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Nervt der Nachbar? Die Gattin? Der Chef? Eine Lösung findet sich immer, und klappt Plan A nicht, keine Sorge, das Alphabet hält noch andere Buchstaben bereit. Doch Vorsicht: Das Buch enthält Stories, die Sie zum Schmunzeln bringen, aber auf keinen Fall zum Nachahmen anregen sollen.
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Seitenzahl: 136
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Nervt der Nachbar? Die Gattin? Der Chef? Eine Lösung findet sich immer, und klappt Plan A nicht – keine Sorge, das Alphabet hält noch andere Buchstaben bereit. Doch Vorsicht: Das Buch enthält Storys, die Sie zum Schmunzeln bringen, aber auf keinen Fall zum Nachahmen anregen sollen.
Sylke Tannhäuser
schreibt Kriminalromane sowie
Kurzgeschichten und Regionalliteratur und
arbeitet als Schreibcoach
www.sylke-tannhäuser.com
Tutti Frutti – Mord mit Mutti
April, April
Waschen, föhnen, legen
Alles muss neu
Aus Prinzip
Jagdfieber
Getrunken wird immer
Ein gefährliches Buch
Hasch mich
Hof zu verkaufen
Schnitzeltag
Klassentreffen
Das Mahl
Biggi ist die Beste
Natürlich gedüngt
Drei Kreuze
Es leuchtet so hell
»Schätzchen, das wird nichts mit uns.« Die Worte hatten in dem leeren Studio von RTL wie eine Ohrfeige geklungen. Ella schluckte. Am liebsten hätte sie diesem Knilch die Meinung gegeigt, doch sie beherrschte sich. Marlon Till Mayer-Mayershausen, kurz MTMM, war der neue Star der Fernsehbosse, jedermann lobte ihn, obwohl auch er es nicht geschafft hatte, das Revival von Tutti Frutti zu einem Erfolg zu machen. In den 90ern war die überwiegend in Mailand gedrehte Show zum Kult geworden, aber das hier war lediglich ein müder Abklatsch des Originals. Köln hatte eben nun mal keinen italienischen Charme zu bieten, und die Neuauflage der Show drohte ein Flop zu werden. Deshalb war Ella zu Marlon gegangen. Sie konnte dazu beitragen, dass die Sendung wieder besser wurde. Weil sie im Playboy gewesen war, als Playmate. Blond, schlank und mit Formen, so verführerisch, dass sie ihr damals eine Dauerrolle in allen Staffeln eingetragen hatten, in der es von Früchtchen nur so gewimmelt hatte. Sie war die Erdbeere gewesen, und genauso hatte sie sich gefühlt, wenn sie mit den anderen Models des Balletts die jungen Hüften geschwungen hatte. Süß und knackig.
Cin-Cin – das war der Name des Balletts gewesen, und Cin-Cin hatten sie auch gesungen, wenn sie ihren Einsatz hatten, der darin bestand, die Bikinioberteile zu öffnen und den Blick auf die Brüste freizugeben und auf die Früchte, unter denen die Brustwarzen verborgen waren.
Im Grunde war es eine leichte Art gewesen, Geld zu verdienen und nur zu gern würde sie wieder einsteigen. Dass sie die Show retten konnte, war nur einer ihrer Gründe. Der wichtigere war, dass sie ein Einkommen brauchte. Im Laufe der Jahre war ihr Guthaben auf dem Bankkonto geschmolzen, und jetzt tendierte es gegen Null. Die Zeit drängte. Ella brauchte einen Job, aber sie hatte nur eine Ausbildung als Tänzerin, und in dem Beruf waren die Angebote für Neunundvierzigjährige mehr als spärlich gesät. Das neue Tutti Frutti war ihre Chance. Und nun das!
»Warum wird das deiner Meinung nach nichts mit uns beiden?«, fragte sie. »Schließlich war ich früher mal das Zugpferd der Show, und ich war echt gut. Der Publikumsliebling, würde ich sagen.«
»Du bist zu alt, Schätzchen, und zu dick bist du auch. Also vergiss, was du mal warst und verschwinde. Ich habe nämlich zu tun.« MTMM ließ sie stehen und eilte hinter die Kulissen.
Hasserfüllt schaute sie ihm nach. So ein Knilch. Wie konnte er derart mit ihr umspringen? Unverschämt war das, sowas hatte es früher nicht gegeben.
Enttäuscht fuhr sie zurück nach Marienburg, wo sie in der Parkstraße eine Wohnung besaß. Hier lebten nur gut betuchte Leute. Wenn sie nicht bald eine Lösung fand, würde sie ihr Heim aufgeben müssen. Allein der Gedanke verursachte Ella ein Magengrummeln, doch gleichzeitig stieg Wut in ihr auf. Diesem Marlon würde sie es schon noch zeigen.
Zu Hause nahm sie als erstes ein heißes Bad. Während sie umhüllt von einer Wolke duftenden Schaums im Wasser plantschte, genehmigte sie sich ein, zwei Gläser Prosecco, nur um nach kurzer Überlegung noch ein drittes zu kippen. Der prickelnde Genuss hatte sie stets aufgemuntert, so auch jetzt. Beschwingt stieg sie aus der Wanne und trocknete sich ab. Dabei fiel ihr Blick auf den Spiegel, der die gesamte Wand neben der Tür beanspruchte; eine Fläche von drei mal drei Metern, so eine Größe war schwer zu ignorieren, und tatsächlich konnte sie nicht anders, als ihr Spiegelbild zu mustern.
Hatte sie wirklich zugenommen? Sie beugte sich ein kleines Stück nach vorn und kniff die Augen ein bisschen zusammen. Tatsächlich, ihre Taille war in die Breite gegangen, und auch an den Hüften hatte sie hässliche Pölsterchen. Sie wandte sich um und schielte über die Schulter. Hinten sah es nicht besser aus. Ihr Po war in jungen Jahren prall und rund wie ein Apfel gewesen. Jetzt erinnerte er sie in Form und Größe an die ausgehöhlten Kürbisse, die ihre Nachbarin im Herbst vor der Haustür aufbaute, bestückt mit angezündeten Kerzenstumpen, deren Hitze die Schale schrumpeln ließ.
Ella streckte dem Spiegel die Zunge raus und hüllte sich in ihren Bademantel. MTMM hatte recht, längst war es mit ihrer Topform vorbei. Eine alte Erdbeere schnitt im Vergleich zu einer frischen Frucht nun mal nicht gut ab.
Ella brauchte zwei weitere Gläser Prosecco, bis sie die Erkenntnis verdaut hatte. Dann rief sie ihre Mutter an.
Einen Tag später klingelte es an Ellas Wohnungstür. Ella war gerade dabei, das Frühstück mit einem Glas Prosecco zu beginnen, als Fortsetzung des vergangenen Tages gewissermaßen. Sie öffnete, und Mina Anders, ihre Mutter, rauschte herein. Die stattliche Frau zählte siebzig Lenze und war viel zu grell geschminkt für ein Tages-Makeup. Dazu trug sie ein blutrotes Kleid, das bis an die Zehen reichte und über das sie einen Umhang geworfen hatte, der mit goldfarbenen Zeichen übersät war.
Ella runzelte die Stirn. »Muss dieser Aufzug sein, Mama?«
»Aber gewiss, das bin ich mir und meinem Ruf schuldig.« Mina Anders bezeichnete sich als Hexe, und zwar als eine gute. Unter dem Namen Minerva Anderma, die Erste trat sie überall dort auf, wo sie ein Publikum fand, also auf Volksfesten und Mittelaltermärkten. Dort las sie die Zukunft der Leute aus Tarotkarten ab oder versprach die Erfüllung aller Träume, die sie in ihrer Glaskugel zu sehen glaubte. »Zeig mir deinen Laptop, Kind. Du hast doch einen, oder?«
»Natürlich, aber ich benutze ihn nur selten.« Ella führte ihre Mutter ins Wohnzimmer und legte den Laptop auf den Tisch.
Sogleich machte sich Mina daran zu schaffen. »Es sollte nicht allzu schwer sein, die Lösung für dein Problem zu finden. Wie ist dein Passwort?«
Ella zuckte mit der Schulter. »Was weiß denn ich.«
»Dein Passwort, bitte. Ich brauche es, um ihn zu starten.«
»Was weiß denn ich – so heißt es, mein Passwort.«
»Wie kommt man denn auf sowas?«
»Na ja, als ich mich das erste Mal an dem Ding angemeldet habe, war da die Aufforderung Nennen Sie ein Passwort, und ich habe gesagt Was weiß denn ich. Ich habe es dabei belassen.«
Mina verdrehte die Augen. »Kein Wunder, dass du mich brauchst, Kind. Allein kommst du eben nicht zurecht.« Sie gähnte. »Ich war nicht untätig. Die ganze Nacht habe ich mich durch alle möglichen Krimiserien gezappt, und jetzt weiß ich, wie ich dir helfen kann.«
»Mit Krimis?«, fragte Ella.
»Irgendwo musste ich mir ja einige Anregungen holen. Du willst wieder mitmischen im Showgeschäft, doch da gibt es dieses ziemlich gemeine Spiel namens Auslese, richtig?«
»Stimmt. Anscheinend ist meine Schönheit dahin und meine Jugendzeit aus.« Trübselig starrte Ella auf die Flasche in ihrer Hand, dann hellte sich ihre Miene auf. »Aber Prosecco wäre noch da.«
Auf Minas Stirn erschien eine tiefe Falte. »Du solltest weniger trinken.«
»Das werde ich mir sowieso nicht mehr allzu lange leisten können. Ich bin nämlich blank.«
»Umso mehr sollten wir uns beeilen, damit dieser fiese Moderator die Fliege macht. Ein bisschen Rattengift sollte genügen.«
»Du willst ihn umbringen?«
»Hast du eine bessere Idee?«
Ella dachte daran, dass Marlon sie für zu alt und für zu dick hielt, und sie schüttelte den Kopf.
»Gut, nun müssen wir nur noch feststellen, was der Mann besonders gern isst.« Mina beugte sich erneut über den Laptop, und eine Stunde später hatte sie erfahren, was sie wissen wollte.
Am Abend stolzierte Ella erneut in das Aufnahmestudio auf dem Gelände der MMC GmbH. Sie hatte Glück, Marlon war vor Ort und damit beschäftigt, irgendwelche Requisiten hin und her zuschieben.
Bei Ellas Anblick guckte er böse. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich keine Verwendung für dich habe. Du solltest …«
»Und dafür möchte ich dir danken«, fiel Ella ihm schnell ins Wort. »Du hast mir endlich die Augen geöffnet, denn du hattest natürlich recht. Ich tauge nicht mehr zur Tänzerin und suche mir einen neuen Job. Zum Abschied habe ich dir Erdbeeren mitgebracht, sie sind ganz frisch geerntet.« Ella holte eine Tupperdose aus der Tasche und hielt sie MTMM unter die Nase.
»Wie passend, Schätzchen.« Marlon fingerte sich eine besonders große und saftige Beere heraus und steckte sie in den Mund. Er kaute, schmatzte und schluckte. »Das schmeckt fantastisch«, befand er dann.
Ella nickte lächelnd und drückte ihm die Schachtel in die Hand.
Eine halbe Woche darauf klingelte Ellas Telefon. Die Produktionsleiterin war am Apparat. Bedauerlicherweise stand Herr Marlon Till Mayer-Mayers-hausen nicht länger als Moderator von Tutti Frutti zur Verfügung. Unverhofft hatte ihn das Zeitliche gesegnet. Ob sie vielleicht einspringen könnte? Sie hätte doch Erfahrungen und wäre früher so gut beim Publikum angekommen.
Sofort machte sich Ella ins Studio auf, wo sie sich begeistert in die neue Aufgabe stürzte.
Leider hatten die Senderbosse darauf bestanden, ihr einen Assistenten zur Seite zu stellen, einen jungen Mann namens Rudolf Maximilian Klammer-Klammhofen, kurz RMKK. Sie sollte ihn einarbeiten und ihm helfen, sich zu mausern. Später würde er eine eigene Sendung bekommen.
Widerwillig fand sich Ella damit ab, doch schnell entdeckte sie, dass RMKK genauso scharf auf Erdbeeren war, wie sie es bei MTMM erlebt hatte.
Umgehend warf sie die Geranien aus ihren Balkonkästen und besorgte sich aus dem Garten ihrer Mutter ein paar Erdbeersenker. Schon bald würde sie stets ein paar der süßen Früchte parat haben, und von dem Rattengift stand ohnehin noch ein Rest im Küchenschrank herum. Nur für den Notfall natürlich.
Rita schlug die Augen auf. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, dann wurde ihr bewusst, was sie geweckt hatte. Etwas war gegen die Fensterscheibe geprallt. Etwas Großes, sonst wäre sie von dem Geräusch kaum wach geworden.
Sie schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Mit nackten Füßen tastete sie nach den rosaroten Plüschpantoffeln, irgendwo mussten sie stehen, doch sie fand sie nicht. Barfüßig lief sie zum Fenster und schaute hinaus. Auf der Wiese vor der Villa sammelte Manfred Gegenstände auf. Sie schaute genauer hin und erkannt, was ihr Bruder Stück für Stück in einen Sack verfrachtete. Es waren Schuhe. Stiefel, Pumps und auch ihre Pantoffeln.
Rita riss das Fenster auf und lehnte sich hinaus. »Verdammt Manfred, was tust du da?«
Manfred hob den Kopf, bemerkte sie und kam zum Haus gelaufen. Unter ihrem Zimmer blieb er stehen und winkte zu ihr herauf. »Jemand ist in der Nacht bei uns eingebrochen, er wollte wohl deine Schuhe klauen, aber es ist ihm nicht gelungen. Ich habe ihn bemerkt, hätte ihn sogar fast erwischt, doch er ist entkommen. Wenigstens hat er seine Beute zurückgelassen.«
»Ich komme sofort runter«, befand Rita, aber Manfred hörte sie wohl nicht mehr, denn er war bereits in Richtung Eingangsportal unterwegs und ihrem Blick entschwunden.
Als sie kurz darauf den Salon betrat, wartete er schon am Frühstückstisch, der Sack mit den Schuhen stand neben ihm.
Rita stürzte auf ihn zu. »Du lieber Himmel, ich mag gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn du diesen Einbrecher nicht aufgehalten hättest.« Sie inspizierte den Inhalt des Sackes. Soweit sie feststellen konnte, waren die Schuhpaare komplett.
Erleichtert atmete sie auf und setzte sich auf ihren Platz. »Du hast den Tisch gedeckt«, sagte sie verwundert.
Normalerweise war es ihre Aufgabe, für Essen und Trinken und auch den übrigen Haushalt zu sorgen. Manfred hingegen hatte die Chemiefabrik der Familie übernommen. Die Krüger AG, die seit Generationen Reinigungsmittel aller Art herstellte.
»Ich wollte dich heute überraschen.« Manfred reichte ihr die Zeitung und tippte auf die erste Seite.
Ritas Blick fiel auf die fetten Lettern, in denen das Tagesdatum prangte, und plötzlich dämmerte es ihr.
»April, April«, rief Manfred da auch schon über den Tisch. Er grinste sie an, und aus seinen Augen leuchtete reine Schadenfreude.
Rita kniff die Lippen zusammen. Wieder einmal war es ihrem Bruder gelungen, sie zu veräppeln.
Im letzten Jahr hatte er mit Tränen in den Augen verkündet, dass Peggy, ihre geliebte Siamkatze, gestorben wäre. Damit sie nicht gleich dahinterkam, dass es nur ein Scherz war, hatte er Peggy in den Keller gesperrt. Drei Tage und Nächte musste das arme Tier dort ausharren, und als Rita sie endlich gefunden hatte, war Peggy nicht mehr die alte gewesen. Statt Katzenfutter zu fressen, hatte sie alles angeknabbert, was sie finden konnte. Stuhlbeine, Papierknäuel und Schuhe. Letztendlich hatte Rita Peggy einschläfern lassen müssen.
Im Jahr davor war es ihr neues Auto gewesen, das über Nacht zu einem Schrotthaufen geworden sei. Weil sie, anstatt in die Garage zu fahren, auf der abschüssigen Straße geparkt hatte und die Handbremse nicht angezogen war. Der Wagen wäre weggerollt und gegen die große Eiche geprallt, die neben der Einfahrt stand. Tatsächlich hatte das Auto eine Delle in der Motorhaube gehabt, aber nur, weil Manfred den Fahnenmast vor der Fabrik gestreift hatte.
Jedes Jahr dachte er sich eine andere Gemeinheit aus, aber diesmal war er zu weit gegangen. Er wusste schließlich, wie sehr sie ihre Schuhe liebte. Ruckartig stieß sie den Stuhl zurück und stand auf. »Der Appetit ist mir vergangen.« Sie griff sich den Sack und ging zur Tür. Im Hinausgehen warf sie den Kopf zurück.
»Ich bin dann drüben in der Firma«, rief Manfred ihr nach, doch sie tat, als hätte sie ihn nicht gehört.
Auf dem Weg zu ihren Zimmern überlegte sie, wie sie es dem Bruder heimzahlen könnte. Eine Zeitlang hatte sie gehofft, einen Mann zu finden, um ihn verlassen zu können. Ein eigenes Leben, davon hatte sie geträumt. Doch die Jahre waren vergangen, und weder sie noch ihr Bruder hatten geheiratet. Also lebten sie weiterhin gemeinsam unter dem Dach der Fabrikantenvilla, in der schon ihre Eltern und Großeltern gewohnt hatten.
Im Grunde bot das Haus genügend Platz, um sich aus dem Weg zu gehen, aber Manfred fand die Unterhaltung von zwei getrennten Wohnbereichen zu teuer, und da Rita noch nie über ein eigenes Einkommen verfügt hatte, war sie gezwungen, sich diesbezüglich den allzu strengen Wünschen ihres Bruders unterzuordnen. Das Taschengeld, das sie von ihm bezog, reichte gerade so, dass sie sich einmal in der Woche ein Paar neuer Schuhe kaufen konnte. Einen Tick, so hatte es ihr Bruder mal genannt, aber ihr bedeuteten all die Pumps und Sneaker, Sandalen und Stiefelletten eine Menge. Viel mehr besaß sie ja nicht, und Manfred würde sich hüten, ihr etwas von dem Reichtum abzugeben, den er mit dem Familienunternehmen scheffelte.
Seit ihrer Kindheit bestand zwischen ihnen eine Rivalität, die weit über den normalen Wettbewerb von Bruder und Schwester hinausging. So sehr sie sich bemüht hatte, für Manfred war sie nur ein ungeliebtes Anhängsel gewesen. Auch die Eltern hatten nichts dagegen unternommen, für sie galt Manfred als Krone der Schöpfung, schließlich war er der Erstgeborene und damit der Erbe, der über jeglicher Kritik stand. Sie war ein Nichts, doch das würde sich nun ändern.
Rita wartete, bis Manfred das Haus verlassen hatte, dann eilte sie in den Keller, wo sie sich heimlich ein kleines Labor eingerichtet hatte. Chemische Experimente lagen ihr im Blut, obwohl sie bisher mit niemandem darüber gesprochen hatte. Auch das würde sich jetzt ändern.
Sie starrte auf die Petrischale. Sie war sich so sicher gewesen, dass sich die Substanzen darin allmählich auflösen und zu einem Brei vermischen würden, sie musste dem Prozess nur genügend Zeit geben. Aber nichts war passiert. Kein Brei, nicht einmal ein Matsch hatte sich gebildet. Die pulverisierten Kamillenblätter waberten in bizarren Schlieren auf dem Ölfilm, der von einem Extrakt aus gefriergetrockneten Pfefferminzblüten stammte, und die Kristalle, die sie aus den Senfkörnern gewonnen hatte, klebten wie leblose Fischleiber an den gläsernen Rändern der flachen Schale. Drei Wochen voll Zuversicht und voll Hoffnung waren dahin, drei Wochen, in denen sie die Zutaten wieder und wieder variiert hatte.