Unbeschwert leben - das Arbeitsbuch - Silke Brand - E-Book

Unbeschwert leben - das Arbeitsbuch E-Book

Silke Brand

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Beschreibung

Übungen gegen Verbitterung Das Arbeitsbuch stellt ein abgestimmtes Übungsprogramm vor, das Menschen effektiv darin unterstützt, sich in Eigenregie vom Schmerz früherer Verletzungen und von Verbitterung zu befreien. Es beinhaltet die Essenz des 10-Schritte-Programms zur Entbitterung, das Silke Brand entwickelt hat. Mithilfe von zwei durchgängigen Fallbeispielen führt die Autorin die Leser:innen konsequent durch ihren persönlichen Entbitterungsprozess, der von zahlreichen Übungen und einem Selbsttest begleitet wird. Dieses Buch ergänzt das 2020 erschienene Hauptwerk der Autorin zum Thema Verbitterung, „Unbeschwert leben“, und das zugehörige Online-Seminar „Warum ich?“, das 2021 auf der Plattform Sinnsucher.de erschienen ist.

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Seitenzahl: 238

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Silke BrandUnbeschwert leben – Das Arbeitsbuch

Über dieses Buch

So befreien Sie sich von Verbitterung 

Der Schmerz früherer Verletzungen wiegt oft schwer – erlittenes Unrecht kann uns mental und emotional blockieren und sogar krank machen. Dieses Arbeits­buch stellt ein abgestimmtes Übungsprogramm vor, das Sie effektiv darin unterstützt, sich in Eigenregie von Verbitterung zu befreien. Es beinhaltet die Essenz des 10-Schritte-Programms zur Entbitterung, das die Autorin ­entwickelt hat. Mithilfe von zwei durchgängigen Fallbeispielen führt Silke Brand Sie konsequent durch Ihren persönlichen Entbitterungsprozess, der von zahlreichen Übungen und einem Selbsttest begleitet wird. 

Das Buch ergänzt das 2020 erschienene Hauptwerk der Autorin zum Thema Verbitterung, „Unbeschwert leben“, und das zugehörige Online-Seminar „Warum ich?“, das 2021 auf der Plattform Sinnsucher.de erschienen ist.

Dr. Silke Brand, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Paarberaterin und Coach in eigener Praxis in Köln. Ihr psychologisches Fachwissen möchte sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen: als Expertin in TV und Rundfunk sowie als Autorin. http://www.entbitterung.de •http://www.praxisdrbrand.de

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2023

Covergestaltung: © Sina Brinkmann, Hamburg (www.sinabrinkmann.de), unter Verwendung einer Illustration von One Line Man (www.shutterstock.com)

Fotos Linda Wiegers (www.soulisticcoaching.com)

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2023

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0448-0

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0449-7 (EPUB), 978-3-7495-0450-3 (PDF).

Danksagung

Ein riesengroßes DANKE …

… an alle Menschen, die mich in den vergangenen 51 Jahren auf die eine oder andere Weise unterstützt haben.

… an alle Menschen, die ihre persönlichen Erfahrungen mit mir geteilt haben.

… an alle Menschen, die mir als Begleiterin ihr Vertrauen geschenkt haben.

… an alle Menschen, von denen ich bisher in meinem Leben lernen durfte.

Vorworte

Vorwort von Betroffenen

Zuallererst übergebe ich das (Vor-)Wort an diejenigen, die es wissen müssen, nämlich Menschen, die bereits Erfahrungen mit dem 10-Schritte-Programm „Unbeschwert leben“ gesammelt haben:

„Ihr Buch Unbeschwert leben ist eine Offenbarung für mich, schon die erste Übung würde gefühlt eine A4-Seite füllen, nicht, weil ich jedes Fitzelchen sammle, sondern weil ich in meinen 56 Jahren schon einiges schlucken musste. Ich habe großes Interesse, mir von Ihnen helfen zu lassen, da ich mich von Ihnen verstanden fühle und daher die berechtigte Hoffnung habe, mit Ihrer Hilfe aus der Verstrickung und Wechselwirkung zwischen Groll und negativen Erlebnissen in der Gegenwart aussteigen zu können.“

„Gerade in der Pandemiezeit ist es hilfreich, dieses Thema ganz offen und vorbehaltlos anzusprechen. Wir kennen wohl alle Menschen, die Verbitterung nicht zugeben würden. Es steht – sicherlich zu Unrecht – stellvertretend für Schwäche und Angst. Leider kommt es dann zu klinisch relevanten Symptomen, leider! Denn der Verbitterung könnten depressive Phasen folgen, die unser Dasein mächtig negativ beeinflussen können. Ich halte daher den offenen Umgang […] für wichtig. Gerade Menschen, die Verantwortung für andere Menschen (sind wir das nicht irgendwie alle?) tragen, sollten hier anwendungsbereites Basiswissen – möglichst intuitiv – vorhalten, aber mindestens Super-Antennen für Verbitterung haben. Die 10 Schritte aus der Verbitterung – toll konstruiert und illustriert. Wichtig!!! ganz vorn, d. h. mit Schritt 1 beginnen, um ‚Unbeschwerter leben‘ zu können.“

„Ich hab Ihr Buch gekauft und gelesen. Es hat mich erreicht und mein Herz berührt. Großartig sind die Audio-Übungen auf Ihrer Website. Die Metta-Meditation, die Genau-wie-ich-Meditation, von Beziehungen getragen sein, die Mini-Meditation und das Ho’oponopono-Vergebungsritual. Ich hab das expressive Schreiben für mich entdeckt, was etwas Befreiendes für mich hat. Ich hab jetzt Karteikarten mit positiven Affirmationen, mit Erste-Hilfe-Strategien nach einer Kränkung und hab herausgefunden, was meine Risikofaktoren für Verbitterung sind, aber auch, was meine wichtigsten Bedürfnisse sind. Mein Leben fühlt sich jetzt schon leichter und lebendiger an.“

„Beim Durcharbeiten Ihres Buches und Ihrer Homepage kamen mir Tränen … das geschieht das erste Mal seit ewigen Zeiten, … weil ich denke, es gibt einen Namen für mein Leiden, und es gibt auch offensichtlich Behandlerinnen, die sich damit auskennen.“

„Es hat sich etwas verändert: Meine äußere Situation ist geblieben. Ich lebe zurückgezogen, habe wenig soziale Kontakte, das macht mich manchmal traurig. Aber: Ich bin kein Opfer mehr meiner Situation. Ich entscheide – auch, mit wem ich Kontakt haben möchte oder auch nicht. Ich wertschätze meine Zurückgezogenheit, weil sie zu mir gehört.“

Vorwort der Autorin zu diesem Arbeitsbuch

Liebe Leserin, lieber Leser,1 warum ein extra Arbeitsbuch zum Unbeschwert leben-Programm?

Weil …

… Geschmäcker bekanntlich verschieden sind. Ich habe mehrfach die Rückmeldung von Unbeschwert leben-Lesern bekommen, dass sie sich das Programm in einer noch pragmatischeren, übersichtlicheren und „theoriefreieren“ Workbook-Variante wünschen.

… es mein Anliegen ist, möglichst vielen Menschen eine Brücke zu bauen und Wege aufzuzeigen, wie sie konstruktiv mit erlebtem Unrecht umgehen können. Nach dem Unbeschwert leben-Buch ist im Juni 2021 ein Online-Kurs zum Thema erschienen: „Warum ich? Wie Sie sich von Verbitterung befreien und an erfahrenem Unrecht wachsen“ (siehe http://www.sinnsucher.de/kurs/warum-ich). Dieses Workbook soll ein alternatives Vehikel für ein Programm sein, das Menschen effektiv darin unterstützt, sich in Eigenregie von Verbitterung zu befreien.

… in den vergangenen zwei Jahren viele Betroffene mit dem Unbeschwert leben-Programm erfolgreich ihre Verbitterung reduzieren konnten und mir wertvolle Rückmeldungen gegeben haben, die ich in diesem Workbook für Sie nutzbar machen möchte.

… sich seit dem Erscheinen von Unbeschwert leben im Dezember 2020 viele Betroffene bei mir gemeldet haben, um sich von mir als Coach oder Therapeutin auf ihrem Weg zu einem unbeschwerteren Leben begleiten zu lassen. Angereichert mit diesem Erfahrungsschatz, kann ich noch präziser sagen, welche der zahlreichen Unbeschwert leben-Übungen besonders effektiv helfen. Dieses Workbook beinhaltet also die Essenz des 10-Schritte-Programms Unbeschwert leben: ohne Schnörkel und Chichi – auf den Punkt gebracht, sozusagen.

Mit zwei durchgängigen Fallbeispielen führe ich Sie konsequent durch Ihren persönlichen Entbitterungsprozess. Es handelt sich hierbei um echte Klienten, die sich erfolgreich mithilfe des Programms von Verbitterung befreien konnten.

Sollten Sie sich genauer dafür interessieren, warum und wie die einzelnen Übungen funktionieren, empfehle ich Ihnen die Kombination des Arbeitsbuchs mit dem Buch Unbeschwert leben.2 Dort finden Sie interessante theoretische Hintergrundinformationen inklusive wissenschaftlicher Studienergebnisse zu den einzelnen Themen.

Wie auch immer genau Sie dorthin kommen – mögen Sie möglichst unbeschwert leben!

Ihre Silke Brand

Vorwort der Autorin zum Buch Unbeschwert leben im Februar 2020

Liebe Leserin, lieber Leser, herzlich willkommen zu dieser Lektüre!

Wahrscheinlich fühlen Sie sich auf irgendeine Art beschwerter, als Sie sich fühlen möchten, sonst hätten Sie dieses Buch nicht zur Hand genommen.

Oder Sie kennen eine Person, die schwer an Groll und Verbitterung trägt, und fühlen mit ihr.

Wahrscheinlich ist da eine Sehnsucht nach Leichtigkeit, nach Frieden, nach Ruhe da oben in der Gedankenmaschine. Eine Sehnsucht nach Verbindung zu anderen Menschen. Nach Herzenswärme und Unkompliziertheit. Nach Erleichterung und Neuanfang.

Vielen Menschen geht das so, deswegen habe ich dieses Buch geschrieben. Die Phänomene Groll und Verbitterung sind mir schon so häufig als Hindernis auf dem Weg zu Lösung, Verständigung und Heilung begegnet – sowohl persönlich als auch beruflich in meiner Funktion als Menschenbegleiterin.

Vielfach habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich dieses Hindernis durch eine Kombination aus verschiedenen Zutaten aufweichen lässt. Im Wesentlichen besteht dieses Rezept aus Achtsamkeit, Mitgefühl mit sich selbst und anderen, psychischer Flexibilität, Weisheit und Gewaltfreier Kommunikation.

Ich bin ausgiebig in Fachliteratur sowie in spirituelle Ansätze eingetaucht und habe meine Erkenntnisse theoretisch untermauert, um sie schließlich für Sie in dieses handliche 10-Schritte-Programm zu gießen.

Mögen Sie es zukünftig leicht haben! Das wünsche ich Ihnen von Herzen.

1  Zwecks besserer Lesbarkeit habe ich mich dazu entschlossen, auf die genderneutrale *-Schreibweise zu verzichten. Selbstverständlich sind jedes Mal, wenn eine männliche bzw. weibliche Form verwendet wird, die jeweils anderen Geschlechter mit gemeint.

2https://www.entbitterung.de/buecher-artikel/.

Einleitung

Kurz nach Abgabe des Manuskripts zu meinem Buch Unbeschwert leben – Wie Sie sich in 10 Schritten von Verbitterung befreien3 im Februar 2020 brach die Corona-Pandemie über die Menschheit herein.

Wenn wir Verbitterung als Notwehrreaktion auf erlebtes Unrecht verstehen, dann sind die Gründe für Verbitterung durch die Pandemie sprunghaft angewachsen. Viele Menschen erlebten unschuldigerweise plötzlich Unrechte unterschiedlichster Art, die weit über das alltägliche Maß, den „normalen Wahnsinn“, hinausgingen:

Viele Menschen mussten einsam sterben, ihre Familien konnten sie aufgrund der Isolationsbestimmungen in ihren letzten Lebensstunden nicht begleiten. Die Angehörigen blieben mit Schuldgefühlen und schwer zu verarbeitender Trauer zurück.

Viele Menschen sahen sich plötzlich in ihrer beruflichen Existenz bedroht. Manche Branchen, wie Tourismus und Flugverkehr, das Gastgewerbe und die Kulturbranche wurden dabei weitaus schlimmer getroffen als andere. Berufliche Pläne scheiterten oder wurden erschwert. Viele mussten in Kurzarbeit gehen, auf andere Tätigkeiten umsteigen oder wurden arbeitslos.

Viele Menschen in systemrelevanten Berufen, wie Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern, Lehrer oder Politiker arbeiteten weit über das übliche Maß hinaus. Dabei vermissten sie oft Unterstützung, Anerkennung und Würdigung ihrer Leistung.

Viele Menschen konnten sich aufgrund von Homeoffice und Homeschooling zu Hause nicht ihren Raum nehmen, den sie natürlicherweise brauchen. Vielerorts kam es zu einer chronischen organisatorischen und psychischen Überforderung. Dadurch entstanden viele Konflikte.

Die Bildungsungerechtigkeit zwischen Familien wurde während der Pandemie weiter verschärft.

Kinder und Jugendliche konnten sich in den vergangenen zwei Jahren nicht altersgemäß in ihren Bedürfnissen nach Autonomie und Spaß entfalten, Studenten verbrachten ihre ersten Semester allein in fremden Städten vor dem Laptop.

Positive Aktivitäten, wie Urlaub, Hobbys und Treffen mit Freunden waren für uns alle nicht oder nur begrenzt möglich, weil sie durch die pandemische Lage und entsprechende Schutzmaßnahmen erschwert wurden.

Viele Menschen litten während der Pandemie unter Einsamkeit.

Viele Menschen fühlten sich durch die Corona-Schutzmaßnahmen bevormundet und in ihrer Autonomie bedroht.

Viele Menschen fühlten sich durch die Corona-Schutzmaßnahmen nicht ausreichend beschützt.

Neuere Studien zeigen, dass die Verbitterungsquote in der Allgemeinbevölkerung im Zuge der Corona-Pandemie tatsächlich gestiegen ist. So konnten Muschalla und Kollegen (2021) mit einer Online-Umfrage unter 3.353 Deutschen, Schweizern und Österreichern einen deutlichen Anstieg klinisch relevanter Verbitterung von 3 % (2019) auf 16 % (während der zweiten Welle, Ende 2020) zeigen. Ein hoher Verbitterungsgrad korrelierte z. B. mit dem Verlust des Arbeitsplatzes (selbst bzw. naher Angehöriger), finanziellen Einbußen, Konflikten und Aggressionen im beengten häuslichen Umfeld, Abgeschnittensein durch mangelnde technische Ausstattung sowie Einsamkeit durch den Wegfall sozialer Kontakte.

Auch wenn nicht jeder Mensch, dem Unrecht widerfährt, darüber verbittert oder gar eine Verbitterungsstörung entwickelt, begünstigen sehr schwierige und ungerechte „Großwetterlagen“ die Entstehung von Verbitterung. Nicht zufällig ist Verbitterung in einer anderen sehr anspruchsvollen „Großwetterlage“ erstmals in großem Stil beobachtet und als eigenständiges Phänomen wissenschaftlich definiert worden: Nachdem Ende der 1980er-Jahre das DDR-Regime gescheitert war und viele Menschen im Zuge der deutschen Einheit unschuldigerweise mit einem ganzen Bündel von Unrechten konfrontiert worden waren, begannen die mittlerweile umfangreichen und international anerkannten Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Michael Linden an der Charité Berlin (Linden, 2017). Verbitterung kann also nicht nur als individuelle Notwehrreaktion auf erlebtes Unrecht verstanden werden, sondern auch als kollektives Phänomen ganzer Länder oder Gruppen, denen Unrecht widerfahren ist, wie z. B. Vertreibung, Krieg, Verfolgung, Diskriminierung, Herabwürdigung. Es gibt viele Beispiele für kollektive Verbitterung auf der Welt, wie z. B. den Nahost-Konflikt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, eine nicht enden wollende Verbitterungs- und Vergeltungsschleife! Während der Erstellung dieses Manuskripts ist durch den Angriff Putins auf die Ukraine ein weiterer Nährboden für individuelle und kollektive Verbitterung entstanden.

Warum manche Menschen über erlebtes Unrecht verbittern und andere nicht, ist eine interessante Frage. Hierzu finden Sie einen ausführlichen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse und die Zusammenhänge zwischen Biografie und Verbitterung in meinem Buch Unbeschwert leben – Wie Sie sich in 10 Schritten von Verbitterung befreien.

Dieses Arbeitsbuch stellt viele Anregungen und konkrete Übungen für all diejenigen bereit, die erlebtes Unrecht noch nicht verwinden konnten. Für all diejenigen, deren Gedanken noch um erlebtes Unrecht kreisen, die sich nach wie vor mehr damit beschäftigen, als ihnen selbst lieb ist. Für all diejenigen, die sich von Bitterkeit befreien und unbeschwert leben möchten.

3https://www.entbitterung.de/buecher-artikel/.

Einführung: Das Phänomen Verbitterung

Verbitterung ist eine Notwehrreaktion auf erlebtes Unrecht

Als Unrecht kommt grundsätzlich jedes Erlebnis infrage, das ein Mensch subjektiv als unrecht oder ungerecht(fertigt) empfindet. Wird ein Erlebnis als Unrecht erlebt, dann weil es gegen die eigenen inneren Regeln (Glaubenssätze) verstößt, die definieren, wie die Welt zu sein hat bzw. wie Menschen sich zu verhalten haben. Denn: Wir haben alle eine (oft unbewusste) Richtig-Falsch-Matrix in uns.

Es gibt Erlebnisse, die wahrscheinlich alle Menschen als Unrecht erleben würden, wie Krieg, Vertreibung, körperliche Gewalt oder eine unheilbare Krankheit. Der brutale Angriffskrieg Putins gegenüber der Ukraine wird z. B. wohl von den Allermeisten als Unrecht erlebt. Glücklicherweise sind wir Menschen mit vielen Möglichkeiten (sog. Ressourcen) ausgestattet, selbst schlimmstes Unrecht psychisch unbeschadet zu verarbeiten und irgendwann hinter uns zu lassen. Manchmal stürzt uns erlebtes Unrecht jedoch in eine schwere innere Krise.

Im Kapitel „Schritt 1: Ich benenne das Unrecht“ werde ich viele konkrete Beispiele für Erlebnisse nennen, die von Menschen als Unrecht wahrgenommen werden. Ich werde darüber hinaus diese Beispiele den menschlichen psychologischen Grundbedürfnissen zuordnen, um zu zeigen, an welcher Stelle Menschen durch erlebtes Unrecht verletzt werden können.

Je strenger das innere Regelsystem ist, desto leichter können Menschen von der (unvollkommenen) Realität enttäuscht und gekränkt werden und desto anfälliger sind sie für Kränkung und Verbitterung. Aus diesem Grund werden Sie sich im Verlauf des Programms mit Ihren inneren Glaubenssätzen beschäftigen.

Entstehung von Verbitterung

Eine Verbitterungsreaktion entsteht dann, wenn folgende Zutaten zusammenkommen:

Abbildung 02.1: Rezept für Verbitterung

Wie schmeckt Verbitterung für die Betroffenen?

Verbitterung ist für Betroffene auf verschiedenen Ebenen spürbar: gedanklich, gefühlsmäßig (emotional), körperlich (physiologisch) und im Verhalten.

Typische Gedanken bei Verbitterung

Warum ich? Wie konnte/n der / die nur? Das ist doch nicht zu fassen! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das hätte ich niemals im Leben für möglich gehalten! Ich kann es einfach nicht glauben! Ich fasse es nicht! Ich bin fassungslos! Ich falle vom Glauben ab! So eine Frechheit! Das hat mir gerade noch gefehlt! Auch das noch! Immer ich! Na warte! Es hat doch eh keinen Zweck! Mir ist alles egal. Soll er / sie doch machen, was er / sie will. Der / die wird schon sehen, was er / sie davon hat! Der / die kann mir gestohlen bleiben! Gottes Mühlen mahlen langsam, aber trefflich fein! Vergiss es! Das wird nicht mehr! Wer nicht will, der hat schon! Diverse Rachegedanken und -fantasien.

Typische Gefühle bei Verbitterung

Enttäuschung, Frustration, Fassungslosigkeit, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Bedrücktheit, Wut, Ärger, Zorn, Ekel, Hass, Verstörung, Hilflosigkeit, Überforderung, Verzweiflung, Resignation, Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit, Überdruss, Leere, Pessimismus, Scham, Minderwertigkeit, Wertlosigkeit, Einsamkeit, Suizidalität.

Typische Körperempfindungen bei Verbitterung

Je nach Gefühl bestimmte charakteristische körperliche Empfindungen, wie z. B. bei Wut: erhöhter Puls, Temperaturanstieg, Muskelanspannung, psychosomatische Symptome: „Galle kommt hoch“, „Kloß im Hals“, Magenbeschwerden, Bluthochdruck, Schmerzen, körperliche Unruhe, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, mangelnder Appetit auf Essen / Sex.

Typisches Verhalten bei Verbitterung

Grundsätzlich kann man verschiedene Verbitterungsreaktionen voneinander unterscheiden, auf die ich im Schritt 3 noch ausführlich eingehen werde. Entsprechend unterschiedlich ist auch das damit einhergehende Verhalten:

Angriff:

verbale Gewalt, wie Sarkasmus, andere bloßstellen, beleidigen, abwerten, mit Nichtachtung strafen (Liebesentzug), andere auflaufen lassen, Lösungen blockieren, beschimpfen, lästern, mobben, stalken, anklagen (verbal und vor Gericht), verschiedene Rachehandlungen, bis hin zu körperlicher Gewalt, Amokläufen und erweiterten Suiziden.

4

Flucht:

sich zurückziehen, schmollen, beleidigt sein, den Kontakt abbrechen, vermeiden von Themen / Personen.

Erstarren:

zynische Grundhaltung, „Misanthropie“,

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herumschimpfen, lamentieren, jammern, bloßes Funktionieren, dabei wenig fühlen („dissoziieren“), Ablenkung / Betäubung mit Arbeit, Essen, Drogen, Sex, Serien, Gaming, Konsum etc., Apathie, Depression, Suizid.

Wie schmeckt Verbitterung für die Außenwelt?

Verbitterte Menschen werden im Kontakt oft als unangenehm erlebt, weil ihr Verhalten selten kooperativ, sondern eher destruktiv ist. Als Gegenüber läuft man Gefahr, Opfer ihrer „scharfen Zunge“ zu werden, die sich in abwertenden, süffisanten und sarkastischen Bemerkungen zeigen kann. Verbitterte Menschen haben oft eine negative allgemeine Ausstrahlung, weil sie eher ernst sind und wenig lächeln. Wenn sie Blickkontakt aufnehmen, dann geschieht dies eher feindselig. Sie leben oft zurückgezogen oder fallen in Gesellschaft durch Schimpfen, Lamentieren und negative Gedanken auf. Verbitterte Menschen fühlen sich häufig auf den Schlips getreten, bestimmte Themen ziehen ein eisiges Schweigen nach sich, es entsteht beim Gegenüber ein „diffuses Tretminengefühl“. Der Verbitterte redet oft negativ und zynisch über andere Menschen und die Welt im Allgemeinen.

Bekannte verbitterte Charaktere aus Literatur und Film sind z. B. der Griesgram Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte und der Earl von Dorincourt, Großvater des „Kleinen Lords“, die uns jedes Jahr zur Weihnachtszeit aufs Neue menschlich frösteln lassen.

Schon Aristoteles stellte fest: „Diese Art von Menschen ist sich selbst und den vertrautesten Freunden die schwerste Last“ (aus: Nikomachische Ethik). Verbitterung legt sich also nicht nur beim Betroffenen selbst wie ein Schatten auf die Lebensfreude, sondern verdunkelt auch das zwischenmenschliche Klima. Verbitterung führt zu Rachehandlungen. Verbitterung führt zu Kriegen. Im Kleinen wie im Großen. Es lohnt sich also aus verschiedenen Gründen, sich von Verbitterung zu befreien.

Im folgenden Kapitel können Sie herausfinden, wie stark Sie aktuell selbst von Verbitterung betroffen sind.

Selbsttest: Bin ich verbittert?

Gekränktsein und darauffolgende Bitterkeit sind weitverbreitete Phänomene. Jeder kennt das: ein bitterer Nachgeschmack, ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, sozusagen ein inneres „Autsch“, eine Fassungslosigkeit nach einem schwer verdaulichen Erlebnis.

Verbitterung ist keine Krankheit! In Umfragen unter der Normalbevölkerung liegt die Häufigkeit von starker Verbitterung bei 2,5 % (Linden, 2009) – 3,8 % (Muschalla et al., 2022). Immerhin 11,7 % der 2531 Personen, die von Muschalla und Kollegen 2019 befragt wurden, zeigten eine moderate Verbitterung infolge erlebten Unrechts.

Chronische Verbitterung ist allerdings ein Risikozustand für psychosomatische Erkrankungen, wie z. B. Schmerzen, Bluthochdruck oder Depressionen. Außerdem kann Verbitterung selbst zur Krankheit werden (Posttraumatische Verbitterungsstörung). Eine ausführliche Darstellung finden Sie in meinem Buch Unbeschwert leben – Wie Sie sich in 10 Schritten von Verbitterung befreien.6

Mithilfe der PTED-Skala von Linden und Kollegen (2009) können Sie das Ausmaß Ihrer aktuellen Verbitterung feststellen.

Name: ________________  Datum: _________________

PTED21-Selbstbeurteilungsfragebogen

Bitte beantworten Sie die folgenden Aussagen und Feststellungen und kreuzen Sie die für Sie zutreffende Spalte an. Bitte lassen Sie keine Zeile aus!

In den vergangenen Jahren hatte ich ein einschneidendes Lebensereignis zu verkraften,

trifft nicht zu

trifft kaum zu

trifft teilweise zu

trifft zu

trifft voll zu

1. das mich äußerst gekränkt oder verbittert hat.

0

1

2

3

4

2. das aus meiner Sicht äußerst ungerecht oder nicht fair war.

0

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2

3

4

3. wodurch sich meine psychische Befindlichkeit deutlich und bis heute negativ verändert hat.

0

1

2

3

4

4. weshalb ich ein Anrecht auf Wiedergutmachung habe.

0

1

2

3

4

5. an das ich immer wieder denken muss.

0

1

2

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4

6. das mich heftig aufregt, wenn ich daran erinnert werde.

0

1

2

3

4

7. das in mir Gedanken an Rache auslöst.

0

1

2

3

4

8. wegen dem ich mir Vorwürfe mache und ärgerlich auf mich selbst bin.

0

1

2

3

4

9. weswegen ich häufiger das Gefühl habe, dass es keinen Sinn macht, Dinge anzupacken und sich anzustrengen.

0

1

2

3

4

10. durch das meine Stimmung häufig niedergeschlagen und gedrückt ist.

0

1

2

3

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11. das dazu geführt hat, dass ich mich in allgemein schlechter körperlicher Verfassung fühle.

0

1

2

3

4

12. weswegen ich bestimmte Orte oder Personen meide, um nicht daran erinnert zu werden.

0

1

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3

4

13. dem gegenüber ich mich ohnmächtig und hilflos ausgeliefert fühle.

0

1

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3

4

14. das in mir Gefühle der Genugtuung auslöst beim Gedanken, der Verursacher würde einmal Ähnliches erleiden.

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1

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4

15. das dazu geführt hat, dass meine Kraft und mein Antrieb reduziert und nicht mehr wie früher sind.

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4

16. das dazu geführt hat, dass ich gereizter bin als früher.

0

1

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3

4

17. weshalb ich mich ablenken muss, wenn ich vorübergehend eine normale und ausgeglichene Stimmung erleben will.

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1

2

3

4

18. das dazu geführt hat, dass ich meinen beruflichen und / oder familiären Aktivitäten nicht mehr wie früher nachgehe.

0

1

2

3

4

19. das dazu geführt hat, dass ich mich von Freunden und geselligen Aktivitäten zurückgezogen habe.

0

1

2

3

4

20. zu dem sich mir immer wieder belastende Erinnerungen aufdrängen.

0

1

2

3

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21. das dazu geführt hat, dass mir oft der Gedanke kommt, dass ich mit dem Leben Schluss machen sollte.

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3

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Abbildung 03.1: Selbsttest: Bin ich verbittert? Die PTED Skala (Linden et al., 2009)

Anleitung PTED-Skala

6https://www.entbitterung.de/buecher-artikel/.

In 10 Schritten aus der Verbitterung: Unbeschwert leben – das Programm

Verbitterung ist ein Zustand, keine Krankheit. Sie kommt häufig und in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Verbitterung ist ein Risikozustand für psychosomatische Krankheiten, ähnlich wie Burn-out.

Wenn wir Verbitterung als Notwehrreaktion auf erlebtes Unrecht begreifen, dann können wir diesen destruktiven Zustand in seiner Funktion verstehen. Gleichzeitig können wir alternative, konstruktivere Strategien entwickeln, um mit erlebtem Unrecht umzugehen.

Folgendes Vorgehen hat sich in meiner Praxis als erfolgreich herausgestellt. Es handelt sich dabei um logische Schritte, die im Beratungsprozess aufeinander aufbauen. Tempo und Schwerpunkte sind meiner Erfahrung nach jedoch individuell sehr unterschiedlich:

Schritt 1: Das Unrecht benennen. Zunächst geht es darum anzuerkennen, dass man einst Opfer geworden ist. Einzelne Unrechte werden klar benannt und den verletzten Grundbedürfnissen zugeordnet.

Schritt 2: Die Verletzung achtsam wahrnehmen. Man begutachtet die Wunde, die durch das Unrecht entstanden ist, und zwar auf eine achtsame Art und Weise. Damit verschafft man sich einen Spielraum im Hinblick auf die Entscheidung, wie man auf die Verletzung reagieren will.

Schritt 3: Selbstmitgefühl praktizieren. Man geht mit einer mitfühlenden Haltung auf die eigene innere Verletztheit ein und begreift die eigene Verbitterung in ihrer Funktion als Notwehrstrategie.

Schritt 4: Selbstfürsorge praktizieren. Man übernimmt die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden. Man versetzt sich in Situationen zurück, in denen man ungerecht behandelt wurde, um zu erfühlen, was man damals eigentlich gebraucht hätte. Man dreht in der Vorstellung den Film noch einmal neu, nur mit dem Unterschied, dass es diesmal gerecht und fair zugeht.

Schritt 5: Sich aus der Opferrolle befreien. Im Sinne der „kreativen Hoffnungslosigkeit“ entschließt man sich, die bisherige Verbitterungsstrategie angesichts der bilanzierten Nachteile loszulassen. Man löst sich somit bewusst aus der Opferrolle. Man übt sich in psychischer Flexibilität, indem man eigene Glaubenssätze über richtiges und falsches Verhalten spielerisch hinterfragt.

Schritt 6: Sinn definieren. Mithilfe des Reframings verleiht man dem erlebten Unrecht einen anderen gedanklichen Rahmen, damit es gefühlsmäßig in einem anderen Licht erscheint. Außerdem beschäftigt man sich vorwärtsgewandt mit dem persönlichen Lebenssinn und bedeutsamen Werten, die man als Kompass für zukünftiges selbstbestimmtes Leben nutzen kann.

Schritt 7: Gefühle äußern. Man lernt, sogenannte „Pseudo-Gefühle“ oder „Täter-Gefühle“ zu entlarven und sie in authentische Gefühle umzuwandeln. Dies ist die Grundlage dafür, wichtige Informationen über eigene Bedürfnisse aus den Gefühlen herauslesen zu können. Man äußert seine wahren Gefühle mithilfe von Körper- und Schreibübungen.

Schritt 8: Mitgefühl praktizieren. Man trainiert psychische Flexibilität durch Perspektivübernahme, Empathie und Mitgefühl.

Schritt 9: Verantwortung für eigenes Handeln übernehmen. Man beschäftigt sich mit der Wirkung des eigenen Verhaltens auf andere und analysiert, inwieweit man mit diesem Verhalten persönliche Ziele erreicht bzw. verhindert. Man praktiziert Vergebung.

Schritt 10: Seine wertvolle Entbitterungsarbeit mit einem Ritual krönen.

Ein wichtiges Anliegen ist mir die Verbitterungsprophylaxe, z. B. mithilfe einer Analyse typischer Trigger, die immer wieder Kränkungsreaktionen hervorrufen, oder der Bereitstellung von Erste-Hilfe-Strategien bei Kränkung. Ziel ist dabei, dass sich kein weiterer Groll anhäuft, der in Verbitterung münden könnte.

Methodisch nutze ich in der Praxis bewährte und gut evaluierte Therapie- und Coachingansätze, wie z. B. Verhaltenstherapie, Rational-Emotive Therapie (RET), Acceptance and Commitment Therapy (ACT), Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP), achtsamkeits- und selbstmitgefühlsbasierte Ansätze (MBSR, MBCT, MSC), traumatherapeutische Ansätze, systemische lösungsfokussierte Ansätze, wie z. B. die Transaktionsanalyse (Drama-Dreieck), Logotherapie nach Viktor Frankl, Gewaltfreie Kommunikation (GFK), Embodiment, das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun, The Work von Byron Katie, das Reiss Motivation Profile®, Expressives Schreiben sowie spirituelle und philosophische Ansätze zu den Themen Sinn und Vergebung. Neu in diesem Arbeitsbuch ist die Erweiterung um wertvolle Erkenntnisse aus der Polyvagaltheorie (Porges) sowie der Hypnosystemischen Therapie (Schmidt).

Fallbeispiele

Während ich in meinem ersten Buch Unbeschwert leben den Schwerpunkt auf die vielen verschiedenen Gesichter von Verbitterung gelegt habe, möchte ich mich in diesem Arbeitsbuch auf zwei Fallbeispiele konzentrieren, mit denen ich Sie konsequent durch das 10-Schritte-Programm führe.

Beide Menschen haben sich intensiv auf das Programm eingelassen und ihre Verbitterung deutlich reduzieren können. Darf ich vorstellen: Anton und Martina!7

Anton

Anton, ein 51-jähriger Sozialpädagoge, ehemals in Leitungsfunktion, heute selbstständig tätig, litt bei Kontaktaufnahme bereits seit 15 Jahren unter verschiedenen psychosomatischen Symptomen. Er schrieb mir, ihm sei alles zu viel, er habe die Schnauze voll und es kotze ihn an. An Therapien habe er schon alles ausprobiert. Hier ein Auszug aus seiner ersten Mail an mich:

Ich leide inzwischen unter meiner Abwehr, teilweise unter meiner sehr aggressiven, bissig-verbitterten Aggression gegenüber vielen Menschen, von denen ich denke, dass sie Böses wollen, die mir was „unterschieben“ wollen. Ich grolle nur noch, und die Negativität in mir macht mich gleichzeitig so müde. Dabei war ich eigentlich immer sehr liebenswert gewesen.

Ich kenne hier auch meine ganzen biografischen Bezüge bis in die Kindheit sehr genau; es ging bei mir um traurige, zufallsartige und miese Erlebnisse, die sich wiederholt haben und denen ich auch ausgeliefert war und machtlos gegenüberstand. Daher hatte ich auch schon vor sehr vielen Jahren eine Psychotherapie und sogar eine erfolgreiche EMDR-Therapie hinter mir. Ich kann heute über meine Kindheit ruhig, klar und distanziert berichten, kein Problem mehr. Ich hatte mir Resilienzfähigkeiten erarbeitet und stand gut und fest im Sattel. Nach außen hin tue ich das vielleicht immer noch.

Dann sind vor 11 Jahren Ereignisse aufeinanderfolgend in meinem Leben passiert, die mich vor dem Hintergrund meiner miesen Kindheit nun verbittern haben lassen. Ich kann es kaum glauben, aber seitdem fühlt sich auch alles anders an. Nicht zuletzt geht es inzwischen um meinen Groll gegen Alles und Vieles. „Lieb sein“ ist längst nicht mehr mit mir. All’ diese aktuelleren Widerfahrnisse waren ungerecht und auch unverdient, was mir da angetan und zugemutet wurde. Ich weiß das alles eigentlich schon sehr lange … nur, wer hilft mir wohlwollend, strukturiert und zielführend, dass sich mein Leid lindern kann? Irgendwie träume ich schon noch davon, dass es irgendwann besser wird (ich bin jetzt 51 J.). Das kann doch nicht einfach so „in mir drin“ als Verbitterung stehen bleiben?!

Von seinem aktuellen Therapeuten berichtet er:

Er unterbricht dann sofort nach ein paar Sekunden meine Erzählungen zu den Kränkungen und ist genervt davon. Er will nichts davon hören. Er sagt, er ist der Meinung, dass ein Darüber-Reden all die Erinnerungen nicht besser mache. Daher habe ich nach ca. 35 Stunden noch nie (!!!) konkret über die Erfahrungen der letzten 10 Jahre (die mich so bitter gemacht haben) geredet. Ich solle doch „endlich einfach leben“, z. B. Sport machen. Dann reden wir über Sport. Eigentlich weiß ich gar nicht, über was wir reden. Das Schlimmste ist, ich schäme mich ständig für meinen erbärmlichen Zustand in seiner Gegenwart. Oft habe ich sogar Angst vor ihm. Er ist schnippisch mit mir. Ich fühle nicht eine einzige Sekunde Würdigung. Die Gespräche mit ihm (und seine Resonanz) sind immer nur dann etwas besser, wenn ich schauspielere und mich irgendwie zusammenreiße. Eigentlich bringt das gar nichts. Und es macht mich natürlich wieder so wütend und so hilflos zugleich. Ich kann keinerlei Plan erkennen. Er passt genau in mein Kränkungsschema hinein. Die Stunden laufen demnächst aus. Und ich weiß gar nicht, was ich nur machen kann?!