Über Rembrandt - Georg Simmel - E-Book

Über Rembrandt E-Book

Georg Simmel

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Beschreibung

Dieser Band enthält drei Rembrandt-Essays, die Simmel 1914 in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte. Inhalt: Rembrandts religiöse Kunst Rembrandt - Eine Studie Rembrandt und die Schönheit

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Über Rembrandt

Georg Simmel

Inhalt:

Georg Simmel – Biografie und Bibliografie

Rembrandts religiöse Kunst

Rembrandt – Eine Studie

Rembrandt und die Schönheit

Über Rembrandt, Georg Simmel

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849617516

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Georg Simmel – Biografie und Bibliografie

Geb. 1. März 1858 in Berlin, gest. 26. September 1918 in Straßburg.

S. verbindet die psychologisch-genetische, evolutionistische mit einer logisch-idealistischen, an Kant und Hegel orientierten, vielfach »dialektischen« Betrachtungs- und Denkweise. Das Erkennen enthält apriorische Faktoren, die aber (als Kategorien) eine Entwicklung durchmachen, nicht unverändert bleiben. Alle Formen und Methoden des Erkennens haben sich im Verlaufe der menschlichen Geistesgeschichte entwickelt und entwickeln sich weiter, so aber, daß das Erkennen eine formende, gesetzgebende Aktivität des Geistes bleibt, welche aus dem Chaos der Erlebnisse erst einen sinnvollen, verständlichen, einheitlichen Zusammenhang gestaltet. Die Kategorien usw. stammen aus »der dem Geiste eigenen Fähigkeit, zu verbinden, zu vereinheitlichen«, können aber als historische Gebilde die Totalität der Weltinhalte nie völlig adäquat aufnehmen. Das Ich hat die Funktion der Einheitsetzung, das Streben zur Einheit. Die Wahrheit ist, rein logisch, etwas Zeitloses, Absolutes, vom subjektiven Denken Unabhängiges, sie gehört dem »dritten Reich«, dem »Reich der ideellen Inhalte« an; diese Inhalte sind wahr, gleichviel ob sie gedacht werden oder nicht. Das Geistige bildet inhaltlich einen geschlossenen Zusammenhang, den unser individuelles Denken unvollkommen nachzeichnet. Die ideellen Inhalte sind nicht, sie gelten, sie sind nicht mit den psychologischen Vorgängen zu verwechseln. Anderseits hat die Wahrheit auch eine biologisch-evolutionistische Seite. Wahr sind hier jene Vorstellungen, die, als reale Kräfte in uns wirksam, »uns zu nützlichem Verhalten veranlassen« (vgl. James). Durch Selektion haben sich bestimmte Vorstellungen als wahr erhalten, nämlich jene, »die sich als Motive des zweckmäßigen, lebenfördernden Handelns erwiesen haben« (vgl. Nietzsche). »Die Nützlichkeit des Erkennens erzeugt zugleich für uns die Gegenstände des Erkennens.« Es gibt so viele prinzipielle »Wahrheiten«, als es verschiedene Organisationen und Lebensanforderungen gibt. Das Objektive und Wahre bedeutet die »gattungsmäßige Vorstellung«.

Auch in der Ethik verbindet S. die genetisch-relativistische Betrachtungsweise betreffs der empirischen Einzeltatsachen mit einem gewissen Apriorismus und Idealismus. So ist das Sollen etwas Ursprüngliches und Objektives, als eine Forderung, die mit der Sache selbst gegeben ist, als ein »in dem Verhältnis von Seele und Welt präformiertes Sollen, das einer besonderen, aber nicht weniger übersubjektiven Logik unterliegt, wie das Sein«. Unser Bewußtsein empfindet Forderungen an sich, die es durch den Willen realisieren kann. Das Sollen schlechthin ist eine »Urtatsache«, eine »ursprüngliche Kategorie«, mag auch der Inhalt des Sollens noch so wechseln und sozial-historisch bedingt sein. Tatsächlich sind es immer »historische Zustände der Gattung, die in dem Einzelnen zu triebhaftem Sollen werden«. Der »Wille der Gattung« kommt in uns zum Ausdruck, kündigt sich imperativisch an. Ein ungeheurer Teil der an uns gestellten Ansprüche ist sozialen Inhalts, ohne daß dadurch die Unbedingtheit des idealen Sollens überhaupt, die »innere Logik ideeller Ansprüche« beeinträchtigt wird. Das sittlich Gute besteht nicht im Anstreben des Glücks u. dgl. (gegen den Eudämonismus), sondern es ist eine »unmittelbare Qualität und Lebensform des Willensprozesses«. Etwas ist gut, weil und wofern es Inhalt eines an sich guten Willens ist. Die moralischen Imperative sind »Ausmündungen, Ausformungen, Substantialisierungen des guten Willens«. Die Sittlichkeit liegt nicht im Material des Willens, sondern in diesem selbst, in dessen Funktion. Das Ideal des sittlichen Verhaltens liegt im Unendlichen. Das Sollen kann sich an den verschiedensten Inhalten verwirklichen; die Einheit des Zieles ist nicht notwendig, es genügt die Einheit der psychologisch-ethischen Funktion, die den Zweck trägt. Ursprünglich ist das sozial Erforderte die Norm des Verhaltens der Einzelnen. Den »kategorischen Imperativ« Kants kritisiert S. nach der Richtung der Versöhnung des Individualismus mit der Allgemeinheit des Handelns. Das Gewissen ist nach S. gleichsam ein »rückwärts gewandter Instinkt«; es ist die.Lust oder Unlust der Gattung über die Tat, die in uns zum Ausdruck kommt. Der Altruismus ist ebenso primär wie der Egoismus, er ist »Gruppenegoismus«, ein vererbter Instinkt. Sehr oft. »machen die Motivierungen unserer Handlungen... an Punkten Halt, die völlig und definitiv außerhalb unser selbst liegen«. Auch enthält das Ich noch eine Fülle von Motiven außer dem »Glück«. – Die Freiheit des Willens bedeutet, daß sich der Charakter des Ich ungehindert im Wollen ausprägen kann, das Vermögen, das für uns wertvolle Wollen realisieren zu können. Freiheit ist »Selbstbestimmung«, sie ist zugleich, weil das Ich nur so sein kann, wie es ist, Notwendigkeit. Die Verantwortlichkeit ist nicht aus der Willensfreiheit abzuleiten, sondern umgekehrt: »Derjenige ist frei, den man mit Erfolg verantwortlich machen kann.« Zurechnungsfähig ist jemand, wenn die strafende Reaktion auf seine Tat bei ihm den Zweck: der Strafe erreicht.

Die Grundfrage der Geschichtsphilosophie ist die: wie ist Geschichte möglich? Geschichte ist nur durch Kategorien, apriorische Verbindungsformen möglich, sie ist kategorial verbreitete Wirklichkeit und daher hat die Geschichtsphilosophie die »Aprioritäten festzustellen und zu erörtern, durch welche aus dem Erleben... Geschichte als Wissenschaft wird«. Die Kompliziertheit des historischen Geschehens gestattet nicht die Aufstellung eigener historischer Gesetze, wenn auch das Historische auf (biologisch-psychologischen) Gesetzmäßigkeiten beruht. Das ganze Spiel der Geschichte ist die Folge, Erscheinung oder Synthese dieser primären Gesetzmäßigkeiten, geht aber nicht aus einem besonderen Gesetz hervor.

Die Soziologie ist die »Wissenschaft vom Gesellschaftlichen als solchen, von den Formen der Vergesellschaftung, von den Beziehungsformen der Menschen zueinander«. Die Soziologie ist keine Universalwissenschaft vom Menschen u. dgl., sondern eine besondere Methode; sie abstrahiert vom Inhalt des Gesellschaftlichen, achtet nur auf dieses, wie der Mathematiker etwa nur auf die geometrische Form, nicht auf das Material der Körper achtet. Die Soziologie, hat die »Kräfte, Beziehungen und Formen zum Gegenstand, durch die die Menschen sich vergesellschaften«, sie ist die »Lehre von dem Gesellschaft-Sein der Menschheit«. »Gesellschaft im weitesten Sinne ist offenbar da vorhanden, wo mehrere Individuen in Wechselwirkung treten. Die besonderen Ursachen und Zwecke, ohne die natürlich nie eine Vergesellschaftung erfolgt, bilden gewissermaßen den Körper, das Material des sozialen Prozesses; daß der Erfolg dieser Ursachen, die Förderung dieser Zwecke gerade eine Wechselwirkung, eine Vergesellschaftung unter den Trägern hervorruft, das ist die Form, in die jene Inhalte sich kleiden.« Solche Formen sind Über- und Unterordnung, Konkurrenz, Arbeitsteilung usw.; wichtig sind besonders auch die kleinen, flüchtigen Wechselwirkungen von Person zu Person. Die sozialen Verbindungen erwachsen aus bestimmten Trieben oder Willenstendenzen (Zielen), sind etwas Psychisches, aber nichts Psychologisches, denn die Soziologie hat es nicht mit psychologischen Vorgängen, sondern mit Inhalten solcher zu tun, mit Kombinationen soziologischer Kategorien, mit etwas Sachlichem. Es gibt keinen Gesamtgeist, wohl aber eine seelische Beeinflussung der Individuen durch ihre Vergesellschaftung. In der Gesellschaft herrscht Arbeitsteilung und Differenzierung, verbunden mit Integrierung, indem jede Befreiung zu einer neuen Bindung führt. Die Religion wurzelt in den Gesamttendenzen der Persönlichkeit und ihrer Beziehung zum All.

SCHRIFTEN: Das Wesen der Materie nach Kants physischer Monadologie, 1881. – Über soziale Differenzierung, 1890; 3. A. 1906, – Einleit. in die Moralwissenschaft, 1892-93; 2. A. 1901. – Die Probleme der Geschichtsphilosophie, 1892; 2. A. 1905; 3. A. 1907. – Philosophie des Geldes, 1900; 2. A. 1907. – Vorlesungen über Kant, 1904; 2. A. 1905. – Die Religion, 1906. – Schopenhauer u. Nietzsche, 1906. – Soziologie, 1908. – Hauptprobleme der Philosophie, 1910. – Das Problem der Soziologie, Schmollers Jahrbücher, Bd. 18, 1894. – Skizze einer Willenstheorie, Zeitschr, f. Psychol. d. Sinnesorgane, Bd. 9, – Beitrag zur Erkenntnistheorie der Religion, Zeitschr. f. Philos., Bd. 118. – Über eine Beziehung der Selektionslehre zur Erkenntnis, Archiv f. systemat, Philos., 1895. – Über die Grundfrage des Pessimismus, Zeitschr. f. Philos., Bd. 90. – Zur Psychologie der Frau, Zeitschr. f. Völkerpsychol, 1890, u. a.

Rembrandts religiöse Kunst

In zwei Grundformen tritt innerhalb der menschheitlichen Geschichte religiöses Wesen auf.

Denn indem religiöse Sachverhalte sich bieten: der Gott und die Heilstatsachen, der Kultus und die Kirche; indem das religiöse Individuum sich all solchem gegenüber aufnehmend oder schöpferisch verhält, nur sein eigenes Heil sucht oder sich selbstlos hingibt - ist eine Doppelströmung des religiösen Wesens eingeleitet, die an dessen vollkommener Spaltung münden kann.

Auf der einen Seite steht die Objektivität der religiösen oder kirchlichen Tatsachen, eine selbstgenügsame, nach eigenen Gesetzen gebaute Welt, in ihrem Sinn und Wert ganz gleichgültig gegen das Individuum, das sie nur hinnehmen, nur zu ihr aufschauen kann.

Auf der anderen Seite: die Religion ausschliesslich in das innere Leben des Subjektes verlegt; jene Transzendenzen und Kulte mögen als metaphysische Wirklichkeiten bestehen oder nicht - ihre religiöse Bedeutung liegt ganz und gar in den Beschaffenheiten und Bewegtheiten der Einzelseele, die von ihnen vielleicht ausgelöst werden, vielleicht aber auch ihnen erst Sinn und Leben verleihen.

Dort bedeutet das Religiöse ein entschiedenes Gegenüber und sozusagen erst nachträgliches Sichaufnehmen zwischen Göttlichem und Seelischem, hier ein seelisches Leben selbst, aus einer tiefsten individuellen Produktivität und Selbstverantwortlichkeit strömend, das freilich in sich, als religiöses Sein, eine übersubjektive metaphysische Bedeutung und Weihe besitzt.

Die grossartigste historische Verwirklichung jener Objektivität der religiösen Welt ist der Katholizismus; eine entsprechende kann für die andere Quellenrichtung des religiösen Daseins nicht aufgewiesen werden.

Dies ist begreiflich.

Denn die Gebilde, durch die die Religion etwas Historisches und Sichtbares wird: Dogma, Kultus, Kirche - kommen höchstens sekundär für den in Betracht, dem Religion in einem Erlebnis oder in einer Führung und Färbung des Lebens überhaupt oder in einem unmittelbaren Verhältnis der Seele zu Gott besteht, In einem Verhältnis, das als religiöses nur in der Seele selbst sich abspielen kann.

Ersichtlich tritt diese Art der Religiosität nicht aus dem Individuum heraus und bildet deshalb kein geschichtliches Gesamtphänomen.

Sie wird auch keineswegs vom Protestantismus repräsentiert.

Denn auch dieser rechnet mit ganz objektiven religiösen Tatsachen, die ihren Sitz nicht in der religiösen Seele haben, sondern deren Objekt diese ist: mit dem Weltregiment eines persönlichen Gottes, mit der Erlösung, die Christus den Menschen gewonnen hat, mit Schicksalen, die der Seele durch die sachlich-religiöse Struktur des Daseins kommen.

Würde die subjektive Religiosität wirklich ganz rein verwirklicht (was vielleicht nie geschieht, so wenig wie es eine bloss objektive Religion gibt, jede dieser Formen tritt vielmehr immer in einer gewissen Mischung mit der anderen auf) - so würde sie vielmehr in dem Prozess des Lebens selbst, in der Art, wie der religiöse Mensch in jeder Stunde lebt, bestehen, nicht aber in irgend welchen Inhalten, in dem Glauben an irgend welche Wirklichkeiten.

Diese beiden Gegenströmungen des religiösen Lebens überhaupt haben nun zwar die christliche Kunst nicht grade mit parteimässiger Schärfe unter sich aufgeteilt; allein ihre Reinheit und ihre Gemischtheit bilden eine Skala, auf der jegliches religiöse Bild einen bestimmten Platz findet.

Die byzantinische Kunst setzt mit der völlig objektiven Darstellung der transzendenten Welt ein.

In den Mosaiken von Ravenna werden die Personen und Symbole der christlichen Mysterien in ihrer metakosmischen Erhabenheit hingestellt, völlig gleichgültig gegen menschlich erlebende Subjekte, die Menschen dieser Religiosität, den Künstler einbegriffen, haben sich völlig entsubjektiviert, vor ihnen steht ein Götterhimmel, ungeheure selbstgenügsame Seinsmächte, zu deren Vorstellung individuelle Gefühle und Innenschicksale keinerlei Beziehung, weder als Ausgangs- noch als Mündungspunkte haben.

Im Trecento wird eine andere Stufe jener Skala erreicht.

Bei Duccio, bei Orcagna und manchen geringeren ihrer Zeitgenossen strömt in die abgeschlossene Feierlichkeit des Heiligenbildes ein Ton lyrischer Menschlichkeit, das Transzendente ist nicht nur und schaltet als objektive Macht mit dem Menschen, sondern aus diesem kommt ihm eine eigene Bewegtheit entgegen, der Ausdruck des religiösen Lebens hat, wie zart und zurückhaltend auch noch immer, einen Weg in die Darstellung der transzendenten Tatsachen gefunden.

Wieder verschiebt sich das Verhältnis zwischen objektiver und subjektiver Religiosität in den Formgebungen der Hochrenaissance.

Deren grössere Lebendigkeit und Naturalistik lässt nämlich die Darstellung keineswegs in höherem Grade als Äusserung einer innerlichreligiösen Dynamik erscheinen.

Von Michelangelo, der in dieser Hinsicht eine ganz isolierte, untypische Stellung einnimmt, sehe ich ab.

Aber Lionardo und Raffael, Fra Bartolomeo und Andrea del Sarto sind in ihren Heiligenbildern von einer erstaunlichen Objektivität: sie stehen für mein Gefühl diesem Pol der Skala näher als das Trecento es tat, so sehr dies grade sich ebenso durch Ungelenkheit wie durch sakrale Würde vom Cinquecento unterscheidet.

Man hat durchaus nicht mehr den Eindruck, dass irgend ein religiöses Leben von sich aus zu diesen Kompositionen beigetragen hat; selbst wo nicht das rein malerische Interesse alle anderen seelischen Agentien unfühlbar gemacht hat, geht doch die religiöse Intention ausschliesslich auf die Darstellung eines himmlischen oder historischen Daseins, die von dessen Zentrum, von seiner eigenen Immanenz her, aber nicht von der Frömmigkeit oder der Sehnsucht oder der Hingebung einer Seele her bestimmt ist.

Die eigentümliche Fähigkeit des menschlichen Geistes, gewissermassen von sich selbst absehend und aus dem ihm Gegenüberstehenden heraus zu denken oder anzuschauen, ist auch auf dem religiösen Gebiet mächtig und hat in der Renaissancekunst diese Macht vorbehaltlos bewährt.

Ich rechne noch Rubens dazu, dessen Ildefonso-Altar, und zwar grade wegen seiner vollkommenen Weltlichkeit, die religiöse Objektivität vielleicht auf ihren Gipfel hebt.