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»Ich fand Moritz Neumeier schon vorher lustig.« Christian Ulmen »Kein Ratgeber. Kein Reiseführer. Wenn Sie wissen wollen, was das für ein Buch ist, werden Sie es lesen müssen. Die gute Nachricht: Es lohnt sich.« Jeannine Michaelsen Moritz Neumeier reist in seinem Job als Stand-up-Comedian durch die Republik und halb Europa – alleine. In den Urlaub fährt er – mit seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern. Statt ein Ferienhaus zu mieten (Achtung: Sachbeschädigungen! Gute Haftpflichtversicherung nötig!), macht die Familie Camping. Entspannter ist es deswegen aber trotzdem nicht immer. Moritz Neumeier beschreibt schonungslos ehrlich und extrem witzig, wie sehr sich das Leben als Vater ändert, was ein Urlaub mit Kindern bedeutet, wie man es aushält, wenn man, anders als im Kita-, Schul- oder Arbeitsalltag, so nah aufeinander hockt und wie man es schafft, sein Kind (fast) nicht anzubrüllen. Außerdem mit dabei: humorvolle Illustrationen von Timo Zett. »Was soll ich sagen, aus dem Jungen kann eigentlich gar nichts mehr werden, weil der halt seinen eigenen Willen hat.« Kurt Krömer
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© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Redaktion und Projektmanagement: Anne-Katrin Scheiter
Korrektorat: Renate Nöldeke, Christiane Schwabbaur
Covergestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln
eBook-Herstellung: Lea Stroetmann
ISBN 978-3-8464-0875-9
1. Auflage 2021
Bildnachweis
Illustrationen: Timo Zett
Coverfoto: privat
Autorenfoto: Dominic Reichenbach
Syndication: www.seasons.agency
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»Sag mal, wie war denn euer Familienurlaub?« – »Du, klasse.«
Ist natürlich gelogen. Also die Landschaft war schon schön und nicht arbeiten müssen ist ja auch echt cool, aber eigentlich hat man das gleiche gemacht wie zu Hause auch – nur mit mehr Sonne. Und mal ehrlich: Urlaub alleine war irgendwie immer geiler.
Wie also war der Campingurlaub mit dem T5 Multivan und drei Kindern in Kroatien? Eine Mischung aus Wohlfühldruck, Selbstzweifel, Wutausbrüchen und Eis am Stiel. Alles in allem also ganz normal.
Moritz Neumeier spricht in diesem Ratgeber, der definitiv kein Ratgeber ist, ehrlich und schonungslos lustig über seine größten Fehler, überraschendsten Erkenntnisse über das Leben und Reisen und all das, was Menschen mit und ohne Kinder wissen wollen.
Ein Buch zum Lachen, Weinen und vielleicht auch, um irgendetwas daraus zu lernen.
Das hier ist kein Ratgeber über Kinder. Ich hasse Ratgeber. Wahrscheinlich gibt es extrem viele Ratgeber, die sehr hilfreich sind. Und gut geschrieben, vielleicht sogar witzig! Aber sobald ich versuche, einen zu lesen, werde ich wütend darüber, dass mir jemand erzählen will, wie man das, was ich nicht kann, richtig macht.
Meine Frau hasst es, dass ich mich weigere, Ratgeber zu lesen. »Das kann extrem lehrreich sein, man wird einfach immer inspiriert und es hilft, den Umgang mit den Kindern zu verbessern.«
Stimmt. Mache ich trotzdem nicht.
Meine Frau ist extrem klug, und sie hat natürlich absolut recht mit dem, was sie sagt. Und trotzdem möchte ich mir ab der ersten Seite jedes Ratgebers am liebsten einen Bleistift in die Halsschlagader rammen. Meistens zweifle ich augenblicklich an der Qualifikation der Autor*innen. Wahrscheinlich haben die gar keine Kinder. Oder die kriegen es selbst zu Hause nicht geschissen und schreiben hier nur auf, wie sie es sich theoretisch vorstellen könnten, dass es klappt, die Gören seltener anzubrüllen, aber weil sich das nicht gut verkauft, lügen sie und tun so, als wären sie eine perfekte Familie.
Natürlich weiß ich nicht, ob das so ist, weil ich 1. die Ratgeber ja gar nicht lese und 2. die Qualifikation nie überprüfe, weil ich sonst feststellen müsste, dass ich unrecht habe, und das fühlt sich nicht so schön an. Das mögen wir nicht im Hause Neumeier.
Das hier ist also kein Ratgeber. Ich erzähle einfach von mir und meiner Familie. Von meiner Frau und meinen drei kleinen Kindern, die ich liebe und manchmal schütteln will, weil ich eventuell ein klitzekleines Problem mit meiner Wut habe. Sagen manche. Aber die brülle ich dann so lange an, bis sie den Mund halten. Muss also jede*r selber wissen.
Und weil so ein Buch ja auch einen roten Faden braucht, erzähle ich von unserer letzten Elternzeit-Reise. Wobei das hier kein Reisebuch ist. Ich hasse Reisebücher.
Reisebücher sind fast so scheiße wie Ratgeber und wirklich maximal überflüssig. Warum soll ich mir ein Buch durchlesen, in dem mir jemand erzählt, wie es in einem Land ist, in dem ich noch nie war und höchstwahrscheinlich auch nie sein werde. Und dann erzählen die mir von total abgefahrenen Erlebnissen, bei denen ich mir beim Lesen schon hundertprozentig sicher bin, dass das so niemals passiert ist. Da sitzt doch jemand nach so einer Reise am Schreibtisch und merkt selber, dass es kein Schwein interessiert, was genau die Menschen in Lagos zum Frühstück essen, und dann denkt man sich einfach aus, was man da nicht alles Spannendes hätte erleben können, aber weil sich das nicht verkauft, lügen sie und tun so, als hätten sie eine perfekte Reise gehabt. Weiß ich doch. Mache ich doch beruflich.
Ich bin Stand-up-Comedian – das bedeutet, ich erlebe etwas, mache mir Gedanken dazu, habe eine Idee, wie das Ganze lustiger und aufregender gewesen wäre, und tue dann auf der Bühne so, als wäre das tatsächlich passiert.
Kann mir doch keiner erzählen, dass das bei Ratgebern und Reisebüchern anders abläuft.
Also vielleicht schon. Kann ich ja gar nicht wissen, weil ich weder das eine, noch das andere wirklich gelesen habe.
Dies hier ist also kein Reisebuch und kein Ratgeber zu irgendetwas. Das hier ist mein Buch. Es geht um mich als Vater und Ehemann. Und es geht um einen Urlaub, weil Urlaube das Destillat aus Problemen sind. Ich meine, die Probleme sind zwar sonst auch immer da, im Urlaub platzen sie nur sehr viel einfacher und auch heftiger heraus. Weil der Druck zur Perfektion, der Anspruch und der Crash mit der Wirklichkeit nie größer sind als im Sommerurlaub.
Und, ach ja: Es gibt keine Lösung. Ich bin nicht so arrogant zu glauben, dass ich irgendwem erzählen kann, wie man seine Kinder richtig erzieht oder eine gute Beziehung führt. Ich kann nur darüber schreiben, wie es mir mit allem geht. Was ich falsch mache und gelernt habe. Und dann können sich andere vielleicht darin wiederfinden. Oder wenigstens darüber schmunzeln und ab und zu den Kopf schütteln, wenn ich etwas Dummes geschrieben habe.
Vielleicht aber auch nicht.
Nun zu uns. Wir sind eine sehr klassische Familie, wenn man sie von außen betrachtet: der Mann, die Frau, der Junge, das Mädchen und das Baby.
Der Mann, die Frau, der Junge, das Mädchen und das Baby
Wir sind so sehr der Standard, hätte man bis vor wenigen Jahren in einem deutschen Lexikon das Wort »Familie« nachgeschlagen, wäre ein Bild von uns aufgetaucht. Aber so wie in jeder Familie ist jedes einzelne Mitglied viel mehr als das, was man auf so einem Bild sehen kann.
Das Besondere an unserer Situation ist der Punkt, dass meine Frau und ich uns nur sechs Wochen kannten, bevor sie schwanger wurde.
Jap. Sechs Wochen. Klingt ziemlich kurz – war es auch.
Natürlich haben wir über eine Abtreibung nachgedacht, und mit WIR meine ich NUR meine Frau, ich selbst war mir zu diesem Zeitpunkt schon absolut sicher, dass ich diese Frau heiraten will, um mit ihr und unseren Nachkommen den Rest meines Lebens zu verbringen. Komisch, oder? Klingt wie aus einem Film – war auch ein bisschen so. Nur ohne Musik und mit dem Fakt, dass die Geschichte auch nach dem ersten großen Streit und der Versöhnung noch Jahre lang weitergeht und nicht mit einem theatralischen Abspann endet.
Also, wer sind wir?
Ich denke, über mich muss ich jetzt noch nicht allzu viel sagen. Ehrlich gesagt, werdet ihr auf den nächsten zweihundertvierzig Seiten genug über mich erfahren. Vielleicht sogar mehr, als ihr wollt oder gut für mich ist.
Nur so viel: Als Stand-up-Comedian lebe ich davon, durch Deutschland zu fahren und in allen großen Städten meine Shows zu spielen. Dazu kommen hier und da ein paar Auftritte im Fernsehen, eine Radiosendung mit Till Reiners und andere Kleinigkeiten. Den Rest lernt ihr peu à peu.
Meine Frau ist sehr klug, erwähnte ich das schon? (Muss ich auch öfter – sie wird das Buch ja auch lesen …) Aber nicht zu klug. Also nicht so klug, dass ich mich andauernd dumm in ihrer Gegenwart fühle. Das wäre furchtbar.
Ich weiß, wie sich das anfühlt – ich war mal mit einer Frau zusammen, die zu allem, was ich sagte, die eigentlich richtigen Fakten parat hatte. Unangenehm. Meine Frau ist witzig und (eigentlich genauso wichtig) findet mich witzig. Ich finde sie wunderschön.
Ich weiß, dass mir jetzt Menschen erzählen wollen, dass das doch gar nicht so wichtig sei und es oberflächlich ist, überhaupt auf das Aussehen zu achten. Aber mir ist das wichtig. Mir ist es wichtig, dass ich zwischendurch denke: »Mann, ist diese Frau schön!« Und das tue ich.
Wir passen sehr gut zusammen, ihre Macken gehen mir nur manchmal auf den Senkel, und mit den meisten kann ich sehr gut umgehen und andersherum. Sie ist studierte Schauspielerin und hat, als unser erster Sohn ein Jahr alt war, ein Psychologiestudium begonnen, für das sie extrem viel lernt. Für einige mag es komisch sein, dass ich das hier extra erwähne – das liegt daran, dass ich ihren Ehrgeiz sehr bewundere, selbst eigentlich nie für irgendeine Prüfung gelernt habe und es bis heute auch nicht tun würde.
Mit drei Kindern eine Prüfungsphase zu überstehen und alles mit einem Einserschnitt abzuschließen, bedeutet eine Menge Anstrengung und Entbehrungen, die ich keine Minute lang bereit wäre zu ertragen.
Der Junge ist aktiv. So aktiv, dass es mich manchmal überfordert. Seine Fantasie rast genauso schnell wie sein Körper, manchmal stellt er vierunddreißig Fragen in acht Minuten, von denen ich maximal drei mit Sicherheit beantworten kann. Beim Rest muss ich entweder lügen oder zugeben, dass ich nicht die geringste Ahnung habe. Was am Anfang immer ein bisschen wehtat, weil ich mir selbst gerne vorgegaukelt habe, eigentlich alles zu wissen. Mittlerweile geht mir der Satz: »Keine Ahnung, Diggi. Das müssen wir nachgucken«, sehr leicht über die Lippen.
Er schafft es, komplett in seiner eigenen Welt zu versinken – über Stunden hinweg – und ist insgesamt sehr verträumt. Was ganz praktisch dazu führt, dass ganz praktische Dinge meistens eine kleine Ewigkeit dauern.
»Zieh deine Jacke bitte an!«, müsste am besten gesagt werden, zwanzig Minuten bevor er seine Jacke anziehen soll. Nicht, weil er einen bewusst ignoriert, sondern weil man einrechnen muss, dass er beim Jackeanziehen sieben Dinge findet, die ihn mehr interessieren als die Jacke anzuziehen. Und dann macht er einfach das. Eigentlich eine gute Sache, weil es bedeutet, dass er einen starken eigenen Willen hat, was eines meiner Erziehungsziele ist. Aber für Erziehende ist ein freier Wille manchmal anstrengend.
Das Mädchen ist auch aktiv, aber vor allem in ihrem Kopf. Während andere Kinder stumpf herumrennen oder toben, sitzt sie gerne irgendwo und redet oder singt ohne Unterlass. Es ist ein bisschen so, als wäre ihr Kopf so voll mit Gedanken, dass er einfach überläuft, ohne dass sie oder irgendjemand sonst das stoppen könnte.
Ich vermute, sie ist etwas intelligenter als die meisten anderen Kinder in ihrem Alter. Natürlich behaupten Eltern das andauernd.
»Du, die Lotta malt so tolle Bilder. Gestern sah das fast so aus wie ein Baum. Ich glaube, sie ist hochbegabt.« Ich behaupte nicht, dass meine Tochter hochbegabt ist, mir fällt nur auf, dass sämtliche Kinder in ihrem Alter neben ihr etwas dümmlich und reizarm wirken. Sprechen, Dichten, Kombinieren und jegliche Form des logischen Denkens begannen bei ihr auffällig früher als normal, mehr sage ich ja gar nicht. Okay, ich habe natürlich schon im Internet recherchiert, wie man Hochbegabung bei kleinen Kindern feststellt.
Im Vergleich zu dem Jungen ist sie aber mehr in der richtigen Welt verhaftet, nicht so verträumt und eher pragmatisch.
Das Baby ist da. So viel mehr kann man ja über Babys erst einmal nicht sagen. Pflegeleicht. Das ist ja ehrlich gesagt die größte Unterscheidung zwischen den verschiedenen Typen. Es brüllt selten, ist meistens gut gelaunt und guckt gerne seinen Geschwistern zu. Was Babys halt so machen.
Ich habe mich jetzt noch nicht besonders gut mit ihm unterhalten, aber ich mag es, und es scheint ein geselliger Typ zu sein.
Alles in allem sind wir also eine ziemlich stereotype Familie. Lange galt diese Konstellation nicht nur als normal, sondern war die einzig akzeptierte: Vater, Mutter, Kinder.
Aber so ist es ja nicht. Jede erdenkliche Form einer Familie kann eine Familie sein. Zwei Väter, zwei Mütter, zwei Menschen, die sich geschlechteridentitär gar nicht festlegen, mehr als zwei Eltern oder nur ein einziger Teil und und und …
Meine Kindheitsfamilie sah zum Beispiel auch ganz anders aus als meine heutige. Die Komponenten waren da: Die Frau, der andere Mann, der Mann, die andere Frau, der Junge (ich), das Mädchen, das kleinere Mädchen, das Mädchen der anderen Frau mit ihrem anderen Mann, dem Jungen des anderen Mannes mit seiner anderen Frau, dem anderen Jungen des anderen Mannes mit seiner anderen Frau, dem Jungen von dem Mann und der anderen Frau und dem Jungen, den die Frau und der Mann adoptiert haben.
Die Frau, der andere Mann, der Mann, die andere Frau, der Junge (ich), das Mädchen, das kleinere Mädchen, das Mädchen der anderen Frau mit ihrem anderen Mann, dem Jungen des anderen Mannes mit seiner anderen Frau, …
… dem anderen Jungen des anderen Mannes mit seiner anderen Frau, dem Jungen von dem Mann und der anderen Frau und dem Jungen, den die Frau und der Mann adoptiert haben.
Schwer, den Überblick zu behalten, oder? Ich selbst musste das dreimal lesen, um zu kontrollieren, ob ich jemanden vergessen habe, und dabei ist das meine eigene Familie.
Patchwork – yeah!
Im Nachhinein muss ich sagen, dass mir der Alltag in einer so großen Familie ziemlich schwer gefallen ist. Die Umstellung von einer schon nicht so kleinen Familie zu einer riesigen war nichts, was ich mir ausgesucht hatte, und so sehr ich die Gründe für die Trennung meiner Eltern verstehe und absolut nachvollziehen kann – erst recht, seit ich selbst erwachsen bin – so sehr habe ich doch darunter gelitten.
Und trotzdem gab es kleine Inseln, Zeiten, an die ich sehr gerne zurückdenke, in denen ich dieses Ausmaß an familiärer Menschenmasse sogar genossen haben. Urlaube.
Als Kind waren Urlaube der Shit.
Als ich klein war und meine Eltern noch zusammen, gab es nicht besonders viel Geld in unserer Familie, aber unsere Urlaube waren immer der Hammer.
Was, wie ich heute weiß, vor allem daran lag, dass ich ein Kind war und damit verantwortlich für absolut gar nichts. Ich hatte nichts zu organisieren, nichts zu planen, nichts zu packen. Einfach nur einsteigen, irgendwo hingefahren werden, wo es schön ist und geil.
Mit Abstand die meisten Urlaube haben wir in Dänemark verbracht, was naheliegend ist, wenn man in einem Dorf in Schleswig-Holstein aufwächst. Leute aus Bayern denken wahrscheinlich, dass der Unterschied zwischen Norddeutschland und Dänemark recht klein sein muss, aber Skandinavien ist wie eine andere Welt.
Die Menschen sind nett, haben Hoffnung und Arbeit und selten Neonazis im Dorf – also eigentlich das komplette Gegenteil von Schleswig-Holstein. Ach ja, und die Landschaft unterscheidet sich natürlich, wenn jetzt auch nicht allzu wesentlich. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht einmal sicher, ob man den Unterschied so genau erkennt, wenn man nicht von da kommt. Vielleicht passiert es Italiener*innen manchmal, dass sie durch Deutschland fahren, an Hamburg und Flensburg vorbei und erst auf Höhe Kolding merken, dass sie eine Landesgrenze überquert haben.
Alle paar Jahre ging es für uns nach Frankreich oder Griechenland. Und mit »alle paar Jahre« meine ich: Ich war einmal in Frankreich. Und dann einmal in Griechenland.
Und trotzdem habe und hatte ich nie das Gefühl, dass mir etwas gefehlt haben könnte, weil wir als Familie nie hatten irgendwohin fliegen, geschweige denn, den Kontinent verlassen können. Urlaub war für mich damals kein Ort, sondern ein Gefühl. Und er roch und klang anders. Nach Strand und wilden Dünen. Und nach Zikaden und den Wellen, die ich abends in meinem Zelt hören konnte.
Bis heute bedeutet Urlaub für mich, am Meer zu sein, weil es das für meine Eltern auch bedeutete.
Das Meer.
Wie Wellen treffen Tränen meine Lider.
Wie Möwen kreischen Wünsche ihr Begehr.
Wie Nebel legt die Stille sich hernieder.
Kein Rufen schreckt mich auf und kein Verkehr.
Dem Abflug nahe bläht sich mein Gefieder.
Und bleibt nach einem Flügelschlag schon still.
Ein Wille bäumt sich auf und legt sich wieder.
Es ändert sich andauernd, was ich will.
Wenn ich doch für immer nur bliebe,
Ich bräuchte kein Stein und kein Teer.
›Es ist, was es ist‹, sagt die Liebe.
›Ich bin, was ich bin‹, sagt das Meer.
Und bald darauf versiegt die letzte Träne
Und wie ein Vorhang fällt danach der Schein.
Die Weste wäre weiß wie die der Schwäne,
Wär’ ich doch eine Woche nur allein.
Doch folgt auf diese Einsamkeit wie immer
Der Trubel und das Leben allgemein.
Zurück bleibt nur der schwache Hoffnungsschimmer
Ein andermal ganz ungestört zu sein.
Wenn ich doch für immer nur bliebe,
Mir fiele das Bleiben nicht schwer.
›Es ist, was es ist‹, sagt die Liebe.
›Ich bin, was ich bin‹, sagt das Meer.
Moritz Neumeier
Es gibt ja Leute, die in die Berge fahren oder an irgendeinen exotischen Fluss oder an eine Seenplatte Kajakfahren. Aber das sind Irre, und mit denen möchte ich absolut nichts zu tun haben.
Der nächste bedeutende Punkt ist das Campen.
Ich dachte lange, wir hätten in den Sommerferien meiner Kindheit immer gecampt, weil meine Eltern nicht genug Geld für ein Ferienhaus hatten – ohne darüber nachgedacht zu haben, dass diese Häuser in der Nebensaison im Herbst und Frühjahr in Dänemark ja auch mit etwas bezahlt werden mussten.
Heute weiß ich: Ferienhäuser mit Kindern sind meistens mit Anstrengung verbunden. Wenn ich es einmal grob durchrechne, bin ich mir sicher, dass wir die Beiträge zur Haftpflichtversicherung der nächsten vierzig Jahre schon jetzt wieder drin haben – nur mit den Schäden, die sie in unseren bisherigen Urlauben übernommen hat.
Was meine Kinder im Urlaub schon alles kaputt gemacht, angemalt, zerkratzt, unwiederbringlich verschmutzt und zerbrochen haben?
Eine Glastür, zwei Ölgemälde (wer hängt sowas auch in ein Ferienhaus – das ist ein klarer Fall von selber schuld, wenn man mich fragt und nicht die Versicherung der Vermietenden), eine moderne, dreiteilige Ledersofagarnitur samt Sessel, ein Crossbike, zwei Wohnzimmerwände, diverse Gartenstühle, Teller, Gläser, Gardinen und Bettgestelle.
Ach ja, und einmal hat meine Tochter in den Pool gekackt, der daraufhin komplett geleert, chemisch gereinigt und wieder befüllt werden musste. Sowas passiert beim Camping nicht.
Ich meine, natürlich machen die Kinder auch da andauernd was kaputt, aber das sind dann unsere Sachen, bei denen ich im Zweifelsfall behaupte, dass es andere Kinder waren, deren Eltern dann wiederum ihre Haftpflichtversicherung anrufen, und so entsteht ein kleines, aber feines, straff durchorganisiertes Versicherungsbetrugskartell.
Abgesehen davon finde ich das Campen sehr viel entspannter. Die Kinder stehen auf, man steigt aus dem Bus und das war’s. Ohne Kinder könnte ich jetzt nicht behaupten, dass ich andauernd campen würde – aber ohne Kinder würde ich insgesamt wohl recht andere Urlaube machen. Urlaub verändert sich stark, wenn auf einmal Kinder mitfahren.
War der erste Urlaub mit unserem ersten Kind ein beschissener Reinfall? Auf jeden Fall war er das.
Die Grundparameter waren von Anfang an idiotisch und wir zu unbedarft und vor allem viel zu unerfahren, um dieser Katastrophe aus dem Weg gehen zu können.
Wie bereits erwähnt, hatten meine Frau und ich nur sehr wenige Wochen zu zweit (sie ist recht schnell schwanger geworden, falls eure Auffassungsgabe nicht über ein paar Seiten hinausreicht, was ich sehr gut verstehen könnte – seit ich Kinder habe, lese ich maximal drei Seiten am Stück, bevor ich wieder irgendjemandem den Arsch abwischen oder vor dem geschwisterlichen Totschlag bewahren muss. Wahrscheinlich habt ihr die ersten zwei Seiten dieses Buches gelesen und seitdem sind Monate vergangen – also kurz zur Erinnerung: Meine Frau und ich kannten uns erst sechs Wochen, als sie schwanger wurde).
In dieser kurzen Zeit haben wir es aber trotzdem geschafft, einen einzigen Urlaub zu zweit zu haben, und bis heute ist er der schönste, den ich in meinem bisherigen Leben hatte. (»In meinem bisherigen Leben« klingt auch immer wie der verzweifelte Schrei danach, dass es das bisher doch bitte noch nicht gewesen sein kann, oder? ODER?!)
Okay, es war jetzt nicht gerade ein krasser Urlaub, wir waren zwei Tage lang an der Nordsee. Aber wir waren frisch verliebt, komplett unbedarft und spontan losgefahren.
Dieser Urlaub bestand, wenn man ehrlich ist, aus
1. verliebt gucken
2. Sex haben
3. ein bisschen im Pool schwimmen und dann da Sex haben
4. im Sturm am Meer entlang spazieren gehen und sich zusammenreißen, keinen Sex zu haben und dann noch
5. ein bisschen fummeln im Restaurant.
Alles in allem also der beste Urlaub, den ich mir hätte vorstellen können.
Ziemlich genau ein Jahr später war unser Sohn bereits geboren, Weihnachten stand vor der Tür, und wir kamen auf die Idee, man könnte doch mal einen ersten Urlaub mit Kind wagen. »Sach mal, die Nordsee – das war doch schön! Da haben wir doch so tolle Erinnerungen dran. Komm, wir fahren da jetzt noch mal hin und ruinieren diesen Ort für immer in unserem Gedächtnis!«
Das war zwar nicht der Plan, aber ehrlich gesagt ist genau das passiert.
Unser Sohn brüllte zu dieser Zeit, sobald er tagsüber an die Brust genommen wurde, als hätte ich ihm einen Bratspieß ins Rückgrat gerammt. Und anstatt einfach zu sagen: Gut, dann will er wohl nicht trinken, lassen wir ihn also einfach in Ruhe, versuchten wir ihn – von der Panik ergriffen, unser eigentlich recht fettes Kind könnte vielleicht heute verhungern, wenn es nicht jetzt sofort eineinhalb Liter Muttermilch zu sich nimmt – immer und immer wieder zum Trinken zu bewegen.
Ich schreibe WIR, aber wenn man ehrlich ist, war das der Job meiner Frau, während meiner eigentlich nur darin bestand, nutzlos rumzustehen und zu überlegen, wie ich am besten gucken könnte, damit mein Blick als »aktiv an dem Geschehen teilnehmend« durchgeht, sobald meine Frau zu mir herüberschaut.
Die Sache war also für den Arsch – ein Pärchenurlaub ist kein besonders guter Pärchenurlaub, wenn da immer noch ein brüllendes Bündel danebenliegt.
Fahre nie mit einem Säugling an die stürmische See. Die mögen den Wind wohl nicht so im Gesicht, weil die dann Schiss haben zu ersticken. Wer hätte das gedacht.
Ich glaube, das größte Problem war unsere Annahme, dass vielleicht alles einfacher wird, wenn man nur den Ort wechselt.
Wenn man ehrlich ist, ist das doch meistens die Erwartung an einen Urlaub – ganz egal, wohin man fährt – und dann ist es der größte Stressfaktor, wenn dieser Wunsch nicht Erfüllung geht.
Unsere großen emotionalen Baustellen zu Hause waren der Fakt, dass wir uns gerade mal ein Jahr lang kannten und schon ein gemeinsames Baby in den Armen hielten.
Dass ich keine Ahnung hatte, ob ich mit meinem Job als Comedian genug Geld zusammenbekomme, um unsere Familie zu ernähren. Dass meine Frau ihren Job aufgegeben hatte. Dass wir grundlegend damit überfordert waren, jetzt auf einmal ein Kind zu haben, das auch noch permanent schrie, wenn es eigentlich trinken sollte, und der Schlafmangel – oh Gott, dieser plötzliche Schlafmangel.
Und jetzt habt einen schönen Urlaub, ihr zwei.
Natürlich verschwanden diese Probleme nicht, nur, weil wir auf einmal Fischbrötchen direkt vom Kutter essen konnten. Wir hatten all diese Probleme mitgenommen, und uns dann noch ein weiteres aufgeladen: Warum ist denn unser erster gemeinsamer Urlaub nicht so schön und erholsam und entspannend, wie Urlaub doch eigentlich sein soll? Was machen wir denn falsch?! JETZT ENTSPANN DICH DOCH MAL!
Klappt nicht.
Jetzt könnte man das lesen und meinen: Mensch, da hat er ja echt viele Fehler gemacht, dann doch bestimmt daraus gelernt, und von da an waren seine Urlaube mit Kindern entspannter. Hahaha. Nein. Überhaupt nicht.
Wer ist denn bitte so? Wer macht denn einen Fehler und merkt dann sofort: »Ach Mensch, das war ja dumm von mir. Nun analysiere ich das doch mal gleich, und dann vermeide ich von heute an eine Wiederholung dieses Missgeschickes.«
Kein Mensch ist so. Außer vielleicht der Dalai Lama.
Aber der hat auch keine Kinder, deswegen kann der ja auch den ganzen Tag meditieren und aus Fehlern lernen, ohne dabei gestört zu werden. Und er kann ausschlafen.
Macht er wahrscheinlich nicht, weil er der scheiß Dalai Lama ist und nur drei Stunden schlafen muss, weil er erleuchtet ist und weise und ein besserer Mensch. Arschloch.
Entschuldigung – es kann sein, dass ich beim Schreiben dieser Zeilen etwas übermüdet bin. Und überfordert.
Wir haben nämlich Anfang Januar im Jahr 2021, und das bedeutet, dass wir mitten in einem harten Lockdown sitzen. Was wiederum bedeutet, dass die Kindergärten alle geschlossen sind. Das macht natürlich als Maßnahme gegen Corona eine Menge Sinn. Als Maßnahme für ein entspanntes Familienleben ist das jetzt eher ungeeignet, wenn alle vierzehn Stunden am Tag aufeinanderhocken, weil man niemanden sonst treffen darf. Und mit »alle« meine ich mich und die drei kleinen Kinder – meine Frau studiert nahezu Vollzeit und ist damit zumindest die Vormittage über aus dem Schneider. (»Du, das ist bestimmt megaanstrengend, online bei Kaffee und Gebäck an Studienveranstaltungen teilnehmen zu müssen, aber ich halte es für nur halb so anstrengend wie diese Kinder …«)
Und deswegen mag es vielleicht sein, dass ich hier sitze, nach diesen vierzehn Stunden Nonstop-Kinderbetreuung und jetzt noch aufschreiben soll, dass es doch früher auch Urlaube mit den Kindern gab, wo die rund um die Uhr um mich herum waren.
»Wie findest du denn die Idee, Moritz?! Schreib das doch jetzt mal! Wir haben Corona, Moritz! Du kannst nicht auf die Bühne – wie willst du denn jetzt Geld verdienen, Moritz?! Die Kinder könnten verhungern!«
Ja, auf der einen Seite wäre das nicht gut, wenn die verhungern. Auf der anderen Seite müsste ich mich dann um ein Kind weniger kümmern. Das ist ja auch das einzig Schlechte an der Ausrottung von Polio: Die Kinder bleiben jetzt oft alle am Leben.
Ich schweife ab.
Ich glaube, dass so ein Lockdown in etwa die gleichen Probleme mit sich bringt wie ein Urlaub. Und auch, wenn das mit Polio etwas übertrieben war – natürlich sind wir Eltern erst einmal damit überfordert, dass wir unsere Kinder von heute auf morgen jeden Tag und dann auch gleich den ganzen Tag sehen.
Denn ganz egal, wie lange so ein Balg im Kindergarten bleibt (meine zwei bleiben zum Beispiel nur bis 12.30 Uhr da, was im Durchschnitt ja eher kurz ist), ist es zwischendurch einfach nicht in unserer Nähe, und sobald man diesen ersten Trennungsschmerz bei der Eingewöhnung überwunden hat, ist das megageil.
Du kannst das erste Mal wieder etwas für dich machen, ohne auf das Kind achten zu müssen.
Du musst für ein paar Stunden mal nicht aufpassen. Auf das, was du sagst. Das, was du machst. Auf das Kind. Auf die Möbel. Auf das Haustier. Auf die Nachbarn. Auf die Geschwister. Auf deine Nerven. Auf die Würde des Kindes. Alter Schwede, passt man auf viele Sachen auf, wenn das Kind in der Nähe ist.
Zurück zum Thema Urlaub.
Ich weiß, dass es sehr viele Menschen gibt, die Camping hassen. Zu wenig Komfort, ständig hat man Rückenschmerzen, weil die Matratzen scheiße sind, die Klamotten sind ständig halb nass, und wenn es regnet, hockt man, auf vier Quadratmetern zusammengekauert, im Zelt und hofft, dass nirgendwo Wasser durchkommt. Selbst, wenn man einen Bus hat, erstirbt jeder Fun, sobald das Wetter nicht mehr schön ist. Zumindest dann, wenn man Kinder dabei hat.
Ehrlich gesagt, entstehen die meisten Probleme beim Camping dadurch, dass man Kinder dabei hat. Ich selbst habe nicht das geringste Problem damit, den ganzen Tag im Bus zu hocken, zu lesen, einen kleinen Regenspaziergang dazwischen zu schieben, ein bisschen Sex, ein bisschen Hörbuch – alles in allem ein recht erfolgreicher Tag.
Geht natürlich nicht mit Kindern. Selbst, wenn du irgendwann einknickst und einen Film auf dem Handy laufen lässt – früher oder später müssen die raus und sich bewegen. Ansonsten nehmen sie Stück für Stück erst den Bus und dann dein Nervenkostüm auseinander, vor allem, wenn da ein Baby dabei ist.
Camping ist wahrscheinlich etwas, das man lernt und womit man aufgewachsen sein muss. Wenn ich mit meinen Eltern nur in Hotels oder Pensionen gehaust hätte, wären meine Berührungsängste mit Campingurlauben größer, aber so wie ich aufgewachsen bin, ist das Hoffen auf gutes Wetter und das Beste draus zu machen, wenn das Wetter schlecht ist, ein ganz normales Urlaubsgefühl.
Als ich fünfzehn war, bin ich mit der mütterlichen Familienseite zum letzten Mal in den Campingurlaub nach Schweden gefahren (abgesehen von dem Dauerplatz in den dänischen Dünen, den mein Vater bis heute unterhält und den ich so gut wie jedes Jahr besuche, seit ich acht Jahre alt bin).
In Schweden waren dabei: meine Mutter, der andere Mann, das Mädchen, das kleinere Mädchen, der andere Junge, der kleinere andere Junge und der adoptierte Junge. Das waren eine Menge Leute. Wir hatten damals einen VW-Bus – nichts Besonderes, nur einen weißen T3 ohne irgendwelche Extras, aber er hat dafür gesorgt, dass ich mich in Busse verliebte – und einen alten, schrabbeligen Wohnwagen.
Der Grund für Schweden war, neben der fantastischen Natur: das Geld. Schweden ist megateuer, jeder weiß das. Aber wenn man den Wohnwagen bis zum Rand voll mit haltbarem Essen stopft und konsequent jeden Tag zu einem anderen See fährt (damals ging das noch problemlos, weil man durch das »Jedermannsrecht« eine Nacht kostenlos an jedem See stehen durfte – vor ein paar Jahren wurde das anscheinend eingeschränkt, weil diese ganzen Wohnmobilheinis den Einheimischen dermaßen auf den Sack gegangen sind, dass da niemand mehr Bock drauf hatte, was ich absolut verstehen kann), kommt man ganz billig in so einem Urlaub weg.
So schwierig das Leben in diesem Haushalt zwischendurch war, an diesen Urlaub habe ich tolle Erinnerungen. Wir haben geangelt, wann immer man das durfte – was in unserem Fall zu circa achtzig Prozent daraus bestand, die Angelhaken aus irgendwelchen Bäumen herauszutüddeln. Gefangen haben wir eigentlich nie etwas, aber darum ging es auch gar nicht.
Es war ein berauschendes und freies Gefühl, jeden Tag an irgendeinem anderen See loszuziehen, meistens komplett alleine und ungestört von anderen Tourist*innen, sich in die Wälder zu schlagen, baden zu gehen, Kanu zu fahren und einfach nur da zu sein.
Ich glaube, ich vermische die Erinnerungen an diesen Urlaub mit denen ein paar Jahre zuvor, als wir den gleichen Trip gemacht haben, aber wenn ich zurückdenke, dann gab mir dieser Urlaub die Chance, eine Pause vom Coolsein zu machen. Ich meine, ich war fünfzehn Jahre alt – das einzig Wichtige für mich war es damals, cool zu sein. Also so zu sein, wie ich damals dachte, dass es cool ist – wenn ich das aus heutiger Sicht bewerten müsste, würde ich es nicht cool, sondern eher viel-zu-bemüht-und-meistens-ein-bisschen-peinlich nennen.
In Schweden hat das alles keine Rolle gespielt. Ich konnte einfach sein, wie ich bin – musste niemanden beeindrucken und nonstop darauf achten, wie ich von außen eventuell wirke. »Sitzen die Haare? War das Lachen eben peinlich? Meinst du, wenn ich so stehe, küsst mich Janina endlich?«
Alles egal.