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Wenn eine Beziehung zerbricht, sind es nach wie vor meist die Mütter, die die Haupterziehungsperson der gemeinsamen Kinder werden. Der Konflikt mit der Partnerin und die psychischen Belastungen einer Trennung machen es den Vätern oft schwer, den liebevollen Kontakt zu ihren Kindern aufrechtzuerhalten. Dieser Ratgeber zeigt praxisnah, wie es Männern gelingen kann, trotz der Trennung ihre Vaterrolle auszufüllen und ein unbelastetes Verhältnis zu ihren Kindern zu entwickeln.
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Seitenzahl: 351
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Für alle Kinder,mögen sie ihre Beziehung zum Vaternie verlieren.
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:[email protected]
3. Auflage 2020
© 2008 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,Nymphenburger Straße 86D-80636 MünchenTel.: 089 651285-0Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitungsowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeinerForm (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohneschriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendungelektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitetwerden.
Redaktion: Kathrin Stachora, LandsbergUmschlaggestaltung: Atelier Seidel - Verlagsgrafik, TeisingUmschlagabbildung: Mauritius Images, Mittenwald (mauritius images/A.Swan)Satz: Jürgen Echter, Landsberg am Lech
ISBN Print 978-3-63606-352-6ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-094-4ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-534-5
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unterwww.mvg-verlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.m-vg.de
Auftakt: Wie Vater bleiben nach der Trennung gelingen kann
1. Warum Kinder Vater und Mutter brauchen
Das Beziehungsdreieck Vater-Mutter-Kind
Was Sie als Vater für Ihr Kind bedeuten
Was Väter einfach unersetzlich macht
Und umgekehrt: Warum Väter ihr Kind brauchen
2. Wutausbrüche, Bauchschmerzen, Schulversagen: Wie Ihr Kind auf die Trennung reagieren kann und wie Sie als Vater damit umgehen
Paul rast vor Wut
Bettina klammert
David hat Kopfweh
Folgen
Elf Schritte, wie Sie als Vater mit diesen Reaktionen umgehen können
Schritt 1: Arbeiten Sie mit der Mutter Ihres Kindes zusammen!
Schritt 2: Bleiben Sie als Vater präsent!
Schritt 3: Befreien Sie Ihr Kind aus der Zerrissenheit!
Schritt 4: Geben Sie Ihrem Kind Orientierung!
Schritt 5: Stoppen Sie sofort alle Rachehandlungen!
Schritt 6: Gehen Sie schnell wieder auf Ihr Kind zu!
Schritt 7: Befreien Sie Ihr Kind von Schuld und Scham!
Schritt 8: Geben Sie Ihrem Kind Sicherheit!
Schritt 9: Verstehen Sie den Verlust Ihres Kindes!
Schritt 10: Stellen Sie vorläufig die eigene Befindlichkeit zurück!
Schritt 11: Organisieren Sie bei Bedarf psychotherapeutische Hilfe für Ihr Kind!
3. Wut, Verzweiflung, Trauer: Wie Sie selbst mit der Scheidung fertig werden
Afrika: Wie Sie die Trennung akzeptieren können
Europa: Wie Sie sich Ihren destruktiven Gefühlen stellen und um Ihre Ehe trauern können
Asien: Wie Sie es schaffen, Ihrer Exfrau zu vergeben
Amerika: Wie Sie Ihre eigenen Anteile am Scheitern erkennen
Australien: Wie die Rückschau versöhnend wirken kann
Der sechste Kontinent: das elterliche Team
4. Warum Sie auch nach der Scheidung für Ihr Kind wichtig sind
Laura hat es gut
Fabian kämpft
Leonore leidet
Otmar hat aufgegeben
Karl hat sich entschieden
Der Rückzug der Väter
5. Warum Sie auch nach der Scheidung mit Ihrer Expartnerin ein elterliches Team bilden sollten
Kein Liebespaar mehr, aber Eltern für das ganze Leben
Mutters Welt und Vaters Welt
Mittendrin statt nur dazwischen
Was verhindert Zerrissenheit?
Teambildung nach dem großen Streit
Wie funktioniert ein Eltern-Team?
Was Sie in einem Eltern-Team nicht machen sollten
Ganz konkret: In fünf Schritten zum Eltern-Team
6. Was Ihr Kind jetzt von Ihnen braucht: die Vaterpyramide
Damit Ihr Kind sich entwickeln kann: Zuneigung
Damit Ihr Kind nicht ins Leere fällt: Vertrauen
Damit die Beziehung zu Ihrem Kind nicht versandet: gemeinsame Zeit
Damit Ihr Kind sich sicher fühlen kann: verlässliche Grenzen
Damit Ihr Kind aufrecht durchs Leben gehen kann: Stolz
Damit Ihr Kind seinen Weg im Leben findet: gemeinsame Unternehmungen
Damit Ihr Kind zwischen Gut und Böse unterscheiden lernt: Vorbild
Damit ihr Kind sich angenommen fühlt: Zuhören
Damit Ihr Kind seine Freiheit findet: Nähe und Distanz
Damit Ihr Kind die richtigen Entscheidungen trifft: Gewissen
Damit Ihr Kind später sein Glück in der Liebe findet: innere Beziehungsbilder
Damit Ihr Kind wirklich unabhängig werden kann: väterlicher Segen
7. Ein neuer Partner kommt dazu: Worauf Sie bei Ihrem Kind achten müssen
Geben Sie Ihrem Kind genügend Zeit
Beachten Sie das Alter und die Wünsche Ihres Kindes
Was Ihre neue Partnerin beitragen kann
Wie Sie den möglichen Reaktionen Ihrer Exfrau begegnen können
Wenn Ihre Exfrau einen neuen Partner hat
8. Welcher Vatertyp sind Sie? Welches sind Ihre Stärken?
Der Vatertypen-Test
Auflösung des Vatertypen-Tests
Der begeisternde Vater
Der einfühlsame Vater
Der bodenständige Vater
Der kreative Vater
Zum Schluss: Bleiben Sie als Vater präsent!
Danksagung
Meine persönlichen Literaturempfehlungen
Freundliche Genehmigung und Grafikverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Über den Autor
Lesen Sie bitte die folgenden drei Beispiele aufmerksam durch und fragen Sie sich, was sie gemeinsam haben.
Der 60-jährige Herman sitzt mit dem 27-jährigen Robert in einem Tonstudio. Herman ist ein gesetzter älterer Herr mit grau meliertem Haar und freundlichem Gesicht, in dem das Leben seine Spuren hinterlassen hat. Robert ist drahtig und lebendig und hat kurz geschnittenes Haar. Zuversicht trägt er im Herzen und sie steht ihm ins Gesicht geschrieben. Herman und Robert bearbeiten gemeinsam eine Aufnahme der Band, in der Herman Gitarre spielt. Die beiden haben großen Spaß dabei. Sie lachen viel und arbeiten trotzdem konzentriert. Zwischen ihnen ist ein inneres Band spürbar. Robert ist Hermans Sohn.
Der 38-jährige Gerhard ist ein großer schlanker, stattlicher Mann. Sein Kopf ist kahl rasiert und er hat fast immer ein Lächeln auf den Lippen. Er ist im Außendienst für eine holzverarbeitende Firma tätig. Seine Kinder – 8, 10, 13 und 17 Jahre alt – lieben ihn heiß und innig. In ihren Gesichtern erkennt man Gerhards Züge. Meist lächeln auch sie. Wenn Gerhard mit seinen Kindern baden geht, wird dabei geblödelt, einander auf die Schippe genommen, gespritzt, geplantscht und vor allem gelacht.
Manfred, ein bereits leicht ergrauter 54-jähriger Architekt, liebt es, mit seinen beiden Töchtern auszugehen. Die 20-jährige Monika ist blond, schlank, quirlig und lebendig. Ihre 18-jährige Schwester Silvia ist die ruhigere von beiden. Sie ist etwas fester gebaut. Immer noch denkt Manfred, wenn sie lacht, öffnet sich der Himmel. Er erfreut sich an seinen aufblühenden Töchtern. Wenn sie beim Abendessen sitzen, gibt es ganz viel zu erzählen.
Was haben diese drei Väter gemeinsam? Alle drei sind geschieden und leben getrennt von der Mutter ihrer Kinder. Hätten Sie das gedacht? Herman seit 17, Gerhard seit 2 und Manfred seit 13 Jahren. Herman und Gerhard haben es geschafft, trotz der Scheidung der gute Vater zu bleiben, der sie vorher schon waren. Manfred meinte sogar, dass er durch die Scheidung erst zu einem wirklich guten Vater geworden sei, weil er dadurch darüber nachdachte, was genau denn einen guten Vater auszeichnet.
In diesem Buch erfahren Sie, wie auch Sie es schaffen können, ein guter Vater zu sein – trotz Trennung. Sie lernen alle dazu notwendigen Schritte kennen.
Herman, Gerhard und Manfred erkannten – das ist der erste Schritt –, wie wichtig der Vater für seine Kinder ist. Und ihnen wurde bewusst, wie sehr sie als Vater ihre Kinder brauchen. Manfred und Herman erhielten während der schwierigen Zeit der Trennung den guten Kontakt zu ihren Kindern. Gerhard nahm nach einer viermonatigen Unterbrechung, in der er eine psychische Krise durchmachte, wieder Verbindung zu seinen Kindern auf und baute auf diese Art erneut eine gute Beziehung zu ihnen auf. So konnte bei allen dreien die Vater-Kind-Bindung bestehen bleiben und sich sogar noch vertiefen.
Die drei Männer achteten darauf – das ist der zweite Schritt –, dass die Trennung der Eltern ihre Kinder so wenig wie möglich beeinträchtigte. Alle drei nahmen die Reaktionen der Kinder auf die Trennung ernst. Als Silvia immer trauriger wurde und in der Schule nicht mehr mitkam, führte Manfred lange Gespräche mit ihr und zog auch eine Psychotherapeutin hinzu. Alle drei Väter setzten sich mit den Reaktionen ihrer Kinder nach der Scheidung auseinander, und so konnten ihre Kinder sich gut neu orientieren.
Der dritte Schritt: Herman, Gerhard und Manfred wurden mit der Scheidung fertig. Alle drei Väter stellten sich der Trennung, auch wenn Manfred seine erst nach einem halben Jahr wirklich akzeptierte. Alle drei sind zu der Einsicht gelangt, dass für eine Trennung letztlich immer Mann und Frau verantwortlich sind. Manfred, Gerhard und Herman arbeiteten hart an sich und setzten sich mit den negativen Gefühlen auseinander, die eine Trennung begleiten. Sie konnten um den Verlust ihrer Liebesbeziehungen trauern, irgendwann ihrer Exfrau verzeihen und auch sie um Verzeihung bitten. So konnten sie sich mit der Zeit, die sie mit ihrer Exfrau gemeinsam verbracht hatten, versöhnen. Auf diese Art haben sie ihre Trennung verarbeitet und mussten den Scheidungskonflikt nicht über ihre Kinder austragen.
Alle drei erkannten – das ist der vierte Schritt –, warum sie auch nach der Scheidung für ihr Kind wichtig sind. Auch wenn ihre Liebesbeziehungen beendet sind, so bilden sie doch mit der Mutter ihrer Kinder ein gutes elterliches Team. Darin besteht der fünfte Schritt. Sie können innerlich sehr gut trennen zwischen der Beziehung als Eltern und zwischen der vergangenen Liebesbeziehung mit ihrer Exfrau. So können die drei ihren Kindern – das ist der sechste Schritt – das geben, was diese von ihnen als Vater brauchen.
Manfred und Herman haben eine neue Partnerin. Gerhard fühlt sich noch nicht bereit dafür. Manfred und Herman haben ihre Partnerinnen bei den Kindern gut eingeführt und ihnen Zeit gelassen, sich auf diese neue Situation einzustellen. Das ist der siebte Schritt. Beide verbringen trotz ihrer neuen Partnerin viel Zeit allein mit den Kindern.
Diese sieben Schritte entsprechen dem Aufbau und den Kapiteln dieses Buches. Wenn Sie sie gehen, wird es auch Ihnen gelingen, nach der Trennung ein guter Vater zu sein. Ich leite Sie zu jedem einzelnen Schritt an und begleite Sie dabei. So müssen Sie diesen nicht immer leichten Weg nicht allein gehen.
Veränderung mithilfe von Büchern geschieht durch die Begegnung mit sich selbst, durch innere Auseinandersetzung, Nachdenken, Verarbeiten und Neuorientierung. Wenn Sie sich mit mir in den folgenden Kapiteln auf diese innere Reise begeben, können Sie folgenden Nutzen daraus ziehen:
Sie erkennen Ihre eigene Bedeutung als Vater und bleiben dadurch Ihrem Kind als Vater erhalten – auch nach der Trennung. Sie werden in Ihrer Rolle als Vater sicherer und können sich wehren, wenn andere Sie aus der Erziehung Ihres Kindes hinausdrängen wollen. Kinder brauchen Vater und Mutter für eine gute Entwicklung.
Durch dieses Buch werden Sie lernen, wie Sie mit den Reaktionen Ihres Kindes nach der Scheidung gut umgehen können – auch wenn Ihr Kind wütend ist, klammert oder psychosomatische Beschwerden entwickelt. Sie können Ihrem Kind dann helfen, die schwierige Zeit, in der sich seine Eltern trennen, gut zu überstehen. Wenn Sie wissen, was Ihr Kind nach der Scheidung braucht, können Sie als Vater auch dazu in passender Weise beitragen.
Sie erfahren, wie Sie sich Schritt für Schritt von den negativen Folgen der Scheidung befreien können. Dadurch stehen Sie Ihrem Kind schnell wieder als Vater zur Verfügung und können sich anderen wichtigen Dingen in Ihrem Leben erneut zuwenden. Sie entwickeln nicht nur eine Basis, um mit Ihrer Exfrau ein gutes elterliches Team zu bilden, sondern sind in absehbarer Zeit auch wieder bereit, eine neue Liebesbeziehung einzugehen.
Sie können verinnerlichen, warum Sie für Ihr Kind auch nach der Scheidung wichtig sind, und geeignete Strategien entwickeln, um in der neuen Situation ein guter Vater zu sein. Auch wenn Sie die Beziehung zu Ihrem Kind unterbrochen haben, finden Sie neue Wege, um den Kontakt zu Ihrem Kind wieder aufzunehmen und mit ihm eine gute Vater-Kind-Beziehung zu leben.
Sie lernen, wie Sie mit Ihrer Ex-Frau ein gutes elterliches Team bilden können. So ermöglichen Sie es Ihrem Kind, auch nach der Trennung seiner Eltern, sich gut zu entwickeln und gut ins Leben zu gehen.
Sie werden erfahren, was einen guten Vater ausmacht. Dadurch bekommen Sie eine klare Rückmeldung, was Sie im Umgang mit Ihrem Kind bereits gut machen und was Ihnen noch fehlt. So können Sie neue Wege finden, wie Sie mit Ihrem Kind reden und leben müssen, damit es Sie als guten Vater erlebt. Dieses Buch bietet Ihnen die Gelegenheit, Ihre Stärken als Vater zu erfahren, aber auch Ihre Schwächen. Dadurch können Sie Ihre Stärken ausbauen und Ihre Schwächen verringern.
Ich zeige Ihnen, wie Sie eine neue Partnerin bei Ihrem Kind einführen müssen, ohne dass es sich zerrissen fühlt und es ihm wieder schlechter geht. So lernen Sie die Gefahren zu meiden, die entstehen, wenn Sie Ihr Kind auf einem falschen Weg mit Ihrer neuen Partnerin konfrontieren.
Damit Sie diese Erkenntnisse jeweils sofort umsetzen können, gibt es in jedem Kapitel Fragen oder Tipps für Sie. Wenn Sie die Fragen in Ruhe für sich beantworten, entwickeln Sie ganz klare Schritte, wie Sie das Gelesene anwenden können, damit Ihnen der hier beschriebene Nutzen zukommt. Wenn Sie die Tipps beherzigen, kommen Sie Ihrem Ziel näher, Ihrem Kind ein guter Vater zu sein.
Ich empfehle Ihnen, für dieses Buch ein eigenes Notizbuch oder eine eigene Datei im Computer anzulegen. So geht Ihnen bei dieser wichtigen Arbeit nichts verloren und Sie können jederzeit auf Ihre Lernerfahrungen zurückgreifen, wenn sich wieder alte Sichtweisen und Gewohnheiten einschleichen.
Verlieren Sie nicht den Mut, wenn Sie nicht sofort alles umsetzen oder erreichen können. Solange Sie dranbleiben und sich bemühen, arbeitet die Zeit für Sie, denn aus der Sicht Ihres Kindes werden Sie umso wichtiger, je älter es wird. Der beschriebene Weg soll Ihnen die Richtung zeigen.
Dieses Buch basiert zum Teil auf der von mir geleiteten Studie „Lebenswelten Vater-Kind, positive Väterlichkeit und männliche Identität“, herausgegeben von der Männerpolitischen Grundsatzabteilung des Österreichischen Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz. Um eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten, habe ich im Fließtext auf Zitate verzichtet. Im Anhang habe ich für Sie eine kommentierte Literaturliste zusammengestellt.
Für die Kinder spielt es keine große Rolle, ob ihre getrennten Eltern verheiratet waren oder nicht. Aus diesem Grund haben die Begriffe „Scheidung“ oder „Trennung“ in diesem Buch die gleiche Bedeutung.
Mit dem Kauf dieses Buches haben Sie einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem guten Vater für Ihr Kind gemacht. Das ist nach einer Trennung keine leichte Sache. Doch Vater zu sein lohnt sich. Vater zu sein ist ein wichtiger Baustein in Ihrem Lebenssinn. Vielleicht ist Vater sein heute sogar das letzte Abenteuer. Packen Sie es an!
Willi ist ein neun Monate altes Baby. Er ist gerne bei seiner Mutter Julia. Sie riecht gut und Willi schmust gerne mit ihr. Er liegt auch gerne auf dem Bauch seiner Mutter und lässt sich gerne von ihr tragen. Er freut sich, wenn er an Julias Brust trinken darf. Mit ihr ist Willi ein Herz und eine Seele. Manchmal, wenn Willi und Julia so innig miteinander sind, kommt sein Vater Lukas dazu und es gefällt ihm, dass es den beiden so gut miteinander geht. Auch Julia hat es gerne, wenn Lukas dazukommt. Es tut ihr gut, jemand schützend im Rücken zu haben. Wenn Julia müde ist oder sich gerade nicht gut auf Willi einstellen kann, ist sie bisweilen ganz froh, ihn Lukas überlassen zu können.
Bei seinem Vater ist Willi auch sehr gerne. Er riecht anders, aber auch gut. Er spricht tiefer als seine Mutter, doch das gefällt ihm ebenso. Willi und Lukas können stundenlang miteinander sein. Julia freut sich sehr, dass sich Vater und Sohn so gut verstehen und sie sich zwischendurch einmal um sich selbst oder um andere Dinge kümmern kann. Manchmal hebt Willis Vater ihn ganz hoch, das gefällt Willi. Er jauchzt dann. Weil Julia Lukas vertraut und weil sie an den Reaktionen von Willi merkt, dass er das Hochheben sehr gerne hat, zeigt sie ihre Angst nicht. So kann Willi es genießen. Der Vater macht gerne wildere Sachen mit seinem Sohn. Meist gefällt Willi das, wenn es ihm jedoch zu viel wird, weint er kurz. Lukas kann sich gut auf Willi einstellen und schaltet einen Gang zurück, wenn er merkt, dass sein Sohn genug hat. Willi beruhigt sich dann sehr schnell. Auch Lukas hat es gerne, wenn Julia mit dabei ist. Manchmal ist er auch froh, seinen Sohn wieder zu Julia geben zu können.
Willi mag es auch, wenn sich Mutter und Vater gleichzeitig um ihn kümmern, wenn sie mit ihm spielen, ihn streicheln, mit ihm sind. Er kann gut zwischen Mutter und Vater hin- und hersehen. Einmal lacht er den Vater an, dann wieder die Mutter. Wenn es ihm nicht so gut geht, schreit er zu beiden hin. Willi genießt das Zusammensein mit Mutter und Vater, vor allem dann, wenn sich die beiden gut verstehen. Wenn Lukas und Julia streiten, ist es Willi nicht geheuer. Meistens weint er dann.
Wenn Willi satt und zufrieden ist, kann er auch einfach daliegen und bekommt mit, wie Mutter und Vater miteinander sind. Fühlt sich Willi dann zu wenig beachtet, meldet er sich und meist wendet sich Mutter oder Vater ihm ganz schnell zu.
Sie sehen: Das ländläufige Vorurteil „Kinder brauchen nur die Mutter, auf den Vater kann verzichtet werden“ stimmt nicht. Wenn Sie die Bedürfnisse des Kindes betrachten – hier am Beispiel von Willi –, kommen Sie zu diesem Schluss: Bereits für Ihr Baby sind Sie als Vater sehr wichtig! Das Kind entwickelt sich nicht nur in der Zweierbeziehung Mutter-Kind, sondern vor allem im Beziehungsdreieck Vater-Mutter-Kind. Das haben Familienforschungen bewiesen.
Nur in diesem Beziehungsdreieck kann das Kind wirklich erfahren, wie es mit sich und der Welt gut zurechtkommt. Es kann lernen, wie es seine Gefühle wie Wut und Ärger in den Griff bekommt. Es lernt Wege kennen, auf andere Menschen zuzugehen. Schon Babys können sehr früh zwischen Vater und Mutter unterscheiden und sich bei beiden wohlfühlen. Die Vielfalt des menschlichen Seins wird erst – auch für Ihr Kind – in diesem Beziehungsdreieck Vater-Mutter-Kind erlebbar, erfahrbar und auch erlernbar.
Wie Sie schon am Beispiel von Willi gelesen haben, gibt es vier mögliche Positionen innerhalb des Dreiecks Vater-Mutter-Kind:
Das Kind ist mit der Mutter, der Vater kann wohlwollend der Mutter den Rücken stärken. Das Kind ist mit dem Vater, die Mutter kann wohlwollend dem Vater den Rücken stärken. Kind, Mutter und Vater sind zu dritt, sie haben Spaß miteinander. Vater und Mutter sind miteinander und das Kind beobachtet die zwei.Für Sie als Vater ist wichtig zu wissen, dass durch das Dreieck Vater-Mutter-Kind das Kind nicht nur von einer Person abhängig ist. Wenn Willi mit der Mutter oder mit dem Vater ist, kann er es genießen, dass noch eine wohlwollende dritte Person anwesend ist. Willi spürt die Anwesenheit dieses Menschen und das gibt ihm ein starkes Vertrauen, auch sich selbst gegenüber. Er lernt innig mit der Mutter zu sein, aber auch sich von ihr zu lösen und sich auf den Vater einzulassen. Dadurch ist es ihm schon sehr früh möglich, sich lustvoll auf verschiedene Menschen einzustellen und die Perspektive zu wechseln. Diese Fähigkeit wird ihm später von großem Nutzen sein. Er kann dann locker und angstfrei auf unterschiedliche Menschen zugehen. Es ist ihm aber auch möglich, sich wieder zu lösen und auf jemand anders erneut zuzugehen. Das klingt so einfach, doch das ist das, was eine gelungene Kommunikation ausmacht.
Durch das Beisammensein zu dritt lernt Willi früh, gleichzeitig mit zwei Menschen zusammen zu sein. So wird der Grundpfeiler für Willis Gruppenfähigkeit gelegt. Darauf muss er spätestens im Kindergarten zurückgreifen. Sie als Vater legen zusammen mit Ihrer Expartnerin die Basis dafür, wie Ihr Kind in Gruppen zurechtkommt, ob es gut integriert ist oder ob es durch sein Verhalten zum Außenseiter wird.
Durch das Beobachten, wie Vater und Mutter miteinander umgehen, lernt Willi früh Modelle kennen, wie gute Kommunikation zwischen Menschen aussehen kann. Auch Ihr Kind verinnerlicht Möglichkeiten, wie Mann und Frau miteinander umgehen, wenn es Sie als Vater im Kontakt mit Ihrer Exfrau als Mutter wahrnimmt.
Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Willi hätte nur die Mutter. Es gäbe keinen Dritten, der ihn einmal aus den Armen der Mutter nehmen kann. Es wäre kein Dritter da, wenn die Mutter müde ist und keine Lust hat, sich mit dem Kind abzugeben. Willi könnte nicht erfahren, wie es zu dritt ist, und würde nicht erleben, wie Mann und Frau miteinander umgehen. Ein sinnärmeres Leben wäre das für Willi. Auch für Ihr Kind wäre es schlimm, wenn es nur noch eine Beziehung zu einem Elternteil hätte.
So wie Willi Mutter und Vater erlebt, baut er zu beiden Vertrauen, eine gute Beziehung und eine gute Bindung auf. Diese Fundamente werden ihn tragen, wenn er schrittweise unabhängiger wird und in die Welt hinausgeht. Auch für Ihr Kind gilt: Je länger dieses Beziehungsdreieck zwischen Vater, Mutter und Kind funktioniert, umso besser entwickelt sich Ihr Kind. Wie Sie es erhalten können, auch wenn Sie geschieden sind, erfahren Sie in Kapitel 5.
Ein Kind braucht also Mutter und Vater, gut ist aber auch, wenn die beiden unterschiedlich sind.
Willi ist jetzt dreieinhalb Jahre alt. Er hat sich gut entwickelt. Er liebt es, mit seinem Vater auf dem Spielplatz herumzutollen, auf der Schaukel ganz hoch zu schwingen. Er weiß jetzt schon, dass seine Mutter dabei manchmal wegschauen muss. Verschwörerisch winkt er dem Vater zu und ruft „Schneller!“, dabei meint er höher, aber er ist ja auch erst dreieinhalb.
Für Willi und auch Ihr Kind ist es am günstigsten – das haben fundierte Familienforschungen gezeigt –, wenn die Erziehungsfunktion des Vaters einerseits ausreichend vorhanden ist und sich andererseits von der der Mutter unterscheidet – im Gegensatz zu Familien, in denen der Vater wenig beteiligt ist oder Vater und Mutter sich in der Erziehung wenig unterscheiden.
Vorteile für das Kind durch unterschiedliche Erziehung von Vater und Mutter
Kinder, die dieses Glück haben,
sind in den Kindergartengruppen am besten integriert, sind in ihrem Sozialverhalten erheblich weiter entwickelt (weni- ger Einzelaktionen und mehr gemeinsames Spiel), sind anderen gegenüber sehr viel offener (mehr soziale Kontakte, gliedern sich besser ein und handeln uneigennütziger), lösen Konflikte besser (eher durch Worte als durch Handgreiflichkeiten), sind selbstsicherer.Willi beginnt sich mit dreieinhalb Jahren langsam von seinen Eltern zu lösen und erfährt sich zum ersten Mal als eigenständiges Wesen. Dabei wird er mit einer zunächst fremden Umwelt konfrontiert, die ganz neue Anforderungen an ihn stellt. Diese neue Umwelt ist nicht immer freundlich, sondern mit allerlei Bedrohungen und Gefahren verbunden. Damit Ihr Kind, wenn es so alt ist wie Willi jetzt, die dabei entstehenden Ängste und Gefahren bewältigen kann, ist es weiterhin auf Schutz und Hilfe durch Sie als Eltern angewiesen. Die Lebensaufgabe Ihres Kindes in dieser Zeit besteht darin, die Umwelt aktiv zu erforschen, sich in ihr zu orientieren und zu behaupten. Das dazu notwendige Selbstwertgefühl können nur die Eltern, Sie als Vater und Ihre Expartnerin als Mutter, Ihrem Kind durch Ermutigung und Förderung vermitteln. Das Selbstvertrauen bei diesen elementaren Schritten der Umwelteroberung entscheidet darüber, wie Ihr Kind mit späteren Lebensaufgaben umgehen kann.
Bei diesem Kennenlernen der Welt spielen Sie als Vater eine entscheidende Rolle. Anders als Ihre Expartnerin, die Ihrem Kind hauptsächlich durch ihre Emotionalität und durch sprachliche Kommunikation den notwendigen Rückhalt gibt, vermitteln Sie als Vater ihm die Umwelt durch aktive Konfrontation. Sie sind für Ihr Kind das Tor zur Welt! Psychologisch ist es ideal – so wie bei Willi –, wenn Ihre gemeinsamen elterlichen Beziehungsangebote und Erziehungsstile sich ergänzen. Denn so kann Willi – genau wie Ihr Kind – verschiedene Gefühle, verschiedene Arten des gemeinsamen Seins und auch unterschiedliche Möglichkeiten des Denkens erfahren und verinnerlichen. Auf diese unterschiedlichen Qualitäten kann das Kind später im Leben zurückgreifen.
Sie als Vater helfen Ihrem Kind auch, seine Aggressionen in konstruktive Bahnen zu lenken. Sie dienen ihm dabei als Vorbild. Ab dem dritten Lebensjahr wachsen durch die Ausreifung des Muskelapparates die motorischen Fähigkeiten des Kindes sprunghaft an. Die Motorik gilt als Träger der Aggression. Ob diese sich konstruktiv auf die Erreichung nützlicher und erlaubter Ziele richtet oder destruktiv in Erscheinung tritt, hängt von der Art und Weise ab, wie das Kind lernt, mit aggressiver Energie umzugehen. Sie als Vater bringen durch die von Ihnen bevorzugten körperlichen Spiele wie Toben und Raufen Ihr Kind zu einer Auseinandersetzung mit seinen Aggressionen. Auch Willi liebt dieses Kräftemessen mit dem Vater. Mit vier Jahren nimmt er den Vater schon hin und wieder in den Schwitzkasten. Aber leider ist der Papa immer noch stärker. So spornt der Vater die motorischen Fähigkeiten des Kindes an und vermittelt ihm gleichzeitig durch feste Regeln einen kontrollierten Umgang mit seinen Aggressionen. Wenn es Ihnen als Vater gelingt, sich dabei in Ihr Kleinkind einzufühlen und die wachsenden Fähigkeiten Ihres Kindes anzuerkennen, kann es Sie als gutes Vorbild verinnerlichen. Auf diese Art und Weise werden Sie eine moralische Instanz und als solche im Gewissen Ihres Kindes verankert. So entwickelt es Möglichkeiten, mit seinen Aggressionen konstruktiv umzugehen.
Eine wichtige Rolle übernehmen Sie als Mittler zwischen Kindheit und Jugend. Die Pubertät ist für den Jugendlichen eine Zeit der Orientierungslosigkeit, der Unruhe, der Krise und des Aufbruchs. Wenn Sie Vater eines Jungen sind und Ihr Sohn ins jugendliche Alter kommt, kann er sich nur dann gut zum Erwachsenen entwickeln, wenn er die Zerreißprobe besteht, die aus den widersprüchlichen Wünschen in ihm entsteht, sich einerseits mit Ihnen als Vater zu identifizieren und andererseits seinem Willen nach einem unabhängigen Leben freien Lauf zu lassen. Diesen inneren Konflikt kann Ihr jugendlicher Sohn nur durch den Kampf mit Ihnen als Vater lösen. Sie müssen sich diesem Kampf stellen. So erfährt Ihr Sohn, dass er Ihnen als Vater wichtig ist, und er erlebt den Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen in einem Tempo, das er bewältigen kann. Die meisten Jugendliche kommen in eine Krise, wenn sie versuchen, von heute auf morgen erwachsen zu werden, und der Vater –zusammen mit der Mutter – keine Verlangsamung herbeiführt. Bei diesem Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen geht es für Ihren Sohn darum, seine Liebes- und Lebenspartnerin zu finden und eine klare Orientierung im Beruf zu entwickeln.
Sind Sie der Vater eines jugendlichen Mädchens, sieht es anders aus. Die Beziehung zu Ihnen als Vater entscheidet für Ihre Tochter, welches Männerbild sie verinnerlichen kann. So wie Ihre Tochter Sie im Kontakt und in der Beziehung erlebt, ob und wie sie Wertschätzung erfährt, wie sie Ihre Stärke erlebt und wie sie sich an Ihnen reiben kann, so entwickelt sie Möglichkeiten, wie sie mit anderen Männern kommunizieren und umgehen kann. Nur wenn sie ein positives Männerbild verinnerlichen konnte, ist es ihr als junge Frau möglich, den Schritt aus der Familie und weg von Ihnen als Vater zu planen. Wenn Sie als Vater Ihre Tochter in Ihrer weiblichen Identität bestätigen, wird sie als Erwachsene über eine angstfreie Sexualität und über ein stabiles Frauenbild in sich verfügen.
Kennen Sie das Lied „Männer“ von Herbert Grönemeyer? Darin heißt es „Männer sind einfach unersetzlich“. Das kann man auch auf Väter übertragen.
Warum ist das so?
Sie als Vater sind neben der Mutter die früheste und lebenswichtigste Bezugsperson Ihres Kindes. Sie repräsentieren Schutz und Sicherheit gegenüber den Bedrohungen der Außenwelt. Sie bieten Ihrem Kind Orientierung bei seinem Lebensentwurf und seiner Lebensplanung an. Wenn Ihr Kind – egal ob Mädchen oder Junge – sich mit Ihnen als Vater identifiziert und Sie als ein gutes Vaterbild verinnerlicht, ist es ihm möglich, sich selbst zu behaupten und ein gutes Selbstbewusstsein zu entwickeln.Fazit:
Wenn Sie als Vater Ihr Kind bestätigen, es fördern, sich um Ihr Kind kümmern und sich auch manchmal um es sorgen, kann es einen guten Selbstwert entwickeln. Unterlassen Sie das, kann die Selbstverwirklichung Ihres Kindes nicht gelingen. Kinder, die ihren Vater entbehren müssen, zeigen häufiger ein niedrigeres schulisches Leistungsniveau, können sich später schwieriger an berufliche Anforderungen anpassen und haben größere Schwierigkeiten, sich in Beziehungen mit dem anderen Geschlecht zurechtzufinden, als Kinder, die auf einen verlässlichen Vater zurückgreifen können – auch wenn die Eltern sich getrennt haben.
Sie und Ihre Expartnerin bilden als Vater und als Mutter den Boden, damit Ihr Kind sich entwickeln kann. So wird es gemeinschaftsfähig und lernt auch für sich zu sein. So kann es als Jugendlicher und später dann als Erwachsener ein Gleichgewicht finden, um mit sich und mit den Mitmenschen gut zu leben.
Bitte beachten Sie auch, dass vor allem bei einer Scheidung das Kind nicht nur den Vater, sondern oft auch andere Verwandte und Freunde der väterlichen Seite zu verlieren droht, zum Beispiel Großeltern, Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen. Häufig ist mit dem Verlust des Vaters auch ein Wechsel des Wohnortes, der Schule und des Freundeskreises verbunden. Sowohl mit dem Verlust von vertrauten Menschen als auch mit dem Wegfall von vertrauter Umgebung vergrößert sich für das Kind das Trauma der Vaterentbehrung. Der Verlust des Vaters belastet die Kinder stärker als der elterliche Nachscheidungskonflikt. Bleiben Sie bei Ihrem Kind, bei Ihren Kindern!
„Männer denken nur an das eine und kümmern sich nicht um die Konsequenzen“, bricht es aus der 35-jährigen Tamara heraus. Sie ist Mutter eines neunjährigen Sohnes und befindet sich gerade in einem erbitterten Scheidungskampf mit ihrem Noch-Ehemann.
Betrachtet man die Urgeschichte des Mannseins, hat Tamara damit nicht Unrecht. Ursprünglich – vor vielen tausend Jahren – ging es hauptsächlich um die Arterhaltung. In dieser Zeit versuchten die Männer so viele Nachkommen wie möglich zu zeugen, mit verschiedenen Frauen, während die Frauen versuchten, ihre Kinder so gut wie möglich aufzuziehen. Dabei waren sie meist auf sich allein gestellt. Nennen wir dies „Arterhaltung erster Ordnung“.
Die Männer zogen jagend umher. Eines Tages entschied sich ein Mann, zu einer bestimmten Frau zurückzukehren. Mit der Rückkehr zu einer festen Partnerin begann der Mann jene Verbindung zu seinen Kindern aufzubauen, die in der Natur bisher nicht vorgesehen war. Der soziale Vater wurde geboren – ein wichtiger Schritt von der biologischen zur sozialen Elternschaft. Nennen wir dies „Arterhaltung zweiter Ordnung“.
Die Mutterschaft ist sehr stark biologisch begründet. Vaterschaft dagegen ist eine soziale Erfindung und dadurch viel anfälliger als die Mutterschaft. Es gibt Männer, die die Arterhaltung zweiter Ordnung und damit auch die soziale Vaterschaft nicht erreichen oder die nach einem kurzen Intermezzo bei der Arterhaltung zweiter Ordnung auf die Arterhaltung erster Ordnung zurückfallen. Diese Männer sind ständig auf der Jagd nach möglichst vielen Frauen. Doch daraus ein Allgemeingut zu machen würde einem Großteil der Väter nicht gerecht.
Das kann auch Tamara nachvollziehen. Wenn sie ihren Groll auf ihren Noch-Ehemann einmal ein Stück auf die Seite stellt, kann sie viele gute väterliche Eigenschaften an ihm erkennen. „Er kann richtig gut mit Raphael spielen. Sein Sohn holt sich auch gerne bei ihm Rat, wenn es darum geht, wie er sich mit anderen Jungs verhalten soll“, meint sie.
Von der Urzeit bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts haben Väter den Schritt vom biologischen Erzeuger zu einem Vater gemacht, der für die Familie materiell sorgte und innerhalb der Familie für Zucht und Ordnung zuständig war. In dieser Form der Vaterschaft bestand bereits eine emotionale Bindung zwischen Vater und Kind, auch wenn diese meist nicht öffentlich zur Schau gestellt wurde.
Die heutigen Väter sind noch einen Schritt weiter gegangen. In den letzten fünf Jahrzehnten hat sich für einen großen Teil der Väter im gefühlsmäßigen, emotionalen Bereich vieles verändert. Der Kontakt zu den Kindern ist liebevoller, fürsorglicher und zugewandter geworden, dies wird auch öffentlich gezeigt. Durch Forschungen wurde belegt: Wenn man Männer nicht mit Frauen, sondern mit Männern aus den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts vergleicht, haben sich Männer innerhalb des Dreiecks Vater-Mutter-Kind am stärksten verändert. Diese Veränderungen vollzogen sich vor allem in drei Bereichen: Beziehung zum Kind, Entscheidungen in der Familie und Einstellung zu Frauen.
Im Falle einer Scheidung oder Trennung kann es sein, dass Ihre Exfrau versucht, Sie als Vater – meist unbewusst und aus der Verletztheit durch die Scheidung heraus – wieder nur in die Rolle des biologischen Erzeugers, also in die Arterhaltung erster Ordnung, zurückzudrängen. Plötzlich wird Ihre gute väterliche Art, mit den Kindern umzugehen, Ihre gefühlvolle und dem Kind zugewandte Haltung nicht mehr gesehen und schon gar nicht gewürdigt. Für Väter ist es schrecklich, wenn die zum Kind aufgebaute Beziehung und Bindung durch die Scheidung gefährdet wird. Dies geschieht zum Schaden der Kinder, des Vaters und letztlich auch der Mutter. Wir Männer haben viele Generationen gebraucht, um in dieser dem Kind zugewandten Form des Vaterseins einen Lebenssinn zu finden. Lassen Sie sich diesen Lebenssinn nicht nehmen, nur weil die Beziehung zu Ihrer Ehefrau nicht mehr funktioniert!
Für viele Männer ist Vatersein ein Lebenssinn, der auch dann eine große Bedeutung hat, wenn es darum geht, Bilanz zu ziehen. So hieß es in einem Artikel der Salzburger Nachrichten – einer unabhängigen österreichischen Tageszeitung – im Sommer 2007:
„Kommende Woche ist es so weit – Freunde werden sagen: ‚Alles Gute‘, auch ‚Lass dir keine grauen Haare wachsen (ist schon passiert), der Fünfziger tut nicht weh‘. Erinnerungen werden wach, schöne und weniger schöne. Eine Analyse nach 50 Jahren ist unausweichlich: Was hat man falsch gemacht? Man blättert in Alben und findet vergilbtes Papier. ‚Mein Papa ist der netteste auf der Welt‘ steht oben. Geschrieben vom mittlerweile erwachsenen Sohn, als dieser die Volksschulbank drückte. Die Zeilen sind Balsam. ‚Ich habe ihn lieb, er hilft mir in der Schule und bei Problemen‘ steht da. Das ist lange her. Und wenn ein Sohn eine solche Meinung bis heute nicht geändert hat, ist dies das schönste Geschenk.“
An dieser Stelle ist es auch für Sie einmal gut, Bilanz zu ziehen, wo Sie mit Ihrem Kind stehen. Erstens ist das Ihr Startpunkt, von dem aus Sie die Beziehung zu Ihrem Kind, mithilfe dieses Buches, wieder neu aufbauen können. Zweitens bekommen Sie ein Gefühl dafür, auf welchem väterlichen Boden Sie mit Ihrem Kind nicht nur zurzeit stehen, sondern was Sie mit ihm bereits erlebt haben, auf welche gemeinsame Geschichte Sie zurückgreifen können. Drittens könnte es sein, dass Sie – wie viele Väter nach der Scheidung – die Tendenz haben, alles, was mit Ihrer Exfrau zu tun hat, sehr negativ und nur in dunklen Grautönen zu sehen. Manchmal übertragen Väter diese Sichtweise auch auf Ihre Kinder. Dann ist es für Sie als Vater hilfreich, sich auch an die schönen Seiten zu erinnern und die gute Qualität Ihrer väterlichen Beziehung zu Ihrem Kind wieder zu spüren.
Ich empfehle Ihnen, im ersten Durchgang der folgenden Übung nach jedem Fragenkomplex die Augen zu schließen und Bilder von dieser gemeinsamen Zeit kommen zu lassen. Wenn es schöne sind, genießen Sie sie. Sollte sich der Grauschleier der Scheidung über die Bilder mit Ihrem Kind gelegt haben, ziehen Sie in Gedanken diesen Grauschleier zur Seite und konzentrieren Sie sich einmal nur auf Ihr Kind.
Ich bitte Sie, im zweiten Durchgang die wichtigsten Antworten schriftlich festzuhalten. Auf diese Aufzeichnungen können Sie immer dann zurückgreifen, wenn Sie an Ihrem Vatersein zweifeln und wieder die Tendenz spüren, alles, was mit Ihrer Exfrau zu tun hat, schwarz zu sehen. Diese Aufzeichnungen können Ihnen auch dann sehr gut nützen, wenn Sie einmal nicht sicher sind, ob es gut und wichtig ist, für eine gemeinsame Zeit mit Ihrem Kind zu kämpfen. Diese wichtigen Momente mit Ihrem Kind können Ihnen ein Wegweiser sein, wenn es darum geht, mit ihm eine neue gemeinsame Zeit zu gestalten. Vor allem in schwierigen Zeiten mit Ihrem Kind ist es gut, auf schöne Momente blicken zu können.
Um Ihre Bindung zu Ihrem Kind, zu Ihren Kindern zu reflektieren, lade ich Sie ein, folgende Übung zu machen:
Versuchen Sie sich zu vergegenwärtigen, wie Sie die folgenden Zeiten erlebt haben.
Können Sie sich an den ersten Gedankenaustausch mit Ihrer Exfrau erinnern, bei dem Sie zum ersten Mal darüber redeten, wie es wäre, ein gemeinsames Kind zu haben? Wie war das damals, geschah es bei einem gemeinsamen Abendessen, bei einem Spaziergang? Wie ging es Ihnen dabei? Wie war es damals für Sie, als Sie erfahren haben, dass Ihre Frau – und damit auch ein Stück weit Sie – schwanger sind? War Ihr Kind geplant, war es ein „Unfall“? Wie sahen Ihre ersten Reaktionen aus? Wie erlebten Sie die Geburt Ihres Kindes? Bekam Ihre Exfrau Ihr Kind im Krankenhaus oder zuhause? Wie war die Fahrt zum Krankenhaus? Waren Sie als Vater bei der Geburt dabei? Wie war das Gefühl, Vater eines neugeborenen Kindes zu sein? Wie war die erste Zeit zu dritt mit Ihrem Kind? Wie ging es Ihnen mit dieser Umstellung vom Mann zum Vater? In welcher Form beteiligten Sie sich an der Pflege Ihres Kindes? Fütterten und wickelten Sie es? Gingen Sie mit Ihrem Kind anders um als Ihre Exfrau? Hielten Sie es einmal oder immer wieder voller Stolz hoch und zeigten es anderen Menschen? Wie war das für Sie, als Ihr Kind zum ersten Mal „Papa“ zu Ihnen sagte? Was haben Sie empfunden, als Ihr Kind seinen ersten Schritt tat? Bei welcher Gelegenheit war das? Wohin ging Ihr Kind dabei? Wie war Ihr Gefühl, als Ihr Kind zum ersten Mal auf Sie zuging? Was unternahmen Sie mit Ihrem Kind? Gemeinsames Spielen, Vorlesen am Abend, Spielplatz, Baumhaus bauen, Abenteuer? Wie erlebten Sie mit Ihrem Kind seine Geburtstage und gemeinsame Feiertage wie Weihnachten, Neujahr, Ostern, Frühlingsanfang und vieles mehr? Wie erlebten Sie den ersten Kindergartentag mit Ihrem Kind? Können Sie sich daran erinnern, als Ihr Kind seinen ersten Milchzahn verlor? Wie war es für Sie, als Ihr Kind den ersten Tag in die Schule ging? Wer von Ihnen beiden war aufgeregter? Wie ging es Ihnen bei dem Gedanken, dass Ihr Kind immer unabhängiger wird? Wie erging es Ihnen als Vater, als Ihr Kind krank war? An welche Krankheiten können Sie sich erinnern? Mumps, Masern, Windpocken? Hatte Ihr Kind auch andere Krisen? Musste es einmal operiert werden? Wie unterstützten Sie als Vater Ihr Kind in diesen Krisen? Bei welchen Gelegenheiten hatten Ihr Kind und Sie miteinander Streit und Auseinandersetzungen? Konnten Sie gut miteinander streiten? Wie versöhnten Sie sich dann wieder? Was waren besonders glückliche und schöne Augenblicke mit Ihrem Kind? Woran können Sie sich erinnern? Ihr Kind zum ersten Mal im Arm zu halten? Sein Wachsen und Größerwerden mitzuerleben? Szenen auf dem Spielplatz, im Bad, auch mit Ihrer Exfrau gemeinsam? Wenn Ihr Kind etwas Besonderes geleistet hat, im Fußball ein Tor geschossen, im Turnverein geglänzt, etwas vorgesungen und vieles mehr? Genießen Sie diese glücklichen Augenblicke!Wenn Vatersein für Sie ein Lebenssinn geworden ist, dann brauchen auch Sie Ihr Kind. Natürlich ist es ein anderes Brauchen als das Ihres Kindes. Wenn ein Vater sein Kind einmal in sein Herz geschlossen hat, dann kann es dort nicht mehr herausgerissen werden, ohne tiefe emotionale Wunden zu hinterlassen. Die Bindung des Vaters an das Kind ist eine psychische Realität, deren Vernichtung zu unterschiedlichen negativen Auswirkungen für alle Beteiligten führt. Nehmen Sie diese Realität ernst. Väter wollen miterleben, wie ihre Kinder groß werden. Vatersein ist Lebenssinn!
Gerhard – Sie kennen ihn bereits aus dem Auftakt – erzählt:
„In meiner Lebenskrise, in der ich auch beim Psychotherapeuten war, ist mir klar geworden, wie wichtig dieKinder für mich sind, und dann habe ich zu kämpfen begonnen. Ich bin zu meinen Kindern gegangen, habe mit ihnen geredet. Ich bin für mich eingestanden und habe gesagt: ‚Ich bin jetzt wieder für euch da. Jetzt kann ich es wieder.‘ Die drei Jüngeren waren gleich Feuer und Flamme, die 14-Jährige war zuerst skeptisch. Seit diesem Gespräch habe ich all meine Termine mit den Kindern eingehalten. Meine Kinder und ich haben eine wirklich tolle Zeit und eine wirklich gute Beziehung miteinander. Selbst die Julia, die ist heute 17, ist voll stolz auf mich. Meiner Exfrau bin ich sehr dankbar dafür, dass sie mir den Zugang zu den Kindern wieder ermöglicht hat.“
Die Beziehung und Bindung, die Sie zu Ihrem Kind aufgebaut haben, ist der Boden für Ihre Zeit mit ihm nach der Scheidung oder Trennung.
Sie haben in diesem Kapitel erfahren, wie wichtig das Beziehungsdreieck Vater-Mutter-Kind für die Entwicklung Ihres Kindes ist. Sie wissen jetzt auch, wie sehr Ihr Kind Sie als Vater braucht. Sie können nun auf gute Argumente zurückgreifen, um jemanden sicher zu widerlegen, der immer noch behauptet, „für das Kind ist nur die Mutter wichtig, auf den Vater kann verzichtet werden“. Es ist Ihnen aber auch klarer geworden, was Ihnen Ihr Kind bedeutet und wie sehr Sie Ihr Kind brauchen.
Sehr wahrscheinlich hat auch Ihr Kind Reaktionen auf die Scheidung seiner Eltern gezeigt. Vielleicht ist es wütender geworden, hat sich mehr zurückgezogen oder in seinen Schulleistungen nachgelassen. Wie Sie als Vater diese Reaktionen erkennen und ihnen begegnen können, erfahren Sie im nächsten Kapitel.
Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie wären zehn Jahre alt. In den letzten vier Monaten hat sich ein Schatten über Ihre Familie gelegt. Können Sie sich erinnern, wie lange vier Monate dauerten, als Sie zehn Jahre alt waren? Endlos. Mutter und Vater gehen sich aus dem Weg, eine andauernde Spannung liegt im Raum. Manchmal wachen Sie in der Nacht auf, weil aus dem elterlichen Schlafzimmer lauter Streit zu hören ist. Ihr Herz hängt an beiden. Sie lieben beide. Bis vor vier Monaten haben Sie Ihre Eltern als eine Einheit erlebt, die immer für Sie da war, wenn Sie sie brauchten.
Wenn Mutter und Vater im Raum sind, wissen Sie nicht, zu wem Sie gehen sollen. Wenn Mama über Papa oder Papa über Mama schimpft, zerreißt es Ihnen das Herz. Schauen Ihre Eltern einander voller Hass an, spüren Sie einen Stich im Körper.
Papa bleibt immer länger weg und morgens, wenn Sie aufstehen, ist er schon fort. Abends müssen Sie ins Bett gehen und Papa ist immer noch nicht da. Sie versuchen wach zu bleiben, um ihn endlich wieder zu sehen. Eines Nachts gehen Sie ins Wohnzimmer: Papa schläft auf der Couch.
Manchmal bringt Papa Spielzeug mit. Sie verstehen nicht, warum, denn es ist nicht Weihnachten und Sie haben auch nicht Geburtstag. Papa hat versprochen, mit Ihnen fischen zu gehen, aber das geht jetzt nicht mehr – warum, kann er Ihnen nicht sagen.
Mama hat sich verändert, sie lacht kaum noch. Manchmal, wenn sie glaubt, Sie seien nicht da, weint sie. Die winzigste Kleinigkeit bringt sie durcheinander. Manchmal ist sie gereizt und schimpft ohne Grund mit Ihnen, dann wieder will sie Sie nur lieb haben und drückt Sie so fest, dass Sie kaum noch Luft bekommen. Auch Ihre zwei Jahre jüngere Schwester kennt sich nicht aus. Zu zweit sind Sie oft nur traurig und wissen nicht recht, wie es weitergeht.
Die Streitereien zwischen Mama und Papa werden stärker. Jetzt schreien sie einander an, auch wenn Sie dabei sind. Manchmal verschwinden Sie dabei einfach unter dem Tisch, halten sich die Ohren zu und wünschen sich nur noch, dass Mama und Papa endlich aufhören zu streiten.
Eines Tages holen Mama und Papa Sie zusammen mit Ihrer Schwester in die Küche und erklären Ihnen beiden, dass sie sich scheiden lassen.
Grafik 2.1: Ein scheidungsbetroffenes Kind verliert seine Orientierung.
So wie der Junge auf diesem Bild würden Sie orientierungslos zwischen Vater und Mutter stehen. Wie würden Sie sich dabei fühlen? Ja, genau! Es fühlt sich an, als wenn Sie in der Mitte auseinandergerissen würden. Sie würden sich zerrissen fühlen.
Das ist das Gefühl, das Kinder und Jugendliche spüren, wenn sich eine Scheidung der Eltern anbahnt und wenn sie vollzogen wird. Mutter und Vater, die bisher das Sein der Kinder ausgemacht haben, gehen auseinander. Genauso gehen die Herzen und die Seelen der Kinder auseinander.
Es war wichtig, dass Sie die Perspektive des Kindes eingenommen haben, dass Sie wirklich einmal innerlich fühlten, wie es einem Kind geht, wenn seine Eltern sich trennen. Dadurch können Sie umfassend verstehen – mit Herz und Kopf –, wie es Ihrem Kind in dieser Situation ergeht. Wenn Sie sich in dieses Gefühl der Zerrissenheit einfühlen können, dann verstehen Sie auch die Reaktionen Ihres Kindes nach der Scheidung. Das sind dann nicht nur einfach Verhaltensweisen, die Ihr Kind unterlassen soll, sondern sein Verhalten wird durch diese Zerrissenheit verursacht. Erst wenn Sie als Vater und Ihre Exfrau als Mutter aktiv dazu beitragen, dass sich Ihr Kind nicht mehr zerrissen fühlt, kann es sein Verhalten ändern.