Unwetterlagen effizient bewältigen - Fabian Müller - E-Book

Unwetterlagen effizient bewältigen E-Book

Fabian Müller

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Beschreibung

Örtliche Feuerwehren werden zunehmend mit extremen Unwetterlagen konfrontiert. Dabei liegt die große Herausforderung weniger in der handwerklich-technischen Bewältigung der einzelnen Einsatzstellen, sondern vielmehr in der Organisation und Führung der Flächenlage. Daher werden die Weichen für eine erfolgreiche Einsatzbewältigung nicht an der Einsatzstelle vor Ort, sondern im "Führungshaus" der Gemeinde gestellt. In seinem Buch beschreibt der Autor ein ganzheitliches Konzept zur effizienten Bewältigung von flächigen Unwetterlagen auf Gemeindeebene. Neben organisatorischen und taktischen Hinweisen zur Führung und Disposition werden auch (unwetter-)spezifische Führungs- und Einsatzmittel vorgestellt. Ergänzt wird das Buch durch umfangreiche digitale Vorlagen, die als Download bereitgestellt werden. Dem Leser werden beispielsweise mit den Checklisten für die Führungshausfunktionen, dem Formular "Dokumentation von Unwettereinsätzen" sowie der Mustervorlage für eine "Planübung Unwetterlage" praxisbezogene Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt.

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Fabian Müller

[3]Unwetterlagen effizient bewältigen

Organisatorische und taktische Hinweise für Feuerwehren

Verlag W. Kohlhammer

[4]Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Die Abbildungen stammen – sofern nicht anders angegeben – vom Autor.

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Umschlagbild: © Maximilian Ziegler (www.maxiblick.de)

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034500-3

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-034502-7

epub: ISBN 978-3-17-034503-4

mobi: ISBN 978-3-17-034504-1

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[5]Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Grundlagen zur Organisation und Führung von Unwetterlagen

2.1   Unterscheidungsmerkmale flächendeckender und punktueller Einsatzlagen

2.1.1   Alltägliche Schadenslagen

2.1.2   Großschadenslagen

2.1.2.1   Punktuelle Großschadenslagen

2.1.2.2   Flächige Großschadenslagen

2.2   Das Führungssystem nach FwDV 100 und daraus ableitbare Aspekte zur Führung von Unwetterlagen

2.2.1   Führungsorganisation

2.2.1.1   Einsatzleitung

2.2.1.2   Führungsebenen

2.2.1.3   Operativ-taktische Führungseinheiten der Feuerwehr

2.2.1.4   Administrativ-organisatorische Führungseinheiten der Verwaltung

2.2.1.5   Gemeinsame Stäbe

2.2.1.6   Führungseinrichtungen

2.2.2   Führungsvorgang

2.2.3   Führungsmittel

2.3   Die Verlagerung von Kernprozessen der Leitstelle auf Abschnittsführungsstellen bei Unwetterlagen

2.3.1   Notrufannahme

2.3.2   Disposition und Alarmierung

2.3.3   Einsatzbegleitung

2.3.3.1   Abwicklung Funkverkehr

2.3.3.2   Führungsunterstützung

2.3.3.3   Dokumentation von Maßnahmen und Entscheidungen

2.3.3.4   Führen einer Einsatzmittelübersicht und Erstellen eines Lagebildes

2.3.4   Einsatzabschluss

2.3.5   Zusammenfassende Betrachtung

2.4   Vor- und Nachteile der Einbindung einer Einsatzführungssoftware

2.5   Die Vorhersehbarkeit von Unwetterereignissen – Möglichkeiten und Chancen für vorbereitende Maßnahmen

2.6   Resultierende Erkenntnisse für die Führung und Organisation von Unwetterlagen auf Gemeindeebene

3 Konzept zur effizienten Bewältigung von Unwetterlagen auf Gemeindeebene

3.1   Die Organisation des Führungshauses

3.1.1   Benennung eines zentralen Führungshauses innerhalb der Gemeinde

3.1.2   Kommunikationseinrichtungen und Räumlichkeiten

3.1.3   Inbetriebnahme, Alarmierungsstufen und Auflösung

3.1.3.1   Inbetriebnahme und Besetzung des Führungshauses

3.1.3.2   Unwetterstufen und personelle Besetzung

3.1.3.3   Stufenreduzierung und Auflösung des Führungshauses

3.1.4   Aufstellung und personelle Zusammensetzung der Führungsgruppe

3.1.5   Strukturen und Abläufe

3.1.5.1   Interne Meldewege

3.1.5.2   Externe Kommunikation

3.1.6   Erforderliche Funktionen und wahrzunehmende Aufgaben

3.1.6.1   Einsatzzentrale

3.1.6.2   Anrufannahme

3.1.6.3   Führungsraum

3.1.6.4   Fahrzeughalle

3.1.7   Umsetzung bei Feuerwehren kleiner Gemeinden

3.2   Die Erstellung einer unwetterspezifischen Führungsstruktur auf Gemeindeebene

3.2.1   Führungsstruktur mit Führungsgruppe (Stufe 2/3)

3.2.2   Führungsstruktur mit Führungsstab (Stufe 4)

3.3   Einsatztaktische Aspekte und Hinweise für eine effiziente Bewältigung von Unwetterlagen

3.3.1   Priorisierung von Einsätzen

3.3.2   Disposition von Einheiten

3.3.3   Bildung von Einsatzabschnitten

3.3.3.1   Einsatzabschnitt Unwettereinsätze

3.3.3.2   Einsatzabschnitt Zeitkritische Einsätze/Grundschutz

3.3.3.3   Einsatzabschnitt »Schwerpunkt« (nach Bedarf)

3.3.3.4   Einsatzabschnitt Bereitstellungsraum (nach Bedarf)

3.3.3.5   Zusammenfassende Hinweise zur Abschnittsbildung

3.3.4   Festlegung zentraler Orte im Gemeindegebiet

3.3.4.1   Bereitstellungsräume für überörtliche Einsatzkräfte

3.3.4.2   Anlaufstellen für die Bevölkerung

3.3.5   Definition von Leistungseinheiten und unwetterspezifische Regelungen zur AAO

3.3.6   Erkundung von Einsatzstellen

3.3.7   Sicherstellung des Grundschutzes

3.3.7.1   Vorhaltung einer Grundschutzeinheit

3.3.7.2   Umsetzung in Feuerwehren kleiner Gemeinden

3.3.8   Sicherer Umgang mit elektrischen Gefahren an Einsatzstellen

3.3.8.1   Gefahr der Elektrizität bei Unwettereinsätzen

3.3.8.2   Grundsätzliche Nutzung von Stromerzeugern der Feuerwehr

3.3.8.3   Nutzung des stationären Stromnetzes als Sonderfall

3.3.8.4   Ausbildung von elektrotechnischem Fachpersonal

3.3.9   Sicheres Vorgehen bei Sturmschadeneinsätzen

3.3.10  Sicherer Einsatz in überfluteten Straßen und schnell fließenden Gewässern

3.3.11  Entsendung von Führungskräften zur Besetzung eines Führungsstabes auf Kreisebene

3.3.12  Erstellung von Gefahrenabwehrplänen

3.3.13  Sensibilisierung der Einwohner zur Ergreifung von Vorsorgemaßnahmen

3.3.14  Informationsmanagement

3.4   Organisatorische Aspekte und Hinweise für die operativ eingesetzten Einheiten

3.4.1   Einteilung der Fahrzeugfunktionen

3.4.2   Vorgaben für die Abarbeitung von Einsätzen

3.4.3   Prüfung der Notwendigkeit eines Feuerwehreinsatzes

3.4.4   Kostenpflicht bei Hilfeleistungen durch die Feuerwehr

3.4.4.1   Allgemeine Regelungen zur Kostenpflicht bei Unwettereinsätzen

3.4.4.2   Kostenregelung bei Unwettereinsätzen am Beispiel Baden-Württemberg

3.4.4.3   Kostenregelung bei Unwettereinsätzen am Beispiel Nordrhein-Westfalen

3.4.4.4   Zusammenfassende Betrachtung zur Kostenregelung bei Unwettereinsätzen

3.4.5   Gefahren bei Wasser- und Sturmschadeneinsätzen

3.5   Die Anfertigung und Anwendung geeigneter Führungsmittel

3.5.1   Einsatzstreifen

3.5.2   Lagedarstellung

3.5.3   Erkundungsstreifen

3.5.4   Funktionsübersicht

3.5.5   Notizzettel

3.5.6   Fahrzeugrapport

3.5.7   Sonstige Arbeitsmittel

3.5.8   Checklisten und Arbeitsmappen

3.6   Die Vorhaltung unwetterspezifischer Einsatzmittel

3.6.1   Rollwagenmodul »Unwetter«

3.6.2   Abrollbehältermodul »Pumpen«

3.6.3   Rollwagenmodul »Energie/Beleuchtung«

3.6.4   Sandsäcke

3.6.5   Feuerlöschkreiselpumpen und Tragkraftspritzen

3.7   Der Bedarf einer Verwaltungsgruppe auf Gemeindeebene

3.7.1   Aufgaben der Verwaltungsgruppe

3.7.2   Zusammensetzung der Verwaltungsgruppe

3.7.3   Alarmierung und Einberufung der Verwaltungsgruppe

3.7.4   Sitz der Verwaltungsgruppe

4 Ausbildung und Umsetzung des Konzeptes

4.1   Ausbildung der Feuerwehrangehörigen

4.1.1   Führungsgruppe

4.1.1.1   Einrichtung

4.1.1.2   Ausbildung

4.1.2   Sonstige Feuerwehrangehörige

4.2   Einbindung der Gemeindeverwaltung

4.3   Umsetzung in die Praxis

5 Fazit

10-Punkte-Plan zur effizienten Bewältigung von Unwetterlagen auf Gemeindeebene

Abkürzungsverzeichnis

Literatur- und Quellenverzeichnis

[9]Aus Gründen der Lesbarkeit wurde meist die männliche Sprechform gewählt. Alle personen- und funktionsbezogenen Angaben gelten jedoch ausdrücklich für Frauen und Männer gleichermaßen.

Auf unserer Homepage unter: https://www.kohlhammer-feuerwehr.de/downloads sind folgende Downloadvorlagen bereitgestellt:

Checklisten für alle Führungshausfunktionen

Formular »Einsatznummer-Vergabe« (nummeriert und blanko)

Formular »Dokumentation von Unwettereinsätzen«

Merkblatt »Organisatorische Regelungen bei Unwettereinsätzen«

Formular »Funktions- und Fahrzeugeinteilung«

Faxvordruck »Einsatzaufnahme durch Feuerwehrabteilung«

Merkblatt »Hinweise zur Disposition von Erkundungseinheiten«

Formular »Einsatzstreifen«

Formular »Erkundungsstreifen«

Formular »Fahrzeugrapport«

Formular »Notiz«

Mustervorlagen für eine »Planübung Unwetterlage«

Um Zugriff auf die Inhalte zu erhalten, benutzen Sie bitte folgendes Kennwort: Führungshausbetrieb

[11]Vorwort

Mit »Extremwetter« wird ein Phänomen beschrieben, das außerordentliche Wetterereignisse umfasst. Sintflutartige Regenfälle, extreme Trockenheit/Dürre, Wirbelstürme oder Blitzeis nehmen nicht nur gefühlt zu. Ob dieser Umstand dem Klimawandel geschuldet ist, bleibt für die Ereignisbewältigung unerheblich.

Was hat aber nun die Feuerwehr mit Unwettern zu tun? Warum ein Fachbuch, das den Feuerwehren organisatorische und taktische Hinweise zur effizienten Bewältigung von Unwetterlagen gibt?

In den landesspezifischen Spezialgesetzen enden die Pflichtaufgaben der Feuerwehr regelmäßig mit der Befreiung von Menschen und Tieren aus lebensbedrohlichen Zwangslagen. Hinzu kommen öffentlicher Notstand oder gar die Katastrophe, die eine verpflichtende Mitarbeit der Feuerwehr bei der Ereignisbewältigung vorsehen.

Auch unterhalb dieser Schwellen und außerhalb der Pflichtaufgaben der Feuerwehr bietet die Mitwirkung bei der effizienten Bewältigung von Unwetterlagen eine bedeutende Chance für die Feuerwehr. Denn die Feuerwehr ist eine Einrichtung der Gemeinde, die über eine Integrierte Leitstelle als hochverfügbare Schnittstelle zwischen Bevölkerung und Staat verfügt. Ebenfalls ist die Feuerwehr als Einrichtung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhaltes anzusehen und ist nicht zuletzt Trägerin besonderer Kompetenzen.

Was heißt das konkret?

Die Feuerwehr fühlt sich nicht zuletzt aus der historischen Entwicklung und Verantwortung heraus im besonderen Maße den in Not geratenen Mitmenschen verpflichtet. Dies führt unter anderem zu einer Erwartungshaltung, die sich auch in der organisatorischen Zugehörigkeit der Feuerwehr zur Gemeinde wiederfindet. Ist es doch die Gemeinde, die in den unterschiedlichsten Rollen für die Bewältigung von derartigen Lagen (mit)verantwortlich ist.

Unabhängig von einer Bewertung, ob die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung auch in derartigen Szenarien angemessen vorhanden ist, kommt in jedem Fall dem Staat – und hier vor allem der Gemeinde – bei Unwetterereignissen mit derartigen Dimensionen eine zentrale Bedeutung zu. Die Gemeinde Braunsbach im Landkreis Schwäbisch Hall musste dies in besonderer Art und Weise Ende Mai 2016 erfahren.

[12]Bei derartigen Lagen kann die Feuerwehr als gemeindliche Einrichtung neben den allgemeinen Fähigkeiten der schnellen Verfügbarkeit zahlreicher Feuerwehrangehöriger vor allem ihre besonderen Kompetenzen unter Beweis stellen. Vor allem in den Bereichen:

Struktur- und Organisationsfähigkeit,

Führungsfähigkeit,

Durchhaltefähigkeit,

Autarkie,

Verantwortungsbewusstsein sowie

Ergebnis- und Zielorientierung (um nur einige Beispiele zu nennen).

Zufällig sind diese gerade die Kompetenzen, die für die Bewältigung komplexer und zeitintensiver Lagen und Szenarien dringend benötigt werden. Somit hat die Feuerwehr bei einer Mitwirkung in der Bewältigung von Unwetterereignissen die Chance, auf ihre besonderen Kompetenzen aufmerksam zu machen. Dies kann bestenfalls zu einer besonderen Wertschätzung beitragen und hat Auswirkungen auf die gesellschaftliche Rolle und den Stellenwert der Feuerwehr in der Gemeinde.

Die Feuerwehr als tragende und nicht wegzudenkende Säule in der Gefahrenabwehr. Die Feuerwehr als kritische Infrastruktur, die es jederzeit zu stärken und zu härten gilt.

Von besonderer Wichtigkeit bleibt es, bei derartigen Lagen aber stets die Abgrenzung zwischen Unterstützung und fachlicher Zuständigkeit zu wahren. Die Feuerwehr darf dabei nicht alleine durch ihre Mitwirkung automatisch auch fachlich verantwortlich gemacht werden. Hier sind nach wie vor die jeweils gültigen Zuständigkeiten zu beachten.

Zuständigkeiten, die sich nicht nur repressiv mit den Auswirkungen und der Bewältigung von eingetretenen Ereignissen auseinandersetzen, sondern auch eine angemessene Prävention berücksichtigen. Eine Prävention, die vorbeugende – bauliche, organisatorische oder/und technische – Maßnahmen umfasst und in Abhängigkeit von Ortsrisiko und Gefahrenanalyse kontinuierlich bewertet und gegebenenfalls angepasst wird.

Von der Stadtplanung über private und öffentliche Investitionen in die Vorsorge bis hin zur Warnung der Bevölkerung und der strukturellen Vorbereitung zur Krisenbewältigung. Eine derartige strukturelle Vorbereitung ist vor allem in der Führungsfähigkeit dringend erforderlich und bereits durch die entsprechenden Stabsmodelle in den größeren Gebietskörperschaften fest etabliert. Aber auch in kleineren Gemeinden können bereits vorbereitend durchhalte- und leistungsfähige Strukturen geschaffen werden. Hilfestellungen geben hier zum Beispiel die »Emp[13]fehlungen zur Umsetzung der VwV Stabsarbeit in der Gefahrenabwehr und zur Krisenbewältigung in kleineren Gemeinden« vom Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg vom 1. Februar 2017.

Als ergänzende feuerwehrspezifische Fachempfehlung ist dieses Buch zu verstehen. Ein Fachbuch, das sich mit einer ereignisspezifischen Organisationsstruktur der Feuerwehr beschäftigt. Eine Organisationsstruktur, die eine effiziente Bewältigung von Unwetterlagen ermöglicht. Dabei wurde durch den Autor ein hohes Maß an Praxisorientierung und Strukturtreue eingebracht.

Gewinnen Sie mit der Lektüre dieses Fachbuches viele Erkenntnisse, die Ihnen bei einer erfolgreichen Umsetzung der Hinweise helfen.

Dr. Karsten HomrighausenLandesbranddirektor

[15]1    Einleitung

Betrachtet man beispielhaft die Unwetterereignisse des Frühjahrs 2018, welche deutschlandweit heftige Gewitter mit Starkniederschlägen, Hagel und Sturmböen mit sich brachten und in vielen Städten ganze Straßenzüge und Stadtteile unter Wasser setzten, so könnte die Relevanz des Themas »Bewältigung von Unwetterlagen« nicht aktueller sein.

Konnte man beim »Jahrhundertsommer« 2003 noch von einem sehr seltenen Ereignis sprechen, so lässt ein Blick auf die zurückliegenden Jahre schnell erkennen, dass Unwetterereignisse keine Ausnahme darstellen, sondern eher zur Regel werden: Die Frühjahres- und Sommermonate sind geprägt von Unwetterwarnungen, denen oft punktuell und örtlich begrenzt schwere oder extreme Unwetterereignisse folgen. Doch auch jährlich auftretende Sturmtiefs im Herbst oder Winter bringen regelmäßig hohe Sachschäden mit sich und sorgen immer wieder in Teilen von Deutschland für ein Erliegen vieler Bereiche des öffentlichen Lebens. Immer häufiger ist dabei auch der Verlust von Menschenleben zu beklagen, wie die jüngsten Beispiele der Herbsttürme »Xavier« und »Herward« im Oktober 2017 oder der Sturmtiefs »Burglind« und »Friederike« im Januar 2018 verdeutlichen.

Gerade in der Erstphase nach einem Unwetterereignis sind die örtlichen Feuerwehren als kommunale Gefahrenabwehreinrichtungen unmittelbar betroffen, wenn potenziell in Not geratene Personen oder Tiere gerettet sowie Gefahrenlagen gesichert oder beseitigt werden müssen. Dabei liegt die Herausforderung weniger in der handwerklich-technischen Bewältigung der einzelnen Einsatzstellen – überwiegend handelt es sich nämlich um nicht zeitkritische Bagatelleinsätze, wie überflutete Straßen, vollgelaufene Kellerräume oder umgestürzte Bäume. Die eigentliche Herausforderung liegt vielmehr in der Organisation und der Führung der Flächenlage, da häufig viele Paralleleinsätze unterschiedlicher Priorität und zahlreiche Einheiten innerhalb des Gemeindegebietes koordiniert werden müssen – mit dem Ziel, den Einsatzerfolg bei kritischen Einsätzen und an Einsatzschwerpunkten sicherzustellen. Zusätzlich zu dieser Herausforderung müssen auf Gemeindeebene typische Leitstellenaufgaben – wie z. B. die telefonische Entgegennahme von Hilfeersuchen oder die Disposition von Einheiten – wahrgenommen werden. Begleitend kommt hinzu, dass oft nicht auf die Unterstützung benachbarter Feuerwehren zurückgegriffen werden kann, da diese mit einem ähnlichen Einsatzaufkommen konfrontiert sind.

Die Koordination einer solchen Flächenlage stellt insbesondere in der anfänglichen »Chaosphase« keine leichte Aufgabe dar, wenn Feuerwehren bei eintreten[16]den Unwetterereignissen von einer hohen Anzahl an Meldungen mit teils zeitkritischem Hintergrund geradezu »überrollt« werden. Die Erfahrung zeigt dabei immer öfter, dass extreme Unwetterlagen und das damit verbundene Einsatzaufkommen nicht beherrscht, sondern höchstens strukturiert bewältigt werden können. Dies setzt jedoch Strukturen voraus, die im Vorfeld geschaffen und im Ereignisfall konsequent umgesetzt werden müssen. Daher sollte jede Feuerwehr auf Gemeindeebene ein umfassendes Konzept mit vordefinierten Strukturen erstellen, um für Unwetterlagen gerüstet zu sein.

Obgleich Flächenlagen durch Naturereignisse wie Sturmtiefs, Starkniederschläge, Hochwasserlagen oder Waldbrände sowie durch vorsätzlich verursachte Handlungen wie terroristische Akte entstehen können, richtet sich der Fokus der nachfolgenden Betrachtungen auf flächige Unwetterlagen, die im Wesentlichen durch Starkniederschläge mit Hagel und Sturmböen oder orkanartige Sturmtiefs gekennzeichnet sind. Solche Ereignisse können unabhängig von der regionalen Lage jede Gemeinde betreffen und es können nahezu keine stationären Schutzmaßnahmen im Vorfeld ergriffen werden, wie dies beispielsweise bei Hochwasserschutzmaßnahmen in überflutungsgefährdeten Gebieten möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass insbesondere bei Sommergewittern die Vorwarnzeit häufig kurz ist und der Eintritt sowie das Ausmaß eines Unwetters lokal sehr unterschiedlich ausfallen können.

Mit diesem Fachbuch wird ein Konzept zur effizienten Bewältigung von flächigen Unwetterlagen beschrieben. Basis hierfür bildet ein vierstufiges Unwetterkonzept, in dessen Mittelpunkt die Organisation des sogenannten »Führungshauses« als Befehlsstelle mit Sitz der Einsatzleitung auf Gemeindeebene steht. Neben organisatorischen und einsatztaktischen Aspekten zur Führung und Disposition werden gleichermaßen auch (unwetter-)spezifische Führungs- und Einsatzmittel vorgestellt, die zu einer effizienten Einsatzbewältigung beitragen. Da Unwetterlagen schnell Größenordnungen erreichen können, die neben Maßnahmen der operativen Gefahrenabwehr auch verwaltungstypische Entscheidungen erfordern, wird im Rahmen der Ausführungen auch der Bedarf einer »Verwaltungsgruppe« auf Gemeindeebene verdeutlicht und praktische Hinweise zur Arbeit und Aufstellung einer solchen Gruppe gegeben. Damit einhergehend soll zum einen bei Verantwortungsträgern von Feuerwehr und Gemeindeverwaltung das Bewusstsein geschaffen werden, dass der erste Schritt einer effizienten Einsatzbewältigung in einer systematischen Vorbereitung begründet liegt und die Vorbereitung nicht erst bei Ereigniseintritt beginnen darf! Zum anderen soll das Verständnis gefördert werden, dass die Weichen für eine erfolgreiche Bewältigung der Flächenlage im Führungshaus der Gemeinde gestellt werden und nicht an der einzelnen Einsatzstelle vor Ort!

[17]Obwohl viele Feuerwehren bereits über individuelle Systeme zur Bewältigung von Unwetterlagen verfügen, zeigen Erfahrungswerte, dass es oftmals noch einer ganzheitlichen Betrachtung von organisatorischen, taktischen, technischen und administrativen Gesichtspunkten bei solchen Lagen bedarf. Häufig sind dort nur einzelne Bausteine oder Teilprozesse organisiert bzw. systematisiert. Die vielmals auf Kreisebene existierenden Flächenlagenkonzepte helfen örtlichen Feuerwehren in diesem Zusammenhang nur bedingt weiter, da diese überwiegend allgemeine Abläufe auf Kreisebene regeln, wie beispielsweise die Alarmierung oder die Kommunikation, nicht hingegen konkrete Abläufe auf Gemeindeebene.

Vor diesem Hintergrund soll das vorliegende Fachbuch denjenigen Feuerwehren, die bisher noch kein Konzept zur Bewältigung von Unwetterlagen besitzen, als Grundlage dienen, um ein eigenes Unwetterkonzept entsprechend den örtlichen Verhältnissen zu erarbeiten und umzusetzen.

Feuerwehren hingegen, die bereits über individuelle Systeme verfügen, können von den dargebotenen Inhalten profitieren, indem sie einzelne Aspekte, die bisher in »ihrem System« unberücksichtigt geblieben sind, individuell und bedarfsgerecht in ihr bestehendes System integrieren. Insofern sollen bestehende Konzepte einzelner Feuerwehren nicht ersetzt, sondern vielmehr ergänzt werden! Dies wird durch die ganzheitlich vorgenommene Betrachtung des Themas ermöglicht.

Auch wenn mit dem vorliegenden Fachbuch das Ziel angestrebt wird, das Thema Unwetterlagenbewältigung in der Gesamtheit zu betrachten, ist es nicht möglich, jeden damit zusammenhängenden Aspekt aufzugreifen und allumfassend zu behandeln. Deshalb wird an einzelnen Stellen bewusst auf bereits bestehende Literatur verwiesen, da vorhandene Themenfelder nicht grundlegend von neuem aufgerollt werden sollen.

Insgesamt ist es dem Autor wichtig, dieses bedeutende Thema in Feuerwehren zu verankern und das vorliegende Fachbuch weiterzuentwickeln. Im Sinne eines fachlichen Austausches dürfen daher Fragen oder Anregungen zu den Inhalten gerne an nachfolgende Kontaktadresse gerichtet werden: [email protected]

[18]2    Grundlagen zur Organisation und Führung von Unwetterlagen

In diesem Kapitel sollen zunächst Grundlagen vorgestellt werden, die im Zusammenhang mit der Organisation und Führung von flächigen Unwetterlagen von Bedeutung sind. Hierzu dient als wesentliche Vorlage das in der Feuerwehrdienstvorschrift (FwDV) 100 beschriebene Führungssystem, aus welchem nützliche Aspekte zur Führung und Leitung von Unwetterlagen abgeleitet werden können. Aber auch der Übergang von Leitstellenaufgaben auf die örtlichen Feuerwehren ist, zusammen mit der Vorhersehbarkeit von Unwetterereignissen, Gegenstand dieses Kapitels. Die resultierenden Erkenntnisse werden in Kapitel 2.6 zusammengefasst.

2.1   Unterscheidungsmerkmale flächendeckender und punktueller Einsatzlagen

Neben der Unterscheidung nach Kategorie (Brand und Technische Hilfeleistung) und Art (Zimmerbrand, Verkehrsunfall etc.) lassen sich Einsätze u. a. auch in alltägliche und nicht alltägliche Schadenslagen einteilen. Beide Schadenslagen weisen unterschiedliche Charakteristiken auf, die für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Unwetterlagenbewältigung von zentraler Bedeutung sind und daher nachfolgend gegenübergestellt werden sollen.

2.1.1   Alltägliche Schadenslagen

Als alltägliche Schadenslagen können Einsätze bezeichnet werden, die in jeder Gemeinde täglich auftreten und auf örtlicher Ebene mit einer Einheit in der Größenordnung eines (erweiterten) Zuges bewältigt werden können. Als Beispiel kann ein Zimmerbrand in einem Wohngebäude genannt werden, wie in Bild 1 veranschaulicht. Dies entspricht der Führungsstufe B nach FwDV 100, auf die zu späterem Zeitpunkt in Kapitel 2.2 noch näher eingegangen wird. Im Regelfall liegt eine Einsatzstelle vor, für die alle erforderlichen Einsatzmittel eingesetzt werden können. Nur selten kommt es innerhalb einer Gemeinde zu einem parallelen Schadensereignis, sodass mehr als eine Einsatzstelle zeitgleich bedient werden muss.

[19]Bild 1: Ein Zimmerbrand stellt eine alltägliche Schadenslage dar (Quelle: Feuerwehr Stuttgart) [zurück]

[20]Die Alarmierung der Feuerwehren erfolgt zentral über die zuständige Leitstelle, ebenso die Disposition von Ersteinsatzmitteln und Einheiten der überörtlichen Hilfe. Grundlage hierfür stellen Alarm- und Ausrückeordnungen (AAO) dar, die primär von den Gemeinden selbst festgelegt werden.

Neben der Leitstelle und ggf. einer vor Ort eingerichteten Führungsunterstützung kann auch die Einsatzzentrale im örtlichen Feuerwehrhaus als Führungsunterstützungskomponente dienen. Häufig werden über solche örtliche Einsatzzentralen organisatorische und logistische Aufgaben auf örtlicher Ebene wahrgenommen. Hierunter fallen beispielsweise telefonische Verständigungen von Personen auf Gemeindeebene und die Protokollierung von Einsatz- bzw. Personaldaten. Die Nachforderung von Einheiten der eigenen Feuerwehr findet ebenfalls über die örtliche Einsatzzentrale statt.

Die Funkkommunikation zwischen Einsatzstelle und Leitstelle sowie zwischen Leitstelle und örtlichem Feuerwehrhaus erfolgt über die TMO-Betriebsgruppe des Stadt- bzw. Landkreises1. Die örtliche Einsatzzentrale ist dabei im Regelfall mit einem Fernmelder2 besetzt.

Alltägliche Schadenslagen zeichnen sich zusammengefasst im Wesentlichen durch folgende Punkte aus:

Es handelt sich um eine einzige Einsatzstelle im Gemeindegebiet.

Es existiert ein gesamtverantwortlicher Einsatzleiter, der alle Aufgaben der Einsatzleitung nach länderspezifischer Gesetzesregelung wahrnimmt.

Das Schadensereignis lässt sich mit Einheiten in der Stärke von einem erweiterten Zug bewältigen.

Die Einsatzzentrale im örtlichen Feuerwehrhaus nimmt unterstützende (organisatorische) Aufgaben wahr, es werden dort jedoch keine originären Aufgaben der Leitstelle übernommen.

Es greift die vorgegebene AAO.

Im Bedarfsfall stehen Ressourcen benachbarter Feuerwehren im Rahmen der überörtlichen Hilfe jederzeit und zeitnah zur Verfügung.

[21]2.1.2   Großschadenslagen

Großschadenslagen3 lassen sich generell in punktuelle und flächige Schadensereignisse untergliedern, wobei beide Schadenslagen unterschiedliche Charakteristika aufweisen. Diese werden im Folgenden dargestellt.

2.1.2.1   Punktuelle Großschadenslagen

Bei einer punktuellen Großschadenslage, wie es z. B. ein Großbrand in einem Sonderobjekt darstellt (siehe Bild 2), existiert eine Einsatzstelle und die Koordination und Leitung des Einsatzes finden direkt vor Ort statt – ergänzt durch rückwärtige Führungseinrichtungen, wie die Leitstelle oder das örtliche Feuerwehrhaus, auf die in Kapitel 2.2.1.6 näher eingegangen wird.

Bild 2: Großbrände, wie hier der Brand in einem Sportzentrum, zählen zu punktuellen Großschadenslagen (Quelle: Feuerwehr Stuttgart) [zurück]

Zusammengefasst sind punktuelle Großschadenslagen im Wesentlichen durch folgende Punkte gekennzeichnet:

Es handelt sich um eine einzige Einsatzstelle im Gemeindegebiet.

Es existiert ein gesamtverantwortlicher Einsatzleiter, der alle Aufgaben der Einsatzleitung nach länderspezifischer Gesetzesregelung wahrnimmt.

Zur Bewältigung der Schadenslage sind Einheiten in der Stärke von mindestens zwei Zügen erforderlich, was i. d. R. den Einsatz überörtlicher Einheiten erforderlich macht.

Die Einsatzzentrale im örtlichen Feuerwehrhaus nimmt unterstützende (organisatorische) Aufgaben wahr, es werden dort jedoch keine originären Aufgaben der Leitstelle übernommen.

Es greift die vorgegebene AAO.

Ressourcen umliegender Feuerwehren stehen im Rahmen der überörtlichen Hilfe zeitnah zur Verfügung.

Wie die vorgenommene Charakterisierung deutlich macht, unterscheiden sich punktuelle Großschadenslagen im Hinblick auf die Organisation und die Einsatzstrukturen nicht wesentlich von alltäglichen Einsatzlagen. Lediglich der Umfang des [22]Einsatzes, also Schadensausmaß und Anzahl eingesetzter Kräfte, ist bei Großschadenslagen größer.

2.1.2.2   Flächige Großschadenslagen

Bei flächigen Großschadenslagen erstreckt sich die Einsatzstelle auf große Teile einer Gebietskörperschaft. Dies kann eine Gemeinde, ein Stadt- bzw. Landkreis oder ein ganzer Regierungsbezirk sein. Flächige Großschadenslagen können durch Naturereignisse wie Orkantiefs, Gewitterzellen mit Extremniederschlägen, Hagelschlag und orkanartigen Böen, Hochwasserlagen oder Erdbebenereignisse entstehen.

Wesentliches Merkmal von flächigen Unwetterlagen im Speziellen sind zahlreich vorliegende Einsatzstellen, die es innerhalb einer Gebietskörperschaft zu priorisieren, koordinieren und bewältigen gilt. Obwohl es sich bei der Mehrzahl der Einsätze nur um Schadenslagen mit niedriger Priorität (»Bagatellschäden«) handelt, wie exemplarisch die Bilder 3-5 veranschaulichen, liegt die besondere Herausforderung darin, die knappen personellen und materiellen Ressourcen effizient zu verwalten und zu koordinieren, damit alle Einsätze entsprechend ihrer Priorität abgearbeitet werden können.

[23]Bild 3: Ein Großteil der Einsätze bei Unwetterlagen stellen Bagatelleinsätze dar (Quelle: Feuerwehr Neckarsulm) [zurück]

Bild 4: Sturmschaden mit Blockade einer Hauptstraße infolge eines Sturmtiefs (Quelle: Feuerwehr Stuttgart)

[24]Bild 5: Großflächige Überflutung eines Gewerbegebietes infolge eines Starkregenereignisses (Quelle: Feuerwehr Stuttgart) [zurück]

Oberstes Ziel muss es bei flächigen Unwetterlagen sein, Einsätze mit hoher Priorität aus der Menge der vorliegenden Einsätze herauszufiltern, damit diese vorrangig bearbeitet und möglichst zeitnah mit örtlichen oder überörtlichen Einheiten beschickt werden können. Gleichzeitig muss für zeitkritische Einsätze jederzeit eine Grundschutzeinheit vorgeplant und bereitgehalten werden, um zeitkritische Einsätze schnellstmöglich mit mindestens einer Ersteinheit (Grundschutzeinheit) der eigenen Gemeinde bedienen zu können, welche ggf. lageabhängig durch nachrückende Einheiten ergänzt wird. Dies ist deshalb von Bedeutung, da im Regelfall alle Einheiten der eigenen Feuerwehr an Einsatzstellen gebunden sind.

Zusammenfassend lassen sich flächendeckende Großschadenslagen im Wesentlichen durch folgende Punkte charakterisieren:

Es liegt eine Vielzahl an Einsatzstellen in einer Gebietskörperschaft vor, wobei der Großteil aus nicht-zeitkritischen Einsätzen besteht.

Es existiert ein gesamtverantwortlicher Einsatzleiter, welchem die Gesamtkoordination und die sich hieraus ergebenden Befugnisse aufgrund der länderspezifischen Gesetzesregelung obliegen. Dieser kann z. B. der Kreisbrandmeister (KBM) innerhalb eines Landkreises sein. Liegt die Ein[25]satzleitung nicht beim Kreis, ist der Feuerwehrkommandant oder ein bestellter Einsatzleiter einer jeden Gemeinde der gesamtverantwortliche Einsatzleiter. Darüber hinaus gibt es für jede einzelne Einsatzstelle einen benannten Einsatzleiter, der die Verantwortung für die Einsatzdurchführung der Abwehrmaßnahmen an der Einsatzstelle hat. Dies kann z. B. ein Gruppen- oder Zugführer sein.

Die Anzahl benötigter Einheiten übersteigt die Zahl der vorhandenen bei weitem, sodass Einsatzstellen zwangsläufig nacheinander abgearbeitet werden müssen.

Die Einsatzzentralen der Feuerwehren übernehmen als Befehlsstelle mit Sitz der Einsatzleitung wesentliche Aufgaben bei der Schadensbewältigung.

Die alltägliche AAO greift nicht, sondern es müssen individuell für jede Einsatzstelle die notwendigen Einheiten bestimmt werden.

Primär kann nicht mit Unterstützung durch benachbarte Feuerwehren gerechnet werden, da diese ggf. selbst von der Flächenlage betroffen sind.

Merke:

Flächendeckende Großschadenslagen unterscheiden sich in ihren Merkmalen erheblich von allen anderen Einsätzen der Feuerwehr. Für eine effiziente Bewältigung flächiger Unwetterlagen muss sich jede Feuerwehr im Vorfeld mit dem Thema auseinandersetzen und Einsatzplanungen entsprechend der örtlichen Verhältnisse durchführen.

2.2   Das Führungssystem nach FwDV 100 und daraus ableitbare Aspekte zur Führung von Unwetterlagen

Nach FwDV 100 setzt sich das Führungssystem aus den Komponenten »Führungsorganisation«, »Führungsvorgang« und »Führungsmittel« zusammen. Die Führungsorganisation beschreibt dabei den Aufbau und die Gliederung der Führung, der Führungsvorgang den Ablauf der Führung und die Führungsmittel die technischen Mittel und Einrichtungen für die Führungsarbeit. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht den Aufbau des Führungssystems:

[26]Bild 6: Das Führungssystem beinhaltet nach FwDV 100 drei Komponenten

Da die drei Komponenten die Grundlage für das in Kapitel 3 vorgestellte Konzept darstellen, sollen diese nachfolgend näher betrachtet werden. Der Fokus wird dabei auf die Teilbereiche gelegt, die zu späterem Zeitpunkt von Relevanz sind.

2.2.1   Führungsorganisation

Die Führungsorganisation legt im Konkreten die Aufgabenbereiche der Führungskräfte fest und gibt Art und Anzahl der Führungsebenen vor. Dabei soll sichergestellt werden, dass ein Einsatz bei jeder Art und Größe von Gefahrenlagen oder Schadensereignissen reibungslos verläuft und der Einsatz erfolgreich bewältigt wird. In diesem Zusammenhang wird vom Einsatzleiter verlangt, dass er frühzeitig den Bedarf an Führungsunterstützung erkennt und entsprechend Führungsassistenten einsetzt.

[27]2.2.1.1   Einsatzleitung

Generell regeln die Feuerwehr- bzw. Brandschutzgesetze der einzelnen Länder, wer örtlicher Einsatzleiter4 ist. Für alltägliche Einsätze (»Tagesgeschehen«) innerhalb der Gemeinde ist dies der Feuerwehrkommandant des Einsatzortes (vgl. z. B. FwG BW, § 27) oder ein von der Gemeinde bestellter Einsatzleiter (vgl. z. B. BHKG NRW, § 33). Die Übernahme der Einsatzleitung durch bestimmte andere Personen ist ebenfalls möglich und in den einzelnen Ländern gesetzlich geregelt. Dies kann ein feuerwehrtechnischer Beamter (vgl. z. B. FwG BW, § 24) oder ein im Voraus bestellter Einsatzleiter des Kreises und der kreisfreien Städte bei Großeinsatzlagen oder Katastrophen (vgl. z. B. BHKG NRW, § 37) sein. Im Katastrophenfall greifen die Katastrophenschutzgesetze der Länder, welche ebenfalls Regelungen zur Einsatzleitung treffen.

Wie Bild 7 veranschaulicht, setzt sich die Einsatzleitung generell aus den vier Komponenten »Einsatzleiter«, »Führungseinheit«, »Kommunikationseinheit« und »Leitstelle« zusammen. Je nach Größe der Schadenslage und der anfallenden Aufgaben variiert die Größe der Führungseinheit, welcher neben Führungsassistenten und Führungshilfspersonal auch gleichermaßen Fachberater und Verbindungspersonen angehören können. Ferner kann eine örtliche Einsatzzentrale auch als rückwärtige Führungseinrichtung zusätzlich zur Leitstelle fungieren.

Bild 7: Zur Einsatzleitung gehören neben dem verantwortlichen Einsatzleiter auch eine Kommunikations- und Fernmeldeeinheit sowie die Leitstelle [zurück]

[28]In Abhängigkeit der Größe eines Einsatzes können vom Einsatzleiter alle Führungs- und Kommunikationsaufgaben selbst wahrgenommen werden, sodass v. a. bei Einsätzen kleineren Umfangs auf eine unterstützende Führungs- und Kommunikationseinheit verzichtet werden kann. Zu beachten ist, dass alle Führungs- und Kommunikationseinheiten – unabhängig von ihrer Größe und Ausgestaltung – den Einsatzleiter durch die Übernahme von routinemäßig festgelegten oder vorgegebenen Aufgaben zwar unterstützen, die Verantwortung jedoch nach wie vor beim Einsatzleiter selbst liegt. Die Leitstelle nimmt eine Sonderstellung ein, da sie immer als Führungseinrichtung zur Verfügung steht, im Normalfall jedoch räumlich getrennt von der Einsatzleitung im Schadens- oder Gemeindegebiet ist. Daher wurde hier eine grafische Abtrennung vorgenommen.

Bei weiträumigen und länger andauernden Großschadensereignissen oder in Katastrophenfällen sieht die FwDV 100 vor, dass eine Gesamtleitung durch die politisch-gesamtverantwortliche Instanz erfolgt. Da bei derartigen Ereignissen sowohl Einsatzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr als auch Verwaltungsmaßnahmen auf politischer Entscheidungsebene getroffen werden müssen, setzt der politisch Gesamtverantwortliche5 im Regelfall eine operativ-taktische Komponente zur Erledigung einsatztaktischen Maßnahmen ein. Diese Einheit der Gefahrenabwehr wird länderspezifisch unterschiedlich bezeichnet – beispielsweise als Führungsstab, Einsatzleitung oder Technische Einsatzleitung. Zur Erfüllung der administrativ-organisatorischen Maßnahmen setzt der politische Gesamtverantwortliche eine administrativ-organisatorische Komponente ein. Diese Verwaltungseinheit wird je nach Landesregelung z. B. als Verwaltungsstab, Leitungsstab oder Krisenstab bezeichnet. Beide Einheiten sind gleichrangig auf einer Ebene angesiedelt, wie die Organisationsstruktur nach FwDV 100 für Großschadensereignisse und Katastrophen in Bild 8 veranschaulicht.

Auf die beiden Führungskomponenten wird im weiteren Verlauf noch näher eingegangen.

[29]Bild 8: Bei Großschadensereignissen und Katastrophen fallen einsatzbezogene und verwaltungsbezogene Aufgaben an, wofür es zwei unterschiedliche Stäbe benötigt (eigene Darstellung in Anlehnung an die FwDV 100) [zurück]

Merke:

Bei Großschadenslagen mit hohem Koordinierungsaufwand ist neben einer Führungseinheit der Gefahrenabwehr (Führungsstab) auch eine Führungseinheit der Verwaltung (Verwaltungsstab) erforderlich, um verwaltungstypische Entscheidungen treffen zu können. Einsatzleiter ist der politische Gesamtverantwortliche.

2.2.1.2   Führungsebenen

Im Kontext der Führungsorganisation trifft die FwDV 100 auch Aussagen zu »Führungsebenen«. Demnach bilden alle Führungskräfte mit vergleichbarem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich und in gleichem Unterstellungsverhältnis eine Führungsebene. Diese können sich nach FwDV 100 aus der taktischen Gliederung der Kräfte, der taktischen Gliederung des Raumes oder den rechtlichen Vorgaben ergeben.

Die nach FwDV 100 zur Anwendung kommende Führungsorganisation entspricht dabei einer sogenannten »Stablinienorganisation«, die Bild 9 schematisch veranschaulicht.

Bild 9: Ab einer gewissen Größenordnung werden Einsatzstellen in Einsatzabschnitte untergliedert [zurück]

Das dargestellte Stabliniensystem stellt eine Art Untersystem zum Einliniensystem dar. Ein Einliniensystem bedeutet in diesem Fall, dass jede nachgeordnete Stelle nur von einer übergeordneten Stelle Aufträge erhält. Umgekehrt ist der Informationsfluss [30]von untergeordneten Einheiten auch nur an eine übergeordnete Stelle gerichtet (vgl. Schulte-Zurhausen, 2005).

Um eine effektive Führung zu ermöglichen, sollte die Zahl der direkt unterstellten Organisationseinheiten bei maximal fünf liegen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass bei komplexen Einsätzen der Überblick verloren geht oder die große Anzahl an unterstellten Ansprechpartnern bei der verantwortlichen Führungskraft ressourcenmäßig nicht mehr verarbeitet werden kann. Bezogen auf eine Einsatzstelle oder ein Schadensgebiet kann somit im Regelfall eine Untergliederung in bis zu fünf Einsatzabschnitte erfolgen.

Bei räumlich großen oder personell umfangreichen Einsatzstellen kann es daher erforderlich sein, dass die Einsatzstelle in Einsatzabschnitte (EA) unterteilt werden muss. Die Einsatzabschnitte werden von benannten Einsatzabschnittsleitern (EAL) geführt, denen die eingesetzten taktischen Einheiten im jeweiligen Einsatzabschnitt unterstellt sind. Die EAL treffen dabei eigenverantwortlich taktische und strategische Entscheidungen (vgl. Melioumis). Reicht dies aufgrund der Größe der Schadenslage nicht aus, so muss eine umfassendere Ordnung der Einsatzstelle erfolgen. Hierzu sind weitere Führungsebenen, sogenannte Unterabschnitte, einzuführen und Untereinsatzabschnittsleiter (UEAL) zu benennen, wie nachfolgendes Bild schematisch veranschaulicht.

Bild 10: Umfangreiche Einsatzstellen werden in Einsatzabschnitte und Unterabschnitte gegliedert

Zu solchen umfassenderen Einsätzen zählen insbesondere Flächenlagen, bei denen sich die Einsatzstelle auf das gesamte Gemeindegebiet oder mehrere Ge[31]meinden innerhalb eines Kreises6 erstreckt. Für weiträumige Großschadensereignisse definiert die FwDV 100 das sogenannte »Schadengebiet«, in welchem Einsatzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr an mehreren voneinander unabhängigen Einsatzstellen ergriffen werden müssen.

Merke:

Für eine effiziente Bewältigung von flächigen Unwetterlagen bedarf es im Vorfeld einer Führungsorganisation auf Gemeindeebene, welche die Bildung von unwetterspezifischen Einsatzabschnitten beinhaltet.

2.2.1.3   Operativ-taktische Führungseinheiten der Feuerwehr

In Abhängigkeit der Größe der Schadenslage resultieren unterschiedlich viele Aufgaben des Einsatzleiters. Mit zunehmendem Umfang des Einsatzes sowie der eingesetzten Einheiten steigen der Koordinierungsbedarf und letztlich die Führungsaufgaben des Einsatzleiters, weshalb dieser eine der Lage entsprechende Führungs[32]unterstützung benötigt. Die FwDV 100 sieht hierzu vier Führungsstufen vor, welche in Abhängigkeit der eingesetzten (operativen) Einheiten die Größe der Führungseinheit und die zugehörigen Führungsmittel definieren. Zur grafischen Veranschaulichung dient nachfolgendes Bild 11 in Anlehnung an die FwDV 100.

Bild 11: Die Führungsstufen nach FwDV 100 weisen unterschiedliche Merkmale auf

Melder und Zugtrupp

Wie aus Bild 11 hervorgeht, ist für alltägliche Einsatzlagen der Führungsstufe A ein Melder und für Einsätze der Führungsstufe B in (erweiterter) Zugstärke ein sogenannter Führungstrupp (»Zugtrupp«) als Führungseinheit vorgesehen. Letzterer besteht aus drei Personen (Führungsassistent, Melder und Fahrer) plus zugehörigem Fahrzeug. In der Regel kommt hierzu ein Kommandowagen (KdoW) oder Einsatzleitwagen der Größe 1 (ELW 1) zum Einsatz. In der Praxis wird der Führungstrupp allerdings häufig auf einen Führungsassistenten mit einem ELW 1 reduziert.

Führungsgruppe

Der Einheitssystematik nach FwDV 100 folgend, stellt eine Führungsstaffel die nächsthöhere Führungseinheit nach einem Führungstrupp dar, der wiederum eine Führungsgruppe folgt. Der Begriff Führungsstaffel hat sich im Sprachgebrauch kaum etabliert, vielmehr jedoch die Führungsgruppe, welche als Führungseinheit auf örtlicher Ebene zum Einsatz kommt. Dabei ist anzumerken, dass der Begriff »Gruppe« nicht zwingend die Größe der Einheit widerspiegelt, welche die FwDV 3 als Gruppe mit neun Funktionen definiert. Die Führungsgruppe bezeichnet vielmehr eine Führungseinheit, wenn Einheiten in der Größenordnung eines Verbandes – sprich ab zwei Zügen – geführt werden.

Nachfolgend soll hier der Begriff Führungsgruppe für die auf Gemeindeebene organisierte Führungseinheit verwendet werden. Dies schließt auch potenziell auf Kreisebene organisierte Führungsgruppen mit ein, die als Führungseinheiten bei vorwiegend punktuellen Großschadenslagen insbesondere in kleinen Gemeinden zum Einsatz kommen, deren Feuerwehr aufgrund ihrer geringen Größe keine eigene Führungsgruppe stellen kann.

Die Größe einer solchen Führungsgruppe kann je nach örtlicher oder kreisweiter Konzeption unterschiedlich sein, in der Praxis haben sich jedoch Größenordnungen im Bereich von vier bis sechs Personen etabliert. Beispielsweise besteht die Führungsgruppe in Baden-Württemberg aus mindestens vier Personen (Führer der Führungsgruppe, Lagezeichner und zwei Fernmelder) (vgl. LFS BW, 2016). In anderen Ländern finden sich teilweise andere Bezeichnungen für derartige Unterstützungseinheiten. Diese nehmen jedoch allesamt definierte Kommunikations- und Lagedarstellungs[33]aufgaben wahr, die vergleichbar zur Führungsgruppe in Baden-Württemberg sind, sodass hier allein in der Begrifflichkeit ein Unterschied besteht.

Die Aufgaben einer Führungsgruppe bestehen im Allgemeinen aus folgenden Tätigkeitsbereichen:

Taktische (ggf. auch strategische) Führungsunterstützung des Einsatzleiters,

Lagedarstellung und Dokumentation,

Erstellen und Führen von Übersichten,

Durchführung von Fernmeldetätigkeiten,

Übernahme von Versorgungsaufgaben,

Nachforderung und Heranführung von Einheiten und Ressourcen.

[34]Führungsstab