielfältiger Hinsicht um das römische Volk verdient gemacht. Aber Ansehen und Ruhm flogen einem anderen zu: Pompeius, dem Großen, wie man ihn nannte, Pompeius Magnus, als wäre er ein zweiter Alexander der Große!

Crassus’ Miene wurde noch finsterer, wenn er an seinen politischen Weggenossen dachte, dem alles gelang, dem alles in den Schoß fiel und der ein Meister darin war, Erfolge anderer für sich zu verbuchen. Davon konnte auch er selbst ein Lied singen. War nicht er, Crassus, es gewesen, der den Sklavenaufstand unter Spartacus niedergeschlagen hatte? Zwei Jahre war das Sklavenheer plündernd durch Italien gezogen, bis er es in einer letzten Schlacht, in der Spartacus den Tod fand, vernichtend geschlagen hatte. – Nur weil Pompeius das Glück hatte, dass ihm später noch ein versprengter Haufen, der flüchten konnte, in die Arme lief und er diesem kleinen Rest den Garaus machen konnte, beanspruchte er den Gesamtsieg für sich! Er erinnerte sich wortwörtlich daran, was Pompeius damals dem Senat schrieb: Crassus habe die Sklaven in der Schlacht besiegt, er aber den Krieg «mit der Wurzel ausgerissen». Auf so eine Formulierung musste man erst einmal kommen! Missmutig dachte Crassus an den glänzenden Triumph, den sein Widersacher bald darauf für seine Siege in Spanien feierte, während er nur mit einem kleineren Triumph abgespeist wurde, dem «Triumph zu Fuß», wie die Leute spöttisch sagen. Ja, er wurde danach auch Konsul, aber als ob ihm die Götter nichts ersparen wollten, blieb ihm keine andere Wahl, als ausgerechnet mit Pompeius als Kollegen das Konsulat anzutreten. Wieder stand er im Schatten dieses Lieblings der Massen, und obwohl die populare Wende, die sie mit ihrer Politik in diesem Amtsjahr eingeleitet hatten, ihr gemeinsames Werk war, wurde allein Pompeius die Wiederherstellung des Volkstribunats zugeschrieben. Das ganze Konsulat hindurch stahl ihm dieser Hansdampf in allen Gassen die Show und leitete alles Wasser nur auf seine Mühlen. Auch die folgenden Jahre blieb es so: Ob es um das Sonderkommando gegen die Seeräuber oder um das gegen Mithridates, den König von Pontos, ging – immer bekam Pompeius, dieser berufsmäßige Retter des Staates, als den man ihn offenbar betrachtete, den Zuschlag, vergrößerte sein Ansehen und baute seine Macht aus, während er, Crassus, trotz seiner vielen Verbindungen und seines großen Vermögens das Nachsehen hatte. Und nun, im September des letzten Jahres, zog Pompeius zum dritten Mal im Triumph durch Rom – auch Mithridates hatte er besiegt. Crassus seufzte, als er an den nicht enden wollenden Triumphzug dachte, in dem, wie es schien, alle Schätze des gesamten Orients mitgeführt wurden.

So konnte es nicht weitergehen.

Immerhin sahen das auch andere Senatoren so, vielleicht auch Caesar, vor allem aber Vertreter der Optimaten. Manchmal konnte Cato auch nützlich sein. Mit grimmiger Genugtuung erinnerte sich Crassus, wie Cato und die Optimaten seit einigen Monaten Pompeius auflaufen ließen und seine politischen Forderungen abschmetterten. Pompeius Magnus war eben zu groß geworden, und nun begann man ihn zu fürchten. Das war eine neue Entwicklung, zu der vielleicht auch er, Crassus, mit seiner demonstrativen Reise nach Griechenland vor zwei Jahren beigetragen hatte. Er, so hatte er verbreiten lassen, fühle sich in Rom nicht mehr sicher, wenn Pompeius mit seinen Legionen aus Asien zurückkehren werde. Dieser hatte zwar nach seiner Rückkehr seine Legionen, wie es üblich war, unverzüglich entlassen, aber die Stimmung im Senat blieb verhalten und Pompeius musste um seine Anerkennung kämpfen – zum ersten Mal in seinem politischen Leben.

Viel änderte dieser erfreuliche Gedanke aber nicht an der schlechten Laune des Crassus. Bei all seinem Einsatz für den Staat und all seinem Geld, das seinen Beinamen Dives, der Reiche, mehr als rechtfertigte und mit dem er unzählige Karrieren – auch die Caesars – schon finanziert hatte, war er ein Mann der zweiten Reihe geblieben. Der erste Mann im Staat war leider immer noch Pompeius – zumindest vorläufig.

Und so blieb der reichste Mann Roms bis auf Weiteres übelgelaunt.

Pompeius, der Feldherr

Frühsommer, 60 v. Chr.

Gnaeus Pompeius Magnus, Konsular, politisch über den Parteien stehend und zu dieser Zeit der größte Feldherr Roms, war außer sich: Wider alle Billigkeit und auch gegen jede Vernunft hatte der Senat seinen Antrag für das neue Ackergesetz abgelehnt. Es hatte sogar deswegen einen Eklat gegeben, der darin gipfelte, dass der amtierende Konsul Metellus Celer lieber zeitweilig ins Gefängnis ging als dem Antrag zuzustimmen. Diese Ablehnung war ein ungeheurer Affront gegen ihn. Und gegen seine Soldaten. Mit dem Ackergesetz sollten seine Veteranen mit Land versorgt werden. Immerhin hatten sie gerade Mithridates, den König von Pontos, besiegt und so für Rom einen halben Erdteil erobert. Von der Krim bis zum Roten Meer waren nun alle Völker, Königreiche und Fürstentümer Rom untertan!

Dabei war sein Ackergesetz tadellos: Alle Ländereien sollten ganz legal nach den aktuellen Preisen vom römischen Staat aufgekauft werden, und zwar mit den Steuereinnahmen der neuen Provinzen. Gleichzeitig sollten alle Besitzrechte gewahrt bleiben. Auch Cicero, der es sich auf keinen Fall mit den Optimaten verscherzen wollte, war dafür gewesen. Aber nein, die Mehrheit der Optimaten befürchtete hinter dem Ackergesetz offenbar eine populare Aktion, vielleicht auch deswegen, weil außer den Veteranen auch die Besitzlosen der römischen Plebs mit Bauernhöfen ausgestattet werden sollten. Aber wozu waren die Steuereinnahmen denn gut, wenn damit nicht Soldaten, wie sie es wahrlich verdient hatten, versorgt und die Not römischer Bürger gelindert werden sollten? Er spürte, dass die Abfuhr allein seiner Person galt, und es war bitter, dass der Senat, dem er sich immer verpflichtet gefühlt hatte, gerade ihn dermaßen vor seinen Soldaten und dem römischen Volk demütigte.

Aber die Ablehnung des Ackergesetzes war nicht die einzige Kränkung, die ihm die optimatische Mehrheit des Senats angetan hatte. Sie wollte auch die von ihm geschaffene Neuordnung des Ostens nicht anerkennen, die er nach seinen Siegen über Mithridates und andere Fürsten vor Ort in zähen Beratungen und mit zahllosen Erlassen geschaffen hatte. Dass Lucullus für diese Blockade im Senat den Anstoß gab, wunderte ihn nicht. Lucullus war sein Feind, seit er den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates an ihn, Pompeius, hatte abgeben müssen. Aber hatte der Senat damals nicht richtig gehandelt, als er ihm, dem bewährten Feldherrn in schwierigen Lagen, diesen wichtigen Krieg überantwortete? Auch Cicero war für ihn eingetreten und hatte mit einer großen Rede dafür gesorgt, dass er den Oberbefehl erhielt. Und bewiesen nicht seine glänzenden Siege, mit denen er nicht nur das Reich des Mithridates der römischen Herrschaft unterwarf, sondern praktisch ganz Asien ein neues Gesicht gab, dass er, Pompeius Magnus, zu Recht zum Oberbefehlshaber für diesen Krieg ernannt worden war? Nun aber rächte sich dieser Lucullus auf kleinliche Weise: Er hatte beantragt, dass jede Anordnung, die er vor seiner schmachvollen Abberufung in Asien getroffen hatte und die später von ihm, Pompeius, im Zuge der Neuordnung des gesamten Ostens aufgehoben wurde, nochmals einzeln im Senat verhandelt werden müsse. Das konnte eine Ewigkeit dauern und gefährdete den großen Wurf seiner Ostpolitik. Ihm, Pompeius, war es gelungen, die neuen Provinzgrenzen so zu ziehen, dass sie die meisten unterworfenen Fürsten und Vasallen einigermaßen akzeptierten und ihm sogar dafür dankbar waren. Die größte Kunst eines Feldherrn besteht eben nicht im Siegen, sondern im Friedenschließen, und zwar mit den Besiegten und nicht gegen sie. Das wusste Pompeius, und er wusste auch um das kostbare politische Kapital, das ein mit den Lokalfürsten abgestimmter Friedensschluss für ihn einbrachte: Könige als dankbare Klienten, für die er Garant ihrer regionalen Machtstellung war! Und nun kam dieser gescheiterte Lucullus aus der Versenkung und machte ihm diesen Erfolg streitig.

Mit ihm allein würde er, Pompeius, aber leicht fertig werden. Doch leider gab es andere namhafte Optimaten, die er in ihrer Eitelkeit verletzt hatte und die sich deswegen oder nur aus Neid dem Antrag des Lucullus anschlossen. Allen voran Crassus, der ewige Neider, der ihm nichts gönnte und ihm, wo es nur ging, das Leben schwermachte. So hatte er mit allen Mitteln zu verhindern versucht, dass Afranius, ehemaliger Offizier und Anhänger des Pompeius, zum Konsul gewählt würde. Und natürlich hatte er auch in Metellus Creticus einen Widersacher. Dieser hatte auf Kreta lange gegen die Seeräuber gekämpft, die aber erst, als er ihm zu Hilfe eilte, bezwungen werden konnten. Danach überschüttete Creticus ihn, seinen Helfer in höchster Not, mit Vorwürfen, dass er den Siegesruhm für sich beanspruchte. Aber der Ruhm gebührt eben nicht dem, der Krieg führt, sondern dem, der siegt, und das war eben wieder einmal er, Pompeius.

Dass auch der amtierende Konsul Metellus Celer für Lucullus gestimmt hatte, hatte private Gründe. Eigentlich war Celer sein Mann und hatte ihm als Legat im Krieg gegen Mithridates gedient. Er war auch der Halbbruder seiner langjährigen Frau Mucia, jetzt Ex-Frau. Denn als ihr ein Verhältnis mit Caesar nachgesagt wurde, musste sich er, Pompeius, natürlich von ihr trennen – ein Verhältnis ausgerechnet mit diesem aufstrebenden und mit allen Wassern gewaschenen Politiker, der schon oft als der hellste Kopf der Popularen von sich reden gemacht hatte! Doch Celer hatte ihm die Trennung von Mucia arg verübelt und versucht, ihn mit seinem inszenierten Auftritt im Gefängnis vor dem Volk lächerlich zu machen.

Die politische Landschaft in Rom schien sich während seiner Abwesenheit verändert zu haben, und das nicht zu seinen Gunsten. Er war den Optimaten suspekt geworden, allen voran Cato.

Diese Entwicklung hatte sich schon länger angebahnt. Er konnte sich gut daran erinnern, wie ihm vor zwei Jahren sein Gefolgsmann Metellus Nepos ganz aufgebracht eröffnet hatte, dass im Senat eine Verschwörung gegen ihn im Gange sei. Nepos hatte sich damals zum Volkstribun wählen lassen, um in dieser starken Funktion die Interessen des Pompeius, der sich damals gerade auf seiner Rückreise aus Asien befunden hatte, im Senat durchzusetzen. Doch sofort hatte sich auch Cato zum Volkstribun wählen lassen, um so gegen seinen Amtskollegen Nepos Einspruch einlegen zu können. Genau das tat er auch, als Nepos – wie vereinbart – Anträge stellte: Pompeius sollte sogleich nach seiner Rückkehr zum Konsul gewählt werden können. Außerdem solle er ein Militärkommando gegen Catilina erhalten – der unberechenbare Putschist war noch nicht ganz geschlagen und stand in jenen Tagen mit einer Armee vor den Toren Roms. Der Senat folgte aber nach einer misslungenen Abstimmung der Meinung Catos, lehnte die Anträge ab und verbot Nepos die weitere Amtsführung. Cato war einfach nicht beizukommen. Gerade um ihn, der die Optimaten gegen ihn aufhetzte, hatte er sich immer wieder bemüht, ja er hatte ihm sogar angeboten, nach dem Ende seiner Ehe mit Mucia in Catos Familie einzuheiraten. Doch dieses Ansinnen hatte Cato höhnisch ausgeschlagen.

Pompeius schüttelte den Kopf. Offenbar fürchteten die Optimaten um Cato immer noch, dass er nach seinem siegreichen Asienfeldzug zu mächtig werden, dass er gar mit seinen Legionen wie einst Sulla gegen Rom ziehen und die Alleinherrschaft übernehmen könnte. Dabei hatte er doch alles getan, um dieser Sorge den Boden zu entziehen. Hatte er nicht dem Senat schon vor seiner Rückkehr aus dem Osten einen langen Brief geschrieben, in dem er seinem innigen Wunsch nach politischem Frieden in Rom Ausdruck verlieh? Hatte Cicero ihm damals nicht geantwortet, dass sein Brief im Senat mit großer Erleichterung und Freude aufgenommen wurde? Und hatte er seinen Worten nicht Taten folgen lassen und sogleich bei seiner Ankunft in Italien seine Armee entlassen? Seit er in Rom war, signalisierte er doch nach allen Seiten, dass er nichts anderes wünsche, als was recht und billig war: die Versorgung seiner Veteranen, die Ratifizierung seiner Neuordnung im Osten und – nach dem großen Sieg über Mithridates – seinen dritten Triumph. Letzterer wurde ihm zumindest gewährt – zu groß waren seine Erfolge im Osten und seine Beliebtheit beim Volk.

Beim Gedanken an seinen Triumph hellte sich seine Stimmung für einen Moment auf. Die Feierlichkeiten, in die auch sein Geburtstag fiel, hatten alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt. So etwas hatte Rom noch nie gesehen. Die erlesenen Beutestücke und die edlen Gefangenen, die im Triumphzug mitgeführt wurden, waren so zahlreich, dass ein Tag nicht ausreichte, um sie zur Schau zu stellen. Er selbst fuhr im Zug hoch auf dem Wagen, um die Schultern gelegt einen Prachtmantel, den ehemals kein Geringerer getragen hatte als Alexander der Große! Dieses geschichtsträchtige Kleidungsstück hatte er im Krieg gegen Mithridates erbeutet. So musste er dem römischen Volk, das ihm zujubelte, wirklich wie ein zweiter Alexander erscheinen: Pompeius der Große!

Doch im Getriebe der Tagespolitik war der Glanz der Feierlichkeiten schnell verblasst; kleinkariertes Gezänk bestimmte die Politik. Er, der erfolgreichste Feldherr seiner Zeit, wurde im Senat von allen Seiten ständig mit Banalitäten behelligt und sollte zu jeder Bagatelle Stellung nehmen. Da ging es um einen Nachlass für die Steuerpächter, die sich in der Provinz Asia verspekuliert hatten, für den sich natürlich Crassus, der reiche Patron der Reichen, einsetzte. Oder um die Einrichtung eines Sondergerichtshofes, den die Optimaten gegen Clodius wegen eines Religionsfrevels eingesetzt hatten. Dieser skrupellose Handlanger der Popularen und unaufhörliche Unruhestifter hatte sich das Fest zu Ehren der Göttin Bona Dea zunutze gemacht, um sich ausgerechnet mit der Gattin Caesars einzulassen. So war denn auch Caesar, der Pompeius mit Mucia betrogen haben soll, selbst ein gehörnter Gatte und seine Frau los.

Aus Caesar wurde Pompeius nicht schlau. Zu raffiniert und undurchsichtig agierte er – und oft genug nur im Hintergrund. Klar war einzig, dass er populare Politik betrieb und wie besessen war von Ehrgeiz. Um seine Karriere voranzutreiben, schien er zu allem bereit. Ob er auch etwas mit Catilinas versuchtem Staatsstreich zu tun hatte? Zuzutrauen wäre es ihm, aber er war dann klug genug, sich rechtzeitig von Catilina und seinen Leuten abzusetzen, und jetzt erst recht, nachdem Cicero den Putschversuch aufgedeckt hatte und nicht müde wurde, sich als Retter des Staates aufzuspielen. Pompeius musste ein wenig lächeln, als er an den Brief dachte, den ihm Cicero geschrieben und in dem dieser seine innenpolitischen Verdienste mit den außenpolitischen Erfolgen des Pompeius verglichen und sogar gleichgesetzt hatte. Aber in gewisser Weise hatte Cicero auch recht und sein Anliegen, den Senat mit den Popularen auszusöhnen, kam auch den Vorstellungen des Pompeius entgegen. Ja, auf Cicero, der ihn immer umworben hatte, konnte er sich verlassen, Cicero stand über dem kleinlichen Parteiengezänk, ihm ging es um das Große und Ganze – und um den inneren Frieden. Und das sah Pompeius genauso wie Cicero: Der innere Frieden war die Voraussetzung dafür, dass Feldherren wie er für Rom Länder erobern und befrieden konnten. Cicero musste freilich aufpassen, dass er mit seinem überparteilichen Versöhnungsprogramm politisch nicht zwischen alle Fronten geriet.

Da war Caesar geschickter und einfallsreicher oder auch einfach: skrupelloser. Der wusste, mit wem er sich verbünden musste, um politisch zu profitieren – oder finanziell (daher auch seine Kontakte zum reichen Crassus, der ihn seinerseits für sich gewinnen wollte). Ohne Crassus hätten Caesars Gläubiger ihn vorletztes Jahr gar nicht nach Spanien abreisen lassen, fürchteten sie doch, ihr Geld nie wiederzusehen. Aber der steinreiche Crassus hatte mit einer Unsumme für seinen popularen Freund gebürgt, und Caesar konnte seine Finanzen während seiner spanischen Statthalterschaft sanieren. Kaum zu glauben, welche Schulden Caesar aufgenommen hatte, um seine politische Laufbahn sicherzustellen und ebenso seine Beliebtheit beim römischen Volk. Die öffentlichen Spiele, die er als Ädil ausgerichtet hatte, waren noch heute in aller Munde. Aber sein bisher größter Coup war wohl, wie er den altehrwürdigen Catulus bei der Wahl zum Oberpriester ausgestochen hatte. Caesar, noch nicht einmal Prätor, bekam überraschend mehr Stimmen als Catulus, der als älterer, angesehener Konsular eigentlich für das Amt vorgesehen war. Das nie versiegende Geld des unvermeidlichen Crassus hatte die nötigen Bestechungen möglich und Caesar zum Pontifex Maximus gemacht.

Nun war dieser Caesar aus Spanien zurückgekehrt, wo er zumindest die erforderlichen Siege zusammengebracht hatte, um von seinen Soldaten zum Imperator ausgerufen zu werden. Pompeius schnaubte spöttisch. Für das Niedermachen von versprengten Räuberbanden und das Abbrennen von Provinzdörfern erwartete Caesar einen Triumph und hatte dafür schon Vorbereitungen getroffen. Lächerlich war das im Vergleich zu dem, was er, Pompeius, im Osten erreicht hatte! Aber für seinen Triumph hatte Caesar zumindest eine bittere Pille schlucken müssen: Er würde sich für das kommende Jahr nicht um das Konsulat bewerben können. Denn dazu musste er ja in Rom persönlich erscheinen und das durfte er als ein in Waffen stehender Imperator nicht, sondern musste vor den Toren Roms bis zum Tag seines Triumphs ausharren. Oder würde Caesar einen Gesetzesbruch wagen und sich in Abwesenheit um das Konsulat bewerben? Populare Freunde, die ihm dabei behilflich sein konnten, hatte er genug, und am Ende konnten ihm die Bestechungskünste des verhassten Crassus womöglich auch diese Tür öffnen – und damit wäre Caesar endgültig ein Mann des Crassus.

Es schien Pompeius, als hätten sich alle gegen ihn verschworen: die Popularen, die sich skrupellos um Crassus und dessen Geld scharten, und die Optimaten, die blind Cato und seinem Misstrauen folgten. Und er, der eigentlich erste Mann Roms, wurde in allen Belangen hingehalten und seine großen militärischen und außenpolitischen Verdienste im Kleinklein der römischen Tagespolitik zerrieben, noch schlimmer: vergessen. Er musste sich wieder Gehör verschaffen, das war er sich und seinen Soldaten schuldig. Das Ackergesetz musste kommen und die Ratifizierung seiner Provinzordnung im Osten auch!

Wütend stampfte der größte Feldherr seiner Zeit mit dem Fuß auf, als wollte er, wie von den Optimaten befürchtet, seine Legionen gegen Rom zu den Waffen rufen.

Caesar, der Politiker

Frühsommer, 60 v. Chr.

Gaius Iulius Caesar, Oberpriester, fähigster Politiker der Popularen und eben aus der spanischen Provinz als Imperator zurückgekehrt, zögerte nur kurz, dann überschritt er grimmig das pomerium, die heilige Stadtgrenze Roms, um, wie vorgeschrieben, persönlich seine Kandidatur für die Konsulatswahl einzureichen. Caesar war sehr erzürnt, dass der Senat – allen voran Cato – ihm nicht entgegengekommen war und eine Bewerbung durch Vertreter nicht zuließ, sondern er sich dafür persönlich auf das Forum begeben musste. So hatte er sich entscheiden müssen: Triumph oder Konsulat. Es tat ihm in der Seele weh, auf den Triumph zu verzichten, gerade wenn er an den glänzenden Triumph des Pompeius dachte, aber die Sache war klar: Nur als Konsul würde er etwas bewegen können – und ihm lag daran, etwas zu bewegen! Cato hatte es sich vorgenommen, ihn als Konsul unbedingt zu verhindern, und hoffte wohl darauf, dass er den Triumph wählte und das Konsulat aufschob. Aber indem er den Fuß über diese heilige, mit weißen Steinen markierte Linie setzte, die die kultische Stadtgrenze Roms bezeichnete, hatte er das Recht zu triumphieren verloren. Bitter, aber unvermeidlich. So glanzvoll ein Triumph auch sein mochte, er stärkte nicht zwangsläufig den politischen Einfluss, das konnte Caesar nur allzu gut am despektierlichen Umgang des Senats mit Pompeius beobachten. Obwohl Pompeius den Optimaten alles andere als feindlich gesinnt war, ertrug der harte Kern um Cato nicht die Sonderstellung, die er seit ehedem innehatte, und tat alles, um jede Initiative des verdienten, aber jetzt amtslosen Feldherrn ins Leere laufen zu lassen. Wollte Caesar nicht wie Pompeius in einer politischen Sackgasse enden, brauchte er das Konsulat jetzt, um handlungsfähig zu bleiben, und das blieb er nur, wenn er endlich an der Spitze des Staates stand. Siege würde es dann noch viele für ihn geben. Dann würde er den verpassten Triumph nachholen – und zwar doppelt und dreifach, dessen war er gewiss!

Wie waren ihm diese Optimaten ein Verdruss, die jede Reform blockierten, jedes ehrgeizige Projekt hintertrieben, immer ängstlich darauf bedacht, dass niemand ihr bescheidenes Mittelmaß übertreffen und ihre blinde Obstruktionspolitik durchbrechen würde. Wer in Rom heute Großes nur plante, war schon verdächtig, wer Großes gar tat, wurde sogleich zum Feind des Senats deklariert. Engstirnigkeit, Prinzipienreiterei und Neid – das zeichnete den Senat mittlerweile aus und nicht mehr jener Wettstreit um Ehre, bei dem die Besten siegten und Geschichte schreiben durften. Aber ihn würde kein Cato, kein Catulus und auch kein Cicero mehr aufhalten können, wenn er erst das Konsulat erreicht hatte. Das befürchteten auch seine Gegner, die für diesen Fall wenigstens sicherstellen wollten, dass nicht auch noch der von ihm favorisierte Lucceius sein Kollege würde, sondern wenigstens der verhasste Bibulus. Verächtlich dachte Caesar an den ewigen Bibulus, mit dem er schon Ädilität und Prätur durchzustehen hatte. Bei der Vorstellung, mit ihm auch das Konsulat antreten zu müssen, wurde ihm übel. Aber noch war Lucceius nicht aus dem Rennen. Er war ein reicher Mann und konnte große Geldgeschenke in Aussicht stellen. Und Crassus gab es ja auch noch. Am Geld sollte es also nicht liegen. Das müsste für die Wahl des Lucceius genügen, auch wenn die Optimaten für Bibulus ihr Geld zusammenlegten, um ihn durch die Wahl zu bringen. Selbst der unbestechliche Cato hatte diese Aktion gegen Lucceius unterstützt – diese Wahlbestechungsaktion, um ganz genau zu sein. Wie musste Cato ihn, Caesar, fürchten, dass er ihm unter allen Umständen einen wadenbeißenden Aufpasser an die Seite stellen wollte, der seinen Handlungsspielraum einschränken sollte. Aber im Grunde war das nicht so wichtig. Diesen Bibulus würde er, wie bisher auch, einfach an die Wand spielen, wenn er erst einmal Konsul war.

Die Optimaten waren unglaublich einfallsreich, wenn es darum ging, ihm einen Stein nach dem anderen in den Weg zu legen. Sie hatten für den Fall, dass er Konsul würde, auch eine weitere Maßnahme getroffen, die ihn schwächen sollte: Sie hatten tatsächlich festgelegt, dass die Konsuln des nächsten Jahres nach ihrer Amtszeit nicht, wie üblich, eine stattliche Provinz zur Verwaltung zugeteilt bekämen. Dort könnte Caesar ja wieder, wie schon in Spanien, große Schlachten schlagen und Siege einfahren. Diese Kleingeister ließen sich wirklich nur von ihrer Angst vor Größe treiben! Caesars Zorn loderte auf, als er daran dachte, welche unwürdige Aufgabe man für ihn (und seinen Kollegen) im Falle seiner Wahl statt einer Provinz vorgesehen hatte: die Verwaltung der staatlichen Forsten und Weidewege! Das war eine Kränkung sondergleichen! Er, Caesar, als Wegewart für Kuhtriften! – Die einzige Herde, der er den Weg weisen würde, wäre die Herde der Optimaten, und zwar den schnellsten Weg aus dem Senat hinaus!

Finster ließ er die vielen Anfeindungen vor seinem inneren Auge vorbeiziehen, die er in den letzten Jahren von Seiten der Optimaten hinnehmen musste, und dabei war meist Cato die treibende Kraft. In jener Sitzung, als über die verhafteten Catilinarier verhandelt wurde, hatte Cato ihn doch tatsächlich auf eine Stufe mit dem Putschisten Catilina gestellt und ihm in einer wüsten Rede staatsfeindliches Verhalten vorgeworfen, nur weil er für die Verschwörer statt der Todesstrafe lebenslange Haft beantragt hatte. Dabei verstieß die Todesstrafe für römische Bürger nun einmal gegen das Gesetz. Natürlich hatte auch der alte Catulus gegen seinen Antrag gestimmt, und auch er hatte ihm unterstellt, selbst an Catilinas Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, und zwar gemeinsam mit Crassus. Lebhaft stand Caesar vor Augen, wie Catulus und Piso, als sie beim Konsul Cicero mit ihren Verleumdungen gegen ihn nicht durchdrangen, nun persönlich im Senat gegen ihn Stimmung machten, bis er am Ende tätlich angegriffen wurde und nur unter Gefahr für Leib und Leben die Versammlung verlassen konnte. Kein Wunder, dass sich angesichts der optimatischen Diffamierungen weitere Denunzianten ermutigt sahen, ihn mit Schmutz zu bewerfen: Vettius und Curius hatten ihn, den Obermagistrat, beim Richter Novius angezeigt – zwei Nullen bei einer dritten! Auch wenn er kraft seiner Amtsgewalt als Prätor alle drei mit brachialer Gewalt in ihre Schranken gewiesen hatte, zeigte doch auch dieser Skandal bereits deutlich, dass die Optimaten nicht ruhen würden, bis sein Ruf ruiniert und er politisch ausgeschaltet wäre.

Ja, er brauchte das Konsulat. Und danach eine vielversprechende Provinz, um nochmals als siegreicher Imperator nach Rom zurückzukehren: Und dann würde er sich den Triumph nicht mehr nehmen lassen!

Doch auch wenn er zum Konsul gewählt würde, bliebe die politische Lage für ihn kompliziert. Er konnte und wollte nicht wie Pompeius zwischen den Parteien lavieren (was diesem, wie man jetzt sah, auch nicht weiterhalf), zu sehr hatte er sich den Optimaten verhasst gemacht, zu eindeutig gehörte er den Popularen an. Im Hass gegen ihn vereinten sich die zersplitterten Gruppen im Senat, wie sie es in ähnlicher Weise aus Angst vor Pompeius taten. Crassus unterstützte ihn zwar zuverlässig, aber um seinem Intimfeind Pompeius zu schaden, stand er in einzelnen Aktionen auf Seiten der Optimaten. Wie kurzsichtig von ihm und albern! Crassus ließ sich in seinem Hass auf Pompeius auch von Cato instrumentalisieren, Pompeius, dessen Beliebtheit beim Volk ihn eigentlich einer popularen Politik empfahl, hatte sich mit seiner überparteilichen Positionierung auch im Senat isoliert. Kurz und gut: Während Cato und sein Zirkel in der Lage waren, die Optimaten zusammenzuhalten, standen sich die Popularen gegenseitig im Wege. Dazu kam, dass Cicero das Scheitern des Catilina nutzte, um die populare Politik als Ganzes in Misskredit zu bringen und dem gesamten Senat eine optimatische Stimme zu geben. Solange es keinen popularen Gegen-Cato gab, hatten die Optimaten leichtes Spiel und konnten ihn, Caesar, ein ums andere Mal ausbremsen und zur Erfolglosigkeit verdammen!

Er musste also einen Ausweg finden, eine Lösung des Dilemmas, dass ein Cato Crassus gegen Pompeius ausspielen konnte – und Pompeius gegen ihn, Caesar. Ja, er musste zugeben, dass er selbst sich bisweilen von Crassus zu Aktionen gegen Pompeius hatte hinreißen lassen, um diesem zweiten Alexander eins auszuwischen. Sollte Pompeius ruhig seinen Alexander nachahmen – er, Caesar, brauchte keine griechischen Vorbilder! Trotzdem: Er erinnerte sich, wie er in Spanien auf eine Statue Alexanders gestoßen war und kaum seine Tränen hatte zurückhalten können: Alexander hatte in seinem kurzen Leben mehr geleistet, als er es wohl in einem langen je zustande bringen würde. Und dieser Pompeius, dem Siege in den Schoß fielen wie Crassus Geld, führte seit seiner Jugend den anmaßenden Alexander-Beinamen ‹der Große›, Pompeius Magnus. Und er hatte auch noch das unglaubliche Glück, dass ihm bei seinen Beutezügen in Asien der Prachtmantel Alexanders in die Hände gefallen war. Oder war der eine Fälschung? – Einerlei! Das Volk hatte ihm die Geschichte abgenommen und ihm, als er in diesem Gewand auf dem Triumphwagen durch Rom zog, frenetisch zugejubelt, als wäre er der auferstandene Alexander höchstpersönlich. Gut, dass ihm dieser Anblick erspart geblieben war. Zu dieser Zeit hatte er ja in Spanien gekämpft und gesiegt.

Aber ihm blieb nun der Triumph versagt. Dieser Gedanke versetzte Caesar wieder einen Stich. Und dennoch, wenn er gegen Pompeius arbeitete, spielte das nur wieder Cato in die Hände. Er brauchte Pompeius, und Pompeius ihn. Er musste ihn, der immer nur auf den Senat schielte und die Anerkennung durch die Optimaten erhoffte, für die Popularen gewinnen. Nur dann würde Pompeius seine Ziele erreichen. Afranius, sein ehemaliger Offizier, den Pompeius für seine Zwecke ins Konsulat gehievt hatte, erwies sich als Versager, der sich mehr, wie erzählt wurde, um die Tanz- als um die Staatskunst kümmerte. Aber ein Caesar als Konsul würde Pompeius die notwendigen Mehrheiten beschaffen können, damit dieser seine Veteranen versorgen konnte und seine Provinzordnung in Asien vom Senat bestätigt bekommen würde. Im Gegenzug müsste Pompeius ihm dazu verhelfen, dass er nach dem Konsulat eine wirklich angemessene Provinz erhielte, eine, mit der er etwas anfangen könnte, womöglich sogar mehrere. Nur dürfte ihnen Crassus mit seinem giftigen Geld nicht einen Strich durch die Rechnung machen. Caesar seufzte, wenn er daran dachte, mit welcher Verbissenheit Crassus alles tat, um die Anträge des Pompeius im Senat zu torpedieren. Und Cato sah zu und rieb sich die Hände! Caesar ballte die Faust, dann wurde er plötzlich ruhig. Er musste taktisch vorgehen und klüger sein als der verbohrte Cato, der immer so stolz auf seine kompromisslose Unversöhnlichkeit war – das war es! Versöhnung war die Lösung, und wenn schon keine Versöhnung, dann eine Vereinbarung. Wenn er Pompeius und Crassus überzeugen könnte, über ihren Schatten zu springen und mit ihm gemeinsame Sache zu machen, dann wäre Cato ein Niemand und der Senat nur noch ein Name!

Gelassen schritt Caesar nun auf das Forum zu und beim Anblick der vielen überraschten Gesichter in der Menge, die den Imperator nicht innerhalb der Mauern Roms erwartete, musste er lächeln: Er würde ihnen bald noch mehr Überraschungen bieten …

So oder so ähnlich könnten die Gedanken gewesen sein, die im Frühsommer 60 v. Chr. den künftigen Triumvirn durch die Köpfe gingen, ehe das verhängnisvolle Triumvirat zustande kam. Der Dichter Horaz hat, dem Historiker Pollio folgend, eben jenes Jahr, in dem die Triumvirn sich zusammentaten, als den Anfang des entscheidenden Bürgerkriegs gesehen, dessen Folgen die Republik in ihrer alten Form nicht überleben sollte (Hor. carm 2,1). Demnach lag es vor allem an diesen drei Männern, dass es zu diesem und weiteren Bürgerkriegen kam, an deren Ende der Untergang der Republik und der Beginn des Prinzipats stand. Alle drei waren im Jahr 60 v. Chr. höchst unzufrieden und alle drei hatten Anlass, um Cato, den Optimaten und dem Senat zu zürnen – aus verletzter Eitelkeit, aus gekränktem Stolz, aus maßlosem Ehrgeiz. So steht im Mittelpunkt unserer Erzählung vom Triumvirat – wie schon in Homers Ilias – der Zorn, in diesem Fall gar ein dreifacher.

*

Wir wollen in diesem Buch die Triumvirn auf ihren Lebenswegen begleiten und die Zeit beschreiben, in der sie gelebt haben: die letzten Jahrzehnte der römischen Republik. Diese drei Männer bilden mit ihren Positionen und Perspektiven zwar nur einen Teil der Geschichte – davon wird gleich noch die Rede sein –, aber immerhin einen entscheidenden. Hätte es sie nicht gegeben, oder hätten sie nicht zum Dreibund zusammengefunden, dann wäre manche Weiche anders gestellt worden und vielleicht alles ganz anders gekommen …

Und jeder spielt entsprechend der Höhe seiner Chips.

Pierre Bourdieu

Auf dem ‹Spielfeld› der Geschichte

Man kann – etwa in Anlehnung an Pierre Bourdieus Kulturtheorie – Geschichte als Spiel betrachten, mit Spielfiguren, die nach festgelegten Spielregeln auf einem Spielbrett, das weitere Bedingungen vorgibt, agieren. Und Geschichtsschreibung kann man als einen Versuch verstehen, das Spiel der Geschichte in seinen Zusammenhängen und Hintergründen darzustellen und zu deuten.

Das Spielfeld der Geschichte ist ein weites Feld. Auf ihm tummeln sich etliche Spielfiguren, die nach ihrem jeweiligen Standpunkt handeln. Sie handeln aber nicht isoliert voneinander, sondern stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander, gelenkt von Spielregeln, die bewirken, dass bestimmte Konstellationen entstehen und bestehen – nämlich Gesellschaften.

Diese Gesellschaften sind nach innen in Gruppen eingeteilt und nach außen zu anderen Gesellschaften und Gemeinschaften abgegrenzt, doch sind ihre Grenzen durchlässig, unscharf und können durch viele Interaktionen relativiert werden. Die Interaktionen sind nicht beliebig, sondern folgen dabei ihrerseits Regeln. Aber auch diese Regeln können sich ändern und mit ihnen auch die Gesellschaften und es entsteht Neues. Geschichte vollzieht sich demnach als ein komplexes Spiel der Kräfte, dem der Einzelne, aber auch Gruppen und ganze Gesellschaften unterworfen sind. Und doch kann der Anstoß eines Einzelnen oder einiger Weniger zu einem völligen Wandel der Verhältnisse führen.

Auf Rom übertragen heißt das: Der Wandel der Republik zum Prinzipat, dem Beginn der Kaiserzeit, war das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels vielfältiger Faktoren und eines gruppendynamischen Prozesses, in dem die Eliten – und innerhalb dieser die Triumvirn – vielleicht eine weniger aktive Rolle spielten als man gemeinhin, und auch sie selbst, glaubten. Auch ihre Rollen wurden von Regeln bestimmt, die sie nicht in der Hand hatten, und wenn sie selbst Regeln änderten oder brachen, dann konnten sie das nur, weil die Umstände es erlaubten oder gar erforderlich machten, dass Regeln geändert oder gebrochen wurden.

Dieser Überlegung trägt die moderne Forschung Rechnung und entwirft von den historischen Protagonisten ein differenzierteres Bild: Die Treiber der Geschichte sind selbst Getriebene, die ‹Macher› werden von ihr gemacht. Ein Caesar kann nur in einer Zeit, Kultur, Gesellschaft zum Caesar werden, die nach einem Caesar verlangt.

Heutige Geschichtsforscher versuchen diesem Wechselspiel auf die Spur zu kommen. Wie sie das anstellen, davon handelt dieses Kapitel. Wen aber die Geschichte selbst mehr interessiert als theoretische Reflexionen über sie, der darf dieses Kapitel getrost überspringen und (ab S. 73) sogleich in die Antike eintauchen.

Die Spielfiguren: Darsteller oder Dargestellte?

Sind die Spielfiguren der Geschichte Akteure im eigentlichen Sinne des Wortes oder sind sie vielmehr Ausführende von Regeln? Oder sind sie nur dann Akteure, wenn sie zu solchen gemacht werden – entweder von den Zeitgenossen oder von denen, die ihre Aktionen darstellen und deuten, den Geschichtsschreibern? Und was bedeutet es, wenn die Akteure ihre Geschichte selbst schreiben wie etwa Caesar in seinen Kommentarien über den Gallischen Krieg? Oder die Geschichtsschreibung in Auftrag geben wie etwa Pompeius, der seinen Haushistoriker auf seine Feldzüge mitnahm?

Antike Geschichtsschreibung – zwischen Dichtung und Wahrheit

Die Komplexität der geschichtlichen Prozesse macht auch ihre Beschreibung und Deutung komplex. Aus welcher Perspektive Geschichte beschrieben, welche Schwerpunkte dabei gesetzt und welche Zusammenhänge, Beziehungen und Wechselwirkungen angenommen werden, hat Einfluss darauf, wie ihre Beschreibung und Deutung ausfällt.

Diese Überlegungen führen zu einer Frage, die in der Geschichtsschreibung umstritten ist: der Frage nach der sogenannten historischen Wahrheit. Und diese ist alles andere als einfach zu beantworten – ist doch beides, Beschreibung und Deutung, abhängig von der jeweiligen Perspektive, aus der historisches Geschehen gesehen und erlebt beziehungsweise beschrieben und bewertet wird. Crassus, Pompeius, Caesar haben alle drei, wie es im letzten Kapitel vorgeführt wurde, ihre eigene Sicht auf die Dinge, bedingt durch ihre jeweiligen Erfahrungen und Ziele. Welche Sichtweise ist nun die historisch richtige? Man könnte sagen: keine, denn alle drei sind subjektiv. Oder: alle, denn jede hat existiert und ist damit Teil der Geschichte.

Die moderne Geschichtswissenschaft hat mittlerweile erkannt, dass es in der Geschichte nicht die eine, absolute Wahrheit gibt, sondern sie geht von zahlreichen Perspektiven aus. Dabei sucht sie nach Wahrscheinlichkeiten und befindet sich in einem ständigen Prozess der Interpretation von Geschichtsquellen. Zentral für sie sind daher methodische Fragen, also wie man mit der (oft lückenhaften) Quellenlage umgehen soll. Doch wer entscheidet, dass der gewählte Weg der richtige ist und belastbare Ergebnisse bringt? Und gilt nicht trotz aller Wissenschaft auch heute noch der Grundsatz, dass es immer darauf ankommt, wessen Geschichte erzählt wird und von wem? Wird diese nicht meist von den Siegern erzählt … Aber was heißt «erzählt»? Kann eine Geschichte, die ‹erzählt› wird, überhaupt heutigen Ansprüchen entsprechen?

Die römischen Historiker und ihre Leser waren in diesem Punkt pragmatischer und vielleicht auch ehrlicher. Geschichtsschreibung galt nicht als Wissenschaft, gehörte also nicht zur Fachschriftstellerei, sondern zur ‹schönen Literatur›. Geschichtsschreibung wurde als Erzählung im eigentlichen Sinne des Wortes begriffen. Den antiken Historikern – die moderne Geschichtswissenschaft würde diesen Begriff heute wohl in Anführungszeichen setzen – ging es nicht in erster Linie darum, historische Einzelheiten im Detail zu recherchieren, sondern sie spürten – ähnlich wie die Dichter – einer tieferen ‹Wahrheit› nach, die sie in ansprechender Form erzählten. Ihr Stil war ausgefeilt, manchmal wurde der Stoff sogar wie ein Drama inszeniert. Reden historischer Persönlichkeiten waren den Vorlagen nachempfunden oder frei erfunden und orientierten sich dann an dem, wovon ein Historiker erwartete, dass es gesagt worden sein könnte. Solche Reden boten deshalb eine gute Möglichkeit, historische Situationen zu reflektieren, ein Für und Wider herauszuarbeiten oder den tieferen Beweggründen der historischen Protagonisten Ausdruck zu verleihen. Gerade herausragende Persönlichkeiten empfand man nicht (nur) wegen ihrer Einzigartigkeit als faszinierend, sondern betrachtete sie als exempla, also als einprägsame Beispiele für typisch menschliches Verhalten. Obwohl bei dieser Form von Geschichtsschreibung literarische Fiktion und historische Faktizität nicht immer klar voneinander zu trennen waren, stand der Vorwurf, es fehle an Daten und Fakten, nicht so im Vordergrund wie heute. Die Faktenrecherche, die in der modernen Geschichtswissenschaft zentral ist, spielte in der Antike ohnehin eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr wurde von den historischen Schriftstellern erwartet, dass sie ihre Version der Geschichte erzählten und ihre Sicht auf die Dinge präsentierten. Deutung von Geschichte ist immer eine Frage der Perspektive und damit subjektiv – daraus machte man in der Antike keinen Hehl. So rechnete der antike Leser, wenn er Geschichtswerke in die Hand nahm, ganz selbstverständlich mit persönlichen Sichtweisen der Geschichtsschreiber und war neugierig auf die dargelegten Deutungen.

Diejenigen Geschichtsschreiber, die auf ihre Unabhängigkeit Wert legten, betonten jedoch, dass sie in ihrer Darstellung und Deutung von Geschichte niemandem außer sich selbst gegenüber verpflichtet seien, während abhängige Geschichtsschreiber, die sich natürlich nicht als solche zu erkennen gaben, sich in den Dienst von Personen, Familien oder Parteien stellten und diesen jeweils in ihrer Version von Geschichte eine herausragende Rolle gaben. Das galt auch und insbesondere dann, wenn Politiker sich und ihr Familiengeschlecht (gens) in historischen Werken entweder selbst inszenierten, oder, was die elegantere Methode war, sich von Historikern oder Biographen inszenieren ließen. Pompeius etwa beschäftigte Theophanes von Mytilene als Haushistoriker, Sulla erbat sich von Lucullus, Cicero von Poseidonius historische Monographien, die sie würdigen sollten. Caesar wiederum beschrieb seinen Krieg in Gallien gleich selbst, aber nicht in der Ich-, sondern in der Er-Form – die Objektivität suggerieren sollte –, um seine Taten ins rechte Licht zu rücken.

Auch autobiographische Werke gab es. So verfasste der gleichnamige Vater des bereits erwähnten Catulus ein autobiographisches Werk und gab es dem befreundeten Dichter Aulus Furius, damit dieser ihn auch in Versen verewigte. Sulla schrieb im letzten Lebensjahr eine ausführliche Autobiographie, die leider nicht erhalten ist. Cicero fertigte, nachdem mehrere Historiker, die er anfragte, diese Aufgabe dankend abgelehnt hatten, selbst einen griechischen und einen lateinischen Kommentar über sein Konsulat an und darüber hinaus ein Gedicht, das mit den selbstbewussten Worten begann: «Oh glückliches Rom, wiedergeboren, als ich Konsul war!» (vgl. Cic. Att. 1,19; Iuv. sat. 10,122). Natürlich zog ein Historiker, der beim Rühmen allzu dick auftrug, Misstrauen und Spott auf sich. Dennoch, derartige Inszenierungen wurden im aristokratischen Rom nicht nur akzeptiert, sondern als bewährte Mittel aristokratischer Selbstpräsentation geradezu erwartet und auch als solche verstanden.

Ernsthafte Geschichtsschreiber hingegen, die nach einer tieferen Wahrheit von Geschichte suchten – wie Sallust, Livius und Tacitus – strichen stolz die Unabhängigkeit ihrer Beurteilung historischer Vorgänge heraus. Oft waren sie Senatoren und brachten damit auch die politische Erfahrung und Kompetenz mit, um das Handeln der historischen Personen, über die sie schrieben, angemessen beurteilen zu können. Ihr senatorischer Status verbürgte dann die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Geschichtsdeutung, ihre politische Unabhängigkeit den Wahrheitsanspruch. Vor allem in ihren Vorworten setzten sie sich mit dem Aspekt der Neutralität auseinander. Das berühmte Diktum des Tacitus, dass er «ohne Ressentiments und Protektion» (sine ira et studio; ann. 1,1) schreibe, meint seine Unparteilichkeit und schließt keineswegs aus, dass er bei seiner Darstellung nicht dennoch klare Wertungen vornimmt, aber eben ohne dabei unter dem Einfluss einer Partei oder eines Patrons zu stehen – schon gar nicht unter dem des Kaisers. Mit Tadel waren Geschichtsschreiber daher freigebig, mit Lob sparsam, denn Lob erregte leicht den Verdacht, ‹bestellt› zu sein. Nach antiker Auffassung sicherte vor allem die Unabhängigkeit des Historikers die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung, während Methodik und Quellenkritik, die für die moderne Forschung zentral sind, von den römischen Geschichtsschreibern bis auf wenige Ausnahmen kaum thematisiert wurden. Nicht Detailgenauigkeit war ihnen in erster Linie wichtig, sondern Gerechtigkeit gegenüber den historischen Gestalten. Sallust etwa, um es an einem Beispiel zu illustrieren, brachte die entgegengesetzten Ansichten, die Caesar und Cato über den Umgang mit den inhaftierten Catilinariern vertraten, in einem Rede-Paar zum Ausdruck, das so ausgewogen angelegt ist, dass sich die Interpreten bis heute nicht einig sind, ob Sallust eher für Caesars oder für Catos Sache werben wollte – oder beiden Standpunkten etwas abgewinnen konnte. Ein moderner Historiker hingegen würde versuchen, den Ablauf der Sitzung zu rekonstruieren, er würde herausfinden wollen, was Cato und Caesar wirklich gesagt haben und wer sonst noch gesprochen hat. Sallust jedoch und die antiken Historiker sahen ihre Pflicht darin, den Leistungen und Verfehlungen berühmter Männer und Familien gerecht zu werden und ihnen den gebührenden Platz in der Geschichte zu verschaffen. Sie verstanden sich als Herrscher und Hüter über jenen Nachruhm, um den die Eliten so rangen.