Und was, wenn es gut wird? - Chris Bloom - E-Book

Und was, wenn es gut wird? E-Book

Chris Bloom

0,0

Beschreibung

Deine Reise zu dir selbst beginnt jetzt Eine gescheiterte Beziehung, ein Job, der ihn nicht glücklich macht – in Chris Blooms Leben läuft nichts, wie er es sich vorgestellt hat. Er hat das Gefühl, nur noch zu funktionieren, statt zu leben. Bis er die Flucht nach vorn antritt und aufhört, an sich zu zweifeln, indem er sich fragt: Und was, wenn es am Ende gut wird? Anhand seiner eigenen Lebensgeschichte und den Learnings aus seiner Reise zu sich selbst erklärt der erfolgreiche Therapeut, HEARTset-Coach und Podcaster, wie du wieder mit deinem wahren Selbst in Verbindung kommst. Er gibt praktische Tipps und Übungen, die dabei helfen, negative Glaubenssätze und blockierende Verhaltensmuster loszulassen und ein bewusstes und erfülltes Leben zu führen. Denn die wichtigste Beziehung ist die Beziehung zu dir selbst!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Chris Bloom

Und was, wenn es gut wird?

Wie du deinen Unsicherheiten begegnest und das Leben lebst, das du dir wünschst

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

2. Auflage 2023

© 2023 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Ein Projekt von dots&plots.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Dr. Sybille Beck

Umschlaggestaltung: Manuela Amode

Umschlagabbildung: © Farina Deutschmann

Layout und Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7474-0521-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-911-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-912-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort von John Strelecky

Vorwort von Chris Bloom

1. Wie alles begann

Mein Leben als Bio-Roboter

Der Sprung ins Leben endete im Hamsterrad

Die Weggabelung

Kleine Schritte ins neue Leben

2. Das Beziehungsende als Bewusstseins-Booster

Wie ich meine Seelenverwandte traf – und wieso es trotzdem scheiterte

»Ich wünsche dir Glück« – ein Abschied in Liebe

Die Schönheit im Schmerz

»Wir sind alle eins« – oder doch nicht?

Schmerz und Liebe

3. Date dich selbst: Warum dich eine Beziehung im Außen niemals glücklich machen wird

Verlustangst: Bitte, geh nicht!

Bindungsangst: Komm mir nicht zu nah!

Welcher Bindungstyp bist du?

Partnerschaft: Erkenne deine Glaubenssätze

Glaubenssätze auflösen in 3 Schritten

Dating-App-Falle

Du bist die Torte

4. Wieso du alles verstehst und trotzdem nichts veränderst

Die 8 besten Tools, um mit der Umsetzung zu starten

Auf der Suche nach dem wahren Selbst

Von außen nach innen: Erkenne dich selbst

Nutze Coaching als Shortcut

So findest du einen guten Coach

5. Wie du ein erfülltes Leben führst

Liebe dich und der Rest folgt: 6 Regeln für ein erfülltes Leben

Kreiere die Basis in dir

Wie geht es dir wirklich?

Das Rad der Emotionen

Gefühle als Besucher: Du bist nicht deine Emotion

6. Warum du dem Herzensweg folgst, wenn du endlich loslässt

Falsche Annahmen über das Loslassen

Erfolgsgeschichten: Loslassen schafft Klarheit

Entscheide dich für dich

7. Let it go: Wie du von der Entscheidung zur Umsetzung kommst

Jeder Tag trägt ein eigenes Leben in sich

Die HEART-UP Methode: Loslassen in 7 Schritten

8. Raus aus dem Kopf, rein ins Herz: Kreiere dein HEARTset

Die drei Säulen für ein kraftvolles HEARTset

Nimm Veränderungen an und gestalte dein Leben

Erfüllung und Dankbarkeit

9. Die Macht der Vision

Kreiere deine Vision – kreiere dein Leben

Interview mit deinem zukünftigen Ich

10. Alles wird gut – der Weg ist das Ziel

Deine eigenen Spielregeln

Vom Klo-Putzer zum Coach und Therapeuten

Willkommen in deinem Leben

Nachwort

Über den Autor

Endnoten

Vorwort von John Strelecky

Wie können wir ein erfülltes Leben führen? Wie können wir uns von den Erwartungen der anderen lösen? Wie schaffen wir es, alten Ballast loszulassen? Wie können wir zerstörerische Glaubenssätze umkehren? Chris und ich haben lange Gespräche über diese und andere Fragen geführt. Einige waren geplant. Andere ergaben sich völlig unerwartet. Diese unerwarteten Begegnungen haben für mich eine ganz besondere Bedeutung. Ich habe gelernt, dass es wichtig ist zuzuhören, wenn eine leitende Präsenz mich in eine bestimmte Richtung oder zu einem bestimmten Gespräch zu bewegen scheint, denn in solchen Fällen lerne ich immer etwas Kraftvolles und Unerwartetes.

Ich habe Chris zum ersten Mal getroffen, als wir zusammen an einem Zoom-Interview für seinen Podcast »Realtalk für deine Seele« gearbeitet haben. Ich hatte das Vergnügen, ihm persönlich zu begegnen, als ich auf Tournee für Überraschung im Café am Rande der Welt war, das vierte Buch der Reihe Das Café am Rande der Welt. Wir hatten ein weiteres großartiges Gespräch und wieder einmal wurde mir klar, dass er ein sehr tiefgründiger Denker mit einem großen Herzen ist.

Ich verließ das letzte Treffen in der Erwartung, dass sich unsere Wege irgendwann wieder kreuzen würden, und freute mich auf den Zeitpunkt, an dem es so weit sein würde. Ich ahnte nicht, dass diese nächste Kreuzung einer dieser unerwarteten, verrückten, zufälligen Momente des Lebens sein würde. Einige Monate später war ich nämlich in Köln, um an einem Projekt zu arbeiten. Ich war gerade angekommen und ging mit meinem Gepäck im Schlepptau die Straße hinunter, auf der Suche nach einem Café, in dem ich ein oder zwei Stunden verbringen konnte, bis mein Zimmer frei wurde. Als ich an einer Kreuzung stand und darauf wartete, dass die Ampel grün wurde, hörte ich jemanden rufen: »Hey, John!« Zu meiner großen Überraschung saß Chris nur wenige Meter von mir entfernt hinter dem Steuer seines Autos.

Ich lebe eigentlich in Florida, in den Vereinigten Staaten. Chris lebt in der Schweiz. Wie groß war also die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide uns zur selben Sekunde an genau dieser Kreuzung in Köln über den Weg laufen? Offensichtlich hatte das Universum etwas im Sinn. Wir hatten beide einen vollen Terminkalender und viel zu tun in den kommenden Tagen, aber wir versprachen, unser Bestes zu tun, um uns zu treffen, bevor wir abreisten.

Nun, das Universum wollte offenbar noch deutlicher werden, denn in den nächsten zwei Tagen trafen wir uns noch vier weitere Male in der Stadt. Es war unglaublich. Also nahmen wir uns endlich Zeit, setzten uns hin und führten ein tolles Gespräch über Beziehungen, Eltern-Kind-Beziehungen, über die ich wegen des neuen Café-Buches viel gesprochen hatte, Liebesbeziehungen, weil Chris gerade eine beendet hatte, Freundschaften und vieles mehr.

Chris weiß, wie wichtig Beziehungen für unser Lebensglück sind – und dass die wichtigste Beziehung nicht im Außen, sondern im Innen stattfindet. Er erzählte mir von seinen Ideen, die er rund um das einfache, aber wirkungsvolle Prinzip »Liebe dich selbst und der Rest wird folgen« entwickelt hatte. Ich konnte mich mit vielem von dem, was er sagte, identifizieren. In meinem eigenen Leben und in meiner Arbeit mit anderen habe ich festgestellt, dass die Art und Weise, wie wir uns selbst betrachten und behandeln, einer der wichtigsten Faktoren dafür ist, ob wir das Leben leben, das wir wirklich wollen. Es ist auch einer der wichtigsten Faktoren dafür, ob wir uns wahrhaftig auf andere einlassen und ein positiver Teil ihres Lebens sein können. Wie Chris zu sagen pflegt: Wir bekommen zurück, was wir ausstrahlen.

Die Tatsache, dass du dieses Buch in die Hand genommen hast und diese Zeilen liest, könnte eine Fortsetzung der verrückten Begegnungen zwischen Chris und mir in Köln sein. Bücher haben eine ganz eigene Energie. Sie scheinen uns genau dann zu finden, wenn wir die Inspiration, die sie enthalten, am meisten brauchen. Ich kann zwar nicht genau sagen, warum du und dieses Buch eine Verbindung zueinander habt oder welche Auswirkungen es auf deine Beziehung zu dir selbst oder zu anderen haben wird, aber ich vermute, dass es einen Grund gibt. Wenn du Chris’ Worte liest, seine Geschichte hörst und die Ideen und Konzepte, die er mit dir teilt, erforschst, wirst du etwas Besonderes und Wichtiges für dein Leben entdecken.

Viel Spaß beim Lesen!

John Strelecky

Vorwort von Chris Bloom

Ich freue mich so sehr, dass du dieses Buch in den Händen hältst. Hier stecken so viel Liebe, Energie und Erfahrungen drin, dass ich es kaum abwarten kann, all diese Inhalte mit dir zu teilen. Deshalb halte ich mein Vorwort sehr kurz. Nur eines will ich dir mitgeben: All diese Seiten sollen keine Deko im Bücherregal sein, sondern ein Teil deines Weges. Arbeite mit dem Buch, streiche dir Stellen an, klebe Post-its hinein, schreibe an den Rand oder in ein Notizbuch, was dir in den Sinn kommt. Jeder wird hier etwas anderes für sich mitnehmen. Sei offen für alles, was dir im Laufe des Lesens in den Sinn kommt. Fülle die Leerstellen zwischen den Buchstaben und Zeilen mit Erfahrungen und Gedanken. Kreiere deinen Sinn. Kreiere dein Leben.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich im Folgenden die männliche Form (generisches Maskulinum), wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind. Es ist mir wichtig zu betonen, dass dies ausschließlich redaktionelle Gründe hat.

Hinweis: Alle in diesem Buch genannten Namen wurden geändert.

1. Wie alles begann

Als ich ein kleiner Junge war, etwa fünf Jahre alt, wollte ich Astronaut werden. Ich erinnere mich noch gut an einen kalten, sternenklaren Frühlingsabend, an dem ich bei meiner Großmutter zu Besuch war. Ich durfte mich nach dem Zähneputzen mit einer Wolldecke auf die Gartenliege kuscheln und starrte in den Sternenhimmel.

»Oma, was muss ich tun, um wirklich mal ins Weltall zu fliegen?«, fragte ich meine Großmutter.

Sie lächelte mich liebevoll an. »Streng dich in der Schule an, glaub an dich und hör nie auf zu träumen.«

»Mhm«, machte ich und schaute wieder nach oben.

Hör nie auf zu träumen. Glaub an dich. Meine Großmutter wäre in einem anderen Jahrzehnt wahrscheinlich eine Top-Influencerin gewesen, wenn sie ihre Weisheiten in stylischen, pastellfarbenen Zitate-Postings geteilt hätte.

Doch damals gab es kein Instagram, und ich … nun ja, ich war fünf Jahre alt. Dieses komische Erwachsenengerede konnte bei mir noch nicht viel auslösen. Dabei hat meine Oma genau das Richtige gesagt: Sie hatte mich ermuntert zu träumen und an mich zu glauben. Astronaut, warum nicht? Irgendwer muss den Job schließlich machen.

Doch als ich in die Schule kam, wurden meine Luftschlösser immer kleiner. Ich schaute weniger in den Himmel und mehr in Schulbücher. Statt Träumereien warteten Verpflichtungen. Meine Mutter fand, dass »Astronaut« kein realistischer Berufswunsch sei. Sie erklärte mir, wie wichtig es sei, einen ordentlichen, sicheren Beruf zu wählen. Pfarrer zum Beispiel. Oder Lehrer.

Da wollte ich also Astronaut werden und die unendlichen Weiten unseres Weltraums erforschen, doch meine Mutter sah mich im muffigen Klassenzimmer stehen. Ein himmelweiter Unterschied, im wahrsten Sinne des Wortes. Doch weil ich ein kleiner Junge war, der seine Mama liebte und ihr nacheiferte, sagte ich brav »Pfarrer oder Lehrer«, wenn jemand fragte, was ich denn mal werden wolle. Je häufiger ich es aussprach, desto mehr glaubte ich es selbst.

In den ersten Schuljahren lernte ich ein paar Jungs kennen, mit denen ich mich anfreundete. Wir bauten Baumhäuser, holten uns blaue Flecken beim Klettern und fühlten uns irre stark. Ich weiß noch, wie wir alle zwischen den Ästen eines Baumes hingen und uns unterhielten. Ich war vielleicht acht oder neun Jahre alt und hatte den Jungs gerade von einem Gespräch mit meiner Mutter erzählt.

»Du besprichst Gefühle mit deiner Mama? Heulst du auch vor ihr?«, fragte einer der älteren Jungs. Ich antwortete nicht und schaute nur zu Boden. Er fing an zu lachen, die anderen stimmten ein. Sie riefen: »Mama-Söhnchen!«, »Bist du ein Mädchen, oder was?« und »Heulsuse!«.

Erwachsenen würde man in solch einem Moment sagen: Lass sie doch reden. Aber mal ehrlich: Das fällt uns doch sogar mit Mitte 30 noch schwer. Ausgelacht zu werden ist ein mieses Gefühl. Immer. Erst recht als vorpubertierender Junge. In diesem Moment habe ich verinnerlicht: Jungs reden nicht über Gefühle. Mit Mama erst recht nicht. Ich wollte cool sein, einer der beliebten Jungs sein, dazugehören, bewundert werden. Dabei erwischte mich das Bild der toxischen Männlichkeit mit voller Breitseite: Ängste sind was für Mädchen! Echte Männer zeigen keine Gefühle, sondern müssen stark sein! Ich muss der Schnellste und Beste sein!

Ich hörte diese Glaubenssätze so oft, dass sie mir in Fleisch und Blut übergingen, ja dass ich sie selbst irgendwann sagte, zu mir und zu anderen. Schon als ich neun Jahre alt war, spürte ich: Wenn ich dazugehören will, darf ich nicht ich selbst sein. Zumindest nicht so ganz. Alles, was uncool wirken könnte, versteckte ich vor der Außenwelt. Mit meiner Mutter und meiner Oma sprach ich nicht mehr ganz so offen wie früher.

Ich trug die Maske des starken, coolen Jungen, der immer vorn mit dabei war und weder Angst noch schwache Momente kannte. Und ich muss zugeben: Ich trug sie mit Stolz. Es fühlte sich richtig an, die Maske passte mir gut und half dabei, die Rolle des mutigen Typen einzunehmen. Diese Rolle verfestigte sich über die Jahre, auch auf dem Gymnasium. Die anderen waren Weicheier, ich war ein ziemlich großartiger Typ. Mein Umfeld gab mir recht: Ich war beliebt, wurde beim Sport immer als Erster gewählt und gehörte zu den angesagten Jungs. »Alles richtig gemacht«, dachte ich, und wägte mich in Sicherheit.

Heute – einige Jahre älter, etwas faltiger und glücklicherweise auch klüger – weiß ich, dass hinter solchen »Auftritten« eine Menge Unsicherheit steckt. Es ist oft die Suche nach Anerkennung von außen, um sich nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigen zu müssen. Anders gesagt: eine traurige Maskerade der Unsicherheit. Kennst du dieses Bild, bei dem ein trauriger Smiley eine lachende Maske vor das Gesicht hält? Genau. Das war ich. Unsicherheit entsteht, wenn wir mit neuen Herausforderungen konfrontiert werden, auf keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen können und vor allem nicht mit dem eigenen Herzen in Verbindung stehen. Wenn du weißt, wer du bist, was du willst, welche Werte dir wichtig sind und was du fühlst, dann verschwindet die Unsicherheit. Sogar in jenen Momenten, in denen dir Erfahrungswerte fehlen.

Von diesem Zustand der Verbundenheit zu meinem Herzen war ich damals allerdings weit entfernt. Ich tat so, als wäre ich ein cooler Typ, doch in mir nagten die Selbstzweifel. Statt mich damit auseinanderzusetzen, wurden gespielte Sicherheit und Selbstverleugnung zu den Grundpfeilern meiner Identität.

Klingt ungesund – war es auch. Die Maskerade rächte sich. Mit 15 saß ich am Schreibtisch und fühlte mich furchtbar. Ironischerweise war es ein traumhaft schöner Tag. In Filmen regnet es in solchen Momenten immer: Die Schauspieler lehnen seufzend den Kopf an eine Scheibe, an der die Regentropfen voller Metaphorik das Glas hinunterrinnen. In der Realität hingegen schien die Sonne unverschämt fröhlich durchs gekippte Fenster vor meinem Schreibtisch. Ich hörte die Vögel draußen zwitschern und von irgendwoher zog Grillgeruch durch die Luft. Und ich? Statt wie ein anständiger Teenager heimlich Bier kaufen zu gehen und unter meinem Bett zu verstecken, starrte ich vor mich hin und fühlte – nichts. Leere. Wer war ich eigentlich? Was wollte ich vom Leben? Alle um mich herum schienen glücklich zu sein. Sie hatten einen Plan, Ziele und waren hoch motiviert. (Zumindest war ich damals in meiner Melancholie davon überzeugt.)

Was war mit mir? Ich war cool, lässig und einigermaßen sportlich. Wie Jungs halt so sind. Besser gesagt: Wie ich dachte, dass Jungs zu sein haben. Doch was mochte ich? Was mochte ich nicht? Wofür stand ich ein? Welche Werte waren mir wichtig? Was wollte ich vom Leben? Ich fühlte mich wie in der Schule, wenn ich an die Tafel musste, aber die ganze Zeit nicht aufgepasst hatte. Ich hatte keine Antworten auf all diese Fragen, nicht eine einzige! Ich wusste, was andere von mir erwarten, doch meine eigenen Ziele hatte ich aus den Augen verloren. Schlimmer noch: Ich hatte mich aus den Augen verloren. Ich war cool, beliebt und – lost.

Mein Leben als Bio-Roboter

Dieser Zustand der Leere hielt eine ganze Weile an. Auch wenn ich nach außen hin weiterhin den coolen Typen mimte. Lange hatte ich davon gesprochen, nach dem Abi ins Ausland zu gehen. Das war vielleicht nicht das Weltall, aber hey, immerhin. Doch als ich dann mein Abitur in der Tasche hatte, bekam ich Schiss und setzte lieber auf meine Lieblingsnummer: die Nummer sicher. Statt zu reisen – ins Ausland, auf den Mond oder sonst wohin –, absolvierte ich eine solide und bodenständige Ausbildung zum Versicherungskaufmann im öffentlichen Dienst. Ich war unglücklich und langweilte mich. Doch ich sprach nicht darüber. Noch nicht einmal mit mir selbst. Den Wunsch nach Sicherheit hatte meine Familie fest in mir verwurzelt. Und ich tat auch in diesem Moment meines Lebens stets das, was andere von mir erwarteten. Das, was die Gesellschaft für richtig hielt. Stets zu Diensten. Ich fand es völlig absurd, dass ich gleich zu Beginn der Ausbildung eine Lohntabelle bekam, auf der ich sehen konnte, was ich in zwölf Jahren verdienen würde. Auf den Cent genau. In zwölf Jahren! Der Karriereweg war komplett vorgezeichnet. Das mag manchen Menschen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, doch ich schüttelte beim Blick auf diese Tabelle nur entgeistert den Kopf. Ich fühlte mich eingesperrt und abhängig, wie ein Tier im Zoo, das traurig am Gitter auf und ab läuft. Nicht, weil mir das Gehalt in zwölf Jahren zu niedrig war, es ging nicht ums Geld. Doch der Gedanke, dass keine Änderungen mehr möglich waren, dass mein Leben von einer Tabelle vorbestimmt war, fühlte sich falsch an. Ich wollte Raum für Überraschungen lassen, wollte Neuorientierungen und Wendepunkte zulassen.

Dennoch zog ich die Ausbildung durch. Weil es von mir erwartet wurde. Weil »man das so macht«. (Bei diesem Satz solltest du übrigens immer stutzig werden, da er auf eine starke Fremdbestimmung hinweist.)

Übrigens war ich auch in Sachen Liebesbeziehungen auf der »Ich tue alles, was andere für richtig halten«-Spur unterwegs. Ich stellte mir vor, dass ich mal ein geregeltes Familienleben führen würde. Die gängige Vorstellung vom Glück – Haus bauen, Kind zeugen, Baum pflanzen –, hatte ich vollständig verinnerlicht. Ich wollte dazugehören. Immer wieder führte ich Beziehungen, jagte einem Ideal nach. Aber dann funktionierte es doch nicht. Mit jeder Beziehung, die zerbrach, wuchs das Gefühl, versagt zu haben. Kein Baum, kein Haus, kein Kind. Na super. Was war ich denn für ein Mann?

Wenn ich mal wieder so richtig tief im Versager-Tunnel steckte, blinkte mich manchmal ein Licht an. »Da wartet noch mehr auf dich«, schien es zu sagen. »Komm her! Na los! Mach dich auf den Weg!«

Doch ich war viel zu sehr in meinem Leben gefangen, funktionierte wie ein Roboter. Bio-Roboter Chris mit dem Betriebssystem »Safety first«, Version 1.0. Das größte Risiko, das ich seinerzeit einging, war, im Restaurant mal ein Gericht zu bestellen, das ich noch nie zuvor gegessen hatte.

Nach der Ausbildung wagte ich es immerhin noch zu studieren, statt sofort nach dem sicheren Job im öffentlichen Dienst zu greifen. Das war für mich fast schon eine Revolte! Ich betrat einen neuen Weg. Vorsichtig, zugegeben, und zögerlich. Ich schrieb mich 2008 nach der Ausbildung an der Universität ein, statt dem vorgezeichneten Karriereweg der Lohntabelle zu folgen. Natürlich kam ich noch nicht ganz aus meiner Haut heraus und suchte mir einen Nebenjob – nur zur Sicherheit, für das geregelte Einkommen, schon klar. Ich machte 2011 meinen Bachelor und begann danach das Masterstudium in Köln.

Und dann, eines Tages, sprang ich tatsächlich über meinen Schatten. Heute habe ich keine Ahnung mehr, wo ich den Mut damals hernahm und wer dieses Systemupdate installiert hatte, aber ich bewarb mich um ein Stipendium in den USA.

Vielleicht waren es die einzigen wahrhaftigen und mutigen zehn Minuten meines damaligen Lebens, als ich das Bewerbungsformular ausfüllte. Der Kugelschreiber jagte über das Papier, ich schrieb, und bevor ich es mir anders überlegen konnte, klebte ich den Brief zu. Als ich am Briefkasten stand, zögerte ich kurz. »Was soll der Scheiß?«, rief eine Stimme in mir. »Das klappt doch eh nicht«, eine andere.

Ich ignorierte die Stimmen und dachte: »Ich probiere es einfach.«

Diese zehn Minuten sollten meinem Leben eine völlig neue Richtung geben. Durch sie verwirklichte ich meinen Traum eines Auslandsaufenthalts und landete 2012 für ein Semester meines Masterstudiums in North Carolina, USA.

Im Flieger wurde ich nervös. Meine Eltern hatten am Flughafen ein paar Tränchen verdrückt und ich wusste plötzlich selbst nicht mehr genau, was ich eigentlich dort wollte. Ich hätte doch auch einfach zu Hause fertig studieren können. Was erhoffte ich mir von dieser Zeit im Ausland? Ich wusste es selbst nicht so genau. Ich spürte nur, dass ich rausmusste, um mehr von der Welt zu sehen. Irgendeine Kraft trieb mich an.

Nach den ersten Tagen aber zeigte sich, dass dieser Schritt genau der richtige für mich war. Meine Unsicherheit und Nervosität waren völlig unbegründet. Ich war überwältigt. Nicht nur, weil ich plötzlich in der Halle Basketball spielen durfte, in der schon Michael Jordan gespielt hatte, sondern vor allem, weil die Menschen so anders tickten. Niemals hätte ich erwartet, dass die Amerikaner eine so grundlegend andere Kultur lebten als wir im sicheren, bodenständigen Deutschland.

»I failed.«

»I messed it up.«

»I’ve screwed up.«

Sätze wie diese gingen den Amerikanern um mich herum so leicht von den Lippen. »So what?«, sagten sie dann, zuckten mit den Schultern und wertschätzten trotzdem, was sie bis zum Moment des Scheiterns geleistet hatten. »Was soll’s?«, war ihr Lebensmotto. »Hauptsache, ich habe es probiert, irgendeinen Sinn wird es schon haben.« Versagen, Fehler machen, scheitern und trotzdem weitermachen – alles ganz normal. »Nobody’s perfect.«

Gleichzeitig dachten die meisten viel größer, als ich es gewohnt war. In den Staaten wurde jede Start-up-Idee von Anfang an weltweit geplant. Understatement gab es schlichtweg nicht, und an der Uni wimmelte es nur so von Entrepreneuren.

In mir explodierte ein ganzes Feuerwerk an Glückshormonen. Ich spürte plötzlich klar und deutlich, dass mir eine mentale Kraft innewohnte, die ich bislang weder kennengelernt noch genutzt hatte. Dieses Licht, da war es wieder. Und jetzt blinkte es nicht nur, jetzt strahlte es aus voller Kraft. Irgendwo unter all den Sicherheitsvorkehrungen und Überzeugungen, wie ein »richtiges« Leben auszusehen habe, hatte ich vergessen, wie es sich anfühlte, mich wirklich zu spüren.

Als ich nach Deutschland zurückkehrte, stieg ich mit einem breiten Grinsen aus dem Flugzeug. Da wir so nah am Flughafengebäude standen, gingen wir den kurzen Weg zu Fuß über das Rollfeld. Ich blieb mitten auf dem Weg für einen Moment stehen, schloss die Augen, spürte den Wind im Gesicht und war voller Vorfreude auf mein Leben.

Nach dem Abschluss des Masterstudiums 2014 startete ich in einem großen Beratungsunternehmen durch. Es war ein hartes Auswahlverfahren gewesen und ich war stolz darauf, es geschafft zu haben. Ich hatte immer noch die Motivation aus den Staaten im Kopf und das Gefühl, nun etwas bewegen zu können. Die Festanstellung befriedigte mein immer noch vorhandenes Bedürfnis nach Sicherheit, der große Name des Unternehmens und der Einstieg in die freie Wirtschaft weckten in mir die Hoffnung, dass ich wirklich Einfluss nehmen konnte. Hier gab es keine Lohntabelle, sondern ich musste etwas leisten, um mich hochzuarbeiten. Das war meine Chance! Ich war hoch motiviert, als ich an meinem ersten Arbeitstag im frisch gebügelten Hemd durch die Eingangstür des Bürogebäudes ging. Los geht’s!

Der Sprung ins Leben endete im Hamsterrad

Na, es wäre auch zu schön gewesen, wenn direkt beim ersten Anlauf alles glatt gelaufen wäre, oder?

Während ich in den ersten Tagen noch freudestrahlend aus dem Bett sprang, motiviert durchs Büro schritt und alle anfallenden Aufgaben mit einem »Na klar, gern!« annahm, sah das ein paar Wochen später schon ganz anders aus. Mein Lächeln wirkte immer aufgesetzter. Mein Gang wurde müder. Meine Begeisterung verschwand. Die Prozesse und die nie enden wollende To-do-Liste fraßen meine Euphorie auf.

Ich lebte ein Klischee und war einer von vielen jungen Consultants, die sich beweisen wollten und sich dabei kaputtarbeiteten. Wer sich durchbiss, konnte viel Geld verdienen, das war mir klar. Doch welchen Preis zahlte man dafür?

»Kommst du mit zum Lunch?«, fragte ab und zu ein Kollege.

»Sorry, ich hab zu viel Arbeit auf dem Tisch«, war meine Standardantwort. Und es stimmte, ich hatte zu viel auf dem Tisch. Doch mir fehlte der Mut zuzugeben, dass es mir zu viel war. Das wäre doch ein Eingeständnis von Schwäche gewesen. Igitt, Schwäche, nein, das passte nicht zu einem erfolgreichen Consultant. Die »Scheitern gehört dazu«-Lebenseinstellung, die ich in den USA kennengelernt hatte, existierte hier nicht.

Es gab Wochen, in denen ich bis zu 60 Stunden am Schreibtisch saß und schuftete. Das war normal. Ich war kein extrem engagiertes Ausnahmetalent, sondern versuchte gerade mal, mit den anderen mitzuhalten. Faulheit war verpönt! Und weil ich Ambitionen hatte und weder meine Eltern noch meine Chefs oder mich selbst enttäuschen wollte, spielte ich mit, blinzelte gegen die müden Augen an, ignorierte den knurrenden Magen und schob die Zweifel beiseite, die in ruhigen Minuten an mir nagten. Die Motivation aus meinem USA-Aufenthalt war verpufft. Ich befand mich im Zustand des ständigen Mangels. Müdigkeit, Erschöpfung, Hunger und Durst wurden zum Normalzustand. Ich ernährte mich schlecht, bewegte mich zu wenig und meine Beziehung litt so sehr unter meinem Arbeitspensum, dass sie schließlich zerbrach.

Und dann saß ich da. In diesem unpersönlichen, kalten, anonymen Büro, in dem ich zwar Kollegen, aber keine Freunde hatte. Ich schlug mir die Nächte um die Ohren, arbeitete Tag für Tag für Tag für Tag.