Überfall auf dem Weihnachtsmarkt - René Bote - E-Book

Überfall auf dem Weihnachtsmarkt E-Book

René Bote

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Beschreibung

Eigentlich wollten Mark und Damir nur Weihnachtsgeschenke kaufen, doch als sie sehen, wie ihre Mitschülerin Joana von drei anderen Mädchen aus der Schule drangsaliert wird, kommen sie ihr sofort zu Hilfe. Es gelingt ihnen, die drei Angreiferinnen in die Flucht zu schlagen, doch was sie gesehen haben, ist nur die Spitze des Eisbergs. Das bösartige Trio verfolgt Joana schon lange Zeit, und Joana traut sich nicht, sich zu wehren. Auch Mark und Damir sollen nichts unternehmen, damit nicht alles noch schlimmer wird, aber die beiden Jungen sind nicht bereit, zuzusehen, wie Joana weiter fertiggemacht wird. Komplett überabeitete Neuauflage mit einer zusätzlichen Kurzgeschichte.

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Seitenzahl: 84

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Inhaltsverzeichnis

Attentat in Gelb

Zum Schweigen vergattert

Ausgehorcht

Denkanstoß

Zu spät

Blau gemacht

Die Sache mit dem Video

Gute Nachrichten

Der schöne Schein zerbricht

Quer durch die Küche gefuttert

Kurzgeschichte: Joanas neue Freiheit

Leseprobe: Der neue Star

Attentat in Gelb

Es war der Tag nach dem dritten Advent, und wie immer zu dieser Zeit des Jahres waren allerorts die Innenstädte völlig überlaufen. Die einen mussten noch Geschenke kaufen und hasteten von Geschäft zu Geschäft, die anderen bummelten über den Weihnachtsmarkt und genossen den typischen Geruch, in dem sich Bratwurst, Reibekuchen, Glühwein und gebrannte Mandeln mischten.

Rechts und links reihten sich vor den Läden Imbissbuden, Waffelstände, Bierwagen, Verkaufsstände mit Schnitzereien, Textilien, Weihnachtsdeko und vielem mehr, ungefähr jeder dritte Stand bot vor allem oder mindestens nebenbei Glühwein feil, und an der Kreuzung, wo etwas mehr Platz war, stand ein Kinderkarussell. Über den Ständen waren Lichterketten quer über die Schlucht zwischen den Häusern gespannt, und ein Teppich aus Weihnachtsmusik überlagerte die Szene. Etliche Geschäftsinhaber und Standbesitzer hatten Lautsprecher aufgestellt, aus denen die verschiedensten Adventslieder rieselten, und auf den Stufen vor dem Rathaus spielte eine Blaskapelle „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, was passte wie die Faust aufs Auge, weil sich nämlich keine einzige Schneeflocke blicken ließ. Es war zwar kalt, knapp unter null Grad, aber trocken, und obwohl es gerade erst auf vier Uhr nachmittags zuging, brach schon die Dunkelheit herein und ließ die unzähligen Lichter noch mehr zur Geltung kommen. Mitten in diesem Trubel suchten sich die beiden Freunde Mark und Damir ihren Weg. Mark hielt ständig die Hand an der Gesäßtasche, in der er sein Portemonnaie trug, denn er wollte Weihnachtsgeschenke kaufen und hatte deshalb über dreißig Euro dabei. Das Geschiebe auf dem Weihnachtsmarkt, in dem man schon aufpassen musste, dass man nicht selbst versehentlich die Brieftasche dem Nebenmann in die Tasche schon, war bekanntlich ein Paradies für Taschendiebe, und den Betrag zu verlieren und noch mal Geld von seinem Taschengeldkonto abheben zu müssen für die Geschenke, hätte Mark schon wehgetan. Er war schließlich Taschengeldempfänger und kein Großunternehmer.

Damir hatte die Weihnachtsgeschenke für seine Familie schon früher gekauft und hätte eigentlich keinen Grund gehabt, sich das Gedränge anzutun, begleitete aber bereitwillig seinen besten Freund, der lange keine Idee gehabt hatte, was er seinen Eltern schenken sollte, und deshalb nur das Kinderhörspiel für seine kleine Schwester schon im November besorgt hatte. Die beiden Siebtklässler kannten sich schon seit dem Kindergarten, waren auch schon in der Grundschule in der gleichen Klasse gewesen und trafen sich fast jeden Nachmittag, um irgendwas zusammen zu unternehmen.

Damir, dessen Eltern aus Kroatien stammten, war der ältere von beiden, bereits im Juli dreizehn geworden und sehr groß gewachsen für sein Alter. Als Ringer, der schon mehrere Nachwuchstuniere gewonnen hatte, darunter auch eins mit vielen starken Teilnehmern aus ganz Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden Bundesländern, war er kräftig und gewandt. Er konnte ein rechter Hitzkopf sein, aber seine Trainer hatten ihm nicht nur Griffe beigebracht, mit denen er seine Gegner auf die Matte zwingen konnte, sondern auch Selbstbeherrschung.

Manchmal mit dem Kopf durch die Wand zu wollen war eine Eigenschaft, die er mit seinem besten Freund teilte. Auch Mark, der am Tag vor Silvester dreizehn werden würde, war sportlich und seit mittlerweile fast acht Jahren im Fußballverein, wo er zu den Stützen seiner Mannschaft gehörte. Er war einen halben Kopf kleiner als Damir, damit aber immer noch deutlich über dem Durchschnitt. Als Innenverteidiger konnte er das brauchen, und in seiner C-Jugend verlor er kaum ein Kopfballduell.

Weil sattsam bekannt war, was weniger als zwei Wochen vor Weihnachten in der Fußgängerzone los war, hatten Mark und Damir genügend Zeit eingeplant. Je nachdem, wie lange sie brauchten, würden sie anschließend vielleicht noch eine Weile bei Mark hocken, ansonsten hatten sie für den Rest des Tages nichts mehr eingeplant. Sie konnten es sich erlauben, einen Moment stehenzubleiben, wenn ihnen ein Bekannter über den Weg lief, und näherten sich ansonsten Stück für Stück der Buchhandlung, in der Mark fündig zu werden hoffte.

Nur wenige Dutzend Schritte vom Eingang entfernt stutzte Mark plötzlich. Damir glaubte, sein bester Freund hätte jemanden gesehen, den er kannte, und sah sich um, konnte aber niemanden aus dem gemeinsamen Freundeskreis entdecken. Die vier Mädchen, die Mark zu seiner großen Verwunderung gerade in eine dunkle Gasse zwischen zwei Häusern auf der linke Seite hatte einbiegen sehen, waren inzwischen in der Finsternis verschwunden, so dass Damir sie nicht mehr hatte sehen können.

Mark kannte das Quartett nur flüchtig. Alle vier gingen auf die gleiche Schule wie er und Damir, sie waren, wie er wusste, in einer seiner Parallelklassen, aber bei insgesamt fünf siebten Klassen konnte man schwerlich alle Jungen und Mädchen aus sämtlichen Parallelklassen näher kennen. Die eigenen Klassenkameraden kannte man natürlich, die anderen Siebtklässler dagegen nur, soweit man gemeinsam mit ihnen in einem der klassenübergreifenden Religions-, Französisch- oder Lateinkurse saß oder private Verbindungen bestanden.

Hastig knuffte er Damir mit dem Ellbogen in die Seite. „Hast du das auch gesehen?“ fragte er, während er so angestrengt wie erfolglos versuchte, die Dunkelheit zwischen den Häusern mit den Augen zu durchdringen. „Was denn?“ wollte Damir wissen. Er konnte zwar ungefähr die Richtung abschätzen, weil er ja sah, wohin Mark starrte, sah aber nichts Ungewöhnliches, was kein Wunder war, weil die Mädchen, deren Verhalten Marks Aufmerksamkeit erregt hatte, aktuell ja nicht mehr zu sehen waren.

„Da sind welche aus der 7a in den Hof rein.“ erklärte Mark und nannte die Namen der beiden Geschäfte, zwischen deren hell erleuchteten Schaufenstern die Gasse in die Fußgängerzone mündete. „Diese Modezicke, Martina oder Bettina, du weißt schon, die, die immer rumläuft, als wäre sie auf dem Laufsteg, und die beiden, die ihr immer nachrennen, und dann noch eine mit Brille. Die ist auf jeden Fall auch in der a, aber ich wusste gar nicht, dass die auch mit den Modetussis rumrennt. Sah auch nicht so aus, als hätte sie Spaß.“ Die Haltung dieses vierten Mädchens hatte für ihn in dem kurzen Moment, den er beobachtet hatte, eher ängstlich gewirkt, und überhaupt machte die Szene keinen guten Eindruck. Auch dass die Gasse, wie er wusste, blind endete und es dort keinen Hintereingang gab, der für die Mädchen interessant hätte sein können, weckte sein Misstrauen. Solche Ecken suchte man sich aus, um verbotene Dinge zu tun, die keinen Zeugen brauchten, und wenn er es sich recht überlegte, dann hatte es ganz so ausgesehen, als hätten die Modetussis das Mädchen mit der Brille regelrecht abgeführt.

Damir brauchte nur Stichworte, um zu verstehen, was sein bester Freund meinte. „Sehen wir nach?“ schlug er vor. Er war nicht zum Ringen gegangen, weil er gehofft hatte, sich dort ungestraft prügeln zu können, und hielt viel von sportlicher Fairniss; drei auf eine war auf jeden Fall nicht fair. „Sehen wir nach!“ nickte Mark, der drei gegen eins ebenfalls für ein ungesundes Verhältnis hielt und nicht tatenlos mit ansehen wollte, wie das Mächen mit der Brille von seinen Mitschülerinnen fertiggemacht wurde. Dass er mit dem Mädchen noch nie direkt zu tun gehabt hatte und ihm im Moment noch nicht mal der Name einfallen wollte, machte da keinen Unterschied.

An Rennen war im Gedränge des Weihnachtsmarktes nicht zu denken, es drängten sich einfach zu viele Menschen auf zu engem Raum, aber die beiden Jungen beschleunigten ihre Schritte soweit wie eben möglich und nahmen nur ein Mindestmaß an Rücksicht auf die Umstehenden. Dass sie das kleine Mädchen nicht zur Seite kickten, das an der Hand seine Mutter zerrte und unbedingt zum Stand mit den Paradiesäpfeln wollte, und die alte Dame, die nach Kleingeld für einen Bettler suchte, nicht quer über ihren Rollator warfen, verstand sich von selbst, aber die übergewichtige Frau mittleren Alters, die sich mitten im Weg aufpflanzte, um in ihrem Seesack von einer Handtasche nach ihrem Handy zu kramen, musste damit leben, dass sie von Damir ziemlich grob zur Seite geschoben wurde und die beiden Jungen ihren empörten Aufschrei einfach ignorierten.

Die Entfernung von dem Punkt, von dem aus Mark seine Beobachtung gemacht hatte, bis zum Ort des Geschehens, also dem Beginn der Gasse, in der die vier Mädchen verschwunden waren, mochte etwas mehr als dreißig Meter betragen. Bei freier Strecke hätten Mark und Damir dafür keine zehn Sekunden gebraucht, wobei Mark, dessen Lieblingssport mehr Laufarbeit erforderte, wahrscheinlich ein paar Zehntel Vorsprung herausgelaufen hätte, aber unter den gegebenen Umständen verging doch erheblich mehr Zeit, bis die beiden Jungen die Gasse erreichten und in den Schatten zwischen den fensterlosen Mauern eintauchten.

Ganz vorne malten noch die Lichter eines Imbissstandes gelbe Muster an die Wand, doch das reichte nicht weiter als drei oder vier Meter in den engen Schlauch, der gerade eben breit genug war für die LKW, die die Waren für die benachbarten Geschäfte anlieferten. Jenseits des Bereichs, der wenigstens noch ein wenig Licht abbekam, wirkte die Dunkelheit umso dichter, so dass Mark und Damir einen Moment stehen bleiben mussten, bis sich ihre Augen an die Finsternis zu gewöhnen begannen.

Die Gasse war zehn oder zwölf Meter lang und weitete sich dann zu einem Hof, der so breit war, dass ein nicht übermäßig großer LKW dort wenden konnte. Auf beiden Seiten gab es jeweils eine Rampe zum Entladen der Laster, aber Anlieferer kamen in der Regel morgens, und jetzt, am späten Nachmittag, war dort absolut nichts los. Die schweren Stahltüren in den Hauswänden hinter den Rampen waren geschlossen, die Scheinwerfer, die oberhalb der Türen angebracht und so ausgerichtet waren, dass sie den Laderaum eines rückwärts an die Rampe rangierten LKW vollständig ausleuchten konnten, waren aus. Hier konnte sonstwas passieren, ohne dass es jemand mitbekam, und die Musik vom Weihnachtsmarkt würde jedes Geräusch, jeden Schrei übertönen.

Der Modepuppe aus der 7a und ihren beiden Freundinnen kam das sehr zupass, denn hier hatten sie alle Zeit