Über Bord und unter Deck - Manuel Theisen - E-Book

Über Bord und unter Deck E-Book

Manuel Theisen

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Beschreibung

Über Bord und unter Deck - auf Kreuzfahrten passieren auf allen Schiffsebenen immer wieder spannende Geschichten und berichtenswerte Ereignisse. Es müssen keine Personen dazu über Bord gehen. Es reicht vollkommen aus, die Passagiere aus aller Herren Länder etwas genauer zu beobachten. Und die Teile der Geschichten, die unbekannt oder unerkannt bleiben, werden durch die eigene Fantasie ersetzt: So ergeben sich immer wieder unterhaltsame, aber auch kritische Einblicke und Durchblicke. Nicht immer politisch korrekt, aber alles erlebt und mit einem Schmunzeln niedergeschrieben. Reisen Sie von zu Hause aus mit unseren Augen um die Welt. Eine Lesereise der ganz besonderen, der luxuriösen Art.

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Inhaltsverzeichnis

Reiseanleitung

Westwärts – nordwärts – ostwärts

Cunard „Queen Mary 2": New York – Kanada – New York – Southampton

Auf den Hund gekommen

Cunard „Queen Mary 2": Southampton – Southampton

Stadt– Land – Fluss – Meer

Cunard „Queen Elizabeth": Singapur – Myanmar – Singapur – Kapstadt

Auf Spa-Niveau durchs Mittelmeer

Seabourn „Odyssey": Athen –Barcelona

Exotische Abenteuer für alternde Exoten

Cunard „Queen Victoria" : Rio de Janeiro – Southampton

Erstens kommt es anders

Crystal „Serenity": Marseille – Barcelona

Ortsverzeichnis Band I

Ortsverzeichnis Band II

Ortsverzeichnis Band III

Disclaimer

Reiseanleitung

Reiseplanung ohne Kompromisse, Kofferpacken ohne Stress, Fliegen ohne Verspätung, Taxifahrten ohne Fahrpreisbetrug, Hotelzimmer und Kabinen ohne Reklamationen, Schiffspassagen ohne Mängel: ungetrübte Reiseerlebnisse pur. Unmöglich?

Bleiben Sie, wo Sie am liebsten sind. Nehmen Sie in Ihrem Ohrensessel oder aber – falls Sie schon reisegeschädigt sind – auf Ihrer Behandlungscouch Platz. Hören Sie Ihre Lieblingsmusik und verwöhnen Sie sich kulinarisch nach Ihrem Geschmack.

Reisen Sie mit uns. Lassen Sie sich mitnehmen auf unsere Reisen durch viele Länder und über fast alle Meere dieser Welt. Wir haben den Stress, den Ärger und Verdruss, kurz: alle die Lasten und kleinen wie großen Abscheulichkeiten des modernen Reisens und die verschiedenen Plagen mit den Reise- und Kreuzfahrt-Veranstaltern auf uns genommen, um sie Ihnen zu ersparen. Dafür verraten wir Ihnen unsere Lieblingshäfen, Insiderkneipen und echte Sehenswürdigkeiten ebenso wie einige besser zu vermeidende Plätze und Szenen. Finden Sie heraus, auf welchem Schiff und mit welchen Verkehrsmitteln wir am liebsten unterwegs sind. Sehen Sie die Welt mit unseren Augen und schonen Sie Ihren Geldbeutel: Mit jeder Seite dieses Bandes sparen Sie sich rund 600 Euro eigene Reisekosten, pro Person und im Durchschnitt. Wir haben sie gerne für Sie ausgegeben, um Ihnen berichten zu können.

Bitte behalten Sie Platz und blättern Sie weiter. Wir garantieren ein sorgenfreies, unbeschwertes, aber erlebnisreiches Reisen – nach Möglichkeit immer mit einem Schmunzeln.

Sie wollen also ernsthaft mit uns reisen? Prima, wir freuen uns. Unsere gemeinsame Lebensreise begann in den 80er Jahren, und seitdem versuchen wir die Welt für uns zu entdecken und jetzt für Sie zu beschreiben.

Im Jahr 1993 haben wir uns einen lang gehegten Traum erfüllt. Zwei der drei „Dream-Voyages", die seinerzeit sogar in Kombination zu buchen waren, sollten es sein: von Southampton nach New York mit der bereits legendären „Queen Elizabeth 2" von Cunard in 5 Tagen. Und zurück von New York City nach London-Heathrow mit dem ersten und einzigen serienmäßig gefertigten Supersonic-Passagierflugzeug der Welt, der „Concorde", in nur 3 Stunden und 17 Minuten. Von da an hatte uns das Reisefieber endgültig gepackt. Seither reisen wir um die Welt. Die dritte der „Dream-Voyages", eine Fahrt mit dem Eastern & Oriental-Express, folgte viel später, wie Sie in Band I nachlesen können.

Aus der Fülle der Reiseberichte, die seit vielen Jahren immer mehr unserer Freunde und Bekannten begeistern, haben wir für diesen dritten Band sechs ausgewählt, um Ihnen Geschmack auf unsere Erlebnisse und – vielleicht – mehr und Meer zu machen.

Die hier aufgenommenen Reisen folgen keiner strengen Chronologie oder sonstigen Dramaturgie. Wir wollen weder mit der schönsten noch mit der allerschlimmsten, aber eben auch nicht mit der ersten Reise beginnen. Wir möchten von unseren Kreuzfahrten mit verschiedenen Schiffen berichten.

Von allen diesen Reisen haben wir niemals irgendwelche Souvenirs oder sonstige Geschmacklosigkeiten mitgebracht – nur eben unsere Geschichten.

Kapstadt, im Januar 2019 Manuel & Martin Theisen

Westwärts – nordwärts – ostwärts

Cunard „Queen Mary 2" New York – Kanada – New York – Southampton

New York/USA

Abflug 12 Uhr am Mittwochmittag, endlich auch für uns mit den neuen Business-Class-Sitzen der deutschen Lufthansa: Die sind enger als die alten, aber tatsächlich ganz flach und ausreichend lang. Das Ergebnis aber liegt insgesamt qualitativ weit hinter den Wettbewerbern Singapore oder Turkish Airlines. Der „leichte Lunch" – nach Lufthansa-Kundenumfrage optimiert, wie uns die Speisekarte verrät – besteht aus den Alternativen Rinderroulade mit Rosenkohl(!) oder Pasta mit Käsesauce: Manche lernen es einfach nie.

Der ausgedehnte Mittagsschlaf zur Überbrückung des doch achteinhalb Stunden währenden Fluges wird für Martin zur Höllenqual. Er schimpft wie ein Rohrspatz und nölt über das brettharte Bett, klagt über Hüftschmerzen. Das ist schwer zu verstehen, aber schnell aufgeklärt: Der neue, ultramoderne luftgefüllte Sitz hat wohl bald nach unserem Start seine komplette Füllung abgelassen und den schlafenden Martin auf den steinharten Boden der Tatsachen zurückgeführt („flat bed" im wahrsten Sinne des Wortes). Der Maître d'Cabin bedauert pflichtschuldigst, führt manuell ein IT-Reset durch und Martin kann die letzte Stunde neu abgefedert verbringen – prima!

Pünktliche Landung um 15 Uhr auf dem Flughafen John F. Kennedy, Hunderte Reisende stauen sich bei der Immigration. Dank unseres biometrischen Passes und NSA-gespeicherten Fingerabdrücken anlässlich unseres USA-Besuchs im vergangenen Jahr können wir die automatische Kontrolle passieren und sind nach nur zehn Minuten, noch vor unserem Gepäck, durchgecheckt: Schneller geht's derzeit nicht mal mehr nach Schengen-Österreich. Die ersten Koffer auf dem Band sind unsere, die auf Empfehlung unseres Reiseagenten und Freundes Bruce hier in NYC bestellte Limousine (www.dial7.com) bringt uns für nur 69 US-$ plus 25 % gratuity ins „Paramount-Hotel" (235 W 46th St) nahe dem Times Square. Auch dieses Hotel ist mal wieder vom weltweit allgegenwärtigen Philippe Starck designt, stockfinster und parfümiert, also extrem cool. Die zirka 14 Quadratmeter große Suite für lockere 420 €/Tag ist NYC-Standard, das WLAN ist inkludiert, aber naturgemäß kein Frühstück.

Wir schleppen uns durch den sonnigen und heißen Nachmittag und gehen nach einem erfrischenden ersten Bier ins Restaurant „Esca", eine gut gemeinte Empfehlung von unseren lieben Freunden Joachim und Thomas. Ein schöner Sitzgarten mitten im Getriebe des Theaterviertels, sehr relaxte Stimmung, aber leider ein Fischspezialitäten-Lokal: Wir ordern als „special" Spaghetti mit Tomatensauce, der Chef des Hauses akzeptiert unseren banalen Speisewunsch und wir genießen den ersten Abend in NYC (402 W 43 St, www.esca-nyc.com).

Das nicht inkludierte Frühstück nehmen wir (ersatzweise) in einer französischen Brasserie gegenüber unseres Hotels ein: klassisch amerikanisch, ein pappiges, Croissant-ähnliches Teil, plattgedrückt aus dem Burger-Waffeleisen, readymade Orange Juice und dünner Kaffee, alles zusammen für günstige 32 US-$, beim aktuellen Kurs zirka 30 €.

Der erste Weg führt uns ins neue „Whitney Museum" in Downtown (99 Gansevoort St), eröffnet im Mai 2015, ein Paradebau des italienischen Star-Architekten Renzo Piano (weitere Meilensteine des Meisters: Centre Pompidou, Paris; Daimler-Center, Berlin; Sammlung Beyeler, Riehen): Dieser Renommierbau ist „nur" dreimal so teuer geworden wie geplant, ein großartiges Stück moderner Architektur. Die gebuchten Tickets erlauben uns den sofortigen Zutritt. Eher selten für ein Museum: Wir gehen erst mal in das oberste Stockwerk rauf, um von einer der zahlreichen Terrassen die Aussicht auf Downtown zu genießen: Hier kämpft, wie auch auf allen anderen Stockwerken, die Kunst im lichtdurchfluteten Museum mit der aufregenden Umgebung, NYC von oben und auf Distanz, atemberaubend schön.

Whitney Museum

Highline-Park

Die laufende Eröffnungsausstellung „America is hard to see" erweist sich als „a little bit of everything", wer will, findet einige gute Stücke unter den rund 600 Werken aus dem unerschöpflichen Fundus des „Museum of Modern Art" (MOMA). Erschöpft enden wir im Museums-Restaurant „Untitled", eine hippe Bude, „a must at the moment" (www.untitledatthewhitney.com, Reservierung empfohlen). Leicht irritiert reagieren wir allerdings auf unsere Tischnachbarn, da eine Dame(?) der anderen ein Geburtstagsgeschenk mitgebracht hat, eine Art seidener Schlüpfer/Negligé, dessen Qualität gleich zwischen den Tellern demonstriert und ausführlich erörtert wird: Wie weit ist es mit der berühmten Prüderie in den USA gekommen? Verkommen. Hinweis: Im 8. Stock des Museums befindet sich das „Studio Cafe" mit Terrasse, das eine Alternative zu sein scheint, Ausblick inklusive.

Das „Whitney Museum" steht direkt am Beginn/Ende des ebenfalls kürzlich fertiggestellten „Highline-Park", einer stillgelegten Hochbahnstrecke von 2,33 Kilometer, die bis zur 34th Street nach Norden führt (www.thehighline.org). Ein traumhaft schöner Spaziergang mit großartigen Ein- und Ausblicken steht daher auf dem Folgeprogramm, ein weiteres neues „Muss" für NYC-Besucher. Nach der Absolvierung gefühlter 35 Blocks gibt's eine Pause, bis wir uns um 19 Uhr im eiskalten, finsteren Foyer des Hotels mit unserem Neffen Grégoire (aus dem französischen Macon) und dessen Partner Clément treffen: Die beiden sind seit zwei Wochen in NYC, um ihr Design-/Kunststudium um ein Praktikum zu bereichern. Grégoire wird in den nächsten vier Monaten dem berühmten amerikanischen Videokünstler Mathew Barney assistieren. Wir laden die beiden Franzosen in die Traditionskneipe „Chez Josephine" ein (414 W 42nd St). Hinter dem Namen verbirgt sich ein wunderschönes Lokal, das von Jean-Claude, dem jüngsten der zahlreichen Adoptivsöhne von Josephine Baker (die Schwarze mit dem Bananenröckchen), seit über 25 Jahren betrieben wurde: Mit Bedauern müssen wir heute nämlich erfahren, dass sich der 71-Jährige vor sechs Monaten das Leben genommen hat. Wir verbringen einen trotzdem amüsanten Abend mit den beiden engagierten jungen „Künstlern". Sie leben in dem aktuell angesagten Williamsburg oberhalb Brooklyn, jenseits des East River, und waren erst zweimal in Manhattan. Wir begleiten sie anschließend zur U-Bahn und nehmen noch einen Absacker im Traditions-Gay-Club „Therapy". „Klappe zu" für uns vor 24 Uhr.

Den zweiten Frühstücksversuch starten wir im Café „Europa", halber Preis im Vergleich zum Vortag, auch nicht schlechter. Anschließend geht's rüber zum MOMA („Museum of Modern Art") in der Nachbarschaft, online reservierte Tickets auch hier – empfehlenswert –, und schon stehen wir vor vielen Meisterwerken der klassischen Moderne: Alles findet sich, nur wieder einmal kein Werk des von uns so verehrten Sam Francis; seine Werke schlummern wohl behütet im MOMA-Archiv einer ungewissen Verwendung entgegen. Um 12.30 Uhr gehen wir etwas vor der reservierten Zeit in das museumseigene Restaurant „The Modern" – ein Highlight jedes NYC-Besuchs (9 W 53 St). Dabei ist unbedingt (und rechtzeitig) ein Tisch im „Diningroom" zu buchen, an der Bar ist's finster und quirlig, kein Vergleich zu dem relaxten Genießen im Restaurant mit Blick auf den Skulpturengarten und „some happy few", die, dort draußen sitzend, ihren Lunch lieber aus der Pappkiste samt „Coffee to go" nehmen.

Die Fahrt zum Central Park klappt allerdings nur mit Hindernissen, denn es gefällt Papst Francis (aus Rom), dem „Big Apple" gerade den ersten Besuch in seinem Leben wie Pontifikat abzustatten, und zwar im Moment gerade verbunden mit einer Messe im Central Park. Wir sind also unfreiwillig Zaungäste, als er in seinem cremefarbenen, mit der Papst-Standarte geschmückten Fiat 500, umzingelt von schwarzen Security-Monsterlimos, dorthin rast, „blessing for free" sozusagen für uns. Wir sind auf dem Weg zu zwei Galerien in Sachen des anderen, des Künstlers Francis (Sam), zwei sehr schöne Arbeiten werden uns gezeigt. Deren im vielstellgen Bereich liegende „Schnäppchenpreise" machen uns die Entscheidung leicht, besser unbereichert von Kunst und nicht entreichert an Cash abzuziehen.

Solchermaßen von höchster Stelle gesegnet und beseelt geht's zum (verspäteten) Mittagsschlaf. Am frühen Abend starten wir dann Richtung Christopher Street, um einen Apéro in der Bar „Monsters" (2 for 1) zu nehmen, eine der ältesten Gay-Bars in town seit dem Stonewall-Aufstand 1969: Fast alle Gründungsmitglieder scheinen anwesend zu sein. Anschließend lassen wir uns einen lustigen Asiaten empfehlen, „Café Asean": Unter Studenten sitzend, genießen wir das Essen und die Atmosphäre im bunten Viertel. Ein Besuch in einer, zuletzt in unseren Jugendjahren besuchten, Gogo-Dancer-Bar beweist, dass nicht nur wir „geaged" sind: Ein leicht adipöser Senior-Dancer müht sich ab, ohne die Aufmerksamkeit (und die üblichen Dollarscheine) auf und an sich ziehen zu können. Erfrischend ist allein die diskriminierungsfreie und unvermeidliche „Adults only"-Ausweiskontrolle am Bar-Einlass, die uns Alte wie Teenager fühlen lässt.

Neuer Tower

Das schöne Wetter hält auch am dritten NYC-Tag noch an, allerdings sinken die Temperaturen etwas. Wir fahren zum „Ground Zero-9/11 Memorial", das nach 14 Jahren (9/11/2001) weitestgehend fertiggestellt ist. Der neue Tower von US-Star-Architekt Daniel Libeskind ragt als Unikat strahlend in den Himmel und die beiden großen wannenartigen, in scheinbar unendliche Tiefe reichenden Brunnenbecken, die anstelle der alten WTC-Twin-Towers in Originalgröße auf deren jeweiligen Grundrissen erbaut wurden, sind mehr als beeindruckend. Die Atmosphäre bleibt dennoch beklemmend, im Hintergrund schwingt eine adlerförmige Figur über allem, eine Kreation des spanischen Super-Architekten Santiago Calatrava (der mit den unbegehbaren Glasbrücken in Bilbao, s. Band II, S. → f.). Sein Gesamtwerk ist noch nicht abgeschlossen, aber jetzt schon zigmal teurer als geplant; zudem hat man auf die im Konzept vorgesehenen, mechanisch bewegten Adlerschwingen zugunsten einer Festkonstruktion verzichtet, sonst wären die Kosten wohl ins Unermessliche gestiegen, Calatrava sei Dank!

Ground Zero-9/11 Memorial

Auf unserem Weg nach Soho kommen wir zufällig am jüngst hier wiedereröffneten „Leslie+Lohman Museum of Gay and Lesbian Art" (26 Wooster St, www.leslielohman.org) vorbei, nur ein Raum, aber historisch recht interessant. Wir nehmen altbewährte Fährten auf, lassen uns zur Grand Central Station in Midtown chauffieren und genießen einen gepflegten Business-Lunch, nicht in der berühmten „Oyster-Bar", sondern bei „Michael Jordan's" auf der Empore im Hauptsaal des großartigen Beaux-Arts-Bahnhofs hinter dem MetLife-Gebäude (23 Vanderbilt).

Die Stadt hat zwar inzwischen den Papst überlebt, aber die diplomatischen Vertreter und führenden Köpfe von 103 Nationen wurden blöderweise ebenfalls heute zur 70. UNO-Vollversammlung eingeladen, einschließlich Angela, Putin und Obama. Mehr geht in dieser Stadt nicht, damit nichts mehr geht: und wir mal wieder mitten drin und dabei. Ein „Macy's"-Besuch bringt keine neuen berichtenswerten Highlights, wir marschieren erneut per pedes nach Soho und entdecken ein chinesisches Restaurant: „Grand Sichuan Eastern" (172 W 8th Ave, www.grandsichuanny.com), kein Chi-chi, aber super Küche, von einem in der Schweiz aufgewachsenen, gut aussehenden chinesischen Jungunternehmer jüngst eröffnet, grüezi. Der angesagte „Atlas Social Club" ist unser späteres Ziel (Mitbesitzer: TV-Anchorman Anderson Cooper). Irgendwie kommt uns der dort aktive Gogo-Dancer bereits vom Vorabend bekannt vor ... wir wechseln ins „Therapy" – der „Adults-only"-Türsteher versichert uns augenzwinkernd, er habe überhaupt nicht auf das Geburtsdatum gesehen – und beenden damit einen weiteren langen Tag.

Einschiffung „Queen Mary 2" – die Erste

Alles ist gepackt und nach einem weiteren Frühstücksversuch in einem „Gourmet Deli" – details are not to mention – kaufen wir dann doch noch wenigstens ultraleichte Daunenjacken für den anstehenden Ausflug nordwärts und suchen ein Taxi, das uns samt Überseegepäck in den Hafen von Brooklyn bringen kann. Dort wartet die dicke „Mary" schon seit den Morgenstunden. Die Anfahrt dauert – dank UNO-Verkehr – eine geschlagene Stunde, das Check-in dagegen nur zehn Minuten und schon stehen wir in der, erst im vergangenen Mai von uns zuletzt geräumten, Suite 10066 auf Deck 10. Eine strahlende Room-Stewardess Melissa begrüßt uns: „Welcome back." Unser bereits auf der letzten Reise (Kapstadt-Southampton, Band I, S. → ff.) bei Maître D' Attila bestellter Restaurant-Zweiertisch am Fenster steht bereit. Die „Sail Away"-Party bringt indes keine neuen Erkenntnisse, wir treffen allerdings auf einen alten Bekannten (und Kapstadt-Liebhaber), der seine mopsfidele Mutter zu deren 75. Geburtstag auf die Passage NYC-Quebec eingeladen hat. Auch die Abendessen-Premiere gelingt erstaunlicherweise, ansonsten „dodelt" das Schiff wieder bereits ab 22.30 Uhr in gewohnter Weise.

Der nächste Tag beginnt mit strahlender Sonne, um die Mittagszeit herrscht dann fast schon karibische Hitze: Ein Sonnenbad nach dem Mittagessen ist wegen zu intensiver Sonneneinstrahlung nicht möglich. Wir segeln die US-amerikanische Küste hoch.

Bar Harbor/USA

Nachdem sich die Nebelschwaden des Morgens gelegt haben über dem eiskalten, daher hummergefüllten Golf von Maine, starten wir tendernd über eine romantische Bucht am Rande des „Acadia National Park" in den kleinen Küstenort, den allein eine konkurrenzlose Ansammlung von Hummer-Lokalen auszeichnet. Streng nach Anweisung im heutigen Cunard-Tagesprogramm („Nehmen Sie einen Personalausweis an Land und decken Sie sich rechtzeitig mit kanadischen Dollars ein!") folgen wir blind und gedankenlos dieser Handreichung der Experten und ziehen mit unserer Kreditkarte Bargeld am nächstbesten „First National-Bank"-ATM. Und was kommt zu unserer vollkommenen Verblüffung heraus: weitere US-$ statt der erhofften kanadischen Version ... Pause, langsames Hochfahren der verbliebenen Gehirnmasse: Könnte es sein, dass wir noch in den USA sind? Ist wohl so, Maine ist immer noch ein Bundesstaat der USA, wie wir uns widerwillig eingestehen müssen: Wir haben die (unsichtbaren) Lacher auf unserer Seite. Weltreisende wollen wir sein, wie Dorfdeppen fühlen wir uns momentan. Dessen unverdrossen steuern wir standortbedingt das nächsterreichbare küstennahe Lobster-Lokal an („Stewman's Lobster Pound", www.stewmanslobsterpound.com) und ordern fachmännisch „Lazy Lobster".

Diese Variante findet sich zwar nicht auf der angebotenen Speisekarte, ist vor Ort aber immer „available": Es handelt sich dabei um einen „deshelled", also gestrippten, Hummer für 5 US-$ Aufschlag. Er garantiert allein ein weiter unverkleckertes, sauberes Hemd und keine Möglichkeit, sich anlässlich der Hummer-Knackerei dem allgemeinen Gelächter auszusetzen; dazu unvermeidlich, weil alternativlos, eine Flasche amerikanischen „Stags Leap Chardonnay" (14,5 %). Anschließend fahren wir mit dem Tender direkt ins Bett. Alle Sehenswürdigkeiten an diesem (definitiv) amerikanischen Flecken Erde sind abgehakt und abgehandelt.

St. John/Kanada

Kapitän Christopher Wells glockenklarer wie schneidender Tenor weckt uns mit den Worten „I apologize ..." auf und wir ahnen, was passieren wird: „We will miss the port of St. John/New Brunswick caused by low waters, have a nice unexpected sea day." Ist ja kein Drama, der Spot wäre zwar auf der ganzen Strecke der einzige Hafen für uns gewesen, den wir noch nicht kennengelernt haben: Tagsüber wird uns dann so vielfach wie vertrauensvoll versichert, wir hätten nichts, aber auch gar nichts versäumt – gut zu wissen. Auch diese Erfahrung spricht einmal mehr ganz offensichtlich für vollkommen hafenferne Kreuzfahrten – ein neuer Trend? Also dampfern wir wieder raus aus der „Bay of Fundy", aus dem innerhalb 12 Stunden 150 Milliarden Liter Seewasser raus- und wieder reinfließen, der Tidenhub beträgt weltrekordverdächtige 12 bis 15 Meter.

Der aktuelle „Blutmond" wird schnell als Schuldiger ausgemacht für die Supertiden, die uns den Hafen (und dessen Besichtigung) wegen zu niedrigem Wasser verweigert haben. Dafür fällt am Nachmittag – schon zum zweiten Mal – an Bord die gesamte Stromversorgung aus. Ganz offensichtlich wird es Zeit, dass die alternde Dame „Mary" auf's Trockendock kommt. Das ist erst für das kommende Frühjahr gebucht. Später kommt die weniger beruhigende Meldung, dass „three energy-engines are working at full power". Das aber heißt doch bei genauerer Betrachtung: Eine hat den Geist aufgegeben. Noch ist aber der Champagner Veuve Clicquot in der gleichnamigen Schiffsbar kalt. Außerdem sind die „Titanic"-Eisberge als kühlender Ersatz ja fast in Rufweite, wenn uns unsere historischen wie geografischen Kenntnisse nicht völlig im Stich lassen.

Halifax/Kanada

Dudelsack-Gepfeife weckt uns auf das Unangenehmste auf: na ja, Nova Scotia, das neue Schottland, eben. Und bald später, heute eher zögerlich, taucht der Kapitän Wells wieder akustisch auf, der uns so schonend wie möglich beibringen will, dass es in Strömen schüttet. Manchem Innenkabinen-Bewohner mag das bis zu diesem Zeitpunkt doch tatsächlich noch verborgen geblieben sein. Im Laufe des Tages soll es nach den vorliegenden Wetterberichten noch schlechter werden.

Das feuchte und düstere Wetter erscheint ideal, um die 121 „Titanic"-Toten auf dem Heldenfriedhof von Halifax zu besuchen, die sowieso nahezu das einzige touristische Highlight in diesem 380.000-(lebenden)-Seelen-Dorf sind. Dennoch rauschen während des Frühstücks, soweit durch den Regenvorhang überhaupt ersichtlich, noch Silver Sea's „Silver Wind" und Crystal's „Symphony" sowie Holland America's „Nordam" in den „World War II"-Kriegshafen ein. Wir bleiben unter Dach und in Sicherheit, den kleinen Küstenort Peggy's Cove, eine Stunde außerhalb von Halifax, haben wir schon früher einmal besichtigt – und das bei schönem Wetter.

Québec/Kanada

Bei strahlender Sonne geht es den Rive Laurent hinauf, etwas Indian Summer ist erkennbar, aber noch nicht die volle Pracht, wie man sie aus dem Prospekt zu kennen glaubt.

Die stets romantische Einfahrt in den Hafen der malerisch gelegenen Stadt Québec ist großartig. Allerdings lümmelt ein alter Cruisedampfer der Norwegian Line, „Norwegian Dawn", an „unserem" Pier direkt vor dem Hauptplatz. Wir bekommen nur die vordere Ecke – und müssen nach ein paar Stunden ärschlings nach hinten rutschen in die richtige, allein angemessene Position unterhalb des Chateau. Während des Anlandens gibt unsere Canon-Kamera den Geist auf, also bleibt das weitere Entree unbebildert.

Für uns erstmals, sind mehrere Hundert Québecoiser am Quai auszumachen. Allerdings nicht wegen uns persönlich. Vielmehr identifizieren sich die Frankokanadier, die man unter ihnen mehrheitlich vermuten darf, immer noch lebhaft mit der in St. Nazaire/Frankreich gebauten QM2, „ihrem Schiff": Ist ja auch unseres Wissens das einzige französische, welches noch transatlantisch aktiv über die Weltmeere schwimmt und nicht endgültig Bodenberührung genommen hat. Wir brechen nach einem (mäßigen) Bord-Mittagessen auf, das uns mal wieder einen abgestrippten Burger zum Hauptgang beschert hat (Waiter Richard, auf den Punkt bringend, aber am Thema vorbei: „Warum bestellen Sie sich auch so einen Mist?").

Der Verdauungs-Spaziergang führt uns durch das alte Viertel von Québec, wunderschön, eiskalt und mit Zehntausenden von Touristen gesegnet. Es gibt im ganzen „Vieux Québec" nur touristische Ramschläden und Fressburgen aller Couleur, und durch die Gassen geht's zumindest an diesem sonnigen Herbstsonntag Drosselgassen-mäßig im Schritttempo – grausig, wir kehren zügig wieder zur „Mary" zurück.

Unser First-Class-Gepäck, ordnungsgemäß verpackt und separiert, ist indes bereits auf dem Weg in die Hundekäfige auf dem Topdeck des Oceanliners. Diese „Kennels" bleiben außerhalb der Transatlantik-Fahrten ungenutzt, so dass unser in den nächsten Tagen nicht benötigtes Gepäck eben dort neben der Pinkellaterne (britisch) und dem Erleichterungshydranten (US-amerikanisch) zwischengelagert werden kann (s. unten, S. →).

Einem eigenem Programm folgend, werden wir von heute an, trampermäßig mit leichtem Sturmgepäck in Form von zwei kleinen Rollkoffern, in den nächsten sieben Tagen im Osten von Kanada bleiben. Wir verabschieden liebe Freunde und vertrösten untröstliche Staff-Member auf nächsten Sonntag, wenn wir wieder in New York City zusteigen werden, um mit unseren Jubiläumsfreunden Annabell & Speedo – und überfiüssigerweise mit Ex-Minister Norbert Blüm („Meine Rente ist sicher") – das von Cunard für die dann anstehende „West-East-Passage" ausgeschriebene Event „25 years of the German Reunification" zu feiern.

Wir lassen es an diesem sonnigen Tag, Ausstiegstag für immerhin über 700 Cunard-Gäste, langsam angehen, denn unser Zug nach Montréal startet erst um die Mittagszeit. Wir schlendern gemütlich und mit unseren kleinen Handgepäck-Trolleys gegen 10 Uhr von Bord, lassen uns zum traumhaft schönen alten Bahnhof Québec bringen, um dort das Handgepäck zwischenzulagern. Per pedes geht es zurück in die Stadt: schöne Häuser, aber etwas hinter die Kulissen geblickt, bietet sich eine eher ärmliche Ambiente, alle Stromkabel baumeln in der Luft – wie in Manhattan –, die Häuser sind überwiegend primitivster Bauart. Wie es sich da bei Minus-Temperaturen gemütlich leben lässt, bleibt uns verschlossen. Wie eine sterbende Schönheit erscheint uns diese Stadt, um die sich ganz offensichtlich seit 100 Jahren niemand politisch Verantwortlicher mit Finanzmitteln und neuen Ideen gekümmert hat – eigentlich Dritte Welt in Neuengland.

Montréal/Kanada

Ein letzter Höhepunkt bietet sich uns an, der „Marché du vieux port", auch am Sonntag in vollem Betrieb: wunderschöne Bauernmarktstände, die mit polierten Früchten und manikürtem Gemüse zum sofortigen Einkauf einladen. Optisch solchermaßen aufgefrischt, geht es pünktlich mit dem reservierten, proppenvollen VIA Rail Canada, First Class, reduced senior price (> 60 years), aus Québec raus. Eine dreistündige Traumfahrt beginnt: Ein voller Bilderbuch-Indian Summer ist jetzt zu bewundern, eine wunderschöne Landschaft. Zu unserem Vergnügen werden sofort nach dem Start Aperitif-Drinks serviert, dann ein erstklassiges Essen (Chinese spicy chicken salad) und guter Chardonnay-Wein (13,5 %), von einem strahlenden Waiter Lesley à gogo offeriert, was will man an einem solchen Sonntag mehr ... Montréal wartet – hoffentlich! Das von uns ausgewählte W-Hotel soll direkt gegenüber dem Hauptbahnhof und nicht weit vom „vieux village" liegen.

Nach der Ankunft fahren wir mit dem Taxi einmal um den Block, weil wir mit der genauen Straßenführung noch nicht vertraut sind: Freundlichst begrüßt beziehen wir ein traumhaft schönes, großes Zimmer mit Blick auf den Victoria Park samt Statue einer (seinerzeit) extrem magersüchtigen Victoria, offensichtlich noch sehr am Anfang ihrer über 60-jährigen Regentschaft stehend. In Sydney konnten wir schon mal die spätere, gewichtige Ausgabe von ihr als Denkmal besichtigen, die die Stadt Tonnen an Eisen gekostet haben mag. Nach kurzer Zimmer-Besetzung fahren wir in das zirka drei Kilometer vom Hotelstandort entfernte „Gay Village": Dessen Population soll – wie wir später aus berufenem Munde erfahren – zu 40 % „originally gay" sein, wie immer man das erhoben haben mag.

Uns präsentiert sich eine ziemlich abgerissene Gegend, viele Kneipen sind geschlossen und vernagelt, das Publikum ähnelt dieser Situation auf zwei Beinen. Wir nehmen ein Bier im „Aigle Noir" und erinnern uns an vergleichbare Absturzkneipen in Upper Sydney. Alle „Restaurants" sind abgespeckte Varianten von McDonald's, meist leer und abschreckend schon auf den ersten Blick. Wir nehmen ein Taxi in die Altstadt zurück, vielleicht ist ja der Sonntagabend auch in Montréal ein besonders toter Tag.

Wir finden (auf Empfehlung eines Lokalchefs, der eine geschlossene Gesellschaft hatte, sein Laden sieht aber gut traditionell aus: „Chez Queux", 158, rue Saint-Paul Est) ein sehr einladendes Restaurant, „Chez L'Epicier No. 311": Das ist proppenvoll und dennoch bekommen wir einen Zweiertisch. Nettes, allerdings etwas unorganisiertes Personal kümmert sich um uns, die Vorspeisen sind sehr gut, der Wein auch, das Lokal besticht durch eine Mischung aus Kramladen, Weinhandlung und luftigem Kellerlokal, aber in einem Zwischengeschoss. Leider kommt Martins Entenvariation – schön zum Anschauen – eiskalt aus der Küche, Teller wie Gericht. Geht in die Küche zurück, kommt fast identisch zurück, nichts mehr zu machen, das Gericht wird nicht berechnet, die Stimmung leidet. Dennoch: Das Lokal, das wir auch später sogar als „Insidertipp" in unserem deutschen Kanada-Führer finden, ist einen Besuch wert, die Küche kann wohl auch gut sein, wir hatten offensichtlich irreparables Pech (311, rue Saint-Paul Est, www.chezlepicier.com). Ein Glas Pinot Noir in der Hotelbar und wir tauchen ab „en rêve au Montréal".

Strahlende Sonne auch am nächsten Montréal-Tag, wir aber wollen und müssen uns erst um unsere total blockierte Kamera kümmern: Im dafür empfohlenen „Eaton Centre" hilft uns keiner, wir kaufen kurz entschlossen im nächsten Elektronikladen das Canon-Nachfolgermodell „Powershot 350". Erst später stellen wir überrascht fest, dass es sich dabei um ein exklusiv in Kanada vertriebenes Exemplar handelt, mit US-Steckern und englischer Anleitung. „Wir sind doch auch oft in diesem Strom- und Sprachraum", tröstet Manuel über die begrenzte Einsatzmöglichkeit des neuen Bilderfängers hinweg.

Wir versuchen den „Hop-On Hop-Off"-Bus zu erreichen, der allerdings bereits „complét" ist bei unserer Station, also geht's zu Fuß weiter durch das Theaterviertel Montréals. Einen zweiten Einstiegsversuch unternehmen wir (erfolglos) am Stopppunkt „Musée des Beaux Arts" (seinerseits geschlossen, Montag). Als Alternative zu weiteren Platzierungsanläufen fällt uns doch sofort ein Glas Veuve Clicquot im „L'Autre Saison" (2137, rue Crecent, www.lautresaison.com)ein, unseren QM2-Brauch gegen 12.30 Uhr aufgreifend. Für ein Mittagessen sind die Angebote in der vielversprechenden Speisekarte dieses sehr schönen Lokals eindeutig zu „gewichtig". Wir ziehen weiter und machen wieder die Erfahrung, dass der durchschnittliche Montréaler offensichtlich ein Fastfood-Fan ist, seine frankophone Vergangenheit hat er wohl erfolgreich weitestgehend verdrängt. Dennoch gelingt es uns dann doch noch, ein sehr nettes Bistro zu finden, „La Société" – allerdings gehört es zum „Loew's Hotel", wir sind wieder ausgesöhnt mit den französischen Wurzeln (1415, rue de la Montagne, www.lasociete.ca).

Am späteren Nachmittag machen wir einen zweiten Versuch, im „Village" Bemerkenswertes zu entdecken. Der Ort wirkt etwas freundlicher an diesem Werktag, aber eine Gegend zum Bummeln und Verweilen ist's nicht. Wir haben einen Tisch reserviert im „Holder" (Nr. 60 von über 4000 bei TripAdvisor empfohlenen Lokalen), bekommen den schönsten Tisch am Fenster und genießen einen großartigen Abend mit ebensolchem Essen und kompetenter, gut aussehender Bedienung, ein Erlebnis (407, rue McGill). Ein Absacker in der nahe gelegenen „Hambar", Dutzende von ganzen Parmaschinken hängen im Fenster und werden auch serviert, originell (355, rue McGill, www.hambar.ca).

Nach einem (echten) französischen Croissant-Frühstück passieren wir am dritten Tag in Montréal das „Palais de Congrés", eine etwas eigenartige Mischung aus alten Fassaden und neuen Betonbauten, auf dem Weg zum Place d'Armes, um den City-Pendelbus unmittelbar am Start zu entern. Wir lassen uns zwei Stunden auf dem offenen Oberdeck, mal mehr, mal weniger fröstelnd, durch die wunderschöne Stadt schaukeln und passieren vielfache Rekorde: größte französische Stadt außerhalb Frankreichs; größte Universität in Nordamerika (84.000 Studenten), größter Friedhof (über 900.000 Tote, jedes Jahr kommen 60.000 dazu), und: die meisten „Titanic"-Toten (22) nach Halifax. Wenn die Passagiere der Jungfernfahrt gewusst hätten, dass sie post mortem zur City-Sehenswürdigkeit in gleich zwei Städten mutieren, wäre ihnen vielleicht wohler gewesen beim Abtauchen. Am Endpunkt der Doppeldeckerbus-Rundreise (Square Dorchester) kehren wir in eine traumhaft schöne Kneipe „Balsam Inn" ein (1237, rue Metcalfe, www.lebalsaminn.com); unmittelbar daneben liegt eine weitere schöne Kneipe („Domian", 1235 rue Metcalfe).

Hôtel de Ville, Montreal

Wir gehen zur „Basilique Notre-Dame de Montréal", ein gigantischer Bau, innen schwer verkitscht und als neugotisches Wunderwerk sehr stark an König Ludwig des Zweiten endwahnhafte Konstruktionen erinnernd.

Vor dem Abendessen versuchen wir es nochmals – mehr aus Solidarität als aus Überzeugung – im „Village", dann lassen wir uns in das Restaurant „Le Mas des Oliviers" im gesetzten Theaterviertel der Stadt bringen. Eine nette, aber fast leere französische Bistro-Kneipe gehobenen Niveaus. Das Essen ist in Ordnung, keine besonderen Vorkommnisse, weder nach oben noch nach unten. Die erste Flasche, Givry Rouge 2012, korkt, die zweite, ein Mercurey Rouge 2012 des „Chateau de Chamirey", überzeugt. Zum Abschluss besuchen wir eine der vormals berühmten Bars „avec des danseurs nu", „Stock" (1171, rue Ste-Catherine Est, men only), eine der letzten französischen Frivolitäten, die sich unter nordamerikanischem Einfluss doch noch gehalten haben.

Toronto/Kanada

Am Morgen räumen wir das außergewöhnlich schöne Hotelzimmer und verabschieden uns von dem freundlichen und hilfsbereiten Personal. Das Hotel zeichnet eine perfekte Lage mitten in der Stadt aus, endlich können wir mal etwas Positives über ein „W-Hotel" berichten, dessen finsterste Variante („W-Retreat") wir 2014 auf Koh Samui kennenlernen mussten. Um die Mittagszeit verlässt mit uns an Bord ein weiterer, nagelneuer „VIA Train" den Hauptbahnhof von Montréal in Richtung Toronto. Perfekter First-Class-Service (identisches Menü, weit besser als die übliche Lufthansa-Versorgung), wie bereits gewohnt. Bei „free Wifi" besteht im Zug keine Schwierigkeit, den Reisebericht fortzuschreiben, Zeitung zu lesen und Toronto vorzubereiten. Der „Indian Summer" zieht an uns vorbei und wir fangen unweigerlich zu träumen an.

Ein deutlich wärmeres und sehr sonniges Toronto mit einer atemberaubenden Häuserkulisse begrüßt uns. Nach einem kurzen Irrweg per Taxi finden wir zum „Le Germain"-Hotel downtown (30, Mercer St). Ein schönes großes Zimmer erwartet uns, wieder mit einer verglasten Dusche im Raum, offensichtlich war hier ein ähnlich denkender Architekt wie im W-Hotel/Montréal zugange. Wir sortieren uns und haben schon während der Zugfahrt in einem Kanada-Führer für das Abendessen einen Thailänder ausgewählt: „Golden Thai", ein paar Blocks und somit fußläufig von unserem Hotel entfernt (105 Church St, at Richmond).

Toronto-Impressionen

Eine erste Orientierung findet statt, anschließend besuchen wir zu vorgerückter Stunde die „Men of steel", einen Club, der allerdings auch Ladys offensteht. Bevor wir uns sortiert haben, sitzen wir mitten in einer Schulklasse deutlich gealterter, schwergewichtiger Teenies, jedenfalls ihrem Kreischen und pubertären Gekicher nach zu schließen, die sich die „Steel Men" wohl als Abschluss eines alkoholreichen „Mädchenabends" geleistet und gewagt haben – wir ziehen ab und weiter.

Die Szene-Strasse Church Street bietet zwar einiges an Bars und Kneipen, aber überall herrscht die gleiche gelangweilte und tote Stimmung, ab 22 Uhr ist alles im doppelten Sinn des Wortes leergefegt. Wir ziehen weiter in eine angesagte Weinbar, „Reds" (382 Yonge St, www.redsrestaurants.com), deren „Intimität" gekrönt wird durch fünf Mega-TV-Screens, auf denen Eishockey, der kanadische Nationalsport, gespielt wird ... etwas aus der Saison gefallen, scheint uns, und wir frösteln bei unserem Pinot Noir Burgundy 2012.

Der zweite Tag in Toronto begrüßt uns mit strahlender Sonne, aber kälter. Wir eilen zur nahegelegenen „Hop-On Hop-Off-Station, der Bus kommt gerade an und wir kapern erfolgreich das offene Oberdeck, an der nächsten Station ist für den Bus erst einmal 15 Minuten Pause. Dann aber geht es an den Highlights der Stadt vorbei, alles das Größte, Höchste, Längste und Beste, ohne Superlative geht es offensichtlich in keiner nordamerikanischen Stadt: Beim größten Schuhmuseum der Welt, Bata Museum uptown, kündigen wir die Gefolgschaft, das letzte Größte seiner Art haben wir gerade in Manila angepriesen bekommen, wo Imeldas 3.000 Paar Schuhe aus ihrer Regierungszeit präsentiert werden. Auch die längste Straße der Welt, Yonge Street, die angeblich bis Miami gehen soll, sollte hinsichtlich deren ausschließlich kanadischer Zurechnung nochmals vom „touristic board" überprüft werden – meinen wir.

Wir schaffen es fast auf die Minute zum gebuchten Lunch im 54. Stockwerk des „TD Bank Tower", ins „Canoe": Hier ist der großartige Blick über die Stadt berühmt, ein perfekter Lunch und ein netter Service führen zu einem weiteren Highlight: „highly recommended for lunch". Mittags kann man das Vergnügen auch noch bezahlen (66 Wellington St W., www.oliverbonacini.com). Wir sitzen u. a. fast auf Augenhöhe mit dem berühmten Wahrzeichen der Stadt, dem 1980 gebauten CN-Tower, den Manuel auf seiner Studienreise 1983 bestiegen und dessen Glasboden im x-ten Stock er noch mit jugendlichem Mut getestet hat.

Royal Ontario Museum

Wahrzeichen La Tour CN

Nach einer Pause wagen wir einen weiteren Marsch stadtaufwärts und legen eine Martini-Pause in der Bar ,,Byzantium" bei Bar-Chef Paul ein. Das Ziel am Abend ist das „Sassafraz", mit viktorianischer Kulisse, innen modern, aber nicht zu cool (100 Cumberland St, www.sassafraz.ca). Nach ordentlichen Appetizern kommen – da wir mal wieder um einen „slow service" gebeten hatten – stark abgekühlte Pasta bzw. Linsen aus der Küche auf den Tisch: Sie treten postwendend ihre Rückreise dahin an. Wir lernen langsam, dass „slow service" in Nordamerika bedeutet: Die Küche kocht unverändert alles Bestellte gleichzeitig und stellt dann den oder die noch nicht gewünschten Gänge einfach auf die Abruftheke. Der zweite Versuch gelingt deutlich besser, dafür sind die Portionen jetzt so groß geworden, als hätten wir eine zweite Mahlzeit zu überbrücken. „Poire Williams" heißt die Remedur. Heute besuchen wir anschließend das ,,Reds" downtown, etwas kleinere Flatscreens, die Heimhockey-Mannschaft hat nach 23 Jahren bereits das Auftaktspiel gerade vor wenigen Stunden im nahen Stadium versemmelt, die Stimmung ist entsprechend down, der Wein bietet auch kaum Anlass zum Verweilen. Für die Nächte erscheint uns die Stadt nicht gerade prämierungsverdächtig.

New York/USA