(Un)menschlich. - Gabriela Hochleitner - E-Book
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(Un)menschlich. E-Book

Gabriela Hochleitner

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Beschreibung

Die Menschen werden immer entspannter. Die Folge: Engel und Dämonen werden überflüssig. So kann das nicht weitergehen! - sind Gott und der Teufel sich einig und vereinen sich zu einem noch nie dagewesenen Plan. Engel und Dämonen werden auf die Erde geschickt, um dort für ein wenig Wirbel zu sorgen. Die menschlichen Hormone haben sie bei diesem Plan jedoch nicht mit einberechnet ... Eine Geschichte, modern, mystisch und trotzdem voller Humor, Liebe und Drama.

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Gabriela Hochleitner

(Un)menschlich.

Wenn Himmel und Hölle ratlos sind

Impressum

Texte:

© 2020 Copyright by Gabriela Hochleitner

Umschlag:

© 2020 Copyright by Gabriela Hochleitner

Verantwortlich

für den Inhalt:

Gabriela Hochleitner

[email protected]

Verlag:

epubli

Die Menschen werden immer entspannter.

Die Folge: Engel und Dämonen werden überflüssig.

So kann das nicht weitergehen! – sind Gott und der Teufel sich einig und vereinen sich zu einem noch nie dagewesenen Plan. Engel und Dämonen werden als Menschen auf die Erde geschickt, um dort für den nötigen Wirbel zu sorgen. Die menschlichen Hormone haben sie bei diesem Plan jedoch nicht mit einberechnet …

Kapitel 1

„Es muss irgendetwas passiert sein, so etwas hat es noch nie gegeben!“, zischt Annie nervös zu Leila und wirft ihre blonden Haare über die Schulter, um danach die Arme wieder angespannt zu verschränken. Für gewöhnlich wirkt sie kühl und unnahbar mit ihren eisigen Augen und ihrer blassen Haut. Wie es sich eben für eine Dämonin gehört. Aber heute ist selbst sie unsicher. „Beruhige dich“, meint Leila und beobachtet in aller Ruhe und mit vor Neugierde funkelnden Augen die Versammlung unzähliger Dämonen und Engel an einem Ort. Das stimmt, so etwas hat es noch nie gegeben und es muss auch einen gewaltigen Grund dafür geben, denkt Leila bei sich und fragt sich, ob nun das Armageddon eintritt und sie sich mit den Engeln bekämpfen werden, bis endlich eine Seite gewinnt. Was sonst sollte der Grund für so eine Zusammenkunft sein? Warum sollten Gott und Teufel plötzlich gemeinsame Sache machen? Das ergibt keinen Sinn. Das Gemurmel wird immer lauter. Auch die Engel fragen sich, was passiert ist und was die Menschen bloß tun, solange sie nicht da sind, um auf sie aufzupassen. In Massen strömen sie heran. Gruppierungen von Engeln und Dämonen entstehen, die sich eigentlich nichts schenken. Plötzlich sollen sie Seite an Seite stehen und auf die Verkündung warten. Nachdem Mika endlich Leila und Annie gehetzt erreicht hat, schreitet auch Megan in aller Ruhe heran. Leila schmunzelt leicht, als sie zur Gruppe stößt.

Megan ist schon echt eine andere Nummer als Dämonin. Sie wirkt sehr elegant, könnte mit ihren langen rötlichen Haaren und braunen Augen aber optisch auch als Engel durchgehen. Sie verständigt sich, wenn überhaupt, nur per Telepathie und ist sehr emotionslos. Ein Lächeln huscht ihr lediglich dann über die Lippen, wenn Menschen wirklich richtig leiden. Nicht viele haben sie jemals laut lachen hören, beteuern aber, dass sie das nie wieder sehen und schon gar nicht hören wollen. Sie ist sehr gefürchtet, selbst unter den Dämonen. Doch trotz ihrer emotionslosen Art ist sie irgendwie zu einem Teil dieser Gruppe von Dämoninnen geworden. Freunde gibt es unter den Dämonen keine, manchmal aber müssen sie in Gruppen kurzzeitig zusammenhalten, um mehr zu erreichen. Neben Leila, Annie, Mika und Megan trifft eine ihnen bekannte Gruppe von weiblichen Engeln ein, die ihnen fröhlich zuwinkt. Leila hebt bloß verächtlich die Augenbraue, während Annie sich einfach abwendet und genervt darauf wartet, dass endlich etwas passiert. Megan überlegt mit funkelnden Augen, welcher von ihnen sie wohl als Erstes das Lachen aus dem Kopf reißen würde, wenn sie jetzt das Go für das Armageddon bekämen. Sie kann sich nicht recht zwischen Gabby und Mary entscheiden.

Gabby, die freudestrahlendste der vier Engelfrauen, dreht sich zwinkernd zu den anderen um und meint: „Macht euch nichts draus, sie mögen uns bestimmt früher oder später, auch sie haben ein Herz.“ Beth nickt ihr freundlich zurück. In diesem Moment ist sich Megan sicher, dass es Gabby werden würde.

Mary ist für gewöhnlich sehr ruhig. Wer an Gott und seinen Plan glaubt, muss keine Angst haben. Das ist eigentlich ihr Motto. Aber für gewöhnlich lädt Gott auch nicht den Teufel und seine Dämonen zu Versammlungen ein. Das ist nun schon etwas beunruhigend. Auch Beth wirkt etwas eingeschüchtert von all den Dämonen um sie herum, weshalb Mary sich schützend zu ihr stellt.

Katie dagegen ist bereit. Egal wofür. Sie wurde schon öfter verwarnt, da ihre Methoden, um Gutes zu erreichen, oft nicht so ganz Gottes Ideologie entsprechen. Schlägereien gehören einfach nicht dazu, hatte man sie damals geschimpft. Aber was hätte sie denn machen sollen? Als sich damals bei einer OP immer mehr Dämonen einfanden, um ein junges Mädchen namens Tina abzuholen und sie zur Dämonin zu machen, haben die Engel im Raum für Tinas Weiterleben gebetet, ihr Kraft geschenkt und nach mehr Engeln gerufen. Katie war das Gemurmel irgendwann kurzerhand zu viel und startete mit einem Kinnhaken gegen Jason, einen smarten Dämon, der auch nur seinen Job gemacht hat. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, könnte man sagen. Wenn die Menschen sie sehen könnten, hätte es niemanden gewundert, warum es plötzlich so warm im OP-Saal wurde. Die ganze Energie der sich gegenseitig prügelnden Engel und Dämonen war einfach sehr stark. Letzten Endes hat Katie einige der Dämonen rausschmeißen und so das Leben der kleinen Tina retten können, was alle überrascht hat. Jeder kennt seitdem die wilde Engeldame mit den ewig langen Haaren und den entschlossenen Augen, die für die Gerechtigkeit nicht lange fackelt. Beth würde so etwas zum Beispiel nie tun. Sie ist sehr ruhig und hat einen festen Glauben. Mit ihren kurzen blonden Haaren und den großen blauen Augen würde sie niemandem etwas zuleide tun, nicht einmal einem Dämon. Sie ist das Küken der Gruppe und würde auf jede Falle der Dämonen hereinfallen, wären die anderen nicht da und würden über sie wachen. Denn auch Engel können bestraft und als Mensch auf die Erde geschickt werden. Viele Dämonen machen sich daher einen Spaß daraus, Engel zu verführen oder unwissentlich zu schlechten Taten zu bewegen.

„Da tut sich was“, stellt Gabby plötzlich fest, streicht sich die braunen Wellen hinter die Ohren und schaut gespannt nach vorne auf die Bühne, auf der nun Licht angegangen ist.

Ein aufgeregtes Gemurmel ist zu hören, als Gott und Teufel gleichzeitig von links und rechts die Bühne betreten. „Vermutlich konnten sie sich nicht einigen, wer von beiden als Erster auf die Bühne geht“, scherzt Leila und schaut dabei zu Annie, die ebenfalls vergnügt schmunzelt. Auch Mika entweicht ein kleines Lächeln. Mary jedoch sieht kopfschüttelnd zu ihnen herüber, was für noch mehr Belustigung bei den vier Dämoninnen sorgt.

Doch plötzlich ist alles ruhig. Alle warten gespannt, was Gott und Teufel zu verkünden haben.

Leila beobachtet ihre Körpersprache genau. Sie sind beide etwas unruhig und unsicher. Was kommt da bloß auf sie zu?

„Hallo zusammen, schön, dass ihr alle hier seid“, begrüßt sie der Teufel im schicken Smoking und winkt einmal cool in die Runde. Gott wirkt mit seinen zurückgekämmten weißen Haaren und dem grauen Anzug erwachsener als der Teufel, obwohl die beiden im selben Alter sind. Der Allmächtige winkt kurz freundlich und kommt direkt zur Sache. „Ihr könnt euch sicher denken, dass es einen wichtigen Grund für eine Zusammenkunft in diesem Ausmaß gibt. Glaubt mir, es war für uns beide nicht leicht, uns einzugestehen, dass es an der Zeit ist, einen gemeinsamen Weg einschlagen zu müssen …“ Mit einem Mal verschwindet aus Megans sonst emotionslosem Gesicht das neugierige Funkeln, mit dem sie bereits sehnsüchtig auf das Armageddon gewartet hat, während sich die Engel fragen, wie es möglich sein soll, mit Dämonen gemeinsame Sache zu machen. Der Teufel fährt fort: „Also schaut mal Leute. Ihr habt es ja im Endeffekt selbst versaut. Die Menschen werden immer entspannter mit ihrem Yoga und Meditieren. Wir wussten alle, dass das nicht gut enden wird. Wir haben einiges geleistet, um das Ganze zu stoppen“, hält der Teufel inne, lacht und schaut zu seinen treuesten Ergebenen hinunter, die sich ebenfalls stolz zunicken. Doch als der Teufel Gottes verständnislosen Blick sieht und in die geschockten Augen der Engel blickt, würgt er das Lachen mit einem Husten ab und spricht weiter: „Naja, aber es reicht nun mal nicht, den Anführern das Yogatum auszutreiben. Wir waren einfach zu spät dran. Die Bewegung verbreitete sich wie ein Lauffeuer, ihr wisst es ja selbst.“ Leila fragt sich, ob sie im falschen Film ist und was Yoga mit der Zusammenkunft aller Zeiten auf sich hat, da liefert Gott bereits die Auflösung. „Nun ja, die Menschen sind zu entspannt geworden. Sie juckt das Geflüster eines Dämons einfach nicht mehr“, schmunzelt er und hebt unschuldig die Hände, was Jubel bei den Engeln auslöst. „Heißt das, wir haben gewonnen?“, freut sich Gabby und jubelt fröhlich mit, während Katie frech zu den vier Dämoninnen rüberschaut und ihnen mit einem Zwinkern „Ihr Looser“ telepathiert. Mika schüttelt verwundert den Kopf und meint zu Leila: „Was ist diese Katie nur für ein Engel …“ „Sie wär wohl besser bei uns aufgehoben“, telepathiert Leila gezielt, dass es beide Gruppen hören können, und schaut provokant zu Mary, die sozusagen die Mutterrolle der Gruppe innehat, doch die Debatte wird schnell wieder unterbrochen, da Gott weiterspricht: „Naja, also wir haben nicht wirklich gewonnen. Also irgendwie schon, da die Menschen Frieden gefunden haben. Aber ehrlich gesagt sind nicht nur die Dämonen überflüssig geworden, sondern ehrlich gesagt … auch wir.“ Nun ist es totenstill. „Sie brauchen uns nicht mehr?“ Beth ist geschockt, wie alle anderen auch. Sie hat mit ihren großen Augen vermutlich seit Minuten nicht mehr geblinzelt.Auch die Dämonen sind irritiert und Leila schaut fragend zu Mary herüber. Mary zuckt mit den Schultern und gesteht: „Er hat recht, es ist schon weniger geworden, dass sie uns um Hilfe bitten. Sie sind wirklich entspannter geworden, das ist schon wahr“, überlegt sie weiter. „Ich gehe eigentlich nur noch viel neben ihnen spazieren … Oh mein Gott! Sie brauchen uns nicht mehr! Aber wenn jemand stirbt oder bei Unfällen, ich meine, da wird ja so viel gebetet wie nie, sie können gar nicht komplett auf uns verzichten“, sagt sie etwas hilflos, versucht aber trotzdem, den anderen Engeln Trost zu spenden, und nickt ihnen aufmunternd zu. Der Teufel fährt fort: „Ihr kennt ja aus euren Beobachtungen der Menschen das Thema Kurzarbeit. Wir haben ein sehr ähnliches Modell. Es ist uns nicht leichtgefallen, diesen Schritt zu gehen, und es war eine Menge Arbeit, das könnt ihr mir glauben“, versucht er es erneut mit einem kleinen Lächeln, das aber sofort wieder verschwindet, als er in die fragenden Gesichter der Menge blickt. Während Gott mit den Armen hinterm Rücken dasteht und nickt, räuspert sich der Teufel und spricht weiter: „Jedenfalls … Es ist so … Ich mach es kurz: Einige von euch werden als Menschen auf die Erde geschickt.“ Nun sind alle geschockt und versuchen, das Gehörte irgendwie zu begreifen. Das Gemurmel wird immer lauter und besonders Mika wird nun richtig blass. Bereits nach der ersten Schocksekunde gehen die Blicke der Dämoninnen direkt zu Mika – und das nicht ohne Grund. Sie wurde bereits einmal bestraft und zum Menschen gemacht, da sie als Dämonin zu freundlich war. Sie hat nicht viel aus dieser Zeit erzählt, es muss sehr schlimm gewesen sein, ein Mensch zu sein. Als sie die Blicke der anderen erwidert, flüstert sie: „Da bin ich lieber für immer tot und existiere nicht mehr. Ihr werdet das nicht schaffen. Megan vielleicht. Aber für den Rest sehe ich schwarz.“ Ihr Blick wird trüb und verwandelt sich von Entsetzen in Hoffnungslosigkeit. Selbst die sonst rot funkelnden Haare scheinen plötzlich ihr Strahlen verloren zu haben.Die Engelfrauen neben ihnen haben die Szene natürlich auch mitbekommen und haben nun erst recht Angst. „Wir wissen, dass euch das hart trifft. Aber wenn ihr euch Mühe gebt, können einige von euch zurückkommen. Aber das erklärt euch nun Jerome. Er ist in Zukunft euer Ansprechpartner, da Telepathie nicht mehr funktionieren wird. Er erklärt euch alles und ist von uns beiden sowohl für Engel als auch für Dämonen zum neutralen Berater erwählt worden. Er ist unparteiisch und war bereits ein paar Monate lang ein Mensch zur Probe.“Gott begrüßt nun Jerome, der mit eisigem Blick hervortritt. Er hat blonde Locken und ist aalglatt. Keiner der beiden Seiten hat je persönlich mit ihm gesprochen. Er fungierte immer nur als stiller Beobachter, der zwischen Gott und Teufel kommunizierte. Niemand konnte bisher je begreifen, was in seinem Kopf vorgeht, nicht auch nur annähernd. Die Meinungen zu ihm gehen sehr weit auseinander: Von Misstrauen bis zu Bewunderung über sein weises Handeln ist alles dabei. Niemand kann ihn wirklich deuten. Und nun, heute, werden sie ihn das erste Mal sprechen hören.

Er betritt langsam, fast schwebend und in aller Ruhe die Bühne, wie ein Mysterium, das viele noch nie zu Gesicht bekommen haben. Am Rednerpult angelangt blickt er für ein paar Sekunden in die versammelte Menge, bevor er schließlich mit entschiedener Stimme verkündet: „Ihr werdet ab morgen Menschen sein. Nicht alle von euch. Eine Handvoll Engel und Dämonen wird natürlich hierbleiben, sozusagen ein Notfallteam für die Menschen. Alle anderen werden in Wohnblöcken in WGs untergebracht. Ich erkläre euch gerne warum. Ihr müsst es so verstehen: Wir sind wie ein Unternehmen. Die Engel leben von der Liebe und die Dämonen vom Hass der Menschen. Werden Hass und Liebe der Menschen weniger, wird auch unsere Kraft weniger, sprich, die Energie, die wir nutzen, um unsichtbar zu sein und uns telepathisch zu unterhalten oder den Menschen etwas ins Ohr zu flüstern. Aktuell sind die Menschen so gleichgültig wie nie. Sie nehmen jeden Sturm an Unglück sowie Glück so gleichgültig hin wie noch nie zuvor.“ Für Leila ergibt plötzlich alles einen Sinn. Ihr war in letzter Zeit öfter aufgefallen, dass ihr Geflüster von den Menschen kaum noch wahrgenommen wurde, aber sie dachte einfach, sie sei wieder an einen Langweiler geraten, und suchte sich das nächste Opfer, das dafür einfach ein wenig offener war. Es war offenbar vielen aufgefallen, da die meisten nun nachdenklich nicken. Jerome erklärt weiter: „Ohne den Zorn oder die Liebe der Menschen können wir uns leider nicht länger leisten, euch unsterblich und unsichtbar zu machen.“

„Aber was sollen wir als Menschen machen? Und wir sollen in WGs wohnen? Aber mit wem? Per Zufall oder wie soll das vor sich gehen?“, fragt ein Dämon aufgeregt. „Sehr gute Fragen, Stefan“, antwortet Jerome, während der Dämon sich ein wenig wundert, dass er seinen Namen kennt. „Wir haben mehrere Wohnkomplexe für euch in verschiedenen Großstädten der Welt gekauft. Die meisten von euch werden in der Nähe der Orte wohnen, an denen sie ihre Aufträge hatten, da sie die Umgebung und Leute bereits ein wenig kennen. Warum Großstädte? Ganz einfach: Hier ist die Menschendichte am höchsten. Hier sollt ihr versuchen, die Menschen auf eure jeweilige Seite zu ziehen. Also die Engel sollen versuchen, den Menschen die Liebe wieder näherzubringen, während die Dämonen versuchen sollen, Hass in ihnen zu entfachen, um vielleicht wieder als Dämon arbeiten zu können. Vielleicht …“, hält Jerome kurz inne und schaut in die Runde, „vielleicht gefällt euch sogar das Leben als Mensch und ihr wollt bleiben. Ein Projekt oder eine Situation wie diese gab es noch nie. Wir wissen nicht, wie es ausgehen wird. Mit den Wohngemeinschaften ist es aktuell so geregelt, dass wir Engel und Dämonen gemischt untergebracht haben, um eine Herdenbildung zu vermeiden. Ihr seid einem bestimmten Wohnhaus zugeteilt. Innerhalb des Wohnhauses könnt ihr euch natürlich mit Personen, die ihr kennt, zu WGs zusammentun. Wir haben jedoch darauf geachtet, dass Männer und Frauen nicht im gleichen Wohnhaus untergebracht sind, schließlich sollt ihr euch auf eure Aufgabe fokussieren. Vielleicht könnt ihr euch als Menschen sogar gegenseitig helfen, um besser klarzukommen. Es wird wirklich nicht leicht werden.“ Jerome blickt noch einmal besorgt in die Massen. „Als Mensch muss man Geld verdienen. Eure Unterkünfte sind zwar bezahlt, dennoch braucht ihr Essen etc. Engel und Dämonen werden euch nun eure neuen Lebensläufe, Handys und Bargeld austeilen. Wir haben euch Jobs gegeben, bei denen ihr schon oft Menschen begleitet habt, ihr kennt euch also einigermaßen aus und habt schon viel in den Jobs gesehen. Solltet ihr Fragen haben, macht es wie die Menschen. Schaut in eure Handys und googelt. Ihr werdet schnell herausfinden, wie Google funktioniert. Falls ihr Probleme im Umgang mit den Handys haben solltet, geht in eine Bücherei. Wie die Menschen es früher gemacht haben.“

„Wenn unsere telepathischen Kräfte nicht mehr funktionieren, wie sollen wir über so eine große Entfernung miteinander kommunizieren?“, will ein Engel besorgt wissen.

„Mit euren Handys. Ihr seid ab morgen Mittag Menschen. Das haben wir gezielt nicht ab sofort gemacht, ihr müsst ja auch Zeit haben, in euer Land und in eure Stadt zu kommen. Speichert euch alle wichtigen Nummern ein. Meine Nummer braucht ihr nicht, ihr könnt mich in Gedanken rufen, ich werde euch hören. Aber tut das nur im Notfall, wenn ihr nicht mehr weiterwisst und Hilfe braucht.“

„Wenn wir nicht mehr fühlen, ob jemand uns braucht, wie können wir es wissen?“, fragt ein weiterer Engel. „Macht es wie die Menschen und fragt nach. Ihr beobachtet sie seit Jahren, macht es einfach wie sie.“

„Wie sollen wir uns finden, wenn wir nicht fühlen, wo die anderen sind?“, möchte nun ein Dämon wissen.Als Leila die Stimme des Dämons hört, hält sie kurz die Luft an und schaut in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist. Dort steht Marcus mit der fast weißen Haut und den schwarzen Haaren, die leicht ins Gesicht hängen. Seine blauen Augen funkeln provokant in Richtung Jerome. Er ist wütend. Und jeder weiß genau, wen er mit dieser Frage meint. Dass Leila und Marcus gerne gemeinsame Sache machen, ist kein Geheimnis. Sie sind auf einer Wellenlänge und spielen dieselben Spielchen mit den Menschen. Sie waren nie ein Paar, so etwas wäre für Dämonen nicht möglich, da selbst gefühlloser Sex zu viel Zuneigung wäre. Dennoch haben sie immer gerne zusammengearbeitet und sich gegenseitig fühlen lassen, dass sie gerade irgendwo in irgendeiner Situation gebraucht werden, und kamen sich gegenseitig zu Hilfe.

„Ihr werdet dieses Gefühl nicht mehr haben. Ihr könnt nicht mehr fühlen, wo jemand ist. Menschen haben zwar eine Intuition und können manchmal unsere Anwesenheit fühlen, allerdings ist das nicht vergleichbar mit unserem Fühlvermögen und Spürsinn“, entgegnet Jerome und macht dann eine kleine Pause, während seine kleinen Helfer noch die Taschen mit Lebensläufen und Geld verteilen. „Ich würde vorschlagen, dass ihr einmal die Woche eine Art Meeting mit der jeweiligen Nachbarwohnung haltet, um Fragen und Probleme zu besprechen. Ihr wisst, wie ihr mich erreichen könnt. Aber wie gesagt, ruft mich nur im Notfall. Wir werden uns nun zurückziehen, um euch auch die Zeit zu lassen, eure Nummern auszutauschen und eure Wohnungen zu suchen. Viel Glück“, verabschiedet sich Jerome mit einem kühlen Lächeln. Jerome, Gott und der Teufel ziehen sich zurück, während in der breiten Masse erst einmal Hysterie, Getuschel und wilde Diskussionen ausbrechen.

Die Helfer erreichen Leila, Mika, Megan und Annie und übergeben ihnen mit einem mitleidigen Nicken die Taschen. „79 E“, stellt Leila fest, als sie die Mappe mit zukünftiger Adresse und Lebenslauf öffnet.

Mika, Megan und Annie haben ebenfalls „79 E“ in ihren Mappen stehen. Die vier Dämoninnen sind erleichtert. Kurz darauf geht ihr Blick von den Papieren hoch zu Mary. Diese nickt ihnen ebenfalls zu. „79 E. Wir haben auch alle 79 E.“ Sie gehen aufeinander zu. „Lasst uns zusammen zum Haus gehen und Wohnungen auf der gleichen Etage nehmen. Wir sollen ja gemischt wohnen. Aber wir kennen uns zumindest“, schlägt Mary vor.

Während Beth und Gabby verunsichert dreinschauen, kann bei Katie von Verunsicherung nicht die Rede sein, denn sie nickt entschlossen. Leila schaut skeptisch zu den vier Engelfrauen, aber beim Blick in die Masse der anderen Engel kommen ihr diese Hühner noch am einfachsten vor, weshalb sie genervt zurückantwortet: „Ja, klingt wohl einleuchtend.“ Mika stupst Annie in die Seite und meint lachend: „Wohl eher – erleuchtend.“„Mika, gerade dir müsste doch das Lachen vergangen sein“, nimmt Annie Mika den Wind aus den Segeln.Mikas Grinsen verschwindet abrupt, aber mittlerweile hat sie nicht mehr so viel Panik. Mensch zu sein ist scheiße. Aber mit ihren Kolleginnen wird es vielleicht gar nicht so schlimm. Es kann zumindest nicht mehr schlimmer werden als damals …

Leila und Mary nicken sich zu. „In einer Stunde dort“, beschließen sie und alle machen sich an das Einspeichern der Nummern in die Handys. Gar nicht so einfach, wenn man noch nie eins gebraucht hat. Bei den Menschen sieht das immer so einfach aus, denkt sich Leila.

Als Leila sich zur nächsten Gruppe von Dämonen aufmachen will, hat sie plötzlich das Gefühl, festgehalten zu werden und sich umdrehen zu müssen. Sie kennt auch bereits den Grund: Marcus steht hinter ihr. Ihre Verbindung ist so stark – wie wird das wohl als Mensch sein? Die Verbindung aller Dämonen ist stark und man fühlt die anderen, wenn sie Hilfe benötigen. Aber Marcus nimmt sie über extreme Distanzen wahr. Als sie sich umdreht, steht er schweigend da. Nicht ängstlich, eher wie versteinert, wie vor einem Abschied. Sie fühlt sich genauso, als sie in seine blauen Augen blickt. Schweigend nimmt sie sein Handy und tippt ihre Nummer ein. Als sie wieder aufschaut und ihre Blicke sich treffen, fragt Marcus: „Werden wir das hier verlieren?“Leila zuckt mit den Schultern, da sie es selbst nicht weiß. „Keine Ahnung. Wo bist du?“„79 F“, antwortet er. „79 E“, sagt sie. „Dann sind wir ja nicht weit entfernt.“ „Mental aber schon. Ruf mich an, wann immer du mich brauchst“, entgegnet Marcus.Sie nickt und erzählt ihm, dass sie mit Mary zusammen eine Etage bewohnen wird, da sie sie zumindest kennt. „Gute Idee. Vielleicht rotte ich mich dann auch mit Jackson zusammen, er wohnt auch in 79F. Habt ihr eure Jobs schon gesehen? Libor wird Aufräumer bei der Mafia. Na wenn das nicht passt“, grinst Marcus. „Nein, wir wollten jetzt erst mal zur Wohnung rüber und uns um die Nummern kümmern. Wir sehen uns. Viel Glück als Mensch“, sagt sie kühl. „Viel Glück, Leila“, entgegnet er ebenfalls kühl. Er wünschte, er könnte es ihr aus tiefstem Herzen wünschen. Anatomisch gesehen hat er zwar ein Herz, aber sobald man ein Dämon wird, wird das Herz sozusagen gefühlstechnisch abgekapselt. Als hätte man kein Mitleid und keine Liebe für niemanden. Libor wird Aufräumer bei der Mafia? Das passt wirklich zu ihm, denkt Leila, als sie sich abwendet, und muss sogar ein wenig schmunzeln. Vielleicht wird es doch gar nicht so schlimm als Mensch. Mit solchen Jobs. Libor ist ein sehr düsterer Typ mit schwarzen Augen, dunklem Teint, sehr kurz geschorenen Haaren und einer langen Narbe über dem Kopf, die fast ein Scheitel sein könnte. Leila hat ihn noch nie nicht ernst gesehen. Alle Dämonen, die sie kennt, machen mal einen Witz, bis auf Megan natürlich. Gegen Libor wirkt Marcus fast weich. Man kann ihn mit seinem kantigen Kinn und all der Wut, die ihn oft überkommt, zwar nicht als weich bezeichnen, aber Libor wirkt bereits bedrohlich, wenn er bloß den Raum betritt, als hätte er eine riesige schwarze Aura, die den gesamten Raum einnimmt. Da war Leila ja vom Teufel persönlich nicht so beeindruckt.

Als Leila sich von Marcus abwendet und zu den anderen geht, fragt dieser sich, wie es sich zwischen ihnen beiden verändern wird, wenn sie Menschen sind. Menschen haben Gefühle. Werden sie sich mögen oder sogar lieben? Kann man überhaupt als Dämon zurückkehren, wenn man verliebt ist? Er sollte Leila definitiv meiden. Aber was, wenn er sich in eine andere Frau verliebt? Oder noch schlimmer – in irgendeinen gewöhnlichen Menschen? Er will nicht als dämlich verliebter Mensch umher rennen müssen. Auf keinen Fall. In ihm herrscht das reinste Gedankenchaos. Was denkt sich der Teufel nur dabei, aus ihnen Menschen zu machen?, fragt sich Marcus. So bestraft wurde er noch nie. Sie müssen sich dringend etwas einfallen lassen, wie sie die Menschen dazu bringen, wieder mehr zu hassen. Heute Nacht ist wohl Brainstorming angesagt – in der neuen WG. Wie lächerlich. Marcus schüttelt den Kopf und geht zu Libor.

Kapitel 2

Als die Dämoninnen sich mit den Engeln am Haus treffen, ist bereits viel los. Natürlich wollen alle den besten Platz ergattern. Annie hebt verächtlich die Augenbrauen. „Na toll, Massenaufläufe … Nun können wir uns mit diesen Menschenproblemen auseinandersetzen, schon bevor wir überhaupt Menschen sind.“Leila ist ebenfalls nicht begeistert, während Mika bereits losrennt. Die Mädels folgen ihr und während in den unteren Etagen bereits gestritten und gedroht wird, läuft Mika in Windeseile immer weiter das Treppenhaus hoch. „Wusste gar nicht, dass Mika so schnell ist“, grinst Leila, als sie Mika mit ihren roten Haaren und der zierlichen Figur die Treppen hochflitzen sieht. Mary und die anderen Engel folgen ihnen schweigend und schrecken immer wieder vor sich anfeindenden oder kämpfenden Dämoninnen zurück. Als sie die Etagen hochwandern, wird es immer ruhiger. Es sind nur sechs Stockwerke, aber alle wollen anscheinend die unteren Etagen bewohnen. Als die Gruppe in eine der beiden Wohnungen in der obersten Etage kommt, steht Mika bereits freudestrahlend in der geöffneten Terrassentür. „Ist das nicht geil?! Wir haben eine Dachterrasse!“Leila und Annie verstehen den Sinn nicht ganz und Megan ist so emotionslos wie eh und je. „Man kann sich den Himmel anschauen“, schwärmt Beth und geht an der Gruppe vorbei nach draußen. „Sehr schön“, meint auch Mary lächelnd, während Gabby ebenfalls freudig nach draußen hüpft, Beth an den Händen nimmt und ausgelassen mit ihr im Kreis springt.

Leila und Annie sind geschockt. Sie kennen die Engel von Notfallsituationen und ihre ewigen Gebete. Aber dass die geballte Fröhlichkeit bei ihnen wohnen wird, wird ihnen erst jetzt klar.

Mika nickt zufrieden und erklärt den Dämoninnen, dass Menschen sehr viel Wert auf frische Luft und Sonne legen und sie somit mit dieser Dachterrasse definitiv den besten Platz ergattert haben.

„Aha“, entgegnen sie gleichzeitig und nicken wie bei einem Museumsbesuch. Neugierig wirft Mary einen Blick in die zwei sich gegenüberliegenden Wohnungen. Die Dachterrasse ist wohl für beide Wohnungen gedacht.

Alle haben gehofft, dass die Wohnungen gleich groß wären, damit die Gruppen sich nicht mischen müssten. Aber Fehlanzeige. Es sind einmal drei und einmal fünf Schlafzimmer. Als der Rundgang im Wohnzimmer der größeren Wohnung beendet ist, ist allen klar, dass nun entschieden werden muss, wer weiterhin eine Gruppe bleibt und wer einen aus der anderen Gruppe mitaufnimmt. Leila will es kurz machen. „Wir nehmen Katie.“Mary entgegnet lachend: „Das, denke ich, ist keine gute Idee. Wir sollen gemischt leben, ja, aber Katie ist jetzt bereits sehr impulsiv. Wir wollen nicht, dass sie danach noch zu einer von euch wird, sollten wir wieder als Engel leben dürfen. Nein, nein. Wie wär’s, wenn wir Mika nehmen?“ „Also mir wär’s egal“, zuckt Mika mit den Schultern und sieht mit den vollen Lippen und den großen Kugelaugen wie immer süß aus. „Pffffhhh“, entgegnet Annie verächtlich und verdreht die Augen. „Wir wissen alle, dass Mika zu wenig böse ist. Das wäre euch recht, was, eine von uns zu bekehren. So weit kommt’s noch.“ „Vielleicht sollten wir das Ganze anders anpacken?“, schlägt Gabby vor. „Wir wollen alle zusammen in unseren Gruppen bleiben, aber vielleicht gibt es auch jemanden, dem es egal ist. Ich meine, wir müssen ja nur in unseren Zimmern schlafen und können doch tagsüber bei den anderen im Wohnzimmer sitzen oder was Menschen halt so tun.“ „Also … gibt es eine Freiwillige vielleicht?“, fragt Mary in die Runde. Alle sehen sich um und fragen sich, wer wohl am besten infrage käme, als Megan plötzlich mit einem leicht provokativen Lächeln einen Schritt vortritt. Jeder schaut sie verwundert an. Die Engel machen große Augen und bereuen vermutlich Gabbys Vorschlag gerade zutiefst. Beth starrt Megan mit ihren großen blauen Kugelaugen und offenem Mund fassungslos an. Leila und Annie stimmen nach kurzem Abwägen und Überlegen belustigt zu. „Na da haben wir ja unsere Kandidatin“, lacht Leila. „Wie klasse ist das bitte? Ihr könnt zusammen in einer Gruppe bleiben.“ Mary, die ihre Fassung wieder erfolgreich zurückerrungen hat, meint: „Also gut, na dann Megan, willkommen in deinem neuen Zuhause. Zumindest für die nächste Zeit. Dann sucht sich mal jede ein Zimmer aus.“

Die Versammlung löst sich auf und alle suchen sich irgendein Zimmer aus. Da außer Mika noch keine von ihnen jemals als Mensch gelebt hat, sind ihnen die Zimmer auch vorerst nicht wichtig.

Als Leila die Tür hinter sich schließt und das Bett betrachtet, fragt sie sich, wie es wohl sein mag, zu schlafen und zu träumen. Sie hat oft mit ihrer Gegenwart die Träume einiger Menschen gestört oder zum Bösen manipuliert, aber selbst geschlafen hat sie noch nie. Jeder Dämon war zuvor ein Mensch, das ist kein Geheimnis. Natürlich hat sie da geschlafen. Allerdings erinnert man sich nicht mehr an das einstige Menschenleben, sobald man als Dämon wiedergeboren wird. Außerdem ist sie schon so lange eine Dämonin, dass sie sich nicht einmal mehr daran erinnern kann, wie alt sie als Dämonin ist. Sie legt sich kurz aufs Bett und versucht sich vorzustellen, wie es ist zu schlafen. Als sie die Augen schließt, hört sie Marcus Gedanken, die sich an sie richten. „Seid ihr schon in eurer Wohnung?“, fragt er sie. Sie bejaht und schickt ihm gedanklich Bilder von der Dachterrasse und dem Zimmer. „Die Menschen mögen wohl Dachterrassen. Wo bist du?“, will Leila wissen. „Wir haben uns gerade mit Jackson und seinen Engelfreunden getroffen, wir stehen also noch vor dem Haus. Da ist ja ganz schön was los.“„Das wird noch interessant“, denkt Leila und schon ist Marcus auch wieder aus ihren Gedanken verschwunden. Leila kramt ihren Lebenslauf aus der Tasche und schaut nun nach, welchen Job sie haben wird. Ihre Augenbrauen gehen hoch. Ist das sein verdammter Ernst???

Nachts setzen sich die Dämoninnen im Wohnzimmer zusammen. Auch Megan ist von der gegenüberliegenden Wohnung, die sie sich mit den vier Engelfrauen teilt, rübergekommen.

„Also Mika, du warst bereits ein Mensch. Was müssen wir wissen? Ich weiß, du redest nicht viel und gern darüber, aber sag uns zumindest das Notwendigste“, bittet Leila sie im Namen aller Anwesenden. Diese legt den Kopf schief und überlegt: „Also … das Wichtigste zuerst: Wir werden hungrig sein. Als neuer Mensch ist der Magen leer. Wir sollten also als Erstes einkaufen gehen, wenn wir Menschen sind.“ „Können wir das nicht jetzt noch erledigen, solange wir von Ort zu Ort springen können?“, fragt Annie. „Nein, wir sind doch noch nicht sichtbar. Was würden denn die Menschen denken, wenn sie Einkaufswägen sehen würden, die sich von allein bewegen, oder Lebensmittel, die durch die Luft schweben? Nein, wir sollten wirklich warten und zu Hause sein, wenn wir uns verwandeln. Man fühlt sich echt beschissen in den ersten Tagen. Also eigentlich generell, aber an den ersten Tagen besonders. Man hat sämtliche Launen. Wir müssen erst merken, wie wir drauf sind, wenn wir hungrig sind und vor allem wenn wir müde sind. Uns sind diese Gefühle fremd, während man sie als Mensch eigentlich nonstop hat. Auf die Toilette gehen ist auch so eine Sache. Daran muss man sich auch erst gewöhnen. Vermutlich auch der Grund, weshalb wir erst ab übermorgen mit unseren Jobs beginnen. Als kleine Eingewöhnungsphase als Mensch, bevor es noch schlimmer wird und man zusätzlich noch arbeiten muss“, erklärt Mika.Annie hält es nicht länger aus und ruft in die Runde: „So, Fakten auf den Tisch. Welche Jobs habt ihr?“ Megan lächelt und präsentiert ihr Stück Papier, auf dem Domina steht. Jede von ihnen hat ein Deckblatt mit dem Job und einem motivierenden Satz dafür bekommen. Dahinter befinden sich erfundene Lebensläufe und Zeugnisse, die sie sich einprägen müssen. Bei Megan steht großgeschrieben: Domina – Megan du liebst es, Menschen zu quälen und ihnen ihre Grenzen aufzuzeigen, um sie dann zu überschreiten. Mach weiter so.

Alle nicken erstaunt. „Ja, das ist einleuchtend“, sagt Annie anerkennend. „Ich bin fast ein wenig neidisch“, entgegnet Leila. „Ich bin im Verkauf. Was soll ich als Verkäuferin? Bei mir steht: Du magst es, körperlich zu arbeiten. Also viel Spaß beim Regale einräumen.“Annie muss lachen, während Mika verständnisvoll nickt. „Naja, ist aber nicht so verkehrt. Immerhin kannst du dann zum Beispiel was Essbares mitnehmen. Würde ich jetzt nicht so negativ sehen bzw. eher positiv.“ „Lebensmittel wären in der Tat sinnvoll. Ich muss allerdings Klamotten verkaufen.“

„Autsch“, entgegnet Mika, „naja, vielleicht macht es dir ja doch Spaß. Schau es dir einfach an.“

„Ich werde Rechtsanwältin, verkündet Annie stolz. „Ursprünglich habe ich überlegt, ob es überhaupt sinnvoll ist, zur Arbeit zu gehen. Was wäre ich für eine Dämonin, wenn ich brav zur Arbeit gehe? Aber in meiner Beschreibung stand, dass ich schlau und manipulativ bin und mich darum kümmern soll, dass ein paar Verbrecher freigesprochen werden. Die Idee gefällt mir natürlich schon. Deshalb werde ich es einfach mal probieren. Was bist du Mika?“Mika schaut enttäuscht zu Boden und sagt: „Ich werde Friseurin.“ Leila gibt zu, sogar in diesem Punkt neidisch zu sein, da ihr alles besser zu sein scheint als Verkäuferin. „Mika, das ist doch klasse. Weißt du, wie viele Leben nach einem Friseurbesuch zerstört werden? Wie geil!“, lacht Annie – und schon ist Mika guter Dinge. Die Dämoninnen stellen zwei Stühle bereit, da sie durch ihre Verbindung spüren, dass Marcus und Moe auf dem Weg zu ihnen sind.

Ohne zu klopfen, spazieren die beiden in die Wohnung und setzen sich, während Moe mit seinem Sonnyboy-Lächeln meint: „Na Mädels, schon aufgeregt?“ Diese zucken nur mit den Schultern. „Super Stimmung hier. Etwas frostig. Sehr gut als Dämoninnen, aber als Menschen müsst ihr schon noch daran feilen. Wie auch immer“, zuckt er mit den Schultern und lässt seine schwarzen wilden Locken ein wenig schwingen, „ich wollte euch nur mal Bescheid geben, dass ich der Dealer eures Vertrauens sein werde. Dachte, vielleicht könnt ihr die Info bei euren Jobs brauchen. Marcus eröffnet einen Club, ist das nicht der Hammer? Aber wenn da die Polizei kommt, wird er verknackt, also verticken wir die Drogen lieber etwas außerhalb, haben wir so unter uns besprochen. Jason kommt mir da sehr gelegen, wisst ihr. Er ist Student und kann dann prima Drogen an der Uni verticken. Passt zu ihm, was?“ Moe lacht und alle stellen sich Jason mit den mittellangen blonden Haaren und dem arroganten Gesichtsausdruck an der Uni vor. „Das passt wie die Faust aufs Auge“, stimmt Marcus anerkennend zu. „Genau wie Moe in die Drogendealer-Schiene passt.“

„Wo dürft ihr starten?“, fragt Moe und Marcus wartet gespannt auf Leilas Aussage. „So spannend wird’s bei mir nicht. Ich werde Klamotten verkaufen. Annie wird Rechtsanwältin und lässt Straftäter frei, Mika wird Friseurin und Megan darf Leute verhauen als Domina.“

Megan lächelt wieder leicht. Sie freut sich wohl schon auf ihren Job. Mika bewundert Marcus. „Hab ich da richtig gehört vorhin? Du wirst einen Club leiten? Ist ja super, dann können wir da am Wochenende ausgehen.“

„Ja, die Eröffnung wird Samstag sein, denke ich. Wir wollen noch Stellenanzeigen aufgeben für Barkeeper, Türsteher und Leute für die Garderobe. Und Putzfrauen werden wir auch brauchen. Vielleicht können wir einen Flyer drucken für eine Vorstellungsrunde am Freitag. Könntest du da einen dann mitnehmen zur Arbeit, Leila?“

„Ja klar, ist kein Problem“, meint Leila und nimmt somit dankbar einen sinnvollen Job an.

„Das ist eine gute Idee. Ich sollte auch eine Anzeige schalten für meine Domina-Dienste“, sagt Megan. Alle Köpfe wandern plötzlich zu ihr. Niemand hat sie je tatsächlich sprechen hören. Vermutlich hat sie sich gedacht, sie übt sich schon mal in Kommunikation, bevor sie als Mensch plötzlich alles auf einmal lernen muss. Alle warten auf eine Erklärung oder einen weiteren Satz ihrerseits. Doch das war’s. Sie überlegt wohl gerade, wie sie ihre Anzeige am besten formuliert. Annie schüttelt sich kurz, als wäre sie soeben eingefroren, und überdreht plötzlich die Augen. „Oha, hört ihr auch das Engelsgebimmel, das sich nähert?“