Vergesst Soft Skills! - Karsten Weihe - E-Book

Vergesst Soft Skills! E-Book

Karsten Weihe

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Beschreibung

Dieses Buch ist schnell gelesen, denn es konzentriert sich auf das Wesentliche und ist dementsprechend kurz. Trotz der Kürze finden Sie für alle Thesen Belege und illustrative Beispiele. Worum geht es in diesem Buch? Niemand weiß so recht, ob Soft-Skill-Trainings, Ratgeberbücher usw. überhaupt einen nachhaltigen Effekt haben. Man fühlt sich hinterher vielleicht besser, aber das eigene Gefühl ist trügerisch. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestärken eher die Kritiker. Das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist undurchschaubar. Viele Teilnehmer an Soft-Skill-Maßnahmen spüren das intuitiv. Völlig aus dem Blickfeld ist geraten, dass es gerade auch soft-skill-lastige Jobs sind, die in Millionenzahl und in allen Bereichen abgebaut werden. Hinzu kommt: Die Berufswelt soll familienfreundllich werden, und wie andere Länder zeigen, geht dies durchaus einher mit Reduktion und Versachlichung der Kommunikation und mit Konzentration auf die harten Fakten. Dabei wachsen uns die Anforderungen an ganz anderer Stelle über den Kopf. Wer im Berufs- und Privatleben nicht permanent über den Tisch gezogen werden will, muss sich umfassende Hard Skills aneignen. Denn Berater sind Verkäufer. Auch unabhängige Berater haben so ihre Vorlieben und vorgefassten Meinungen und sind daher ebenfalls nicht unbedingt objektiv. Selbst seriösen Zertifizierungen, Auszeichnungen und Vergleichstests können Sie nicht blindlings vertrauen, denn die tatsächlich angelegten Kriterien sind oftmals ganz andere, als Ihnen suggeriert wird. Und Bewertungen im Internet sind auch nur mit größter Vorsicht zu genießen. Um Ihre großen und kleinen Entscheidungen richtig zu treffen, brauchen Sie richtig harte Hard Skills. Sie müssen Ihrem Finanzberater, Ihrem Arzt, dem Verkäufer im Fachgeschäft, dem Makler usw. fachlich auf Augenhöhe begegnen können. Das erfordert, dass Sie selbstständig komplexe mathematische, juristische, medizinische und technische Hintergründe recherchieren, präzise verstehen und kundig in Bezug auf Ihren eigenen Fall bewerten können. Selbstverständlich bleibt das Buch nicht bei der Diagnose stehen. Neben zahlreichen Hinweisen auf Quellen, die Ihre Fähigkeiten zur unfallfreien Entscheidungsfindung aus verschiedenen Blickwinkeln verbessern helfen, finden Sie am Ende auch eine Reihe von hilfreichen Tipps, die nach bestem Wissen des Autors so noch nicht publiziert sind und daher die Buchempfehlungen gut abrunden.

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Worum geht es überhaupt?

1. Soft Skills vergessen!?

2. Vorbemerkungen zu diesem Büchlein

3. Was sind denn

Soft Skills

eigentlich genau?

4. Welche schlimmen Konsequenzen haben die flächendeckend verbreiteten Defizite an

Hard

Skills?

Was passiert eigentlich gerade?

5. Abbau von soft-skill-lastigen Tätigkeiten

6. Algorithmisierung der Welt

7. Die IT tritt zwischen die Menschen

8. Erosion des soft-skill-basierten Vertrauens

9. Unrealistische Versprechungen der

Soft-Skill

-Branche

10. Verlagerung von Faktenwissen, Logik und Mathematik auf uns alle

11. Wandel der Arbeitskultur

12. Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit

13. Wird der Abbau nicht kompensiert?

Inwieweit sind Soft Skills überhaupt erlernbar?

14. Was können Seminare, Ratgeberbücher etc. überhaupt bringen?

15. Was sagt die Wissenschaft dazu?

Was tun …

16. … mit Hard Skills?

17. … mit Soft Skills?

Begriffsverwirrung um „Soft Skills“

18. Soft Skills – oder General Skills?

19. Soft Skills – oder Open Skills?

20. Soft Skills – oder überhaupt keine Skills?

21. Wie der Begriff „Soft Skills“ von anderen Autoren verwendet wird

Anmerkungen und Verweise

Worum geht es überhaupt?

1. Soft Skills vergessen!?

Nein, vergessen Sie bitte nicht Ihre Soft Skills!

Aber vergessen Sie den ganzen Rummel, der darum gemacht wird. Glauben Sie nicht unbesehen, dass das Thema Soft Skills immer wichtiger wird:

Schon seit Jahrzehnten wurden und werden Jobs, die stark soft-skill-lastig sind, in Millionenzahl abgebaut!

Ein steiler Satz. In Abschnitt 5-12 werde ich ihn aber umfassend begründen.

Vor allem glauben Sie aber eines nicht unbesehen: dass teure Seminare und Ratgeberbücher Ihnen irgendwie helfen, in Berufs- und Privatleben mitzuhalten. Auch wenn Soft Skills natürlich weiterhin wichtig sein werden, ist sehr fraglich, ob das teure Geld und die kostbare Zeit für Fortbildungen wirklich gut angelegt sind. In diesem Büchlein möchte ich aufzeigen, dass Soft Skills wahrscheinlich eher nicht das Megathema des 21. Jahrhunderts sein werden:

Die immer mehr aus dem Blickfeld verdrängten Hard Skills werden immer wichtiger, nicht nur im Beruf, auch im privaten Bereich, werden aber durch den Soft-Skill-Rummel zunehmend aus dem allgemeinen Bewusstsein verdrängt. Dabei haben die weit verbreiteten Defizite an Hard Skills weit schlimmere Folgen.

Was meint der letzte Satz, um welche schlimmen Folgen geht es? Nun, egal ob im Beruf oder im Privatleben: Wer bei einer großen, teuren Anschaffung oder bei einer anderen gewichtigen Entscheidung nicht furchtbar über’s Ohr gehauen werden will, muss sich richtig harte Hard Skills aneignen. Das umfasst finanzmathematische Kompetenz, juristische Kompetenz sowie wissenschaftliche Hintergrundkompetenz aus dem fachlichen Umfeld der Entscheidung. Viele Beispiele aus verschiedensten Bereichen sehen Sie dazu gleich in Abschnitt 4, unter der Überschrift: „Welche schlimmen Konsequenzen haben die flächendeckend verbreiteten Defizite an Hard Skills?“

Die Rückkehr der Hard Skills ist eine frohe Botschaft – für alle, die eher zurückhaltend und ruhig sind, immer lange und gründlich nachdenken und dabei auch die mathematischlogischen Fallstricke erkennen und durchschauen. Und die dann mit ihren gut durchdachten, aber spät und leise vorgetragenen Ansichten nicht durchdringen, weil die selbstbewussten Kommunikatoren die Diskussion schon für sich entschieden haben. Für die selbstbewussten Kommunikatoren selbst und für diejenigen, die uns in ihren Seminaren oder durch Lektüre ihrer Bestseller zu solchen machen wollen, ist dies natürlich keine ganz so frohe Botschaft.

Ja, ich weiß, dieses Büchlein ist etwas einseitig geschrieben. Das muss auch so sein, denn Soft Skills sind ein allseits beliebtes Trendthema und eine Industrie mit Umsätzen im hohen Millionenbereich. Daher muss man schon deutliche Worte verwenden, um das unhinterfragt positive Bild zu erschüttern und zum Selbstdenken anzuregen.

Selbstdenken – das wichtigste Hard Skill überhaupt.

Wo Hard Skills beherrscht werden, mögen Soft Skills zwar immer noch wichtig sein, aber eben nicht mehr so wichtig, wie uns eingeredet wird:

Soft Skills sind großenteils notwendig, um Mängel an Hard Skills zu kompensieren. Wo Hard Skills ausreichend zum Tragen kommen, sind Soft Skills daher entsprechend weniger wichtig.

An verschiedenen Stellen in diesem Büchlein werde ich mehr dazu sagen. Damit dieser Merksatz hier am Anfang des Büchleins nicht völlig unverständlich bleibt, erläutere ich ihn kurz an einem illustrativen Szenario aus der Berufswelt: Wenn der Projektleiter es geschafft hat, die Gesamtprojektaufgabe scharfkantig in Teilaufgaben niederzubrechen, so dass die Teilaufgaben mit einer realistischen Zeitplanung auf die Projektmitarbeiter verteilt werden können, und wenn die Schnittstellen zwischen den Teilaufgaben klein und überschaubar und präzise formuliert sind und daher jeder Projektmitarbeiter weitgehend unabhängig von den anderen vor sich hin arbeiten kann und genau weiß, was er dabei zu tun hat – dann sind die wesentlichen Gründe dafür, mit Soft Skills den Projekterfolg zu sichern, schon entfallen. Schafft der Projektleiter dies allerdings nicht, ist fraglich, ob Soft Skills noch viel helfen können, das Projekt vorm Scheitern zu bewahren.

2. Vorbemerkungen zu diesem Büchlein

Ich bitte Sie, den Leser und die Leserin, vorab um Entschuldigung und Nachsicht für die wilde Mischung aus Deutsch und Englisch. Ich könnte natürlich durchgängig von weichen und harten Kompetenzen anstelle von Soft und Hard Skills sprechen und auch alles andere eindeutschen. Aber die Begriffe sind nun einmal, wie sie sind. Und wenn ich einfaches Deutsch anstelle von „denglischem“ Manager-Neusprech verwende, gehen auch die ganzen damit verbundenen Bedeutungsnuancen verloren, und das wäre schade.

Noch eine technische Vorbemerkung: Ich habe versucht, für möglichst alle Aussagen Verweise zum Weiterlesen anzugeben. Wie allgemein üblich, sind diese Verweise im Text durch eine hochgesetzte Nummer angezeigt, die eigentlichen Verweise finden Sie dann ganz hinten am Ende dieses Büchleins aufgelistet. Wo immer möglich, habe ich auf einfach zu verstehende, populär gehaltene Einstiege in die jeweilige Thematik verwiesen, die im Internet frei verfügbar sind. Selbstverständlich verweise ich nur auf Quellen, die voraussichtlich dauerhaft an derselben Adresse zu finden sein werden (genauer: an derselben URL). Die meisten dieser Quellen sind nicht selbst fachliche Autoritäten, sondern eben populär und verständlich gehaltene Aufarbeitungen. Aber ich habe mich bei jeder Quelle selbst davon überzeugt, dass ausreichend fachliche Autorität hinter den Behauptungen steht.

Wichtige Hinweise für Ihren effektiven Zugriff auf die zitierte Lektüre

In vielen Quellenverweisen sind Internetadressen (URLs) eingegeben. Sie können diese Internetadressen natürlich Buchstabe für Buchstabe eingeben, um die entsprechende Seite aufzurufen. Aber das ist mühsam und fehleranfällig. Ziel führender wäre es, einzelne Stichwörter oder Bestandteile der Internetadressen in eine Suchfunktion einzugeben:

Bei Wikipedia-Artikeln: Gehen Sie auf die deutsche Startseite

de.wikipedia.org

beziehungsweise bei englischen Artikeln auf die englische Startseite

en.wikipedia.org

(sollten beide sowieso zu Ihren Lesezeichen gehören). Geben Sie dort die Schlüsselwörter aus der Internetadresse in die Suchmaske ein.

Beispiel: Im Verweis Nr. 119 ist die Internetadresse http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Planck eingegeben. Geben Sie auf der deutschsprachigen Startseite einfach „Max“ und „Planck“ durch Leerzeichen getrennt in die Suchmaske ein.

Bei Zeitungen und Zeitschriften gehen Sie auf die Seite der Zeitung oder Zeitschrift und geben dort ein paar aussage kräftige Bestandteile der Internetadresse in die Suchmaske ein.

Beispiel: Im Verweis Nr. 6 wird auf http://www.sueddeut-sche.de/digital/neue-instagram-nutzungsbedingungen-empoerung-ist-gut-erkenntnis-ist-besser-1.155442 7 verwiesen. Gehen Sie auf www.sueddeutsche.de und geben Sie „instagram“ und „empoerung“ ein.

Bei anderen Internetadressen nutzen Sie Ihre favorisierte Suchmaschine.

Beispiel: In Verweis Nr. 98 wird auf die Internetadresse http://www.ispi.org/archives/resources/effectivenessoft-rainingarthur_etal.pdf verwiesen. Geben Sie beispielsweise einfach „effectivenessoftrainingarthur“ in Ihre Suchmaschine ein. Alternativ könnten Sie auch die Nachnamen einiger Autoren und Stichworte aus dem Titel der Studie eingeben, etwa „arthur bennett meta-analysis“. In jedem Fall finden Sie die notwendigen Informationen im Haupttext oder im jeweiligen Verweis, in diesem Fall also in Verweis Nr. 98.

3. Was sind denn Soft Skills eigentlich genau?

Bevor wir in die Diskussion einsteigen, müssen wir erst einmal klären, was wir gemeinsam überhaupt unter Soft Skills verstehen wollen. Der Begriff ist schillernd und wird von verschiedenen Autoren recht unterschiedlich verwendet. Der wissenschaftliche Bereich ist auch nicht zwangsläufig besser:

„Schließlich leiden alle vorliegenden Untersuchungen an einer mangelnden konzeptionellen Transparenz und unzureichenden theoretischen Fundierung dessen, was als Persönlichkeitseigenschaften, Soft Skills oder dergleichen bezeichnet wird.“1

In Abschnitt 21 im Anhang habe ich für eine Auswahl renommierter und erfolgreich verkaufter Ratgeberbücher sowie für weitere handverlesene Quellen einmal analysiert, wie Soft Skills dort jeweils definiert sind. Wie zu erwarten, gibt es keinen tragfähigen gemeinsamen Nenner. Also müssen wir uns eine überzeugende Definition von Soft Skills erst einmal selbst basteln. Das machen wir nun in diesem Abschnitt.

Wahrscheinlich stellen sich alle Menschen ungefähr dasselbe vor, wenn sie die englischen Worte soft und hard beziehungsweise die deutschen Worte weich und hart hören. Und wenn man diverse Ratgeberbücher liest, kann man durchaus auf den Gedanken kommen, dass auch deren Autoren ihre eigenen Definitionen von Soft Skills gar nicht konsequent anwenden, sondern das Wort soft dann doch eher im landläufigen Sinne verwenden. Damit verlieren nicht nur die Autoren selbst aus dem Blickfeld, dass die diversen Kompetenzen neben weichen auch harte Seiten haben, sondern auch die Leserin und der Leser machen sich meist nicht klar, dass Kommunikation, Konfliktvermeidung usw. extrem wichtige harte Seiten haben. Diese wichtigen harten Seiten fallen dann unter den Tisch.

In diesem Büchlein möchte ich die Definition von Soft und Hard Skills auf die landläufige Vorstellung von soft und hard gründen – so wie wohl jeder Leser Soft und Hard Skills erst einmal verstehen würde und wie sie häufig sogar von Soft-Skill-Autoren entgegen der selbst eingeführten Definition verwendet werden.

Mehr zu den Definitionen anderer Autoren wie gesagt im Anhang, Abschnitt 21.

Gemäß diesem Merksatz lassen sich Hard und Soft Skills gut gemeinsam durch Gegensatzpaare definieren:

Hard Skill

Soft Skill

Nüchterne Überlegung

Emotion

Logik

Intuition

Präzision

Freiraum für Interpretation

Distanzierte, analytische Kritik

Begeisterungsfähigkeit

Bedächtige Sorgfalt

Spontaneität

Selbstständig ein eigenes Urteil fällen

Bei gemeinsamer Meinungsbildung mitmachen

Disziplin

Motivation

Machen Sie sich die Konsequenz klar:

Soft Skills führen zu Entscheidungen, wie sie nie und nimmer treffen würde, wer mit nüchterner Überlegung, Logik, Präzision, distanzierter, analytischer Kritik und bedächtiger Sorgfalt selbstständig ein eigenes Urteil fällt.

Lassen Sie diesen Merksatz für einen Moment auf sich wirken, bevor Sie weiterlesen.

Wie schon gesagt, werden Soft Skills von den verschiedenen Autoren unterschiedlich definiert. Dabei werden drei Aspekte gerne vereinnahmt, die bei nüchterner Betrachtung nicht ernsthaft exklusiv den Soft Skills zugerechnet werden können: allgemeine Kompetenzen (General Skills), offene Kompetenzen (Open Skills) und innere Einstellung. Im Anhang, in den Abschnitten 18-20 werde ich diese Begriffe sorgfältig vom Begriff Soft Skills unterscheiden und in Abschnitt 21 dann die Verwendung des Begriffs Soft Skills in ausgewählten Quellen auf dieser Basis analysieren. Im folgenden Abschnitt 4 geht es jetzt weiter mit der wohl dramatischsten Konsequenz daraus, dass die Notwendigkeit von Hard Skills immer stärker zugunsten des Soft-Skill-Rummels aus dem allgemeinen Bewusstsein verdrängt wird.

4. Welche schlimmen Konsequenzen haben die flächendeckend verbreiteten Defizite an Hard Skills?

„In Mathe war ich schon immer schlecht“ – Sie kennen diesen Spruch, wahlweise auch mit Physik, Technik, Jura oder Ökonomie.

Hier nur eine kleine, aber hoffentlich eindrückliche Auswahl von Konsequenzen, die selbst unter Akademikern weit verbreitet sind.

Finanzen

Was hilft es, mit tollen Soft Skills im Beruf vorwärtszukommen – und dann stecken Sie Ihr Geld in eine Rentenversicherung, von der Sie mit guten Hard Skills vorher hätten wissen können, dass die Rendite am Ende indiskutabel oder sogar negativ wird, weil Ihr Geld durch Gebühren und Provisionen kräftig angeknabbert wird. Ganz zu schweigen von der Umrechnung der angesparten Summe in eine Monatsrente auf Basis einer kreativ gestalteten Sterbetabelle.

Sie meinen, das betrifft nur wenige oder ist Schnee von gestern? Keineswegs:

Millionen Deutsche haben in der letzten Jahren schon sehr böse Überraschungen am Zahltag erlebt, noch viele Millionen werden in den nächsten Jahrzehnten folgen!2

Wer seine mühsam zusammengesammelten Ersparnisse nicht großenteils einem Finanzanbieter schenken will, muss unbedingt in der Lage sein, selbst zu rechnen und vor allem sich klarzumachen, was eigentlich die relevanten mathematischen Informationen sind. Der nette Finanzberater wird Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit in erster Linie die Kennzahlen und Charts zeigen, mit denen das angebotene Finanzprodukt besonders gut aussieht. Die Kennzahlen und Charts, die Ihnen eine kompetente Einschätzung des Angebots ermöglichen, sind vermutlich aber ganz andere. Nur wer von sich aus die richtigen Fragen stellt, erhält die richtigen Antworten. Um die richtigen Fragen zu stellen, ist allerdings vertieftes Verständnis nötig – gar nicht unbedingt Fachwissen, sondern vor allem ein mathematisch-logisches Grundverständnis, auf dessen Basis man das notwendigen Fachwissen nicht nur eigenständig recherchieren, sondern auch verstehen und anwenden kann.

Im SPIEGEL-Interview „Die Angst vorm schwarzen Schwan“ bringt Greg Smith, Aussteiger bei Goldman Sachs, die Sache gut auf den Punkt: „Die letzte Kategorie [von Kunden] haben wir ,Clients who don´t know how to ask the right questions´ genannt. Sehr gutgläubig, jene, denen exotische Papiere verkauft werden.“3 Frei, aber korrekt übersetzt bedeutet das englische Zitat: „Kunden, die nicht wissen, welche Fragen sie besser hätten stellen sollten“.

Stellvertretend für viele andere Beispiele will ich ein Beispiel betrachten, das in den letzten Jahren millionenfach durchexerziert wurde. Wer sich auf ein Gespräch mit einem Finanzverkäufer über Riester-Rente einlässt, wird ungefragt umfassende Antworten erhalten zu einer bestimmten Frage: Wie viel kann ich an Steuern sparen und an staatlichen Zulagen kassieren, wenn ich einen Vertrag abschließe. Steuern sparen ist ein gutes Verkaufsargument, denn das Thema weckt bei den meisten Menschen Emotionen. Die Aussicht auf Zulagen – also Geschenke – stimmt ebenfalls sehr positiv. Und den Staat zockt man doch gerne ab. Diese Steuergeschenke sind das zentrale Werbeargument und waren für Millionen Menschen auch der Hauptgrund, eine Riester-Rente abzuschließen, anstatt ihr Geld anders anzulegen. Aber:

Wie viel man vom Staat erhält, ist nicht die richtige Frage! Im Grunde ist das sogar eine völlig falsche, weil irrelevante und irreführende Frage!

Entscheidend ist einzig und allein, wie viel unterm Strich herauskommt, und ob das mehr oder weniger ist als bei anderen, ähnlich konservativen Anlagestrategien. Wer diese Frage nicht stellt, sondern sich durch Steuergeschenke begeistern lässt, darf sich nicht wundern, wenn diese schönen Steuergeschenke großenteils im undurchschaubaren Wust aus Gebühren, kreativ gestalteten Sterbetabellen usw. versickern – und am Ende beim Finanzanbieter landen und nicht bei Ihnen.

Das ist natürlich bei weitem nicht das einzige Beispiel für Versuche von Anbietern, Sie von der Frage abzulenken, was unterm Strich für Sie herauskommt. Jedes Werbegeschenk ist von dieser Sorte. Oder auch die zuweilen erstaunlich hohen Angebote für die Inzahlungnahme Ihres alten Autos, wenn Sie ein neues Auto kaufen. Nüchtern betrachtet, ist das einfach ein Preisnachlass. Aber wenn ein Preisnachlass so hübsch in einem solchen Angebot verpackt wird, scheint die Verlockung stark genug zu sein, dass viele Kaufinteressenten die Alternativen nicht mehr abwägen.

Natürlich sind diese Einsichten übertragbar auf jede Art von Angebot von Produkten oder Dienstleistungen, bei weitem nicht nur im Finanzbereich. Man muss die fachlich richtigen Fragen, aber auch die juristisch und mathematisch richtigen Fragen stellen können. Und dazu braucht man eben fachliches bzw. spezifisches juristisches und mathematisches Hintergrundverständnis, mit dem man sich das notwendige Wissen im Internet schnell, effizient und kritisch aneignen kann – aber leider auch aneignen muss.

Einkaufen

Wer sich nicht überteuert und zudem ungesund ernähren will mit Lebensmitteln, die fälschlich als besonders gesund beworben werden und dementsprechend teuer verkauft werden, muss bereit und fähig sein, Zutatenlisten kompetent zu lesen und auch selbst weitere Hintergrundinformationen zu recherchieren, notfalls auch wissenschaftliche Fachliteratur zu lesen. Und er muss diese medizinisch-naturwissenschaftlichen Informationen dann natürlich auch verstehen, einordnen und sachlich fundiert bewerten können. Denn die Hersteller haben bekanntlich wenig Interesse daran, Ihnen wirklich faire und verständliche Informationen zu geben, die Ihnen eine kritische Kaufentscheidung ermöglichen. Informiert wird nur soweit, wie es die Gesetzeslage unbedingt verlangt. Aber die Gesetzeslage erlaubt mehr als genug Schleichwege, die guten Absichten des Gesetzgebers zu umgehen und dem Konsumenten falsche Botschaften zu vermitteln. Das geschieht entweder auf der emotionalen Schiene oder mit vorgespielter Sachlichkeit, beispielsweise mit vertrauenserweckenden Leuten in weißen Kitteln oder mit der Erwähnung wissenschaftlicher Studien, die bei Licht betrachtet eigentlich keine rechte Aussagekraft haben.