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Im anonym veröffentlichten Werk "Ueber Mainz" entfaltet sich ein facettenreiches Bild der Stadt Mainz, das durch die Kombination von historischer Analyse und zeitgenössischer Reflexion geprägt ist. Der Autor verwendet einen klaren, prägnanten Stil, der es dem Leser ermöglicht, sowohl die tief verwurzelte Geschichte der Stadt als auch ihre dynamischen Entwicklungen im modernen Kontext zu erfassen. Die Erzählstruktur ist nicht linear, sondern entfaltet sich durch thematische Fragmente, die sowohl architektonische als auch kulturelle Aspekte beleuchten und somit ein umfassendes Verständnis für die Identität dieser Rheinstadt schaffen. Der anonyme Verfasser, dessen genaue Biografie im Dunkeln bleibt, lässt dennoch durch seine tiefgehenden Kenntnisse und sein offenkundiges Engagement für die Stadt unmittelbar auf seine Forschungserfahrungen schließen. Möglicherweise ein Historiker oder Kulturwissenschaftler, wertet er verschiedene Quellen aus und verbindet historische Ereignisse mit persönlichen Erlebnissen, was dem Werk eine authentische und lebendige Perspektive verleiht. "Ueber Mainz" ist nicht nur eine Hommage an die Stadt, sondern auch eine Einladung an den Leser, sich mit der Identität und der Geschichte eines der bedeutendsten kulturellen Zentren Deutschlands auseinanderzusetzen. Ob Sie Mainzer sind oder die Stadt besuchen wollen – dieses Buch bietet Ihnen eine wertvolle Grundlage für Ihr Verständnis und Ihre Wertschätzung von Mainz.
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Du wirst dich noch erinnern, daß ich bei unserm Abschiede mein Wort gab, dir von allen Abendtheuern, welche mir während meiner Reise durch die drei geistlichen Churfürstenthümer vorkommen würden, Rechenschaft zu geben. Doch hätte ich nichts versprechen sollen, denn ich habe nun auch einsehen gelernt, wie leicht man sich in Sachen irren kann, von denen man keine nähere Kundschaft hat. Darum muß ich die Hälfte meiner Zusage itzt schon zurücknehmen, um nicht ganz in den Verdacht einer Großsprecherei zu fallen. Von Trier und Cölln ist es mir unmöglich, dir auch nur eine Sylbe zu schreiben. Ich beschleunigte meine Reise, so viel nur möglich war, um endlich einmal aus diesen Ländern zu kommen. Da ist fast kein einziger Gegenstand, der aufgezeichnet zu werden verdiente. Ich habe die sogenannte Eifel in der Runde durchstrichen, und ich glaube nicht viel übertrieben zu haben, wenn ich die ganze Strecke einem Sumpfe in einer schönen ländlichen Gegend vergleiche. Doch itzt bin ich in einer Stadt, die meine ganze Aufmerksamkeit an sich zieht, besonders da fast alle Reisebeschreiber wenig oder gar nichts davon gesagt haben. Dies finde ich um so nachlässiger, da sie ohne Zweifel eine der ersten in Deutschland ist, und sich hier dem Auge des Beobachters Gegenstände darbieten, die allerdings zur Menschen- und Völkerkunde ihr nicht kleines Scherflein beitragen können.
Du kannst dir also zum wenigsten über den andern Posttag auf Briefe von mir Rechnung machen, und ich glaube, es ist nicht zu viel gefodert, wenn du mir den dritten davon beantworten sollst. So viel Zeit kannst du leicht von deinen Geschäften abbrechen, und du bist es unserer Freundschaft auch schuldig. Lebe wohl.
Gestern durchlief ich die Stadt in die Kreutz und Queere, um, so viel mir möglich war, Kundschaften von ihr einzuziehen. Sie verdankt ihre erste Befestigung dem römischen Feldherrn Drusus, und wie einige Schriftsteller wollen, ihre erste Entstehung dem M. Vips. Agrippa, den August, um einen Aufruhr in Gallien zu dämpfen, über den Rhein schickte. Dem sey nun, wie ihm wolle. Drusus hat ohnstreitig das meiste Verdienst darum, und er bestimmte Moguntiakum zur Hauptfestung am Ober-Rheine. Ihre erste Lage war nicht die nämliche mit der itzigen. Jene zog sich mehr gegen Dalheim und Zahlbach zu. Vermuthlich brachte Handel und Betriebsamkeit sie dem Rheine näher. Itzt nennt man noch diesen Theil die alte Stadt. Ich machte die Bemerkung, daß man in dieser Gegend eine ganz andere Mundart hat, als in dem obern Theile der Stadt. Er kömmt so, wie der Häuser- und Straßen-Bau darinn, dem alten Kostume näher.
Lange trieben die Römer ihr Wesen am Rheine. Doch wie immer ein Reich ab und das andere zunahm, so ergieng es auch der stolzen Weltbeherrscherinn Roms. Unter August hatte sie den höchsten Gipfel erstiegen, und nun mußte sie wieder sinken. Sie sank, und aus ihren Ruinen hob sich ein neues Reich, das ihr die Beute entriß, und sich selbst aufzuwerfen anfieng. Die Römer wurden nach und nach aus ihren Besitzungen am Rheine vertrieben; alle ihre Festen geschleifet und zerstöret. Nachher begannen die Völkerzüge, und in diesem Gewühle ward auch Mainz das Opfer der Wuth der Vandalen und Hunnen.
Nach und nach schimmerte wieder die Hoffnung besserer Zeiten. Bonifaz, der deutsche Apostel, betrat das Theater der Welt, und ihm hat eigentlich das hiesige Erzbisthum seine Größe und sein Ansehen zu danken. Er war ein Engländer von Geburt, hieß eigentlich Winfried, und erblickte zu Ende des siebenten Jahrhunderts zu Kirton in Devonshire das Licht der Welt. Er taufte unter Karl dem Großen Witikinden und die Sachsen. Als er nach Deutschland kam, fand er das alte Metropolitan-Sistem zu Grunde gegangen. Das Erste, was er that, war, daß er bei Karlmannen auszuwirken suchte, daß auch disseits des Rheines Bisthümer errichtet würden. Dies geschah. Die neuen Bischöffe baueten nun Kirchen und Klöster, stifteten Pfarreien, errichteten Schulen und verbreiteten Religion, Sitten und Aufklärung. Bald vermogte er Karlmannen dahin, daß auch Erzbisthümer errichtet wurden, und er selbst ward zum Erzbischoffe von Mainz ernannt. Ueberhaupt suchte er das Verhältniß der Bischöffe gegen die Erzbischöffe, wie es im alten Gallien war, wieder herzustellen. Diese mußten nun die Provinzial-Consilien versammeln, denn diese hielt Bonifaz für die einzigen und besten Mittel, die alte Kirchenzucht wieder zu erneuern. Er bestrebte sich, das Ansehen der Erzbischöffe, vorzüglich aber das Ansehen des H. Vaters auf die Bischöffe und Erzbischöffe zu erweitern. Er that keinen Schritt ohne Vorwissen und Genehmigung des Pabstes. Gregor II. weihte ihn zu Rom zum Bischoffe unter dem schweren gestabten Eide, sich nie von der römischen Kirche abzusondern. Dann ward er nach Deutschland gesandt, und ihm die collectiocanonum ecclesiae romanae mitgegeben. Gregor versah ihn auch mit Schreiben an Karl Martell, an die Geistlichkeit, an die Reichsbeamten, an die Thüringer, Sachsen u.a.m., und gab ihm das Pallium, die Würde eines Erzbischoffes und Vikar über die Kirche von Deutschland. Man kann ihn also mit Recht einen Primas dieser Kirche nennen. Gewiß hoffte Rom keinen größern Eiferer für seine Hoheit als Bonifazen. Und nicht unbelohnt blieb dieses Streben, die päbstliche Hierarchie in Teutonien zu verbreiten. Welcher Deutsche weiß nicht aus seiner Mutterlands-Geschichte, welch eine ungeheure Strecke von Ländern damals der Mainzer Erzbischoff unter seinem Krummstabe vereinigte? – So pflanzte sich von Bonifazens Epoke sein Ansehen bis auf die itzigen Zeiten fort, denn dieser ist noch heut zu Tage ohne Unterschied der angesehenste Mann unter der christlichen Geistlichkeit. So hob Mainz vor allen andern sein Haupt empor. Ein Bonifaz – ein Willigis – ein Siegfried – ein Gerhard – ein Heinrich – ein Dieter – ein Johann Philipp, und ein Emmerich Joseph waren bedeutende Männer dieses Landes.
Ich machte heute mit einigen Herrn, an die man mir von Koblenz aus Addressen gegeben hatte, eine Lustpartie nach Hochheim, das eine Stunde von hier entlegen ist, und eine bezaubernde Aussicht hat. Der Ort selbst liegt erhaben, und man kann von dort aus die ganze Stadt wie in einem Gemälde vor sich liegen sehen. Sie erstreckt sich längst dem jenseitigen Ufer des Rheines auf eine halbe Stunde von Süden gegen Norden; an dieser Seite prangt die alte Martinsburg, an jener die churfürstliche Favorit. Die Aussicht von Hochheim ist ohnstreitig eine der schönsten in den Rheingegenden. Vor sich das Ehrfurcht erweckende Mainz und die Schiffbrücke, links das Paradies von Worms und Mannheim, rechts die mit Weinreben bekränzten Gebirge des gesegneten Rheingaues, und hinter sich die Aussicht nach der Gegend von Frankfurt; so daß wem dieses nicht reizend scheint, der muß Hannibalischer Abkunft seyn. – Der Hochheimer Wein ist nach dem Rüdesheimer ohne Vergleich der beste. Wir tranken in Freundschaft einige Kannen dieses Nektars aus, und ich muß gestehen, ich hätte für den Laubthaler, den wir für die Maas zahlen mußten, etwas besseres erwartet; doch das kannst du dir leicht enträthseln, warum man in dem Orte selbst den Wein nicht rein bekömmt. Die besten Gattungen werden meist von den Einwohnern verkauft und weggeführt und die schlechtern zurückgehalten. Hochheim selbst gehört dem Mainzer Domkapitel, und mag ihm jährlich eine ansehnliche Summe abwerfen.
Schwerlich findet man eine Stadt in Deutschland, die so viele römische Alterthümer aufzuweisen hat, als Mainz. Jahrhunderte vergiengen, Völker entstanden und verschwanden, und noch trotzen diese Ueberbleibsel der römischen Größe der Vergänglichkeit. Die Wasserleitung ohnweit Zahlbach giebt uns einen Beweis davon. Ehrfurcht und Staunen erfüllten mein Herz, als ich das erstemal zu diesem kühnen Werke eines römischen Jünglings wanderte. Drusus feuriger Geist ward dazu erfordert, um auf eine Meile weit das Wasser über mehrere hundert Pfeiler in sein Lager zu leiten. Zwei und sechzig sind noch vorhanden; und auch diese würde der Eigennutz des Landmannes weggeräumt haben, wenn es möglich wäre, sie zu zertrümmern. Die Steine sind wie in einander gegossen, und härter als Felsen. Von außen sollen sie durchaus mit Quatersteinen versehen gewesen seyn, wovon der Beobachter noch einige da und dort entdecken kann. Die Pfeiler selbst sind von verschiedner Höhe. Der Zahn der Zeit, das Regenwetter, und die Brechinstrumente der Maurer haben sie ziemlich mitgenommen. Einige davon sind kaum noch über der Erde sichtbar. Wohl über eine Stunde schlich ich in diesen Ruinen, und die Szenen der grauen Vorwelt schwebten deutlich vor meinen Augen. Bald bedauerte ich den Untergang dieses Athletenwerkes, bald freuete ich mich darüber, da wir bei seinem Daseyn vielleicht itzt noch unter dem Zepter römischer Hoheit schmachten würden. Dank sey es unserm tapfern Hermann, daß er unser Mutterland von diesen gefräßigen Raubthieren reinigte.
Fast merkwürdiger als die Wasserleitung ist der römische Straßendamm, den August durch alle Theile seines Reichs führen ließ, ein Unternehmen, das auf Handlung, Verbindung der Länder, und Kultur einen wesentlichen Einfluß hatte. Besonders kam es den römischen Soldaten in dem unbebaueten Deutschland zu gut. Unkundig des Landes, der Pässe und der Wälder, rund um von Sümpfen eingeschlossen, wo hätten sie sich ohne diese Straßen wohl hinwenden sollen? August und die römischen Feldherrn mögen ihren Vortheil auch wohl eingesehen haben, sie hätten sonst nicht so ungeheure Summen darauf verwendet. Wäre es ihnen gelungen sie weiter fortzuführen, gewiß wären sie tiefer gedrungen. Ich nehme das mit als eine Hauptursache des Verfalls der römischen Größe in Deutschland an, weil sie des Landes unkundig waren. Zu was hätten uns die starken Arme unserer Urväter gefrommet, wäre nicht ihrer Unwissenheit das Land selbst zu Hülfe gekommen. Die Römer, geübt in den Waffen und gewohnt auf das Kommando ihres Feldherrn zu fliegen, hätten doch endlich gegen den armen Deutschen, der nichts als Schwerdt und Wurfspieß trug, die Oberhand gewonnen. Was hilft dem Westindier seine wilde Tapferkeit, wenn er gegen fremde aufgeklärte Ankömmlinge in seinem Lande fechten soll? Der einzige Vorsprung also, der den Deutschen in die Länge überlegen machte, war, daß der Römer das Land nicht kannte und das Klima nicht so leicht vertragen konnte. Der Natur konnte er keinen Gehorsam abtrotzen, jenem aber suchte er, so viel nur möglich war, durch die Anlegung der Straßen, zuvorzukommen. In wie weit es ihm gelang, mag der Geschichtschreiber untersuchen. Noch itzt zeigt man von diesem so wohlthätigen Werke Ueberbleibsel; die meisten sind aber durch Anlegung neuer Straßen unter die Erde verschüttet.
Von gleichem Alter scheint auch das Eisen zu seyn, das man auf dem Speißmarkte auf 3 Pfeilern befestigt sieht. Es besteht aus 2 Stücken, und mißt ohngefähr 8 Schuhe in der Länge, und 1½ in der Dicke. Der Pöbel, der immer geneigt ist, Sachen, wovon er den Ursprung nicht finden kann, einen misteriösen Anstrich zu geben, erzählt sich davon folgende Fabel: Der Schwarze ergrimmte über den Anbau des Doms, und suchte ihn zu vernichten. Er ergrif also dieses Eisen, und wollte es auf die Zinne des Gotteshauses schleudern, um sie zu zertrümmern. Zum guten Glücke aber ward es durch Hülfe Gottes und seiner lieben Heiligen darüber geleitet, und zum Andenken des Triumphes auf seine itzige Stelle befestiget. Der klügere Theil der Stadt gab mir einen andern Aufschluß darüber, der auch der wahrscheinlichste ist. Man leitet nämlich seine Entstehung von den Römern her, die gewohnt unter freiem Himmel auf Eisen zu schwören, mehrere errichteten.
Auch Kastel der Stadt gegen über verdanket unserm Drusus sein Daseyn. Dieser Ort war anfangs, wie der Name selbst zeigt, eine römische Feste. Um ihn mit Mainz in Verbindung zu bringen, begann Drusus das große Wagestück, eine Brücke von hier aus über den Rhein zu bauen. Wie man mich versicherte, kann man noch itzt bei seichtem Wasser Pfeiler dieses Riesenwerkes entdecken, einige Schritte unter der heutigen Schiffbrücke, in der Gegend, wo die Mühlen stehen.