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**Über dieses Schiff gibt es viele Legenden. Traust du dich an Bord zu gehen?** "Wir sind eine Mannschaft. Wir gehen diesen Weg gemeinsam und kämpfen zusammen bis zum Schluss – wenn es sein muss, bis zum Tod." Nach Morgans Angriff scheint alles verloren. Die Deamaar ist gesunken und für die Überlebenden tickt die Uhr unablässig. Doch Valea ist nicht bereit aufzugeben und kämpft. Für Arvid, für ihre neuen Freunde und für das Leben, das sie sich wünscht. Allen Gefahren zum Trotz begibt sie sich auf eine abenteuerlicher Reise. Aber kann ein tödlicher Fluch überhaupt gebrochen werden?
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Seitenzahl: 559
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Copyright 2023 by
Dunkelstern Verlag GbR
Lindenhof 1
76698 Ubstadt-Weiher
http://www.dunkelstern-verlag.de
E-Mail: [email protected]
ISBN: 978-3-910615-82-3
Alle Rechte vorbehalten
Für alle Zweifler,
ebenso wie für alle Kämpferherzen.
Gebt niemals auf.
Inhalt
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Götterregister
Danksagung
1
Die Zeit rannte. Unaufhörlich rückte der Zeiger auf der kleinen Uhr, die ich in meinen Händen hielt, weiter und mein Magen krampfte sich mehr und mehr zusammen.
Ich steckte die Uhr in meine Tasche, doch ihr penetrantes Ticken konnte ich nicht ausblenden. Es war, als würde sich der Ton in meinem Kopf und meinem Herzen einbrennen.
Mein Blick huschte hinüber zu dem Felsen, in dem sich eine kleine Öffnung befand. Durch die gelangte man zum Hafen Pa'enians – dort waren Banja, Perril, Yivi und Gillian vor knapp fünfunddreißig Minuten aus meinem Sichtfeld verschwunden. Rechnete ich die Zeit, die sie vorher schon an Land gestanden hatten, hinzu, blieben ihnen nur noch wenige Minuten. Nach Ablauf einer Stunde würde der Fluch zuschlagen, und eins der Crewmitglieder war dem Tode geweiht.
»Das darf nicht passieren«, wisperte ich verzweifelt. »Bitte findet ein Schiff oder kommt zurück. Es darf nicht noch einer sterben.«
Übelkeit übermannte mich, und entgegen meines Vorsatzes, linste ich zum Meer. Von der Deamaar war fast nichts mehr zu sehen. Das Schiff war gesunken. Nur das Treibholz und ein bisschen Segeltuch wiesen noch auf das einstige Piratenschiff hin. Dunkler Rauch hing in der Luft und verteilte sich nur langsam. Er stammte vom Feuer, das Morgans Kanonenkugelhagel an Bord der Deamaar entfacht hatte.
Ich kämpfte gegen die Tränen an, die mir nicht zum ersten Mal in den letzten Minuten über die Wangen kullern wollten. Ich war so erschöpft, und die Angst um Arvid, der wie Kasi bewusstlos vor mir lag, zerrte unablässig an mir.
Mit zitternden Fingern streichelte ich seine kalte Hand und starrte auf sein Gesicht hinunter. Er war so blass. Seine Lippen waren blutleer und das Schlimmste: Er atmete unregelmäßig.
»Bitte kämpfe«, flehte ich, beugte mich vor und küsste ihn sanft auf die Stirn.
Er reagierte nicht, und das verstärkte meine Angst noch einmal. Es gab nichts mehr, was ich tun konnte. Ich hatte seine und Kasis Wunden so weit versorgt, wie es möglich war. Mit meinen Salben, Kräutern und natürlich mit meiner Magie. Immerhin die tiefste von Arvids Stichverletzungen hatte ich so verschließen können. Aber ich wusste, dass das nicht ausreichte. Ich hatte nur wenig Verbandsmaterial, nichts zum Desinfizieren, und auch wenn Arvid und Kasi auf meinen ausgebreiteten Sachen lagen, drang zu viel Sand in ihre Wunden. Die würden sich entzünden, da machte ich mir keine Illusionen.
Ich unterdrückte ein Schluchzen und strich über Arvids Kinnlinie, ließ meine Finger weiter über seinen Hals, das breite Alietttattoo auf seiner Brust bis hin zu einem flachen Schnitt am Bauch wandern. Ich legte meine Hand darauf, schloss die Augen und suchte zum wiederholten Mal nach meiner Magie. Es fiel mir schwer sie zu aktivieren, und ich wusste, dass es töricht war. Das Rudern, die Rettungsaktion und das Heilen hatten mich ausgelaugt. Wenn ich meine Kraft jetzt noch einmal nutzte, konnte es für mich selbst gefährlich werden. Aber irgendwie musste ich doch sicherstellen, dass Arvid überlebte!
Ein dünner Strom meiner magischen Kraft floss von mir in seinen Körper. Gleichzeitig wurde mir derart schwindelig, dass ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Ich riss die Augen auf und krallte meine Finger in den feinen Sand. Schwärze flackerte an den Seiten meines Gesichtsfeldes und breitete sich rasend schnell aus. Immer kleiner wurde der Punkt, den ich sehen konnte, bis ich nur noch Arvids Gesicht vor Augen hatte. Ein dumpfer Druck legte sich auf meine Ohren, und ich kippte zur Seite. Ächzend schlug ich auf dem Sand auf.
Nicht ohnmächtig werden, dachte ich und kämpfte gegen das wattige Gefühl in meinem Kopf an. Ich musste unbedingt bei Bewusstsein bleiben. Wenn Banja und die anderen nicht rechtzeitig zurückkamen, musste ich Arvid und Kasi in das kleine Ruderboot hieven, mit dem wir an Land gepaddelt waren. Sonst würde der Fluch sie holen.
Die Tränen, die schon die ganze Zeit in meinen Augenwinkeln gebrannt hatten, rollten nun doch über meine Schläfen und tropften in mein Haar. Pure Verzweiflung erfüllte mich.
Aber immerhin wurde meine Sicht wieder klarer. Über mir erstreckte sich ein strahlend blauer Himmel, und die Sonne schien auf mich hinab. Wind strich über meine Haut und die vom Schwimmen noch feuchten Kleider. Ich leckte mir über die spröden Lippen, als ein Stöhnen von Kasi meine Aufmerksamkeit einforderte.
Mühevoll kämpfte ich mich hoch und kroch zu ihm. Das jüngste Mitglied der Crew hatte schwere Verbrennungen davongetragen und war seit dem Sprung ins Wasser immer wieder ohnmächtig geworden.
»Hey.« Behutsam strich ich ihm die Locken aus dem Gesicht.
Kasi wimmerte.
»Alles gut, du bist in Sicherheit«, sagte ich und hoffte inständig, dass das stimmte. Unwillkürlich angelte ich erneut die Uhr aus meiner Tasche. Nun waren schon fünfundvierzig Minuten vergangen, seitdem der klägliche Rest der Crew auf Bootssuche gegangen war.
Tick, tack. Tick, tack. Die Uhr wollte mich mit diesem nervtötenden Geräusch offensichtlich verhöhnen.
»Valea«, flüsterte Kasi. Seine Lider flatterten, und durch die dunklen Wimpern sah er mich erschöpft an. »Was … ist mit … Arvid?«
Es rührte mich, dass er als erstes an seinen Käpt'n dachte. Allerdings war das auch naheliegend. Schließlich hatte er Arvid gerettet. Was wohl an Deck passiert war, während ich im Beiboot gesessen hatte?
»Er wird wieder«, versprach ich und versuchte, meiner Stimme einen ehrlich-optimistischen Klang zu geben. »Er lebt. Dank dir.«
Kasi schloss die Augen. »Und die anderen?«
Ich zögerte. Die Wahrheit war grausam. Der Großteil der Crew war dem Angriff zum Opfer gefallen und tot. Die Information konnte ich Kasi jetzt unmöglich geben. Also beschränkte ich mich bei meiner Antwort auf einen kleinen Teil der Realität.
»Die kapern gerade ein Schiff.«
Er schwieg daraufhin. Ich fürchtete schon, dass er erneut das Bewusstsein verloren hatte, als er nach einer Weile mit bebender Stimme wisperte: »Ich will nicht sterben, Valea.«
»Du stirbst nicht. Ich passe auf dich auf.«
»Mir tut alles weh. Vor allem mein Arm.«
Das wunderte mich nicht. Sein Arm war am schlimmsten von den Verbrennungen betroffen. Statt Haut war unter dem Verband, den ich ihm angelegt hatte, nur rohes Fleisch.
»Alles wird gut«, sagte ich lahm.
Er antwortete nicht.
Fahrig nahm ich wieder die Uhr zur Hand und kontrollierte die Zeit. Die Stunde war fast um.
Nur die Ruhe, mahnte ich mich. Die verbliebenen Crewmitglieder würden bestimmt gleich auftauchen. Ich linste zu dem Durchgang hinüber. Doch von den anderen war weit und breit keine Spur. Also wandte ich mich dem Ruderboot zu, das wenige Meter von mir entfernt im Sand lag und mit dem Banja und ich zumindest ein paar Leben gerettet hatten. Die Bordwand war nicht besonders hoch, trotzdem war mir schleierhaft, wie ich die beiden Verletzten dort allein hineinlegen sollte. Aber irgendwie würde ich das schaffen.
»Nicht erschrecken«, warnte ich Kasi für den Fall, dass er mich hörte. »Ich werde dich nun zum Boot bringen.« Ich griff nach seinem gesunden Arm und legte ihn mir um die Schultern. Mit der Rechten umklammerte ich seine Hand fest, die Linke schob ich unter seinen Rücken. Jetzt musste ich nur aufstehen.
Ich stützte mich ein Stück hoch. Obwohl Kasi so dünn war, schien er mir in diesem Moment viel zu schwer. Sein Gewicht arbeitete gegen mich. Ich presste die Zähne aufeinander und stellte mich mit allen mir noch zur Verfügung stehenden Kräften gänzlich auf. Dann zwang ich mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es waren nur ein paar Schritte. Sobald Kasi im Boot lag, konnte ich Arvid holen und …
Eine Hand berührte mich. Vor Schreck schrie ich auf. Erst dann erkannte mein müdes Hirn Banja, der keuchte, als wäre er um sein Leben gerannt – was vermutlich genau so war.
Tränen der Erleichterung stiegen mir bei seinem Anblick in die Augen. »Wo sind die anderen?«, fragte ich.
»In Sicherheit. Erklär ich später. Wir müssen uns beeilen.« Angst schwang in seiner Stimme mit. Er nahm mir Kasi ab, und anschließend trugen wir Arvid zum Ruderboot, das wir gleich darauf mit vereinten Kräften ins Wasser schoben.
»Steig ein«, drängte ich Banja kaum dass das Boot schwamm, und er zögerte nicht, der Aufforderung nachzukommen.
Ich hingegen drückte das Boot noch weiter aufs Meer hinaus, damit wir nicht sofort wieder am Strand landeten. Wellen schwappten gegen meine Knie und kurz darauf gegen meine Oberschenkel. Der Stoff meines Kleides sog sich mit Wasser voll und wurde schwer.
Zum wiederholten Mal nahm ich die silberne Uhr, die Arvid gehörte, aus meiner Tasche. Meine Finger zitterten so heftig, dass es mir erst nicht gelang, sie aufzuklappen. Doch endlich schaffte ich es. Ich verfolgte die Bewegung des Zeigers. Ich glaubte, dass wir es rechtzeitig geschafft hatten. Sicher war ich mir aber nicht.
Ich ließ die Uhr ins Boot fallen und schaute zu Banja. Er saß auf der Ruderbank, die Beine angezogen und den Kopf zwischen den Armen vergraben. Sein blondes Haar schien noch strubbeliger als sonst. Als spürte er meinen Blick, sah er auf.
»Geht's dir gut?«, erkundigte er sich leise.
Ich wollte mit Ja antworten, doch es war, als ob all meine verbliebene Kraft, all meine Selbstbeherrschung, die ganze Zeit nur durch ein hauchdünnes Glas von Schmerz und Mutlosigkeit geschützt worden war und Banjas Frage brach dieses Glas entzwei. Plötzlich rannen mir wieder Tränen über das Gesicht. Meine Beine gaben unter mir nach und ich brach zusammen.
»Valea!« Banja sprang auf. Ich merkte es daran, wie das Boot schaukelte.
Mit den Händen krallte ich mich an der Bordwand fest, während das kalte Wasser nun um meine Brust schwappte. Ich lehnte meine Stirn gegen die Planken und weinte hemmungslos. Jeder Schluchzer erschütterte meinen Körper und schien alles noch schlimmer zu machen. Bis eben hatte ich funktioniert, aber jetzt wurde mir das Ausmaß der ganzen Tragödie erst richtig bewusst. Die Deamaar war gesunken, fast alle Crewmitglieder waren tot, und ob ich Arvid würde retten können, stand in den Sternen.
»Valea.« Banja griff nach meinem Handgelenk, und versuchte, mich hochzuziehen. »Steh auf, bitte.«
»Das ist alles meine Schuld«, brachte ich hervor. Eine enge Schlinge schien sich um meinen Brustkorb zu legen, und zog sich unbarmherzig fester.
»Was? Verdammt, wie kommst du auf diesen dummen Gedanken?« Wieder zog Banja an meiner Hand. »Du bist der Grund dafür, dass ein Teil der Crew überhaupt noch lebt.«
Ich schüttelte den Kopf und sah ihn mit nassem Gesicht an. »Ihr seid meinetwegen nach Pa'enian gefahren. Weil ich so stur war und nicht mit Arvid geredet habe. Weil ich an Land wollte und er mir diesen Wunsch erfüllt hat.« Die Wahrheit schmerzte so sehr, dass ich das Gefühl hatte, Eiswasser flösse durch meine Adern.
»Das ist nicht wahr. Wir wären ohnehin in diese Richtung gesegelt. Pa'enian steuern wir fast immer vor und nach einem Besuch auf der Insel an. Das war der geplante Kurs!«
»Aber …«, wollte ich widersprechen, doch er unterbrach mich.
»Glaubst du, dass Morgan uns hier aufgelauert hat, war Zufall? Er hat gewusst, dass wir herkommen würden.«
»Woher?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hat Obscir, der Mistkerl, gemeinsame Sache mit ihm gemacht. Perril vermutet das jedenfalls.«
Zweifelnd sah ich ihn an. Das schlechte Gewissen hatte sich längst in mir festgebissen. Ich dachte daran, wie Ophelia – Obscirs Tochter – mich hinters Licht geführt hatte. Ihrer Lügen wegen war ich überzeugt davon gewesen, dass Arvid mich nur benutzte. Aber, was hatte die junge Frau davon, einen Keil zwischen mich und Arvid zu treiben? Und was scherte es Obscir, dass Arvid und ich zusammen waren, wenn er mit Morgan ohnehin den Angriff geplant hatte? Die Fragen rotierten in meinem Kopf, doch ich fand keine Antwort darauf.
»Obscir und vermutlich auch Konsa sind für all das hier verantwortlich«, redete Banja weiter auf mich ein. »Sie haben uns hintergangen und sich Morgan angeschlossen. Dich trifft keine Schuld. Komm schon, Käpt'n. Du darfst dich nicht verkühlen. Wenn du krank wirst, haben wir ein Problem. Wir brauchen dich nämlich.«
»Ich bin nicht euer Käpt'n.«
»Na ja, irgendjemand muss das Kommando übernehmen, solange Arvid außer Gefecht ist. Wer wäre dafür besser geeignet als du?«
»Jemand mit Segelerfahrung?«
Er lächelte schwach. »Ich denke, die Position gebührt dem, der in Notsituationen einen kühlen Kopf bewahrt.« Wieder zog er an meinem Arm, um mich dazu zu bringen, ins Boot zu steigen, und endlich richtete ich mich auf. Seine warmen Worte und die Tatsache, dass er mich als festes Crewmitglied sah, gaben mir neue Kraft.
Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und deutete auf den Strand. »Meine Sachen und die Arzneien liegen noch dort. Ich hole sie rasch.«
Banja nickte. »In Ordnung. Die anderen werden eh noch etwas Zeit brauchen.«
Fragend sah ich ihn an, doch er schüttelte den Kopf. Es war, als wollte er die Informationen zurückhalten, um sicherzugehen, dass ich wirklich zurückkam – und sei es aus Neugierde. Eine absolut überflüssige Aktion. Als ob ich Arvid allein lassen würde …
Ich schleppte mich an Land, klaubte meine ausgebreiteten Sachen zusammen und stopfte sie in die Tasche. Zurück beim Boot half Banja mir beim Einsteigen, und ächzend ließen wir uns beide auf den Boden sinken.
»Bei den Göttern, ich brauche etwas zu trinken«, murmelte er. »Ich hoffe, die anderen haben Trinkwasser an Bord.«
»Ihr habt wirklich ein Schiff? Jetzt erzähl schon.« Ich hob Arvids Kopf an und stopfte ein paar Kleidungsstücke unter ihn, damit er weicher lag. Gleiches tat ich bei Kasi.
»Ja, wir haben einen kleinen Fischkutter. Der ist sehr … reparaturbedürftig. Aber es gibt eine Kajüte mit einer breiten Koje, in der Arvid und Kasi liegen können, und an Deck ist Platz für uns alle. Damit werden wir auskommen. Zumindest ein paar Tage.«
»Gut«, murmelte ich. »Habt ihr … habt ihr ihn gekapert?«
»Nein. Wir haben ihn geschenkt bekommen.«
»Ihr habt was?« Fassungslos schaute ich ihn an.
Banja zuckte mit den Schultern. »Das ist Pa'enian. Wir haben dir gesagt, dass in dem Land alles anders ist. Die Menschen akzeptieren uns – warum auch immer. Und offenbar sahen wir so mitleiderregend aus …« Er fuhr sich durch die Haare. »Na ja. Der Kahn hätte ohnehin zerlegt werden sollen, und jetzt haben wir ihn.«
»Und er ist seetauglich?«, hakte ich ungläubig nach.
»Nicht ganz. Wir werden keine großen Strecken damit zurücklegen können. Wenn man es genau nimmt, hat er derzeit nicht einmal ein Segel. Aber er schwimmt.«
Das war alles, was aktuell zählte. Schließlich war die Crew nur auf dem Wasser sicher. Erleichterung durchströmte mich, und ein Hauch Hoffnung wagte es, in mir zu keimen.
»Die anderen müssen dort herum. Deswegen dauert es, bis sie hier sind.« Banja zeigte auf die Felswand, die zwischen dem Strand und Pa'enians Hafen aufragte und weit ins Meer reichte. Dahinter hatte sich Morgan mit seinem Schiff, der Nuntia Miseria, versteckt und der Crew der Deamaar aufgelauert. Ich schluckte, als sich die Bilder vor mein inneres Auge schoben, und wandte mich schnell Arvid zu. Behutsam nahm ich seine Hand in meine.
»Valea?« Etwas in Banjas Stimme ließ mich aufhorchen und ich hob den Kopf. »Bevor die anderen kommen … Ich hätte da noch eine Frage.«
»Welche?«, wollte ich wissen, obwohl ich es mir denken konnte.
»Als du Arvid untersucht hast, nachdem wir ihn aus dem Wasser gefischt haben …« Banja zögerte. »Da waren deine Iriden …«
»Golden.«
»Ja. Was war das?«
»Magie«, erklärte ich ohne Umschweife. »Ich kann mit Magie heilen.«
Banja deutete auf Arvid und Kasi. »Dann kannst du …«
Ich schüttelte resigniert den Kopf. »Meine Kraft ist nicht sehr stark, und die Nutzung laugt mich schnell aus. Ich habe alles versucht, aber mehr geht nicht. Nicht jetzt. Nicht heute.«
Banja nickte langsam. Ich sah ihm an, dass er bereits eins und eins zusammenzählte.
»Als Arvid das letzte Mal verletzt war …«, murmelte er. »Die Wunde ist schnell geheilt, und du bist zusammengebrochen.«
»Ja, da habe ich mich übernommen.« Ich verschwieg, dass es mir eben beinahe genauso gegangen wäre.
»Was passiert, wenn du zu viel Magie nutzt?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich schätze, ich könnte dabei …«
Seine Augen weiteten sich. »Sterben?«
»Wäre möglich.« Allein die Vorstellung sorgte dafür, dass Gänsehaut über meine Arme kroch.
»Heilt sich dein Körper nicht selbst?«, hakte Banja nach.
»Nein.«
Er schien nachdenklich. »Weiß Arvid davon?«,
»Ja – und er ist der Einzige.«
»Der Einzige von der Deamaar. Kira hast du es sicher erzählt.«
Kira. Bei den Göttern, ich wünschte, sie wäre jetzt bei mir, um mir Mut zuzusprechen. Sie war immer so stark und optimistisch. Sehnsucht nach meiner besten Freundin stieg in mir auf, und es kostete mich regelrecht Kraft, sie zu verdrängen und mich auf das Gespräch zu konzentrieren.
»Nein, auch sie hat keinen Schimmer von meinen Fähigkeiten. Meine Mutter wusste davon, sie besaß die gleiche Gabe – wie alle Frauen unserer Blutlinie, soweit ich weiß. Aber es ist ein Geheimnis. Also …«
»Keine Sorge«, sagte Banja ruhig. »Von mir erfährt niemand etwas.«
Ich musterte ihn. »Du nimmst das ganz schön gelassen hin. Ich meine … Du erfährst, dass es Magie gibt und …«
Ein gequältes Lächeln huschte über seine Lippen. »Wir sind verflucht, Valea. Wir können uns nur alle zwei Tage für eine Stunde an Land aufhalten, sonst sterben wir. Wieso sollte ich geschockt sein, nur weil es mehr Magie gibt, als ich bisher angenommen habe?«
Da hatte er recht. Ich starrte gedankenverloren auf das Meer, auf dem immer noch Überbleibsel der Deamaar schwammen.
»Apropos.« Unsicherheit schlich sich in Banjas Stimme. »Wo ist Arvids Kette? Der Götterstein?« Er stutzte. »Bitte sag mir, dass du ihn nicht angefasst hast. Arvid bringt mich um, wenn die Kette auch dich verflucht.«
Ich biss mir auf die Lippe. »Ich habe ihn nicht berührt. Arvid … hatte die Kette gar nicht um.«
Nun wurde Banja kalkweiß. »Er hatte sie nicht … Scheiße.«
»Meinst du, er hat sie verloren und sie liegt auf dem Meeresgrund? Oder Kasi hat sie eingesteckt.« Ich betete, dass es die letzte der beiden Varianten war. Arvids gesamte Hoffnung auf Freiheit hing an dem Götterstein, den sein Vorfahr Noc Kanum einst gestohlen hatte. Nur wenn Arvid den Stein zurück zum Hort der Götter brachte, konnte der Fluch eventuell gebrochen werden. Der Gedanke, dass er verloren gegangen war, bereitete mir Bauchschmerzen. Aber im Zweifelsfall würden wir eben tagelang um das Wrack der Deamaar tauchen und ihn suchen.
»Ich denke leider etwas ganz anderes«, murmelte Banja und Schatten huschten über sein Gesicht. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Horizont, und ich folgte seinem Blick.
In dem Moment tauchte ein Schiff hinter dem Felsen auf.
Unweigerlich zuckte ich zusammen. Kurz glaubte ich, es sei Morgan, doch es war nur ein kleiner Kutter. Er lag schräg im Wasser, kein Segel flatterte am Mast und selbst auf die Entfernung wirkte er morsch.
»Da sind sie«, sagte Banja. »Lass uns ihnen entgegen paddeln.«
»In Ordnung.« Augenblicklich erhob ich mich, aber er hielt mich zurück.
»Das habe ich falsch formuliert. Ich werde paddeln. Du nicht. Ruh dich aus.«
»Aber …«, protestierte ich halbherzig. Ich war müde und meine Arme fühlten sich schwer an. Trotzdem wollte ich Banja nicht allein schuften lassen.
»Ich mach das«, beharrte er jedoch. »Behalt du unsere beiden Verletzten im Auge.«
Wie auf Kommando stöhnte Kasi leise und schlug die Augen auf. Kurz schien er orientierungslos, dann fand sein Blick mich.
»Wasser«, wisperte er.
Ich schüttelte stumm den Kopf, und ein gequälter Ausdruck legte sich auf seine Züge. Beruhigend redete ich auf ihn ein, während das Ruderboot sich langsam durch die Wellen auf den Kutter zu kämpfte.
Die ersten Trümmerteile der Deamaar trieben an uns vorbei. Voller Angst starrte ich darauf, in Erwartung, jeden Moment die Leichen der verstorbenen Crewmitglieder daneben zu entdecken. Ich würgte bei dem Gedanken und fixierte rasch einen Balken, der von den Wellen zu uns getragen wurde. Tau und Reste eines Segels hatten sich daran verfangen.
»Banja, warte!«, rief ich, als mir eine Idee kam, und zwang mich dazu, aufzustehen. Ich wankte – was nicht nur am Schaukeln des Bootes lag.
»Was ist?« Er hielt sofort in der Bewegung inne.
»Gib mir dein Schwert.«
»Mein … Warum?« Noch während er fragte, legte er die Ruder zur Seite, zog die Waffe und reichte sie mir.
Statt mich zu erklären, kroch ich zum Rand des Bootes, beugte mich darüber und zog das Treibholz heran. Ich griff nach dem Segeltuch und holte es ein. Immer mehr des nassen, schweren Stoffes landete im Boot und auf Arvids Beinen. Danach rollte ich das Tau auf. Es war an einem Ende am Holz festgebunden, weshalb ich es mit dem Schwert abschnitt. Wenn der Fischkutter geflickt werden musste, würden wir jegliches Material brauchen, das wir kriegen konnten. Das Holz mochte ans Ufer treiben, aber alles andere konnte untergehen und war zu wertvoll, um es jetzt nicht einzusammeln.
Banja schien zu begreifen und sah mich bewundernd an. »Genau deshalb nenne ich dich Käpt'n, bis Arvid wieder einsatzfähig ist.«
Ich stieß ein trauriges Lachen aus. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Aber vielleicht half es ihm, sich einzureden, es wäre anders.
Wir ruderten weiter. Wenig später stießen wir sacht gegen den Kutter, und Yivi wechselte behände zu uns ins Ruderboot.
»Hat alles geklappt?«, wollte er von Banja wissen.
»Ja, ich glaube, wir waren in der Zeit.« Banja verstaute die Ruder und band die Boote fachmännisch aneinander.
»Gut.« Yivi hob Arvid hoch. Obwohl er ein Muskelprotz war, war ich ein bisschen erstaunt, wie leicht ihm das fiel. Er bugsierte Arvid und schließlich auch Kasi auf den Kutter. Ich schnappte mir meine Tasche und kletterte ebenfalls hinüber.
Der Kutter sah von Nahem noch schlimmer aus als erwartet. Das Holz war morsch, der Großbaum war gebrochen und lag neben vier langen Paddeln auf dem Boden. Daneben befanden sich ein paar schmutzige Taue. Am Heck gab es eine Erhöhung, auf der ein etwas ramponiertes Steuerrad thronte. Darunter musste die Kajüte sein, von der Banja gesprochen hatte.
»Oje«, murmelte ich, und Gillian zuckte erschöpft die Schultern. Sein weißblondes Haar hing ihm ins Gesicht, und Blut rann immer noch aus der Wunde auf seiner Stirn.
»Es gibt auch eine gute Neuigkeit«, sagte er.
Gute Neuigkeiten? Ich musste mich verhört haben. Was um alles in der Welt konnte in dieser Situation gut sein? Gillian musste meine Gedanken erraten haben, denn er deutete mit einem Kopfnicken hinter sich. Perril, der dort stand, trat zur Seite, und Banja neben mir schnappte nach Luft.
»Matteo!«, riefen wir beide gleichzeitig.
»Hat sich an einen der Felsen gerettet«, flüsterte Gillian. »Wir haben ihn eben entdeckt und eingesammelt. Er hat allerdings kein Wort gesagt.«
Das änderte sich auch jetzt nicht. Matteo sah mich zwar an, doch kein Ton kam über seine Lippen. Stattdessen hielt er mir etwas entgegen, und als ich registrierte, dass es eine Glasflasche mit Trinkwasser war, atmete ich auf. Zuversicht packte mich. Ich wusste nicht wie, aber irgendwie würden wir es schaffen. Zusammen.
2
Die folgende Nacht war furchtbar. Zwar war ich erschöpft, doch die Sorge um Arvid und Kasi, die neben mir lagen, ließ mich nicht schlafen. Ich warf mich von einer Seite auf die andere und mahnte mich zur Ruhe. Ich musste mich erholen, wollte ich meine Magie zeitnah wieder zum Heilen einsetzen. Aber je verzweifelter ich versuchte einzunicken, desto mehr schien sich mein Geist dagegen zu wehren.
Schließlich rückte ich einfach näher an Arvid heran. Ich wollte ihn spüren, seinen Geruch nach Meer und Salz in mir aufnehmen. Leider stieg mir nur der penetrante Gestank von Fisch in die Nase, der an der alten Matratze haftete, auf der wir lagen.
Arvid, Kasi und ich passten gerade so nebeneinander in die Koje, die fast den gesamten Raum ausfüllte. Ich hätte auch auf dem Deck bei dem Rest der Crew übernachtet, aber die hatte darauf bestanden, dass ich bei den beiden Verletzten blieb – und ich war froh darüber.
Ich setzte mich auf und lauschte auf Geräusche von draußen. Hoffentlich hielt jemand wache. Es war zwar ein furchtbarer Tag gewesen, aber wenn uns jetzt jemand angriff, würde es eine noch schlimmere Nacht werden. Ob Morgan noch einmal zurückkommen würde? Die feinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf, als mir ein Gedanke kam. Was, wenn er sichergehen wollte, dass Arvid, der verhasste Sohn seines ehemaligen Käpt'ns, wirklich tot war. Oder wenn er etwas von der Crew haben wollte? Wobei wir ja nichts mehr hatten. Nicht mal mehr den …
Schlagartig wurde mir heiß, und die stickige Luft raubte mir den Atem. Der Götterstein! Die Puzzleteile fügten sich in meinem Kopf zusammen, und mir wurde klar, was Banja am Tag vermutet hatte: Obscir hatte die wertvolle Kette gestohlen. Es musste so sein. Arvids Stichverletzungen deuteten darauf hin, dass jemand gegen ihn gekämpft hatte. Da kamen nur zwei Personen in Frage: Konsa und Obscir. Sicher hatten sie den Stein oder die magische Karte gewollt. Aber was hatten sie von dem Verrat?
Frustriert fuhr ich mir durch das Haar. Das Unwissen machte mich wie so oft nervös, und es gab nichts, was ich gerade tun konnte, um meine Wissenslücken zu füllen. Vielleicht würde mir ein bisschen frische Luft helfen, zur Ruhe zu kommen.
Mit müden Bewegungen schob ich die Decke zur Seite, als mich ein Flüstern in der Dunkelheit erstarren ließ.
»Valea.« Arvid klang heiser. Seine sonst so samtige Stimme war beängstigend tonlos.
Sofort ließ ich mich zurück auf die stinkende Matratze sinken. »Ich bin hier«, wisperte ich und legte meine Hand auf seine Brust. »Arvid?«
Er antwortete mir nicht.
Trotzdem versicherte ich leise: »Ich bin hier.«
***
Irgendwann musste ich doch eingeschlafen sein, denn als ich die Augen das nächste Mal aufschlug, drang fahles Sonnenlicht durch etliche Ritzen im Holz.
Schwerfällig richtete ich mich auf. Ich fühlte mich keinen Deut besser als gestern. Dennoch schälte ich mich aus der Decke, öffnete die Tür, um mehr Licht in das Innere der Kajüte zu lassen, und wandte mich meinen beiden Patienten zu.
Behutsam löste ich Arvids Verbände und inspizierte die Wunden. Die Stichverletzung, die ich mit meiner Magie behandelt hatte, sah gut aus. Aber die andere und der Schnitt am Arm begannen bereits, sich zu entzünden. Ich unterdrückte ein Fluchen und aktivierte meine Magie. Die wenigen goldenen Funken, die nur ich sehen konnte, tanzten über Arvids Körper, und drangen in sein Gewebe ein, wo sie ein paar der geschädigten Zellen reparierten. Danach kontrollierte ich mit meinem magischen Blick, wie es um seine gebrochenen Rippen stand und stupste seinen Kreislauf ein wenig an. Mehr konnte ich nicht tun.
»Das muss aufhören, dass du ständig verletzt wirst und ich dich heile«, versuchte ich zu scherzen und strich über die Narbe auf Arvids Brust, die teilweise von dem Alietttattoo – dem Fluchmal – verdeckt wurde.
»Wenn es dich schwächt, solltest du deine Gabe noch nicht wieder nutzen. Du siehst nicht so aus, als ginge es dir gut.«
Ich drehte meinen Kopf zu Banja, der im Türrahmen aufgetaucht war. »Wenn ich ihn nicht zumindest ein bisschen mit …« Ich brach ab, weil ich nicht sicher war, wie viel man draußen von dem Gespräch hören konnte. Alle mussten mein Geheimnis nun wirklich nicht kennen. »… versorge, schafft er es nicht. Er muss aufwachen und etwas trinken. Außerdem haben wir verloren, wenn die Wunden eitern.«
Ich zog meine Tasche heran und kramte nach der wundheilenden Salbe, die bei Arvid schon einmal gut geholfen hatte. Inzwischen war kaum noch etwas davon übrig.
»Wie fühlst du dich, Banja?«, fragte ich, während ich die Salbe auftrug.
Er ließ sich auf die Kante des Bettes sinken, das leise knarrte. »Hoffnungslos«, gab er zu.
Ich presste die Lippen fest zusammen. Nach einsam war das für mich das Schlimmste aller Gefühle.
»Wir sind am Ende«, fuhr Banja fort. »Alles, wofür wir in den letzten Jahren gekämpft haben …« Er brach ab.
»Hast du den anderen erzählt, dass der Götterstein weg ist?«
»Ja.«
»Wie haben sie es aufgenommen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Yivi möchte Obscir den Hals umdrehen, Gillian lebt lieber mit dem Fluch als gar nicht, und Perril und Matteo haben sich nicht geäußert.«
»Es tut mir leid«, murmelte ich, nicht wissend, was ich sonst sagen sollte.
»Hör auf, Valea.« Nun klang Banja ärgerlich. »Du trägst keine Schuld. Das haben dir die anderen gestern Abend auch versichert.«
In der Tat hatten sie das. Keiner der Überlebenden machte mich für das Geschehene verantwortlich. Alle hatten bestätigt, dass sie nach einem Besuch auf der Insel fast immer nach Pa'enian segelten. Sie wären also auch in Morgans Falle geraten, hätte ich nicht darauf bestanden, an Land zu gehen. Leider fühlte ich mich nur bedingt besser durch ihre Worte. So lange die Möglichkeit existierte, dass Arvid es nicht schaffte und wir unsere letzten gemeinsamen Momente im Streit verbracht hatten, würde ich inneren Gram verspüren.
Ich verband Arvids Wunden neu und widmete mich Kasi.
»Wir brauchen einen Plan«, sagte ich zu Banja. »Ich denke …«
Kasi regte sich, und ich unterbrach meinen Satz. »Wie geht es dir?«, wollte ich nun von ihm wissen und gab Banja ein Zeichen, damit er seinem Freund half, sich aufzusetzen.
Unübersehbarer Schmerz stand in Kasis Augen und Mitleid flutete mich. Er würde noch einige Zeit mit seinen Verbrennungen zu kämpfen haben.
Ich reichte ihm eine der drei Wasserflaschen, die wir hatten, und er trank gierig, bevor er leise sagte: »Hier stinkts.«
»Der Seepalast nebenan war leider ausgebucht«, gab ich bemüht fröhlich zurück.
Statt zu antworten, betrachtete er seinen bandagierten Arm. Dann schwenkte sein Blick zu Arvid, der immer noch regungslos neben ihm lag. Kasis Kehlkopf hüpfte auf und ab, als er heftig schluckte.
»Wie viele leben noch?«
»Gillian, Perril, Matteo und Yivi«, sagte Banja und Kasis Augen weiteten sich vor Entsetzen.
»Und vermutlich Obscir und Konsa«, ergänzte ich mürrisch.
Kasi nickte. Die Bewegung schien ihm Schmerzen zu bereiten, denn er hielt sogleich wieder inne.
»Die beiden waren bei Arvid in der Kajüte«, bestätigte er meine Vermutung. »Ich habe ihn schreien gehört. Keine Ahnung, warum sie ihn angegriffen haben. Irgendetwas ist explodiert, alles brannte. Ich habe die Tür erst nicht aufbekommen. Als ich es endlich geschafft habe, sah ich, wie Obscir und Konsa durch ein Loch in der Außenwand verschwanden.« Er versuchte offenbar, sich an weitere Details zu erinnern.
»Denk nicht zu viel darüber nach«, flüsterte ich. »Wichtig ist, dass ihr gesund werdet. Du brauchst viel Schlaf, ruh dich aus. Wir kümmern uns um alles andere.« Ich half Kasi, sich wieder hinzulegen, bevor ich Banja am Ärmel seines zerrissenen Hemds packte und ihn die schmalen Stufen hoch aus der Kajüte zog. Ich wankte, und das lag leider weiterhin nicht am Schaukeln des Schiffes. Verdammt, warum setzte mir das Nutzen meiner Magie derart zu? Ich atmete tief durch.
Banja schien nicht zu merken, wie ich gegen den Schwindel kämpfte. »Wir brauchen mehr Wasser – ohne Salz.« Er deutete auf die Flasche, die nun fast leer war.
»Das«, sagte ich, »gehört zu Phase eins des Plans.«
»Du hast wirklich einen Plan?«
»Na ja, eher einen rudimentären Grobentwurf einer Idee«, gab ich zögernd zu, während wir nach vorn gingen, wobei ich mich an der Reling festkrallte.
Banja grinste. »Alle Crewmitglieder, die sich körperlich dazu in der Lage fühlen: Antreten«, rief er laut. »Unser Vertretungskäpt'n wird eine Ansage machen.«
Sofort kamen Yivi, Gillian, Matteo und Perril zu uns.
»Wir lassen uns also tatsächlich von einer Frau führen?« Yivi sah mich abschätzig an. »Wir sind wirklich am Ende!«
Ich ignorierte diese für ihn typische Aussage und räusperte mich. »Ich habe einen groben Zwei-Phasen-Plan.«
Yivi lehnte sich lässig gegen die Bordwand, während die anderen mich mit ganz unterschiedlichen Emotionen auf den Gesichtern musterten. Banja wirkte etwas hoffnungsvoller als noch vor wenigen Minuten, Perril sah eher zweifelnd aus, Matteos Blick war leer, und auf Gillians Zügen machte sich so etwas wie Anerkennung breit.
Ich zupfte nervös am Stoff meines Kleides und überlegte, wie ich es formulieren sollte. Letztendlich wusste die Crew, wie es um sie stand.
»Phase eins heißt überleben«, erklärte ich deshalb schlicht.
Perril schnaubte. »Gibt es da Details zu?«
»Sicher. Als allererstes segeln …« Ich begutachtete den leeren Mast und verbesserte mich: »… rudern wir wieder um die Felsen herum und ankern vorm Hafen Pa'enians. Dort sind wir geschützt und müssen hoffentlich keine weiteren Angriffe fürchten.«
»Die Leute werden sich fragen, was wir da treiben«, wandte Banja ein.
»Das kann uns egal sein. Wir müssen dafür sorgen, dass Arvid und Kasi gesund werden und diesen Kutter hier seetauglich machen.«
»Dafür brauchen wir Material«, gab Gillian zu bedenken. »In beiden Fällen.«
Ich nickte. »Wir werden sicherlich einiges in Pa'enian erwerben können.«
»Du scheinst es ja bereits zu wissen, aber noch mal als kleine Erinnerungsstütze«, warf Perril ein. »Wir können quasi nicht an Land. Alle zwei Tage eine Stunde reicht niemals, um zu besorgen, was wir brauchen. Zudem werden die Bewohner uns nicht alles schenken, und sobald wir stehlen, sind wir hier nicht mehr willkommen.«
Da hatte er recht. Mein Plan war auch noch nicht ganz ausgereift. Trotzdem vergaß Perril eine Sache.
»Ich kann an Land«, erinnerte ich ihn. »Ich bin nicht verflucht und ich kann heilen. Das heißt, ich habe die Möglichkeit, zu arbeiten, um Geld zu verdienen.«
Yivi verzog das Gesicht. Es war offensichtlich, was er dachte: Damit machten sich die Piraten von mir abhängig, und zwar in jeder Hinsicht. Auch der restlichen Crew schien das nicht zu gefallen.
»Ich weiß nicht, ob wir das annehmen können – und wollen«, sagte Gillian.
»Wir sollten eine andere Lösung finden«, meinte Perril.
Ich funkelte ihn an. »Vorschläge?«
Er schüttelte den Kopf und die zahlreichen Ringe in seinem Ohr klimperten leise.
»Ich lasse mich nicht von einer Frau retten«, maulte Yivi, was nun Banja auf die Palme brachte.
»Sagt mal, spinnt ihr? Statt dankbar zu sein, dass Valea sich derart für uns einsetzt …«
Behutsam legte ich meine Hand auf seine Schulter, um ihn zu unterbrechen. Mit der Argumentation würde er bei der Crew nicht weiterkommen. Sie hatten ihren Stolz, und ich verstand, dass ihnen die Vorstellung einer Abhängigkeit nicht gefiel.
»Ich habe ein paar kleine Edelsteine, die eigentlich euch gehören«, erklärte ich deshalb. »Es sind nicht viele, aber es wird reichen, um Lebensmittel und Heilkräuter zu kaufen.«
»Was heißt, dass die Steine uns gehören?« Yivi beugte sich vor. Bei den Göttern, konnte er sich nicht auf das Wesentliche konzentrieren?
Ich reckte mein Kinn vor. »Arvid hat mir einen Edelstein geschenkt, mit dem ich auf Bahu handeln konnte.« Leider war von dem Schatz inzwischen kaum noch etwas übrig. Erst hatte ich ihn gegen Münzen eingetauscht – die mir teilweise geklaut worden waren – und zurück in meiner Heimat Incenteria hatte ich mir für die Münzen wieder Edelsteine geben lassen.
»Schau an. Da wundert sich der Käpt'n, dass jemand wie Obscir unter seiner Führung aufbegehrt. Was er uns wohl noch verheimlicht?«
»Ach, halt die Klappe, Perril.« Banja sprang auf.
»Aber er hat doch recht«, meinte Yivi, was Banja noch mehr erzürnte.
»Viel von dem, was Arvid macht, geht doch gar nicht in eure Erbsenhirne rein. Er würde alles tun, damit es uns gut geht. Statt das zu würdigen, meckert ihr, und wollt nicht wahrhaben, dass Valea unsere Rettung sein könnte.«
»Sie ist eine Frau«, wandte Yivi erneut ein.
Banja streckte die Hände zum Himmel, als hoffte er auf eine Erklärung für dieses alberne Gehabe. Wenigstens er konnte die richtigen Prioritäten setzen.
Mein Magen knurrte und Matteos stimmte mit ein. Der bärtige Mann hatte immer noch kein einziges Wort gesagt – im Gegensatz zu Banja, Perril und Yivi, die in eine hitzige Diskussion verfielen.
»Es reicht!«, rief ich, nachdem ich mir den Schwachsinn ein paar Minuten angehört hatte.
»Finde ich auch«, stimmte Gillian mir zu. »Ich fühle mich nicht ganz wohl bei der Sache, aber ich sehe ein, dass unsere Hoffnung nun auf dir ruht, Valea. Wir stehen in deiner Schuld.«
»Ach.« Yivi kreiste seinen Stiernacken, bis es knackte. »Wir sind Piraten. Mit Schuld können wir offensichtlich leben.« Er seufzte theatralisch. »Gut, von mir aus. Ankern wir im Hafen.«
Ich atmete auf.
»Wir werden dich abwechselnd an Land begleiten«, sagte Banja zu mir. »Wir kriegen das hin.«
»Zusammen.« Ich nickte. »An die Ruder, Männer.«
»Aye«, machte Gillian und fügte mit einem Zwinkern hinzu: »Käpt'n.«
Das Wort entlockte Perril und Yivi ein Augenrollen und mir ein Kopfschütteln. Aber am Ende war mir egal, wie er mich nannte. Solange sie überlebten – solange Arvid überlebte.
»Nur so aus Interesse …« Yivi lehnte sich weit über die Reling und stach mit dem Paddel ins Meer. Es war ziemlich kurz und sicher nicht für dieses Schiff gedacht. »Wie sieht Phase zwei deines Plans aus?«
»Na ja, wir holen uns den Götterstein zurück und brechen euren dämlichen Fluch.«
»Was hast du davon?«
»Meinst du das ernst?«
Er musterte mich und murmelte: »Ich frag ja nur. Erst wolltest du unbedingt weg. Jetzt willst du unbedingt bleiben. Das muss ich nicht verstehen, oder?«
Daher rührten also seine Zweifel. »Ich bleibe bei Arvid«, erklärte ich schlicht. Noch einmal würde ich nicht verschwinden, weil mir jemand etwas Dummes einzureden versuchte.
»Mir fehlt in deinem Plan ein bisschen die Rache an Obscir«, sagte Gillian, der nun ebenfalls paddelte. Ich warf einen raschen Blick zu Perril, der die Lippen zusammenpresste.
»Das kannst du vergessen«, brummte Yivi. »Mit dem Kutter können wir gar nichts gegen die Nuntia Misera ausrichten, selbst wenn wir das Ding hier richtig segeltauglich kriegen. Und Banja ist der einzige mit Schwert.«
»Aber Obscir …«
»Lassen wir das Thema erst einmal«, unterbrach Perril Gillian.
Ich stöhnte. Gut, dass ich an Land gehen konnte. Die Männer würden mein Nervenkostüm sonst sicher in Schutt und Asche legen.
»Kümmern wir uns zunächst um Phase eins«, meinte ich. »Und jetzt hört auf zu quatschen, und paddelt ordentlich.«
Banja verschluckte sich beinahe vor Lachen, und ich erntete ein amüsiertes: »Aye.«
Zufrieden wankte ich zurück in die Kajüte und ließ mich neben Arvid nieder. Ich war so müde. Meine Glieder waren plötzlich schwer, als wären sie mit Steinen gefüllt. Ich gab dem Verlangen, die Augen zu schließen, kurz nach. Ein bisschen ruhen konnte nicht schaden. Nur ein paar Minuten …
***
Ich musste eingedöst sein, denn als Banja polternd in die Kajüte kam, schreckte ich auf.
»Oh.« Er wirkte zerknirscht. »Ich wusste nicht, dass du …«
»Alles gut.« Ich rieb mir über die Augen und unterdrückte ein Gähnen.
»Yivi hat gerade den Anker ausgeworfen. Wir könnten theoretisch … Aber, wenn du …«
»Nein, nein, ich komme. Gib mir zwei Minuten.« Träge rappelte ich mich auf, griff nach meiner Tasche und packte die Kleider aus. Dann rutschte ich vor zur Bettkante. Meine Schuhe waren immer noch feucht, also ließ ich sie vor der Koje stehen. Ich war mein ganzes Leben ohne ausgekommen, da würde mir der eine Tag auch nichts ausmachen.
Mit schlurfenden Schritten ging ich an Deck. Inzwischen war es heiß geworden. Die Mittagshitze kroch genauso erbarmungslos wie in Incenteria über meinen Körper, und schon nach wenigen Minuten benetzte Schweiß meine Haut. Wir würden uns etwas einfallen lassen müssen, um uns vor der Sonne zu schützen.
»Wenn du ein bisschen Sehne und einen Haken kaufst und Würmer findest, können wir Angeln.« Gillian half mir in das Beiboot. Da es nicht so hoch war wie der Kutter, gestaltete sich der Umstieg unerwartet schwierig.
»Und wie wollt ihr die Fische garen?«, fragte ich.
Er rieb sich über das Gesicht. »Wir bräuchten Sand und vielleicht ein paar Steine, um eine Feuerstelle abzugrenzen.«
Der Gedanke an ein offenes Feuer behagte mir nicht. Trotzdem stimmte ich zu. Sand und Steine würden immerhin leicht zu beschaffen sein. Und einen Topf würde ich auch auftreiben. Dann konnten wir Trinkwasser gewinnen oder Regen auffangen.
Ich ließ mich auf die Ruderbank sinken und griff nach einem Paddel, doch Banja scheuchte mich zum Bug.
»Du hast andere Aufgaben«, sagte er. »Lass zu, dass ich mich wenigstens etwas nützlich fühle.« Er löste das Tau, das das Ruderboot am Kutter hielt, und steuerte uns aufs Festland zu.
Der Hafen Pa'enians lag in einer Art Bucht, die rechts von den hohen Klippen begrenzt wurde. Links hingegen erstreckte sich die der Trockenheit trotzende Vegetation des Landes. Am Horizont ragte eine Steinwand gen Himmel. Erklomm man diese über schmale Pfade, kam man in meine Heimat Incenteria – das verbrannte Land.
Es war erst wenige Tage her, dass ich mit Kira dort hinuntergewandert war. Voller Hoffnung, Arvid wiederzusehen. Wer hätte gedacht, dass sich die Freude so schnell in Schmerz wandeln würde.
»Darf ich dich etwas fragen?«, durchbrach Banja meine Gedanken, als wir etwa die Hälfte der Strecke zwischen Kutter und Kaimauer zurückgelegt hatten. »Mir lässt das mit deiner Magie keine Ruhe. Du sagtest, dass sonst keiner davon weiß … Wenn du es geheim hältst, ist die Gabe ungewöhnlich. Ich selbst habe auch nie von dergleichen gehört. Wie kann es sein, dass nur du beziehungsweise deine Familie solche Kräfte besitzt?«
»Das … habe ich nicht gesagt.«
»Du glaubst also, dass es mehr von deiner Art gibt?«
»Meiner Art? Weißt du, wie das klingt?« Ich stemmte empört die Hände in die Hüfte.
»Entschuldige. Mehr Menschen, die Magie beherrschen.«
Ich dachte an Sybion, den schmierigen Händler auf der Insel. Er hatte Arvid die magische Karte überreicht und für jeden erfüllten Auftrag Buchstaben genannt. Zusammengesetzt sollten diese ein Wort ergeben, das Arvid verriet, wo er den Hort der Göttersteine – oder zumindest Informationen darüber – fand. Arvid hatte in dem Handel mit Sybion seine einzige Chance gesehen, den Götterstein zurückzubringen und den grässlichen Fluch loszuwerden. Ich verstand sein Tun, aber ich misstraute Sybion. Seine Augen hatten golden geleuchtet, als er Arvids Waren untersucht hatte. Genau wie meine, wenn ich Magie benutzte. Nur war ich mir sicher, dass der alte Mann seine Fähigkeiten nicht für etwas Gutes einsetzte. Ich bezweifelte auch, dass er heilen konnte. Er musste also eine andere Gabe besitzen.
»Ich gehe davon aus, dass es mehr Menschen mit magischen Kräften gibt«, erklärte ich Banja vage. »Alles andere wäre unlogisch. Aber ich …« Sollte ich ihn einweihen? Bisher wusste nur Arvid von meiner Vermutung über Sybion. »… kenne niemanden sonst«, schloss ich.
»Hm«, machte er.
In dem Moment stieß das Boot sacht gegen die Kaimauer und das Holz knirschte. Rasch legte Banja die Ruder weg und stand auf. Er wollte sich an der Mauer festhalten, damit wir nicht abtrieben, stoppte aber mitten in der Bewegung. Verlegen rieb er sich über den Oberarm, auf dem sein Alietttattoo prangte.
»Ich weiß nicht, wie viel Landberührung der Fluch zulässt«, murmelte er traurig.
»Schon gut. Du kannst auch wieder zum Kutter rudern und ich winke, wenn ich eine Überfahrt brauche. Es könnte eine Weile dauern, bis ich zurück bin.«
»Nein, nein. Ich bleibe hier. Falls irgendetwas ist und du Hilfe brauchst …«
Dankbar lächelte ich ihn an, obwohl ich wusste, dass er in so einem Fall rein gar nichts tun konnte. Ich war auf mich gestellt.
Zügig erklomm ich die Kaimauer. Meine Knie schabten über den steinernen Boden und ich richtete mich auf. Da war ich also. Wieder in einem fremden Land und ohne großartige Möglichkeiten zu handeln. In meinen Träumen von der weiten Welt hatte ich nicht bedacht, wie unangenehm solche Situationen sein würden. Aber immerhin verstand man hier meine Sprache.
»Auf geht's«, murmelte ich, straffte die Schultern und lief los. »Punkt eins: Wasser, Brot und haltbare Lebensmittel besorgen. Punkt zwei: Topf und Kräuter kaufen.« Scheu lächelte ich eine Frau mit schwarzem Haar an, die an mir vorbeiging, dann ergänzte ich meine Vorhabenliste. »Punkt drei: Angelsehne, Haken und Wurmgetier.« Allein bei dem Gedanken musste ich das Gesicht verziehen.
Langsam bahnte ich mir meinen Weg auf die kleinen Häuser zu, die am Hafen standen.
»Punkt vier: Sand und Steine einsammeln und zum Schluss Kira suchen.« Am liebsten würde ich das ganz oben auf die Liste setzen, doch ich musste mich fokussieren. Meine beste Freundin würde vielleicht meinen mentalen Zustand verbessern, aber nicht die Situation der Mannschaft.
»Guten Tag«, sagte ich zaghaft zu einem Mann, der an der Hauswand des größten Gebäudes lehnte. Er musterte mich herablassend und automatisch senkte ich den Blick. Ich wusste, dass mein Kleid dreckig war, und sicherlich stank ich wie die Kajüte. Vielleicht sollte ich nachher ein Bad nehmen. Vorzugsweise in einem See und nicht im Meer, in dem Leichen schwammen.
Hinter mir erklangen Schritte, und als ich mich umdrehte, bemerkte ich die gleiche Frau, die schon vorn an der Kaimauer gewesen war. Ihre braunen Augen schienen mich durchbohren zu wollen. Sogleich fühlte ich mich unwohl. Die Empfindung ignorierend, wandte ich mich wieder dem Mann zu.
»Ich würde gern ein paar Dinge kaufen«, erklärte ich und trat näher. »Ist das eine Markthalle?« Hoffentlich klang die Frage nicht allzu naiv. Ich hatte keine Ahnung, wie Pa'enian aufgebaut war, wo man einkaufte und welche Häuser Wohnhäuser waren. Gab es einen Sammelpunkt wie bei uns in Incenteria am Hafen, wo man Bestellungen aufgab oder einzelne Läden wie auf Bahu?
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass die Frau stehen blieb. Der Mann beugte sich indes wortlos vor und öffnete mir die Tür neben sich.
»Ähm. Danke.« Zögerlich machte ich einen Schritt darauf zu und linste in das Gebäude. Wie ein Wohnhaus sah der Eingangsbereich nicht aus. Das war schon mal gut.
Ich widerstand dem Drang, mich nach Banja umzudrehen, und wischte den plötzlichen Wunsch, sein Schwert bei mir zu haben, zur Seite. Das hier war Pa'enian. Ein kleines, friedliches Land, das sogar der Crew der Deamaar wohlgesonnen war. Ich atmete tief durch. Es würde schon nichts passieren. Entschlossen betrat ich den Raum. Die schwarzhaarige Frau folgte mir.
3
Innen war es kühl. Dicke Steinmauern hielten die Hitze draußen. Mauern, durch die niemand meine Hilfeschreie hören würde. Die fremde Frau hielt sich dicht hinter mir und automatisch spannte ich mich an. Wenn sie mich angriff oder versuchte, mir meine Sachen zu klauen, würde ich mich wehren.
Doch sie folgte mir nur, während ich durch die leere Halle schritt, die mich an zu Hause erinnerte. Vermutlich wurden auch hier zu bestimmten Zeiten Verkaufsstände aufgebaut. Am Ende der Halle war eine Tür, vor der ein Tresen stand. Der Mann dahinter beobachtete mein Näherkommen, ohne eine Miene zu verziehen. Er sah nicht gerade freundlich aus. Sein dicker Schnauzbart verbarg seinen Mund, und seine Augenbrauen waren so buschig, dass sie bis zu seinen Wimpern reichten.
»Hallo«, sagte ich leise.
Die Frau, die mir gefolgt war, lehnte sich mit etwas Abstand zu mir gegen den Tresen. Hinter mir öffnete sich die Eingangstür und mehrere Menschen betraten die Halle. Furcht keimte in mir auf. Trotzdem zwang ich mich, den Mann hinter dem Ladentisch anzulächeln. Meine Mundwinkel zitterten dabei und ich hoffte, dass ich keine Grimasse schnitt.
Die Schritte der anderen verstummten und ich warf einen Blick über die Schulter. Vier Personen hatten nur wenige Meter von mir entfernt Aufstellung genommen. Drei Männer, eine Frau.
Ich krallte meine Finger so fest in den Träger meiner Tasche, dass meine Knöchel weiß wurden. Angst pulsierte durch meine Venen und verströmte ihr Gift in meinem Herzen.
Wieder wurde die Eingangstür geöffnet und drei weitere Personen traten ein. Die vorderste war eine Frau mit grauem Haar. Falten deuteten darauf hin, dass sie bereits um die siebzig sein musste, doch in ihrem stählernen Blick war von dem Alter nichts zu erkennen.
»Was soll das?« Sie fuchtelte mit der Hand durch die Luft. »Ihr schüchtert sie ein, seht ihr das nicht? Macht Platz!«
Die Männer und Frauen traten sogleich zur Seite, und es war, als ob sie mir damit mehr Raum zum Atmen ließen. Umgehend fühlte ich mich freier – aber nicht sicherer. Argwöhnisch beobachtete ich die grauhaarige Frau, die sich nun zu der, die mir als erstes gefolgt war, stellte. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war unübersehbar, obwohl die Augen und die Haut der Jüngeren etwas heller waren.
»Alithia?«, fragte die alte Frau empört, und die Angesprochene blinzelte unschuldig.
»Was? Ich wollte nur bei Keva einkaufen.« Sie deutete auf den Mann hinter dem Tresen, doch die alte Frau schien nicht besänftigt.
»Aha. Und die anderen wollten das auch alle? Um dieselbe Zeit?« Sie hatte einen starken Akzent und mir fiel es schwer, ihre Worte zu verstehen.
Die Umstehenden murrten leise und murmelten etwas von Besorgungen. Schließlich drehte sich der erste Mann um, und mit einem letzten Blick auf mich ging er zum Ausgang. Der Rest der Anwesenden folgte ihm nach und nach.
Die alte Frau schüttelte den Kopf und ein leises »Tss« entfleuchte ihr, bevor auch sie sich abwandte. Zurück blieben nur die junge Frau und der Mann hinter der Theke, der sich nun zu mir beugte. Instinktiv wich ich ein Stück zurück.
»So«, sagte er mit tiefer Stimme. »Und du willst hier was?«
»Ich würde gern ein paar Sachen kaufen«, brachte ich hervor.
»Geht das ein bisschen genauer?«
Kurz zögerte ich und sah zu der jungen Frau, die mich unentwegt anstarrte, bevor ich in meine Tasche langte und vier der fünf Edelsteine hervorzog. Ich holte tief Luft und erklärte: »Ich brauche ein leeres Holzfass und die Information, wo ich frisches Trinkwasser, Brot und vielleicht etwas gepökeltes Fleisch oder Salzkäse bekomme. Außerdem einen Topf, einen Becher, Angelsehne und Haken sowie einen Mörser und ein Messer. Wenn vorhanden, auch eine kleine Flasche Rum. Was habt ihr an Heilkräutern vorrätig?«
»Heilkräuter?«
»Ja, ich bin Heilerin«, sagte ich leise. Momentan hatte ich zwar nicht den Eindruck, hier arbeiten zu können – schließlich erforderte das Heilen vertrauen – aber ich wollte die Tatsache nicht unerwähnt lassen.
»So, so.« Der Mann rührte sich nicht. Also legte ich die vier Edelsteine auf den Tisch und schob sie ihm zu.
»Was davon bekomme ich hierfür?«
Sein Bart bewegte sich, als er den Mund verzog. So wie es aussah, fuhr er sich mit der Zunge über die Zähne. Dann schmatzte er und stieß sich vom Tresen ab.
»Mal sehen.« Ohne eine weitere Erklärung verschwand er durch die Tür in einem angrenzenden Raum.
Unruhig wippte ich auf meinen Füßen auf und ab, während ich auf seine Rückkehr wartete. Der Blick der fremden Frau bohrte sich in meinen Rücken, doch ich ignorierte sie und nahm meine Umgebung genauer ins Visier.
Die Halle war fast vollkommen leer. Das Licht drang durch Öffnungen in der Decke herein, außerdem gab es ein paar Fackeln an den Wänden. Es war geradezu gespenstisch still. Von draußen war kein Laut zu hören und auch der Mann in seinem Lager machte kein Geräusch.
Nervös umklammerte ich die Ankerkette, die ich von Arvid bekommen hatte.
»Du bist das Mädchen, das vor ein paar Tagen freiwillig auf das Piratenschiff gegangen ist«, sagte die junge Frau plötzlich. Es schien, als würden die Worte einfach aus ihr herausplatzen. Erstaunt schaute ich sie an.
Ich hatte erwartet, Abneigung und Misstrauen in ihren Augen zu entdecken, stattdessen brannte Neugier in ihnen.
»Ja.« Leugnen war zwecklos. Pa'enian war zwar ein eigenständiges Land, aber so klein, dass man es in kürzester Zeit durchqueren konnte. Hier musste jeder jeden kennen und eine Fremde fiel sicher auf.
»Warum?« Die Frau trat näher.
»Ich …«
»Sind die Kerle mit dem Fischkutter auch Piraten?«, hakte sie nach, ohne auf eine Antwort zu warten. »Von dem Schiff sogar? Was war das für ein anderes Schiff? Warum hat es angegriffen?« Ihre helle Stimme nahm einen zornigen Klang an. »Warum kommen die Männer nicht an Land, sondern schicken dich vor? Glauben sie, dass wir dich nicht gefangen nehmen, nur weil du eine Frau bist?«
Was hatte sie da gerade gesagt? Mein Herz machte einen erschrockenen Satz.
»Genug Alithia.« Der Mann mit Schnauzbart war wieder aufgetaucht und stellte ein paar Sachen auf dem Tresen ab.
Ich traute meinen Augen kaum. Es war so ziemlich alles, was ich angefragt hatte. Das Fass, Angelzubehör, Topf und Messer. Sogar drei Becher. Zu guter Letzt breitete er ein paar getrocknete Pflanzen auf der Theke aus.
»Rum gibt es nicht«, knurrte er. »Ist nicht gut für junge Frauen.«
»Ich brauche ihn zum Desinfizieren«, erwiderte ich plötzlich mutiger und inspizierte die Kräuter. »Wir haben zwei Verletzte.«
»So, so.« Er griff unter den Tresen und stellte mir eine kleine Glasflasche hin, die mit bernsteinfarbener Flüssigkeit gefüllt war. Damit hatte ich nicht gerechnet. Verblüfft sah ich ihn an, und er deutete auf die Kräuter.
»Kannst du davon was gebrauchen?«
Ich zog ein paar Filbenblätter und getrocknete Körbchenblüher zu mir heran. Die anderen Pflanzen waren zu alt und grau, um sie noch verwenden.
»Wenn du frische Kräuter brauchst, pflückst du die am besten selbst«, sagte der Mann. »Sowas lagere ich nicht. Genauso wie Brot und Käse. Das kannst du bei Soli kaufen, und Alithia zeigt dir sicher, wo du Trinkwasser findest.« Er wandte sich der jungen Frau zu. »Oder wolltest du tatsächlich etwas von mir?«
Sie legte den Zeigefinger ans Kinn, als müsste sie überlegen. »Ich wollte irgendetwas. Aber ich habe glatt vergessen, was es war. Tut mir leid, Keva. Ich bin heute einfach schusselig.«
Keva schüttelte den Kopf und packte mir die Sachen in das leere Fass. Als er damit fertig war, nahm er zwei der bunten Edelsteine und schob die anderen beiden zurück zu mir.
»Aber …«, stammelte ich.
Er beugte sich wieder über den Tresen und blickte mich ernst an. Unverhohlene Wut lag plötzlich in seinen Augen.
»Pa'enian ist ein Ort des Friedens. Wir würdigen einander und respektieren andere. Es ist Jahre her, dass jemand unser oberstes Gebot missachtet hat.«
»Ich verstehe nicht ganz.« War das eine Drohung?
»Selbst dieser … wie hieß er noch gleich?« Keva schnippte mit dem Finger, als würde es ihm helfen, sich an einen Namen zu erinnern.
»Kal Kanum«, kam Alithia ihm zu Hilfe und erschauderte. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Kal Kanum war Arvids Vater gewesen. Eine schwarze Piratenseele und der Mörder meines Vaters.
»Genau.« Keva nickte. »Unangenehmer Zeitgenosse. Aber selbst der hat es verstanden.«
Irritiert hörte ich ihm zu. Arvid hatte zwar erwähnt, dass sein Vater sich in Pa'enian zusammengerissen hatte, aber das ergab keinen Sinn. Genauso wenig wie dieses Gespräch.
Keva lehnte sich noch weiter vor. »Niemand beschießt ein anderes Schiff vor unserer Küste. Niemand tötet bei uns.«
»Wir haben nicht … Oh.« Schlagartig ging mir ein Licht auf, und Überraschung machte sich in mir breit. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, außer … »Danke.«
Keva nickte und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. »Trotzdem finde ich es nicht gut, dass die Burschen ein junges Mädchen vorschicken. Das ist feige und gehört sich nicht. Sag ihnen das von mir.«
»Mach ich«, erwiderte ich immer noch perplex.
»Gut. Alithia hilft dir tragen.«
»Das schaffe ich allein«, wiegelte ich ab, doch die junge Frau stand schon neben mir, und als ich das Fass nahm, griff sie ebenfalls zu. Gemeinsam hoben wir das Holzgefäß an, das gar nicht schwer war.
»Es geht wirklich«, versuchte ich die Frau erneut abzuwimmeln. Vergeblich. Sie lief auf den Ausgang der Halle zu, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
»Danke«, rief ich Keva noch einmal zu. »Ich werde sicher wiederkommen.«
»Tu das. Und lass dich von Alithia nicht ausquetschen.«
»Lithi«, grummelte die Frau. »Ich hasse es, wenn man mich Alithia nennt.« Mit dem Ellenbogen drückte sie die Klinke hinunter und stieß die Tür auf. »Das ist eigentlich der Moment, in dem du dich auch vorstellen solltest.«
»Valea.«
Die Hitze traf mich mit voller Wucht, als ich wieder nach draußen trat, und der heiße Stein brannte unter meinen Fußsohlen.
»Hübscher Name.« Lithi sah sich um. »Wohin? Zu dem attraktiven Mann dort? Ist er dein Freund?«
Bei den Göttern, war die Frau aufdringlich! Ich schwieg beharrlich und steuerte auf Banja zu, der im Ruderboot stand und zu uns herüberschaute. Sorgen umwölkten seine Stirn so offensichtlich, dass ich es schon von Weitem bemerkte.
»Valea«, rief er, als ich näherkam. »Alles in Ordnung? Plötzlich sind dir so viele Leute ins Haus gefolgt. Ich war kurz davor auszusteigen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.« Allein die Tatsache, dass er das vor einer Fremden sagte, zeigte mir, wie durcheinander er war. »Dann kam eine alte Frau und hat lautstark gezetert, wie ungehobelt alle wären.«
»Vielleicht hättest du mal nach Valea schauen sollen«, meinte Lithi. »Und nenne meine Mas Ma nicht alte Frau. Das hört Alice gar nicht gern.«
»Äh …« Fragend sah Banja mich an, und ich zuckte die Schultern. Ich konnte diese Lithi nicht einordnen.
»Nimmst du uns das mal ab und machst es leer?«, bat ich ihn und deutete auf das Fass. »Dann kann ich Wasser holen.«
»Klar.« Rasch packte Banja die gekauften Sachen ins Boot. Als er die Flasche Rum entdeckte, zog er eine Augenbraue hoch.
»Finger weg«, warnte ich ihn. »Der ist zum Desinfizieren.«
»Dir ist schon klar, dass du den verteidigen musst, wenn die anderen ihn entdecken, oder?«
»Ich stecke die Flasche nachher in meine Tasche, und du erzählst nichts.« Lächelnd nahm ich das nun leere Fass wieder an mich.
»Sei nicht zu lange unterwegs«, sagte Banja.
Ich nickte und Lithi rief fröhlich: »Komm, ich zeig dir, wo der nächste See ist.« Sie schob mich vorwärts und weg von dem kleinen Hafen. Nach nur wenigen Minuten erreichten wir einen Pfad, der zwischen knorrigen Bäumen hindurchführte.
»Er ist definitiv Pirat«, plapperte Lithi munter drauf los. »Diese Kleidung. Und dann das Schwert. Sowas wird in Pa'enian übrigens nicht gern gesehen.«
»Wir haben nicht vor, es zu benutzen.«
»Das wollte ich damit auch nicht andeuten.« Beruhigend legte sie mir die Hand auf die nackte Schulter. »Trotzdem frage ich mich, was ihr hier macht.«
»Wir versuchen, uns nach dem Angriff zu sammeln und zu überleben. Wir müssen …« Ich riss mich von ihr los und wandte mich um. Kalte Schauer krochen mir über den Rücken. Für einen Sekundenbruchteil hatte ich das Bedürfnis verspürt, ihr von dem verlorenen Götterstein und dem Fluch zu berichten. Offenbar war ich noch so erschöpft, dass mein Gehirn nicht richtig arbeitete. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn ich mich verplapperte.
»Ihr müsst?«, hakte Lithi nach.
»Den Kutter reparieren und überseetauglich werden«, improvisierte ich.
»Achso.« Lithi schien enttäuscht über die Antwort. Sie kickte einen Stein zur Seite und deutete nach vorn. »Schau, da ist der See.«
Tatsächlich. Zwischen den Büschen schimmerte etwas im Sonnenlicht, und schon nach wenigen weiteren Schritten erreichten wir das Wasser.
Ob ich die Chance nutzen sollte, zu baden? Ich linste zu Lithi hinüber. Sie wirkte vollkommen harmlos. Allerdings behagte mir ihre aufdringliche Art nicht, und ich wollte so schnell wie möglich zurück. Also beschloss ich, das Bad zu verschieben, und kniete mich an der Stelle, wo ein Fluss in den See mündete, nieder, um das Fass zu füllen.
»Wie hast du die Piraten eigentlich kennengelernt?« Lithi setzte sich neben mich. »Wieso durftest du aufs Schiff gehen? Glauben Seemänner nicht immer, dass eine Frau an Bord Unglück bringt?«
»Gefangene und Piratinnen bilden eine Ausnahme.«
»Also eine Gefangene bist du nicht«, schlussfolgerte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Nein.« Ich drückte das Fass ein wenig tiefer ins Wasser und spähte über die Schulter, um mich nach eventuellen Verfolgern umzusehen. Doch weit und breit war niemand außer Lithi und mir.
Die junge Frau holte tief Luft, wohl um die nächste Frage zu stellen, aber ich kam ihr zuvor.
»Deine Mutter …«
»Großmutter«, korrigierte Lithi mich. »Sie war Mas Ma.«
»Ist sie die …« Was hatte Pa'enian eigentlich für eine Gesellschaftsstruktur? Bei den Göttern, ich wusste viel zu wenig über die Nachbarländer Incenterias. »Ein Oberhaupt?«
Lithi legte den Kopf schief. »Du meinst, weil die anderen gegangen sind, als sie es wollte? Übrigens, mach dir wegen der Leute keine Sorgen, die sind nur neugierig.«
Das beruhigte mich überhaupt nicht.
Ich zerrte das nun volle Fass an Land, verschloss es ordentlich und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser, um zu trinken. Jetzt musste ich nur noch Brot kaufen. Kräuter, Sand und Steine würde ich bei meinem nächsten Ausflug besorgen, wenn Lithi nicht an mir klebte.
»Wir haben in Pa'enian keine Hierarchien«, erklärte sie und schien mein Misstrauen ihr gegenüber nicht zu bemerken. »Wir entscheiden alles gemeinsam durch Abstimmungen.«
»Das funktioniert? Und wer leitet die Abstimmungen?«
»Das ist unterschiedlich. Und ja, es funktioniert.« Sie überlegte kurz und verbesserte sich dann. »Es funktioniert oft. Aber wenn Alice etwas sagt, hören die meisten auf sie. Jeder weiß, dass sie eine intelligente Frau mit dem Blick für das Wesentliche ist. Und sie durchschaut jeden!«
Wenn das so war, wollte ich Alice lieber nicht noch einmal begegnen. Ich hütete derzeit zu viele Geheimnisse.
Ich legte das Fass auf die Seite und begann es den schmalen Weg zum Hafen zu rollen. Schon nach wenigen Metern brannte mein Rücken von der ungewohnten Position.
»Willst du jetzt zu Soli?«, fragte Lithi, die neben mir herlief. »Oh, hallo Nick.«
Ich sah auf und bemerkte einen jungen Mann, der lautlos auf dem Weg vor uns aufgetaucht war und mich anstarrte.
»Hallo Lithi«, sagte er, ohne den Blick von mir zu nehmen. »Ist das eine von den …«
»Das ist Valea. Sie ist Piratin.«