Unterirdikum - Carsten Gnerlich - E-Book

Unterirdikum E-Book

Carsten Gnerlich

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Beschreibung

Jonathan, ein zwölfjähriger Junge aus dem Ruhrgebiet, wird im Herbst 1944 zu seinem Großvater Georg nach Bayern geschickt. Dort erfährt er von einem Familiengeheimnis. Es existiert ein verborgenes unterirdisches Reich, das den Namen Unterirdikum trägt. Diesem dient Georg als Gesandter, eine Verbindungsperson zur oberen Welt. Um dessen Nachfolge anzutreten, reist Jonathan in dieses wundersame Reich und trifft nicht nur auf eine Vielzahl technischer Meisterwerke. Als sich die Ereignisse überschlagen, findet er sich in einer völlig neuen Welt und mehr als siebzig Jahre in der Vergangenheit wieder.

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Inhaltsverzeichnis

TAGEBUCH: 9. September 1944

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

TAGEBUCH: 22.September 1944

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREIßIG

KAPITEL EINUNDDREIßIG

KAPITEL ZWEIUNDDREIßIG

TAGEBUCH: 28. September 1870

KAPITEL DREIUNDDREIßIG

KAPITEL VIERUNDDREIßIG

KAPITEL FÜNFUNDDREIßIG

KAPITEL SECHSUNDDREIßIG

TAGEBUCH: 24. Dezember 1870

KAPITEL SIEBENUNDDREIßIG

KAPITEL ACHTUNDDREIßIG

TAGEBUCH: 14.April 1871

KAPITEL NEUNUNDDREIßIG

KAPITEL VIERZIG

KAPITEL EINUNDVIERZIG

KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG

KAPITEL DREIUNDVIERZIG

KAPITEL VIERUNDVIERZIG

KAPITEL FÜNFUNDVIERZIG

KAPITEL SECHSUNDVIERZIG

KAPITEL SIEBENUNDVIERZIG

KAPITEL ACHTUNDVIERZIG

TAGEBUCH: 27. September 1944

SCHLUSSWORT

TAGEBUCH

9. September 1944

So, ich habe jetzt alles das, was ich für die nächste Zeit brauche, in meinem Koffer verstaut. Heute habe ich erfahren, dass ich schon übermorgen zum Großvater reisen werde. Da wir nicht wissen, wann ich wieder zurückkomme, ist der Koffer ziemlich voll. Auch meine Schulbücher habe ich dabei, denn die siebte Klasse muss ich wohl in Bayern abschließen. Da die nächste Oberschule zu weit entfernt ist, werde ich eine Volksschule besuchen. Mutter meint, mit der Hilfe des Großvaters werde ich den Anschluss nicht verlieren und trotzdem meine Reifeprüfung machen können.

Hier bei uns im Ruhrgebiet ist es zu gefährlich. Fast täglich haben wir Fliegeralarm, und wenn die Erwachsenen denken, sie sind alleine, geht es oft darum, wie schwierig es sein wird, den Endsieg noch zu erringen. Was dann wohl mit uns geschehen wird? Mutter sagt oft: ›irgendwie geht es schon weiter‹. Leider muss sie hierbleiben. Ich habe Angst um sie und auch um Vater. Hoffentlich sind wir bald alle wieder zusammen.

KAPITEL EINS

Bensdorf, Bensdorf, wo treibst du dich wieder herum? Wo bleiben meine Stiefel? Ist das denn zu viel verlangt? Ich möchte doch nur saubere Stiefel ohne Risse in der Sohle! Lauf zum Schuster und mache ihm Beine. Ich hoffe, dass wir nicht allzu lang in diesem Drecksloch bleiben müssen. Nichts als Staub und noch mal Staub«. Er lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück, nahm sich das Weinglas und nippte vorsichtig daran. »Selbst der Wein schmeckt staubig«, murmelte er und trank dann doch einen großen Schluck.

Wie immer, wenn er seine Gedanken ordnen wollte, strich er mit seinem linken Zeigefinger bedächtig über seinen Schnauzbart. Von links nach rechts und wieder zurück.

KAPITEL ZWEI

Lasst mich, lasst mich schlafen. Verschwindet in euer Hummelland. Oder sind es Bienen, Wespen, Motorräder?«

Es summte und brummte und es ließ ihn nicht in Ruhe. Ein Schmerz durchzuckte ihn. Mit ganzer Kraft hatte er seinen Ellenbogen an an die Wand gestoßen. Langsam wusste Jonathan wieder, wo er war und dass ihn nur ein blöder, immer wiederkehrender Traum geweckt hatte. Er war im alten Zimmer seines Vaters im Dachgeschoss des Hauses seines Großvaters. Der Junge stand auf und schaute aus dem kleinen Fenster. Morgendliche Dämmerung lag noch über den Häusern. Es war zwar September, aber in den Nächten wurde es schon empfindlich kalt. Hier im Gebirge kam der Herbst früher als bei ihm zuhause in der Stadt und die Berggipfel waren hinter dem aufsteigenden Nebel nur zu erahnen. Auf einer Wiese standen Kühe, die sich über das immer noch saftige Gras hermachten. Und das, fand er, war eine ausgezeichnete Idee. Bergluft macht hungrig, sagte sein Vater immer. Und er hatte recht. Frühstücksappetit vertrieb den letzten Rest an Schläfrigkeit.

Er zog Schuhe, Hemd und Hose an, stürzte die Treppe hinunter und rief: »Großvater, Großvater. Ich habe riesigen Kohldampf. Gibt es schon Frühstück?«

Doch niemand antwortete ihm. Jonathan schaute in die große Wohnküche, niemand zu sehen. Er stieg zurück in den ersten Stock und klopfte an Großvaters Schlafzimmertür. Wieder keine Antwort. Vorsichtig öffnete er die Tür. Das Federbett lag zum Auslüften im offenen Fenster. Von seinem Großvater keine Spur. Wie es schien, war er trotz der frühen Morgenstunde bereits unterwegs und das Haus war leer. Er ging hinaus zur Pumpe, zog das Hemd aus, pumpte, bis das Wasser floss und hielt dann den Kopf darunter, dass es nur so spritzte. Immer wieder ein riesiges Vergnügen, wie er fand. Daheim bei seinen Eltern musste er am Waschbecken stets aufpassen, dass nicht das ganze Bad unter Wasser gesetzt wurde. Und Mutter würde schimpfen, wenn sie ihn mit nassen Haaren bei den frischen Temperaturen im Freien sehen würde. Doch das war ihm im Augenblick völlig egal. Er genoss es.

Nachdem er sich die Haare mit einem Handtuch, das an der Leine hing, abgetrocknet hatte, machte er zwanzig Liegestütze und boxte eine Runde gegen mindestens drei unsichtbare Gegner. In einigen Monaten würde er dreizehn Jahre alt werden. Doch mit seiner beachtlichen Größe von einem Meter achtundsechzig hielten ihn jetzt schon viele für mindestens fünfzehn.

»Großvater«, rief er erneut. Dann schaute er im Garten, der sich hinter dem Haus etwa zwanzig Meter bis an eine Felswand erstreckte. Nichts. »Na gut«, sagte er sich und ging wieder hinein.

Das Haus erstreckte sich über zwei Stockwerke und ein Dachgeschoss, in dem Jon sein Zimmer hatte und in dem es noch ein weiteres Zimmer gab. Dort hatte früher Jonathans Onkel Arthur gewohnt, der jüngere Bruder seines Vaters. Der war schon in den ersten Wochen des Krieges in Polen gefallen. Jetzt dienten diese zwei Räume dem Großvater als Gästezimmer. Wenn man das Haus betrat, stand man in einer geräumigen Diele mit einem Schrank für die Jacken, einem Schirmständer mit einem riesigen Schirm, den man auch als Gehstock verwenden konnte und einem Regal mit verschiedenen Schuhen und Stiefeln. An der Wand hing ein Ölgemälde, das zwei Reiter auf einer endlosen Prärie zeigte. Der Dielenboden war durch das ständige Laufen mit schweren Schuhen ziemlich abgenutzt.

Auf der linken Seite ging es in die gute Stube. Das Wohnzimmer mit einem großen, weichen Sofa und zwei Sesseln darin. An der Wand eine Glasvitrine, vollgestellt mit Geschirr und farbigen Weingläsern, und daneben ein mit Schnitzereien verzierter Schrank mit zwei Türen und drei Schubladen. Ein schwerer Teppich, auf dem ein Esstisch mit vier Stühlen stand, rundete die Einrichtung ab. Das Wohnzimmer war das mit Abstand am wenigsten genutzte Zimmer im Haus. Betreten wurde es hauptsächlich, wenn Gäste kamen. Doch die machten sich im Moment rar. ›Unruhige Zeiten sind das, da bleiben die meisten lieber zu Hause‹. Wie Großvater gerade gestern zu ihm gesagt hatte.

Nach rechts lag die Küche mit anschließendem Wintergarten. Von diesem ging es über drei Stufen direkt in den Garten. Praktisch, wenn man noch Kräuter oder Gemüse für die Mahlzeit brauchte. Am Türrahmen gab es eine große Anzahl an Markierungen, alle mit Abkürzungen versehen. So stand dort ein Art und gleich daneben ein Alb für Arthur und Albert, Jons Vater und dessen Bruder. Auch von seinem Großvater wurde, bis er einundzwanzig Jahre alt war, jährlich eine Markierung mit Jahreszahl gemacht. Von Jonathan gab es bisher nur sechs Striche. Bei jedem seiner Besuche hier im Haus wurde einer in den Rahmen geritzt. Den letzten hatte Großvater bei seiner Ankunft gemacht. Am großen Küchentisch wurde gegessen, Teig ausgerollt und das Essen zubereitet. Hier wurde Marmelade gemacht und Obst eingeweckt, und abends mit Großvater eine Partie Schach gespielt. An den Tisch holte er sich auch manchmal den großen, schon etwas abgegriffenen Atlas aus dem Arbeitszimmer.

Überhaupt, Großvaters Refugium im ersten Stock. Eine Attraktion war schon die neben der Tür zum Arbeitszimmer stehende Bodenstanduhr. Eine wunderschöne Arbeit aus England, ein richtig antikes Stück. Solche Uhren sah man sonst fast nur im Museum oder in alten Schlössern. Früher stand sie in der Münchener Familienvilla, aber Urgroßvater Wilhelm konnte seinen Schwiegervater davon überzeugen, sie hierher transportieren und aufstellen zu lassen. In München war sie nur ein schönes Stück neben vielen anderen Kostbarkeiten, und Wilhelm war der Ansicht, hier im Hause würde sie eine eigene, spezielle Wirkung entfalten. Und das tat sie. Allein die stündlichen Glockenschläge; man hörte sie in jedem Bereich des Hauses. Die zweite Attraktion auf diesem Stockwerk war Großvaters Arbeitszimmer selbst. Schon immer übte es eine starke Anziehung auf Jon aus. So wie auch jetzt. Um sich die Zeit bis zu Großvater Rückkehr zu vertreiben, öffnete er die Tür.

Es roch wie immer nach altem Bücherstaub und Pfefferminze, als Jon eintrat. Ein Zimmer mit Regalen vom Boden bis zur Decke. Vollgestopft mit Büchern, Zeitungen, alten Karten, Erinnerungsstücken seiner Reisen und vielen anderen Dingen. Auf einem der Regale breitete ein ausgestopfter Greifvogel seine Schwingen aus. Besonders anziehend fand er die Vitrine mit Erbstücken seines Urgroßvaters Wilhelm. Andenken aus der Zeit, als Wilhelm noch durch den amerikanischen Westen geritten war.

Schwere, dunkelgrüne Vorhänge und eine vor dem Fenster stehende Tanne ließen das Tageslicht selbst im Sommer nur gedämpft ins Zimmer hinein. Großvater mochte dieses ständige Dämmerlicht und er mochte auch den Geruch der Pfefferminze. Er sagte immer, es inspiriere ihn, und einige Blätter davon in kochendes Wasser getan, ergaben den köstlichsten Tee. Und wenn er den Wunsch nach Licht, Sonne und frischer Luft hatte, packte er sein Schreibzeug zusammen und setzte sich an den Tisch unter dem Kastanienbaum oder in den Wintergarten.

Auch Jonathan schrieb, wann immer er etwas erlebt hatte, das für ihn des Aufschreibens wert war. Sein Tagebuch hatte gerade im Lauf der letzten zwei Jahre stark an Umfang zugelegt.

Er war zehn Jahre alt, als er das letzte Mal diesen Raum betreten hatte. Mit Vater hatten sie sich Landkarten angeschaut. Besonders die des riesigen Amerikas mit seinen Prärien, Gebirgen, zwei Ozeanen und den großen Städten im Osten hatten es ihm angetan. Lagen dort doch die Wurzeln der Familie Schmidt, auch wenn sie damals noch Smith hieß. Das faszinierende Interesse bezeugten auch die Flecken und kleinen Einrisse auf und an der Karte.

Mittlerweile war er zwölf und es war auch kein Besuch mit den Eltern beim Großvater, sondern ein Aufenthalt ganz allein, dessen Ende nicht absehbar war. Mutter wurde als Krankenschwester in Jonathans Heimatstadt gebraucht. Eine große Stadt, in der es vor einigen Jahren noch viele Fabriken, Wohnblocks, Lastkraftwagen und Fahrradfahrer gegeben hatte. Das war vor dem zweiten großen Krieg gewesen. Heute waren die meisten Fabriken und viele Wohnhäuser nur noch Schutthaufen. Für die Autos gab es kein Benzin mehr oder sie wurden an der Front gebraucht. Nur die Fahrradfahrer sah man noch auf den Straßen. Auch das Haus, in dem er aufgewachsen ist, war jetzt ein großer Haufen Schutt. Aber das hatte ihm seine Mutter erzählt, denn zu dieser Zeit lebte er bereits bei seiner Tante auf dem Land. Sein Vater war in einem Lazarett, irgendwo in Frankreich. Für Ärzte gab es dort viel zu tun.

Bei der Tante war er nur einige Monate geblieben. Als dann auch die Familie des Bruders seines Onkels ausgebombt wurde, kamen noch vier Personen hinzu, viel zu viele für das kleine Haus, und Mutter schrieb Großvater, ob er bei ihm in Oberkaltenbach wohnen könne, bis irgendwann alles wieder besser sein würde. Das Problem war die Entfernung. Über sechshundert Kilometer Luftlinie. Schon in Friedenszeiten eine lange Fahrt. Jetzt, mitten im Krieg, fast unmöglich zu bewältigen. Dazu noch ein halbwüchsiger Junge. Allein. Viel zu gefährlich. Die ständige Bedrohung durch Luftangriffe, zerstörte Straßen und Eisenbahngleise, die zu Umwegen führten. Die Eisenbahn fuhr unregelmäßig und stand manchmal tagelang auf Nebengleisen, um Truppentransporte und andere kriegswichtige Züge passieren zu lassen.

Aber Großvater wusste Rat. Als Geschichtsprofessor und Autor mehrerer Bücher über vergangene Zeiten korrespondierte er mit vielen seiner Kollegen im Reich und in der ganzen Welt. Ein befreundeter Professor führte seit Jahren Ausgrabungen in Norwegen und anderen Ländern, in denen die Wikinger Spuren hinterlassen hatten, durch. Da er für einige Zeit zurück nach München musste, hatte er sich bereit erklärt, Jon mitzunehmen.

»Ich glaube, der Herr Professor arbeitet für den Himmler«, hatte seine Mutter damals zur Tante gesagt. Jonathan kannte diesen Himmler nicht, aber seine Tante schlug die Hand vor den Mund.

Als das große Auto vor dem Haus anhielt, nahm ihn seine Mutter noch einmal in den Arm und flüsterte ihm ins Ohr, dass die Trennung nicht von langer Dauer sein werde.

»Und versprich mir Jon, mach Großvater keinen Kummer. Und schreib mir regelmäßig. Und lauf nicht immer barfuß. Du weißt, in den Bergen ist es kalt.«

»Ja, Mom. Ich passe auf mich auf. Und ich melde mich. Regelmäßig, versprochen.« Nach kurzem Zögern sagte er dann noch: »Bitte pass du auch auf dich auf.«

Sie hatte nur genickt, gab ihm noch einen Kuss und drehte sich dann zur Seite. Er sollte wohl die Tränen in ihren Augen nicht sehen. Aber bei allem Abschiedsschmerz war Jon doch auch ein Junge und er freute sich auf Großvater, die Berge und das, was kommen würde. Es fühlte sich an wie der Anfang eines großen Abenteuers.

»Auweia«, platzte es aus ihm heraus, als er in das Auto kletterte.

Der Koffer mit seinen Sachen wurde vom Fahrer im Kofferraum verstaut. Der Professor setzte sich auf den Beifahrersitz. Dann ging es los. Kraftvoll brummte der Motor auf und der Wagen setzte sich in Bewegung. Jon winkte noch einmal seiner Mutter und der Tante. Dann lehnte er sich in die weichen Polster und staunte. Sogar ein Radio war in der Mitte des Armaturenbrettes eingebaut. Und der Fahrer trug eine Chauffeurmütze. Jonathan kam sich vor wie ein Filmstar.

»Herr Fahrer«, tippte er dem Chauffeur auf die Schulter. »Wie schnell kann denn der Mercedes fahren?« Denn den Wagentyp hat er sofort am Stern auf der langgestreckten Haube erkannt.

»Du kennst dich wohl aus, junger Mann? Also wenn wir nachher ein Stück auf der neuen Autobahn fahren, kann ich es dir vielleicht zeigen. Hundertzehn Kilometer in der Stunde schafft das Schmuckstück locker. Vorausgesetzt, die Straße ist frei und es gibt nicht zu große Schäden auf der Fahrbahn.«

»Wirklich?«

Jons Augen leuchteten. Er fuhr gern in einem Auto. Allerdings war der Opel, mit dem Vater seine Patienten besuchte, klein und auch nicht besonders schnell. Jonathan war gespannt auf die Autobahn. Draußen zogen Alleen vorbei. Militärfahrzeuge kamen ihnen entgegen. Auf einigen Feldern herrschte geschäftiges Treiben. Der Kohl war reif und musste vom Feld.

»Die Autobahn, junger Mann«, sagte der Fahrer und bog ab.

Auf so einer breiten Straße war der Junge bisher noch nie unterwegs gewesen. In jede Richtung verliefen zwei Fahrbahnen. Das Auto wurde schneller und Jonathan beobachtete die Tachonadel. Neunzig, fünfundneunzig, hundert; was für eine Geschwindigkeit. Die Autobahn war wenig befahren und wenn sie anderen Fahrzeugen begegneten, waren es meist Lkws der Wehrmacht. Ab und zu überholten sie auch einen Fahrradfahrer. Aber schon nach kurzer Zeit war die Autobahn zu Ende und es ging wieder mühsam über Landstraßen.

Es wurde langsam dunkel und Jon schlief ein. Er wurde erst wach, als seine Tür geöffnet wurde. Jonathan rieb sich die Augen. Im schwachen Schein einer Straßenlaterne konnte er einen kleinen Backsteinbau erkennen.

»So, Sportsfreund, Endstation«, sagte der Professor. »Bis hierher geht unsere gemeinsame Fahrt. Den Rest der Reise machst du allein mit der Eisenbahn. Hier ist deine Fahrkarte und der Zug kommt in wenigen Minuten. Deine Mutter hat dir ja alles aufgeschrieben und du weißt, wann du aussteigen musst. Dort holt dich dann dein Großvater ab. Grüß ihn schön von mir und richte ihm aus, dass ich ihn bald mal wieder besuchen werde.«

Er schüttelte Jon zum Abschied die Hand, während der Fahrer den Koffer holte und auf dem Bürgersteig abstellte. Der Junge sah dem Auto noch einen Augenblick hinterher, nahm dann den Koffer und trat auf den Bahnsteig. Der Zug fuhr pünktlich ein, und zwei Stunden später schloss ihn der Großvater in Oberkaltenbach in die Arme.

KAPITEL DREI

Groß bist du geworden, mein Junge. Es ist ja auch schon eine ganze Zeit her, dass ich dich gesehen habe. Zu Hause wartet ein Frühstück auf uns. Toll, dass alles so glatt gegangen ist. Ich hatte mich eigentlich darauf vorbereitet, jede Stunde zum Bahnhof zu laufen und zu hoffen, dass du im Zug sitzen würdest. Aber nein, pünktlich wie angekündigt. Es fühlt sich fast so an wie vor dem Krieg.«

Großvater, ein Mann von zweiundfünfzig Jahren und schmaler, fast schmächtiger Figur, trug wie stets sein weißes, die oberen Knöpfe geöffnetes Hemd mit einer schwarzen Weste, eine fein gestreifte Hose und blank geputzte Schuhe. Um den Hals einen Stein mit einer silbernen Öse an einem Lederband. Hellblau schimmernd und manchmal glitzernd wie die Sonne im See. Einen indianischen Talisman, ein Erbstück seines Vaters. Ein Aussehen, das ihn von den anderen Bewohnern des Dorfes doch stark unterschied. Viele, wenn sie von ihm sprachen, nannten ihn nur den ›Stoderer‹, den Mann aus der Stadt. Auch die Familiengeschichte tat ihr Übriges. Doch trotz allem war er ein beliebtes und geachtetes Mitglied der Dorfgemeinschaft.

Er nahm Jon den Koffer ab und gemeinsam gingen sie durch das Dorf zum Haus des Großvaters. Es lag etwas oberhalb der kleinen Straße am Dorfrand. Jonathan war begeistert von den riesigen Bergen ringsum. Und von dieser Frische hier, dieser schönen klaren Luft, von der er gar nicht genug bekommen konnte. Kein Rauch aus den Fabrikschornsteinen, kein Staub der zerbombten Häuser, der bei dem kleinsten Windhauch alles mit einem grauen Schleier überzog. Nichts, nur der Geruch von Kühen und Schweinemist, der manchmal in die Nase wehte. Herrlich.

Und dann waren sie auch schon da. Der gepflasterte Hof vor dem Haus mit der Pumpe, deren Wasser in eine verzinkte Wanne lief. Die vier Stufen, die zur Eingangstür führten, waren geschmückt mit Topfpflanzen. Auf jeder Stufe eine. Sie betraten das Haus und Jonathan roch sofort den typischen Duft eines frisch gebackenen Brotes. Dieser Geruch erinnerte ihn an seinen letzten Besuch hier im Haus; mit seinen Eltern. Vater arbeitete damals noch in seiner Praxis und sie verbrachten drei Wochen in den Sommerferien hier. Im Landhaus, wie sein Vater es nannte.

Schon als Kind hatte er hier viel Zeit verbracht. Da Großvater damals noch an der Universität lehrte, lebten sie zwar in München, aber sobald die Zeit es zuließ, zog es die Familie in die Berge. Die sie liebten. Und die sein Vater auch ihm zeigen wollte.

Er sagte damals: »Bisher warst du noch mein kleiner Junge. Aber jetzt bist du alt genug. Zeit für Abenteuer.«

Es war der zweite Tag im Landhaus gewesen. Oder besser gesagt, es war die Stunde, bevor dieser Tag begann. Vater hatte ihn geweckt, als es draußen noch dämmrig war und nur ein schmaler roter Streifen einen schönen Sommertag ankündigte.

»Komm schon Jon, raus an die Pumpe, den Schlaf aus den Augen waschen und dann hinauf in die Berge.«

Während er pumpte, spritzte sich Jonathan Wasser ins Gesicht und über den nackten Oberkörper.

»Brrrrr, ist das kalt.« Fröstelnd griff er nach dem Handtuch und zog sich dann fertig an. Vaters alte Lederhose und dessen Bergschuhe aus Kinderzeiten, ein Hemd und ab ging es. Nicht weit entfernt von Großvaters Haus begann der Pfad, der zur Alm hinauf führte. Stille lag noch über dem Dorf. Abgesehen vom Muhen einer Kuh und dem Rauschen des Flüsschens, das sich längs der Fahrbahn durch den Ort zog. Auf halbem Weg zeigte ihm sein Vater den Beobachtungsposten, von dem aus man das Dorf mit der Straße, die hineinführte, im Blick hatte. Hier, verborgen vor neugierigen Blicken, hatte er stundenlang mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder gelegen. Sie waren Trapper oder Pfadfinder im Wilden Westen. Immer auf der Hut vor Indianern und Schwarzbären, die ihnen ans Leben wollten. Sie waren Winnetou und Old Shatterhand, die vier Musketiere, wobei jeder natürlich D’Artagnan sein wollte. Jonathan hatte seinem Vater gebannt zugehört und sich gewünscht, auch einen Bruder oder einen guten Freund hier zu haben. Vater tröstete ihn damals.

»Kommt Zeit kommen Freunde. Hier im Dorf gibt es bestimmt tolle Burschen. Vielleicht freundest du dich bald mit einem von ihnen an.«

Oben angekommen, packten sie dann den Rucksack aus. Brot, Wurst und Käse. Das Wasser dazu kam direkt aus der Quelle. Sehr klares und sehr kaltes Wasser.

Er musste schlucken. Ein mächtig dicker Brocken steckte ihm im Hals. Ein mächtig dicker Brocken Traurigkeit. Jonathan lehnte sich im Schreibtischstuhl des Großvaters zurück. Wie schön könnte es jetzt sein, wenn der Vater hier wäre, und seine Mutter vermisste er auch schon. Aber Vater war in einem Lazarett und flickte Soldaten zusammen, damit sie wieder kämpfen können, wie er bei einem Besuch mit saurer Mine zu seiner Frau sagte.

Jon vertrieb die trüben Gedanken. Es gefiel ihm bei seinem Großvater. Als er noch ein ganz kleiner Junge war, hatte auch die Urgroßmutter Berta noch gelebt. In der Familienvilla in München bewohnte sie die untere Etage und verwöhnte ihn mit leckeren Dingen. Jetzt lag sie schon einige Jahre auf dem Münchener Südfriedhof. Dort, auf dem Familiengrab der Familie von Weidenberg, stand auch ein Kreuz für ihren Mann, Urgroßvater Wilhelm. Begraben ist er dort aber nicht, denn sein Leichnam wurde nie gefunden, nachdem er bei einem Unwetter in den Bergen vermutlich abgestürzt war. Da er wie so oft alleine unterwegs gewesen ist, gab es keine Zeugen. Böse Zungen behaupteten noch lange, er sei zurück nach Amerika gegangen. Leider würde es dauern, bis er wieder einmal das Grab der Urgroßeltern besuchen kann. Es ist gefährlich geworden in München. Schwere Luftangriffe der englischen und amerikanischen Bomber sorgten dafür, dass, wer die Möglichkeit hatte, die Stadt verließ. Auch die große Villa wurde bereits zum Teil beschädigt.

Hier im Dorf war es friedlich, fast so wie vor dem Krieg. Auch wenn er sich daran nur noch sehr dunkel erinnerte. Ab und zu sah man Flugzeuge über den Himmel ziehen und hörte Wehrmachtzüge über die Schienen rattern. Im Dorf lebten fast nur Frauen, Kinder und alte Männer. Die jungen Männer waren im Krieg und so bewirtschafteten die Ehefrauen die Höfe allein. Zusammen mit ihren halbwüchsigen Kindern und Zwangsarbeitern. Ausgezehrte Männer, hohlwangig mit zerschlissenen Kleidern. Kriegsgefangene. Die kannte Jon schon aus der Stadt, in der sie Schwerstarbeit leisten mussten.

»Es ist eine Schande«, hatte die Mutter häufig gesagt, wenn sie die Kolonnen sahen, die von den nahen Lagern in die Fabriken getrieben wurden. »Das wird noch ein böses Ende nehmen.«

Wenn Jon mehr wissen wollte, wich sie stets aus und brachte das Gespräch in eine andere Richtung.

Großvater hatte weder Vieh noch Landwirtschaft. Nur ab und zu besuchte ihn der Hund eines Nachbarn und schaute, ob vom Mittagessen etwas übrig geblieben war. Das Haus diente ihm als Rückzugsort und Schreibstätte. Hier bereitete er früher seine Vorlesungen vor, hier schrieb er seine Bücher über Kaiser und Könige längst vergangener Zeiten. Und hier schrieb er auch jetzt. Täglich saß er in seinem schummerigen Arbeitszimmer und schrieb, las und dachte nach.

In diesem Moment rief es von unten: »Jonathan aufstehen. Ich habe Frühstück mitgebracht. Leckeren Kuchen.«

»Bin schon wach, Großvater.« Und wie der Wind sauste er die Treppe hinunter.

KAPITEL VIER

Wie er so da saß, erinnerte vieles an einen Wikinger. Seine breiten Schultern, die Körpergröße von einem Meter fünfundneunzig, wasserblaue Augen und leicht gewelltes blondes Haar. Dazu kam noch sein aus dem Norden Europas stammender Akzent. Was daran lag, dass seine Wiege hoch über einem prächtigen Fjord an Norwegens Küste gestanden hatte, die er zu einer Zeit, in der es bequeme Automobile und gepflasterte Straßen gab, verlassen musste. Dafür hier diese grässlichen Postkutschen. In denen man seekrank wurde durch die ständige Schaukelei. Tagelange Fahrten, die einem jeden Knochen spüren ließen. Dann lieber die Eisenbahn, für deren Ausbreitung im Lande große Anstrengungen unternommen wurden. Die Zeit der Postkutschen würde wohl bald überstanden sein.

Die Tür öffnete sich und ein schlanker, mittelgroßer Mann trat ein. »Mister Berg. Hier sind ihre Stiefel. Repariert und poliert, so dass sich die Präriesonne darin spiegelt. Und der Schuhmacher hat auch gleich noch einen Nagel im Absatz ersetzt. Ihre Stiefel sind wieder in bester Form.«

»Nichts für ungut Bensdorf«, sagte der Wikinger nun schon wieder versöhnlicher. »Du weißt, wie ich diese Drecknester mit ihren staubigen Bewohnern und diese ausgetrocknete Landschaft hasse. Aber was soll’s. Sobald wir am Ziel sind, ist Schluss damit. Keine Käffer in der gottverdammten Prärie sehen mich dann mehr.«

Wie sehnte er sich in diesem Moment nach seiner Farm am Missouri. Kein Vergleich mit seiner ursprünglichen Heimat, aber der Prärie in Kansas auf jeden Fall vorzuziehen. Er hatte sich vorgenommen, nach der Vollendung seines Planes nur noch Gegenden zu besuchen, in denen er von jedem Standort aus mindestens einen Baum sehen konnte. Oder am besten gleich einen Wald und einen Fluss oder See oder sogar den Ozean.

Es klopfte an der Tür zum Flur und der vom Wikinger Bensdorf Genannte öffnete. Ein schmuddeliger Kerl mit abstehenden Ohren und gelben Zähnen stand vor dem Adlatus.

»Morgen Abend ist der Major bereit für ein Gespräch. Im Saloon am Bahnhof, in seinem Büro. Er soll alleine kommen, sagen Sie ihm das. Der Major wird es auch sein.«

Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und stieg die Treppe wieder hinab. In diesem Moment knarrte die Tür zum Nachbarzimmer und der Wikinger stand lächelnd im Türrahmen.

»Bensdorf, langsam kommt Musik in die Sache. Du wirst sehen, ich werde mich mit diesem ›Major‹ schon einigen. Ich habe, wie du weißt, einiges über ihn in Erfahrung gebracht. Er ist ein bauernschlaues, skrupelloses Schlitzohr, und was für mich den Ausschlag gab, er ist mit Abstand der Beste, den man für gutes Geld bekommen kann. Aber wie du mir zustimmen wirst, da bin ich ihm in vielem ebenbürtig.«

Der von ihm Angesprochene nickte, jedoch sein Gesichtsausdruck war bei weitem nicht so optimistisch wie der seines Gegenübers.

»Seien Sie trotzdem vorsichtig, Mister Berg. Man kann diesen Kanaillen nicht über den Weg trauen. Ich halte mich in der Nähe bereit. Und belassen Sie es bitte bei Andeutungen.«

»Sagst du mir jetzt, was ich zu tun habe? Kümmere dich darum, dass meine Stiefel schön sauber sind, lies in deiner Bibel und überlass den Rest mir. Ich möchte bis zum Abendessen nicht gestört werden. Aber vorher bringst du mir noch ein Glas Wein.«

»Alles klar, Mister Berg. Kommt sofort.« Und schnell machte er sich auf den Weg, seinem Herrn den Wunsch zu erfüllen, der vielleicht endlich seine Laune bessern würde. Das ging jetzt schon seit Tagen so. Aber er ertrug es und würde es auch weiterhin ertragen. Und die zerlesene Bibel neben seinem Bett würde ihm dabei helfen.

Nachdem er die Tür verriegelt hatte, ging der Wikinger im Zimmer auf und ab und griff schließlich tief in seine Kiste, nahm das Metallkästchen liebevoll in die Hand und trug es zum Tisch. Er zögerte kurz, sah das grau schimmernde Gefäß an und strich mit dem linken Zeigefinger über seinen Bart. Er öffnete den Kasten und mit einem Leuchten in den Augen betrachtete er seinen größten Schatz. Einen goldenen Nagel. Nicht so sehr seines Goldes wegen wertvoll.

»Bald kannst du zeigen, was in dir steckt. Welche Kraft du hast. Und dann …«. Er beendete den Satz nicht. Er strich sich nur ein weiteres Mal mit dem linken Zeigefinger über den Bart und lächelte versonnen.

KAPITEL FÜNF

Na, na, na, nicht so stürmisch, Großer.« Großvater hielt in der Hand einen Teller voller duftender Kuchenstücke. »Frau Klettenmayer von nebenan hat gebacken, Streuselkuchen.«

Jon schaute auf den Großvater, schaute auf den Teller mit dem Kuchen und dann wieder zum Großvater.

»Mensch, du warst aber früh unterwegs! Und Frau Klettenmayer hat schon gebacken? So früh am Morgen?«

Wenn seine Mutter Kuchen buk, war der erst am Nachmittag fertig und kurz darauf erschienen dann schon die Besucher.

»Frau Klettenmayer ist zwar älter als wir beide zusammen, aber immer noch voller Energie. Und die braucht sie auch. Die Arbeit auf dem Hof muss von weniger Händen erledigt werden, als es bräuchte. Und das nun schon seit einigen Jahren. Aber der Grund, weshalb ich schon so früh unterwegs war, ist der: Unsere Nachbarin hat heute ihren vierundsiebzigsten Geburtstag, und ich erledige solche Sachen lieber gleich nach dem Aufstehen. An das, was erledigt ist, muss man nicht mehr denken. Und der Kuchen gehört zum Geburtstagskuchen, den es heute Nachmittag geben wird. Wir sind herzlich eingeladen. Ich glaube, sie möchte dich endlich mal wieder aus der Nähe betrachten und dir Neuigkeiten über deine Eltern entlocken. Denn sie ist auch sehr neugierig. Aber auf eine charmante Art. Und ihre Kuchen; schon dein Vater war als kleiner Junge ein großer Bewunderer ihrer Backkunst. Was dich freuen wird: Auch ihr Enkel Walter kommt heute zu ihr. Er wohnt am anderen Ende des Dorfes, ist so alt wie du und begierig, den Stadtjungen kennenzulernen. Das, so sagte es mir Frau Klettenmayer, waren in etwa seine Originalworte. Es wäre doch schön, wenn du einen Freund hättest, der dir vieles hier zeigen kann. Meine müden Knochen taugen nicht, um mit dir große Bergtouren zu machen. Die Schule beginnt für dich erst nach den Ferien an Allerheiligen. So habe ich es mit dem Lehrer im Ort abgesprochen. Also genieße den schönen Herbst im Gebirge, wenn der Winter langsam um die Ecke schaut.«

Jon strahlte den Großvater an und meinte: »Das ist ja wirklich eine sehr gute Nachricht. Und dass ich noch so lange schulfrei habe, finde ich auch Spitze. Ich bekomme das schon hin. Aber ich falle gleich um, wenn wir uns nicht endlich über den Kuchen hermachen.«

Und schnell holte er zwei Teller aus dem Küchenbuffet und nahm sich ein großes Stück.

»Mmh, lecker«, murmelte er immer darauf bedacht, keine Krümel über den Tisch zu spucken. »Und der Kuchen ist sogar noch warm.«

»Nur langsam, sonst verschluckst du dich. Wir haben noch Zeit, bis wir uns für den Gottesdienst umziehen müssen. Den besucht man hier jeden Sonntag und an den Feiertagen. Wenn ich ehrlich bin, in München nehme ich das nicht so genau. Wir Schmidts sind nicht die religiösesten Erdenbewohner, wie du weißt. Aber hier gehört das einfach dazu. Man trifft die Dorfbewohner, hält ein Schwätzchen mit dem Pfarrer und kommt unter Leute. Das ist gerade für solche Büchermenschen wie ich einer bin wichtig. Also in zwei Stunden frisch gewaschen und frisiert an gleicher Stelle. Bis dahin habe ich noch einiges an Korrespondenz zu erledigen. Also los, raus mit dir. Und nicht die Zeit vergessen.«

Großvater goss sich einen Tee auf und verschwand in seinem Arbeitszimmer und Jonathan nutzte die Zeit, um weiter in seinem Buch zu schmökern: Der Schatz im Silbersee - von seinem Lieblingsschriftsteller Karl May. Er fieberte mit den Helden. Mit Old Firehand und Tante Droll, der natürlich keine Tante war, sondern ein sehr lustig aussehender Westmann.

So verging die Zeit wie ein Wimpernschlag. Pünktlich machten sich Großvater und Enkel in ihrer guten Sonntagskleidung auf, um den Gottesdienst zu besuchen. Da das großväterliche Haus am westlichen Rand des Dorfes lag, benötigten die beiden etwa zwanzig Minuten für den Spaziergang zur Kirche, die sich mit ihrem barocken Kirchturm malerisch in die Landschaft schmiegte. Auch andere Dorfbewohner machten sich auf, pünktlich zum Gottesdienst zu erscheinen.

In der Kirche angekommen, steuerte Georg seinen Stammplatz auf der linken Seite in der dritten Reihe an. Jon setzte sich auf den Platz neben ihn und bestaunte die prächtige Ausstattung des Raumes. Schnitzereien, goldene Ornamente und eine Orgel auf der Balustrade, die geschmückt war mit Bildnissen der zwölf Jünger und Jesus, wie ihm der Großvater erklärte. Dass die Bilder sogar noch älter als die Kirche selbst waren, ließ ihn staunend auf seinem Platz sitzen. Großvater erklärte, dass sie gemalt wurden, bevor Kolumbus Amerika entdeckt hatte. Eine unbegreiflich lange Zeitspanne für Jonathan. Auch während des Gottesdienstes entdeckte er immer neue Dinge, von denen er sich vornahm, auf dem Heimweg danach zu fragen.

Später dann, wieder im Haus angekommen, gab es einen Teller Suppe mit einer dicken Scheibe Brot und eingeweckte Stachelbeeren zum Nachtisch.

»Auf einen Nachschlag sollten wir heute verzichten. Frau Klettenmayers Kuchen braucht nachher auch noch Platz. Was hältst du davon, gleich, nachdem wir die Teller gespült haben, aufzubrechen? Dann kannst du Walter kennenlernen, noch bevor die übrigen Gäste kommen.«

Jon war begeistert von der Idee und übernahm das Spülen, während Großvater im Garten einen Strauß Herbstastern pflückte. Groß war die Auswahl an frischen Blumen zu dieser Zeit des Jahres nicht mehr. Aber der Gedanke zählte, wie Großvater meinte.

Immer noch im Sonntagsstaat betraten sie den Vorgarten der Nachbarin und klopften an die Tür. Ein Junge, höchstens einen Meter sechzig groß, aber mit einem kräftigen Körperbau, öffnete ihnen.

»Grüß Gott Herr Schmidt. Und du musst Jonathan sein. Schön dich kennenzulernen. Großmutter hat schon viel von dir erzählt. Wie gefällt es dir hier bei uns? Wenn du willst, kann ich dir nachher die Gegend zeigen«, überfiel er sie in breitester bayerischer Mundart.

Aus dem dunklen Flur hörte man eine brummelige Stimme: »Jetzt lass die Leute doch erst einmal ins Haus Bub.«

An der Tür erschien eine alte Frau mit faltigem Gesicht und grauen Haaren, die zu einem Dutt gebunden waren. Über ihrem schwarzen Sonntagskleid trug sie eine Schürze, an der sie sich gerade die Hände abtrocknete.

»Schön dich zu sehen, Jonathan. Groß bist geworden! Aber so früh hatte ich euch gar nicht erwartet. Ich muss noch einiges vorbereiten.«

»Kein Problem Frau Klettenmayer. Es ist nur wegen der Jungen. Ich freue mich doch, wenn der Jonathan auch mal seinesgleichen um sich hat. Die Sonne scheint heute so schön und ich habe ein Buch dabei. Ich bleibe hier draußen, setze mich auf die Bank am Haus und lasse Sie in Ruhe ihre Arbeiten verrichten. Und ihr beiden könnt noch ein wenig die Gegend erkunden. Vorausgesetzt, deine Großmutter benötigt deine Hilfe nicht, Walter.«

»Nein, nein Herr Schmidt. Ich habe schon alles erledigt. Der Tisch ist gedeckt und Holz habe ich auch schon gehackt. Das reicht für die nächsten Tage. Habe ich recht Großmutter?«

»Trollt euch ihr zwei. Und dass ihr mir pünktlich zum Kaffeetrinken wieder hier seid. Und denkt an die schönen Sonntagskleider, die ihr anhabt. Und …«

Ein lautes Zischen aus der Küche ließ sie an dieser Stelle unterbrechen.

»Jesus, die Milch kocht über.« Und schnell verschwand sie von der Tür.

»Komm Jonathan, lass uns verschwinden, bevor sie ihre Predigt fortsetzt.«

Walter zog Jon in Richtung Straße, die sie überquerten, um kurz darauf das Flüsschen zu erreichen.

»Fast zwei ist es jetzt, eine gute Stunde haben wir also noch«, sagte Walter und musterte Jon. »Tolle Kleidung hast du an. So ein richtiges Stoderergewand, also äh Sachen, die einer aus der Stadt trägt«, verbesserte er sich.

Er selbst trug die in den bayrischen Bergen typische Sonntagstracht, bestehend aus Lederhose, weißem Hemd und Janker. Nur die derben Schuhe passten nicht so recht ins Bild.

»Großmutter hat mir erzählt, dass euer Haus zerbombt wurde. Hier bei uns fallen keine Bomben. Weil wir keine großen Fabriken haben, hat mir mein Vater erzählt. Weist du, wenn ich alt genug bin, melde ich mich freiwillig und dann sollst du mal sehen, wie ich kämpfen kann. Ich habe sogar schon mal mit dem Jagdgewehr meines Vaters auf einen Hasen geschossen. Ich sag dir, du denkst, es kugelt dir die Schulter aus. Und nur knapp vorbeigeschossen. Hast du schon mal geschossen?«

»Mit einem Gewehr oder einer Pistole noch nie, aber mit meiner Steinschleuder gewinne ich jedes Zielschießen.«

»Nicht schlecht, das musst du mir mal zeigen. Die Zapfen an den Fichten sind jetzt reif. Lass uns bald mal zusammen in den Wald gehen und unsere Steinschleudern mitnehmen. Aber in den Kampf werden sie uns wohl nicht ziehen lassen. Mein Vater hat gesagt, dass der Krieg vorbei ist, bis ich alt genug bin. Aber wer weiß.«

In diesem plaudernden Ton ging es noch einige Minuten weiter. Walter malte in den buntesten Farben ein Bild seiner Tapferkeit, seiner Listigkeit und Verwegenheit. Und was er alles machen würde, wenn er denn dürfte.

Während Jon schweigend die Angebereien über sich ergehen ließ, musste er an die Erzählungen seines Vaters denken und er war gottfroh, weit weg vom Krieg zu sein. Aber das erzählte er Walter nicht. Als dieser endlich eine Pause machte, nutzte Jon diese, um das Thema zu wechseln.

»Mein Vater hat oft davon erzählt, dass es hier in der Gegend Höhlen gibt. Weißt du, wo wir sie finden können? Ich möchte zu gerne Höhlen erforschen. So wie Tom Sawyer, nur ohne Verirren. Weißt du, ich habe schon viele Bücher darüber gelesen. Oft finden sie in den Romanen Schätze. Stell dir das vor. Vielleicht finden wir auch eine Goldader und werden reich. Von mir aus auch Smaragde oder Perlen. Ohne Schatzkarte wird das zwar schwierig, aber ich finde, es lohnt sich zu suchen.«

»Jetzt spinnst du aber. Du tust ja gerade so, als ob es hier Schätze in Hülle und Fülle gäbe. Vielleicht in deinen Abenteuerromanen, aber doch nicht hier in unseren Bergen. Und Perlen findet man im Meer und nicht in Höhlen. Da bin ich mir ganz sicher. Das hatten wir in der Schule. Ich glaube, die wachsen in irgendwelchen Muscheln. Kannst du überhaupt gut klettern? Wenn du zu den Höhlen willst, müssen wir ein ganzes Stück kraxeln. Ein Spaziergang ist das nicht. Und ängstlich darfst du auch nicht sein. In Höhlen ist es stockfinster und es gibt Fledermäuse und so was. Oder willst du vielleicht hier in unserem Fluss Gold waschen wie die Goldsucher in Amerika?«, fragte er spöttisch.

Langsam gingen Jonathan diese überheblichen Reden Walters auf den Geist.

»Warum nicht«, konterte er. »Mein Urgroßvater hat in Amerika nach Gold geschürft. Und er hat welches gefunden. Und Büffeljäger war er auch. Und er kannte sogar Old Shatterhand«, flunkerte er.

»Und meiner war dreimal hintereinander Schützenkönig hier im Ort«, versuchte Walter wieder das Heft in die Hand zu bekommen. Doch es kam nur halbherzig. Von seiner Großmutter hatte er sich oft vom Cowboy-Nachbarn erzählen lassen.

»Stimmt es eigentlich, dass dein Großvater noch das Gewehr und die Cowboyjacke deines Urgroßvaters besitzt? Meine Großmutter hat mal so etwas erzählt.«

»Ja, das stimmt. Und noch einige andere Dinge dazu. Das Gewehr, seine Winchester, durfte ich sogar schon mal in die Hände nehmen. Da musste ich lange betteln. Großvater mag keine Waffen und schon gar nicht in den Händen von Kindern, wie er immer wieder predigt. Aber ich kann dir sagen: Schwer wie ein Medizinball ist sie. Wenn du mit der von einem galoppierendem Pferd schießen willst, brauchst du solche Muskeln.« Er deutete riesige Oberarme an. »Es gibt auch Fotos von ihm mit echten Indianerhäuptlingen und mit Buffalo Bill. Wenn du Lust hast, besuche uns doch mal. Dann zeigt dir Großvater bestimmt die Sachen. Er hebt sie in einer Vitrine in seinem Arbeitszimmer auf. Alleine darf ich nicht an den Schrank. Da versteht er keinen Spaß. Na ja, schließlich sind das alles Erinnerungen an seinen Vater und er hängt sehr dran. Du musst einsehen, dass in mir auch Cowboyblut fließt. Und Höhlen mit Fledermäusen nur ein Klacks für mich sind.«

»Du hast ja recht. Aber deinen Großvater fragst du bitte gleich heute. Versprich es mir. Vielleicht hat er in den nächsten Tagen Zeit und ich kann mir das Wildwestgewehr mal ansehen. So, bevor wir uns auf Großmutters Kuchen stürzen, möchte ich dir noch etwas zeigen. Ist zwar keine richtige Höhle, aber dafür dreimal so geheimnisvoll. Das schaffen wir noch, bevor wir zurückmüssen. Aber etwas sputen müssen wir uns schon. Komm!«

Und ohne weitere Erklärungen sprang er auf, überquerte die Brücke und bog in scharfem Tempo hinter einem Fachwerkhaus in einen schmalen Feldweg ein. Zuerst ging es am Rande eines brachliegenden Ackers vorbei, um kurz darauf in ein Wäldchen einzutauchen. Hier schlugen sich die beiden Abenteurer rechts ins Gehölz und nach wenigen Schritten hielt Walter Jon am Oberarm.

»Wir sind da. Schau, direkt vor dir.«

Jonathan schaute, doch außer vertrocknetem Laub und dornigem Gestrüpp sah er nichts, was in irgendeiner Weise auf etwas Geheimnisvolles schließen ließ.

»Du musst das Laub zur Seite schieben.«

Tatsächlich, als Jon an einer Stelle mit dem Fuß das Laub entfernte, kamen schwere Holzbohlen zum Vorschein.

»Hilf mir mal!«, forderte Walter ihn auf, mit zuzupacken. Mit vereinten Kräften griffen sie das Ende der äußeren Bohle, hoben es an und wuchteten das Holz ein Stück zur Seite. Zum Vorschein kam ein dunkles Loch.

»Na habe ich zu viel versprochen?«, strahlte Walter. »Das ist ein Schrazelloch. So etwas hast du bestimmt noch nicht gesehen. Davon soll es hier einige in der Gegend geben. Großmutter sagt, dass sie von Kobolden gegraben wurden. Es geht ganz schön tief hinab. Mindestens drei Meter. Dann beginnt ein Gang, der sich hin und her windet und mal ganz schmal ist und dann wieder so groß, dass man aufrecht stehen kann. Leider ist er teilweise eingebrochen, und deshalb ist noch keiner aus dem Dorf weiter vorgedrungen. Es weiß auch niemand, wie lang er wirklich ist. Mein Freund Paul, der Sohn vom Förster, glaubt, dass er bis zur Kirche führt. Vielleicht sogar bis zum Schloss, drüben, im Nachbartal. Ich glaube ja nicht an diese Koboldgeschichten. Das war bestimmt mal ein Geheimgang oder so was. Paul und ich planen schon lange, den Tunnel zu erkunden. Mit Schaufeln werden wir den Gang schon wieder freibekommen. Mein Vater ist dagegen, es sei viel zu gefährlich, meint er. Aber wir wollen es trotzdem versuchen. Wenn du willst, kannst du mitmachen. Na was sagst du? Ist doch fast noch besser als eine Höhle. Und vielleicht finden wir auch was. Vielleicht keinen Schatz, aber dafür andere Dinge. Alte Schwerter oder Ritterrüstungen oder vielleicht sogar ein Skelett.«

Ein Schauder kroch Jon über den Rücken. Aber mit einigermaßen fester Stimme verkündete er: »Walter, ich bin dabei bei eurer Expedition. Ist ein tolles Ding.«

In diesem Moment hörten die Jungs den Drei-Uhr-Zug pfeifen. Walter wurde blass. »Was denn, schon so spät? Wir müssen uns beeilen. Großmutter zieht mir die Ohren lang, wenn wir nicht pünktlich zurück sind. Und denk dran: Zu niemandem ein Wort von unseren Plänen.«

Eilig legten sie die Bohle wieder an ihren Platz, verteilten etwas Laub darüber und im Eilzugtempo ging es über Feldweg und Brücke zum Haus der Großmutter.

KAPITEL SECHS

Als die Zeit gekommen war, machte er sich auf den Weg. Es waren etwa fünfzig Meter bis zum Saloon. Er lebte zwar schon mehr als zehn Jahre in diesem Land, aber er gab dem metrischen System den Vorzug vor Fuß und Meile. Obwohl auch in seinem Heimatland noch für viele Leute die Meile an erster Stelle stand. Allerdings die skandinavische Meile, und die hatte mit der amerikanischen so viele Übereinstimmungen wie ein 1922er Chateau Margaux mit den Weinen, die ihm in diesem Land angeboten wurden. Über dem Ort lag nach dem geschäftigen Treiben des Tages eine friedvolle Feierabendstimmung. Die Dämmerung brach an und die Hauptstraße wurde kaum bevölkert. Nur wenige Fuhrwerke fuhren noch durch den Ort, und in einiger Entfernung saß ein halbwüchsiger Junge auf einem Fass und wartete wohl darauf, wieder zur heimatlichen Farm aufzubrechen. Keine Dampffahne einer herannahenden Eisenbahn war am Horizont zu sehen. Und selbst das Schnauben, Brüllen und Hufescharren der riesigen Rinderherden außerhalb der Stadt wirkte gedämpfter. Leicht sein Pferd mit dem Oberschenkel dirigierend, hielt er auf den Saloon zu. Er hätte natürlich die paar Schritte auch zu Fuß zurücklegen können, doch zum einen mochte er keine staubigen Schuhe und versuchte, wenn möglich, Abstand zwischen Erdboden und Stiefel zu bringen. Und außerdem war er hier im Wilden Westen. Noch dazu im Jahr 1871, da lief man nicht, da nahm man sein Pferd, und waren es auch noch so kurze Wege, die man zurücklegen musste.

Nachdem er sein Pferd am Saloon angebunden hatte und die drei Stufen zum Eingang hinaufgestiegen war, betrat er den Gastraum. Links an der Wand der obligatorische Tresen. Rechts eine kleine Bühne mit einigen Stühlen, an denen Musikinstrumente lehnten. Dazwischen ein halbes Dutzend Tische, um diese Zeit nur mit einigen müde aussehenden Cowboys und zwei Eisenbahnern besetzt. Links anschließend an die Bühne führte eine Treppe in das obere Stockwerk. Dort war alles dunkel und ruhig. Kaum dass der Barmann ihn wahrgenommen hatte, sprang er schon herbei, und dienstfertig, eine leichte Verbeugung andeutend, bat er ihm zu folgen.

»Schön, dass sie da sind, Mister Berg. Der Major erwartet sie bereits. Darf ich ihnen etwas zu trinken bringen?«

Der so angesprochene überlegte kurz und verneinte dann. Der Schnaps und das Bier, das in diesen Lokalen angeboten wurde, waren gut für einen Viehhirten nach getaner Arbeit. Ein Gentleman wie er bevorzugte dann doch andere Qualitäten. Und sowieso: Kompetenz in Sachen Wein, dem er immer den Vorzug gab, konnte er hier nicht erwarten. Der Barmann wies ihm den Weg zum Büro, der Wikinger klopfte zweimal und öffnete dann eine Tür, auf der dick geschrieben -PRIVATE- stand.

Es war kein großer Raum, eher eine Kammer. Zwei Meter fünfzig im Quadrat. Möbliert mit einem Schreibtisch und einem Stuhl mit halbrunder Lehne vor und einem hinter dem Tisch. Bei allem, was Berg über den Major gehört hatte, bei seinem eindrucksvollen Haus in der Stadt, hatte er etwas anderes erwartet. Im Schein zweier Petroleumlampen saß ein etwa fünfzig Jahre alter Mann in einer Offiziersjacke der Unionstruppen, unter der er ein dunkles Hemd mit Stehkragen trug, hinter dem Schreibtisch. An einem Haken neben ihm an der Wand hing ein Gürtel mit einem Revolver. Neben dem Schreibtisch stand ein Spucknapf, der der Grund für den säuerlichen Geruch im Raum sein könnte. Der Major war von schmaler Gestalt. Eine Narbe zog sich über die linke Gesichtshälfte und ein Großteil der Zähne waren nicht mehr vorhanden. Mit seinen weit auseinanderstehenden Augen unter einer schwarzen Kappe musterte er den Eintretenden.

»Es ist schön, mal einen Gentleman in diesem Etablissement begrüßen zu dürfen. Entschuldigen sie, dass ich nicht aufstehe. Eine alte Schusswunde am Oberschenkel. Zusammen mit einem drohenden Wetterumschwung eine schlechte Mischung. Nehmen sie Platz und erzählen sie mir, wie ich zu der Ehre ihres Besuches komme.«

Der ironische Unterton war nicht zu überhören. Der Wikinger entschied fürs erste, sich dem Tonfall seines Gegenübers anzupassen.

»Ich habe schon viel von ihnen gehört. Ihre Heldengeschichten von den Schlachtfeldern des Krieges und ihr Engagement für diesen schönen Ort. Traurig mit dem Bein, jedoch einen Wetterwechsel würde ich sehr begrüßen. Aber ihre und auch meine Zeit sind kostbar, und deshalb würde ich gern zum Grund meines Besuches kommen. Ich brauche ihre Verbindungen nach Washington und etwa zwei Dutzend Männer für ein riskantes, aber durchaus lohnendes Unternehmen.«

»Soso, zwei Dutzend Männer und meine Verbindungen in die Hauptstadt. Darf es vielleicht auch noch meine goldene Taschenuhr sein oder das Amulett meiner Vorfahren? Jetzt mal Klartext. Was wollen sie von mir und was haben sie zu bieten? Es ist ja nicht so, dass gute Männer an Bäumen wachsen. Das kostet. Und wir reden hier nicht von fünfhundert Dollar.«

Der Wikinger rückte seinen Körper auf dem unbequemen Stuhl zurecht und erwiderte: »Rundheraus Mister Franklin, es geht um den ehemaligen Vizepräsidenten Hannibal Hamlin. Er besitzt etwas, das mir sehr wertvoll ist und das, wenn sie helfen, es in meinen Besitz zu bringen, auch für sie eine immense finanzielle Aufwertung bedeuten würde. Und wir reden hier nicht von fünfhundert Dollar. Mit anderen Worten, helfen sie mir und ich mache sie steinreich.«

KAPITEL SIEBEN

Es klopfte an der Tür und Jon sprang von seinem Stuhl auf. »Es ist offen!«, rief er und Sekunden später stand Walter in der Küche.

»Grüß Gott Herr Schmidt. Schön, dass ich vorbeikommen darf. Ich bin gespannt wie ein Flitzbogen. Hallo, Jon.«

»Prima, dass du uns besuchst«, erwiderte der Hausherr. »Komm, setz dich zu uns. Ich gieße noch einen Pfefferminztee auf und dann erzähle ich euch ein paar Geschichten über meinen Vater.«

Georg stand auf, nahm das heiße Wasser vom Herd und goss es in die dickbäuchige Kanne. Sogleich breitete sich der schwere Geruch von Minze im Raum aus. Er stellte drei Tassen und die Kanne sowie einen Teller mit gerösteten Haselnüssen auf den Tisch, verschränkte die Hände ineinander und begann.

»Walter, du hast bestimmt schon einige der Geschichten gehört, die hier im Dorf über meinen Vater erzählt werden. Und ja, einiges liegt nahe an der Wahrheit. Anderes hingegen ist maßlos übertrieben und erfunden. Denn er hatte niemals in seinem Leben alleine eine Farm gegen einen ganzen Indianerstamm siegreich verteidigt. Und auch das Gerücht, dass unsere Familie im Besitz eines Goldschatzes sei, gehört ins Reich der Märchen. Dass mein Vater dabei war, in der Zeit, als der Wilde Westen noch wild war, das ist allerdings die Wahrheit. Damals hieß er William Smith. Erst als er sich hier in unserem schönen Bayern niedergelassen hatte, änderte er seinen Namen in die deutsche Schreibweise Wilhelm Schmidt. Es ist bis heute so üblich, nennen wir es einen kleinen familiären Spleen, dass alle Neugeborenen Schmidts Vornamen erhalten, die sowohl im Englischen wie auch im Deutschen einen feinen Klang haben. Jonathan, auch wenn ihn die meisten nur Jon rufen, sein Vater Albert und sein Onkel Arthur. Ich heiße Georg, alles Namen, die mit den Millionen Einwanderern von Europa nach Amerika reisten und nunmehr zu den USA gehören, wie die Prärien und die Rocky Mountains.

Aber zurück zu meinem Vater. Geboren wurde er einige Jahre vor dem amerikanischen Bürgerkrieg auf einer Farm in Kentucky. Es war nur eine kleine Farm, die seine Eltern dort bewirtschafteten. Einige Rinder gehörten dazu und außerdem wurde Tabak angepflanzt. Das bedeutete viel Arbeit für die Familie. Dort lernte mein Vater dann schon als kleiner Junge das Reiten, das Einfangen von Rindern und das Jagen. So gesehen war er im Wortsinne ein Cowboy. Als dann sein Vater im Bürgerkrieg kämpfte, musste er als Elfjähriger zusammen mit seiner Mutter sehen, wie sie über die Runden kamen. Als der Vater dann auch noch in der Schlacht von Mill Springs schwer verletzt wurde und kurz darauf verstarb, beschloss die Mutter, die Farm aufzugeben. Sie wurden von ihrer Schwester aufgenommen, die mit einem wohlhabenden Sägemühlenbesitzer verheiratet war. Ein strenger Onkel, dem William aus dem Wege ging, wann immer er konnte. Als seine Mutter genau dreizehn Monate nach seinem Vater verstarb, packte er die Sachen, nahm sich sein Pferd und verschwand, ohne auf Wiedersehen zu sagen. Sozusagen bei Nacht und Nebel. Er war schon damals der beste Schütze im Umkreis von zwanzig Meilen. So hat er es mir erzählt. Beim großen Eisenbahnbau suchten sie immer gute Jäger. Es war ein gigantisches Bauvorhaben. Eine Eisenbahn, die den Westen mit dem Osten verbinden sollte. Sie würde das endlose Reisen mit Kutschen oder Ochsenkarren überflüssig machen. Die Westküste würde für jedermann erreichbar sein. Und das in wenigen Tagen. Wir sprechen hier von einer Strecke, die nicht mit den Eisenbahnverbindungen im Reich zu vergleichen ist. Eher schon mit dem legendären Orient Express mit seiner Strecke von Paris bis Konstantinopel. Und für solch ein gewaltiges Bauvorhaben brauchte man natürlich viele Arbeiter. Und diese wollten essen. Es gab also viel zu tun für die Jäger. Damals konnte man noch riesige Büffelherden in den Prärien antreffen. Aber auch Indianer, ebenfalls auf Büffeljagd, die gar nicht begeistert waren von diesem stählernen Ungetüm, das den Arbeitern auf den schon verlegten Gleisen folgte. So kam es immer wieder zu Überfällen auf die Strecke. Ja, mein Vater führte ein Leben, wie wir es nur aus Romanen kennen.

Eines Tages hörte er, dass William Frederick Cody, besser bekannt als Buffalo Bill, Darsteller für eine Wild West-Show suchte. Und wer wäre da besser geeignet als die mit ihren Pferden verwachsen scheinenden Jäger, Viehtreiber und Glücksjäger, die der amerikanische Westen hervorgebracht hatte. Wobei mein Vater nie die Westküste erreichte und nie den Pazifischen Ozean gesehen hatte. Aber ich schweife ab. Also diese Wild West Show war ein tolles Ding. Echte Indianer und sogar Häuptlinge, wilde Büffel, Cowboys und jede Menge Pulverdampf, Geschrei und Pferdegetrappel. Die Leute in den Städten an der Ostküste waren aus dem Häuschen. Und es sollte sogar über den Ozean gehen, in die Alte Welt. Mein Vater war schon in den Dreißigern, er hatte aber noch keine Familie gegründet und war sehr neugierig und abenteuerlustig. Der Verdienst war gut und so nahm er an. Mal spielte er einen von Custers Kavalleriesoldaten, mal den Büffeljäger oder er lenkte eine Postkutsche mit sechs Pferden. Ja, und dann kam er eines Tages nach München. Auf der Theresienwiese waren mehrere Wochen täglich Aufführungen, die sogar der Prinz Ludwig besuchte. Der Ochsen-Willi, so nannten die Münchner den großen Buffalo Bill scherzhaft, zog alle Register. Es knallte, Geruch von Schießpulver lag in der Luft, und die Mitwirkenden schrien, johlten und stimmten immer wieder in ein infernales Kriegsgeschrei ein. Es war zum Fürchten, aber auch sehr aufregend. So erzählte es mir meine Mutter, Jonathans Urgroßmutter oft.«

»Ja Großvater, das hat sie mir auch erzählt. Ich war damals höchstens vier Jahre und sie hat mir das Kriegsgeschrei vorgemacht. So laut und grausig, dass die Mutter ins Zimmer gestürmt kam, denn sie dachte, mir wäre etwas passiert.«

Großvater lachte und erzählte dann weiter. »Ja, dieser Nachmittag im April des Jahres 1890 auf der Theresienwiese veränderte das Leben der Berta von Weidenberg. Denn als sie nach der Schau durch das Lager spazierte, lernte sie ihren späteren Mann William Smith kennen, und kurz darauf waren die beiden ein Paar. William, auf den in den USA niemand wartete, verließ die Truppe und heiratete seine Berta. Anderthalb Jahre später wurde ich geboren und unsere Familie war komplett. Meine Mutter reiste in jungen Jahren viel mit ihrer Familie durch Europa. Sie war auch deshalb sprachlich gewandt und beherrschte ein sehr gutes Französisch und Englisch. Selbst ihr Spanisch reichte für eine gepflegte Konversation aus. Da sich mein Vater anfangs sehr schwer tat mit der deutschen Sprache, wurde bei uns im Haus immer viel Englisch gesprochen oder besser gesagt amerikanisches Englisch. Dass es da Unterschiede gibt, musste ich bei einer Reise nach London feststellen.

Na Jon, wie ist es um deine Englischkenntnisse bestellt? Mir ist es schon wichtig, diese Familientradition beizubehalten.«

»Father says my English is almost as good as the English of a New York boy. Nur in der Schule soll ich nichts davon erzählen. Es reicht schon, dass mich mein Lehrer gefragt hat, ob ich eigentlich ein richtiger deutscher Junge bin. Daraufhin durften einige Schüler nur noch heimlich mit mir spielen. Ihre Eltern wollten das nicht. Ja, und Vater hatte damals am Münchner Gymnasium sogar Englischunterricht. Die Engländer und Amerikaner sind unsere Feinde, sagen die Lehrer immer. Nur die deutsche Sprache ist die richtige Sprache. Es ist mir rätselhaft, warum die Sprache unserer Feinde so verteufelt wird. Vater meint: ›Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen Sprache‹ oder so ähnlich. Ich glaube, das hat Goethe oder Schiller, jedenfalls ein alter Dichter, mal gesagt. So richtig klar ist mir nicht, was er damit meint, aber Vater sagt viele schlaue Sachen.«

Großvater stimmte ihm zu. »Ja, dein Vater ist wirklich ein ziemlich schlauer Kopf. Er will damit sagen, dass es immer besser ist, einander zuzuhören, als sich einzuigeln und naserümpfend auf alles Fremde zu schauen. Aber ich sehe, dass Walter mehr Wildwestgeschichten und weniger Familiengeschichten erwartet hat. Lies ihm doch aus dem Buch mit Wilhelms Abenteuern vor. Das sollte genau das Richtige sein. Es gibt leider bisher nur die amerikanische Version, du musst es deinem Freund also übersetzen. Es war immer ein Traum meiner Mutter, dass das Buch auch in Deutschland verlegt wird. Es gab auch Verlage, die Interesse gezeigt hatten. Aber es wurde immer wieder verschoben und verschoben. Na ja, vielleicht erlebe ich es ja noch irgendwann. Also auf ihr zwei, ich bringe euch später noch ein paar belegte Brote und eine Kanne Tee nach oben.«

Georg verließ das Zimmer und Walter sprang von seinem Stuhl auf. »Ich wusste gar nicht, dass es sogar ein Buch über deinen Urgroßvater gibt. Das ist ja ein tolles Ding. Und dass du sprechen kannst wie ein Engländer oder Amerikaner. Ich habe das nicht so genau kapiert, Mannomann. Vor ein paar Monaten waren Soldaten im Dorf. Paul und ich, wir haben uns mit denen angefreundet. Ich sag dir, da waren Preußen dabei, kaum ein Wort habe ich verstanden. Und denen ging es genauso, obwohl wir doch alle im selben Land geboren wurden. Mein Vater sagt immer, die Fremden taugen nur als Sommerfrischler, denn da bringens Geld ins Dorf. Was soll’s, ich denke mal, dass wir zwei Freunde werden können, auch wenn du nicht von hier bist. Was meinst du?«

Jon strahlte und erwiderte: »Das will ich meinen. Ich bleibe bestimmt länger hier bei Großvater. Meine Mutter sagte zwar, es ist nur für ein paar Wochen, höchstens bis Weihnachten, aber das glaube ich nicht. Sogar in eure Schule gehe ich bald. Sie wollte mich beruhigen und vielleicht sich selbst auch. Wo soll ich denn wohnen, wenn nicht hier. Da oben ist doch alles kaputt. Das Schönste wäre, wenn meine Eltern auch herkommen. Aber das geht im Moment wohl nicht.« Und wieder ein dicker Kloß in seinem Hals.

»Wie ist das eigentlich so, wenn die Bomben fallen?«, wollte Walter wissen.

Jon überlegte kurz, wie er am besten das Thema wechseln konnte und sagte dann doch: »Also, man hört die Sirenen, rennt in den Keller und hofft, dass das Haus nicht getroffen wird. Wenn ich an die Bombenangriffe denke, muss ich immer auch an Bohnensuppe denken.«

»Bohnensuppe?«, entgeistert schaute Walter ihn an. »Jetzt willst du mich aber veräppeln.«

»Nein, nein, ich will dich überhaupt nicht veräppeln. Unsere Nachbarin Frau Sperling aß immer aus einem Henkelmann Bohnensuppe, wenn die Angriffe waren. Sie sagte, es würde sie beruhigen und sie war überzeugt, dass unser Haus getroffen wird, wenn sie mal keine Bohnensuppe essen würde. Sie hatte wohl immer einen Topf Suppe auf dem Herd. Für meine Mutter war das alles nur Aberglaube. Aber mir war es immer recht, die Suppe zu riechen. Aberglaube oder nicht, vielleicht hilft es ja.«

»Geholfen hat’s ja Gott sei Dank. Ich habe von einer Familie aus dem Nachbardorf gehört, die aus München kommen und verschüttet waren. Bei uns ist noch keine einzige Bombe gefallen.«

Jon schlug Walter auf die Schulter und meinte: »Mensch sei doch froh. Also ich bin es. Nicht mehr halb angezogen im Bett liegen, weil man ja doch gleich wieder runter in den Keller muss. Nee, da habe ich keine Lust mehr drauf. Aber jetzt Schluss damit. Lass uns in mein Zimmer gehen und von Urgroßvaters Abenteuern lesen. Es sind auch tolle Zeichnungen und sogar ein paar Fotos drin.«

Sie holten sich das Buch aus Großvaters Arbeitszimmer, blieben ehrfürchtig vor der Vitrine mit Wilhelms Andenken an den Wilden Westen stehen und stiegen dann die steile Treppe hinauf. Dort machten sie es sich auf dem Fußboden bäuchlings nebeneinander gemütlich und schlugen das Buch auf.

»Ein Cowboy in deutschen Landen«, las Jon den Titel vor, »von William Smith. Das Buch hat er unter seinem ursprünglichen amerikanischen Namen verfasst. Schau mal das Bild hier. Urgroßvater mit einem Häuptling der Lakota. Brennender Büffel war sein Name. Hatten schon seltsame Namen die Indianer. Auf diesem Bild ist er mit Buffalo Bill zu sehen und hier sind Aufnahmen von der Aufführung in München. Schau dir diese Menge an Darstellern an, da ist wirklich alles dabei. Soldaten, Westmänner, ganze Indianerstämme und sogar Frauen mit Colts. Ich lese dir mal meine Lieblingsgeschichte vor.«

Jon begann, wobei er das auf Englisch Geschriebene direkt ins Deutsche übertrug. Da er die Geschichte in- und auswendig kannte, fiel ihm das nicht schwer.

»Nachdem ich einen Sommer und einen Winter lang die Arbeiter der Northern Pacific Railway mit Fleisch versorgt hatte und in zahllosen Scharmützeln mit den Indianern meinen Mann gestanden hatte, wurde es Zeit für mich, weiterzuziehen. Ich hörte von Goldfunden im Montana-Territorium und zog los. Dort angekommen nahm ich Quartier in einem erst kürzlich entstandenen Ort namens Elkhorn. Es gab Saloons, eine Handvoll ziemlich schäbiger Hotels und jede Menge zwielichtiges Gesindel. Schon an meinem ersten Abend wurde ich in eine Schlägerei im Saloon verwickelt. Doch durch einen gezielten Faustschlag schaltete ich den Auslöser des Streites schnell aus. Der musste mit gebrochener Nase zum Doc gebracht werden.

Am nächsten Morgen machte ich mich auf, die Gegend anzusehen. Wie ich schnell erkennen musste, waren die aussichtsreichsten Flecken Erde schon vergeben. Also erkundete ich in einem Einbaum, den ich für wenig Geld von einem abreisenden Goldschürfer bekommen hatte, eine etwas abseits gelegene Klamm.