Verliebt auf eigene Gefahr - Christa Grasmeyer - E-Book

Verliebt auf eigene Gefahr E-Book

Christa Grasmeyer

4,8

Beschreibung

Das ist eine Liebesgeschichte. Aber wieso verlieben auf eigene Gefahr? Und wer verliebt sich da überhaupt in wen? Die eine Hauptperson ist Johannes, einer von der Denkmalpflege, der, obwohl noch recht jung, schon einiges im Leben durchgemacht hat – auch mit Frauen. Deswegen ist er vorsichtig. Doch als er einfach nur gemütlich auf einer Parkbank sitzt, passiert vielleicht schon wieder was: Manchmal, an besonders schönen Nachmittagen, trappelt eine Kindergruppe den Hauptweg entlang, lauter dralle kleine Gören, einheimische zweifellos, zu gesund, um aus dem Kinderkurheim zu sein. Sie tragen Schaufeln, bunte Eimer und Bälle in Netzen, damit haben sie am Strand gespielt. Es gibt in der Nähe einen Kindergarten, und dorthin gehen sie nun zurück, immer zwei und zwei. Sie lärmen nicht, sie sprechen ganz leise miteinander und schauen die Kurgäste, auch Johannes, mit einem Ausdruck von ernsthafter Besorgnis an. Als er die Kinder zum ersten Mal sah, war er befremdet, und er nahm die dazugehörende Aufsichtsperson argwöhnisch in Augenschein. Er musste an Heiner denken, seinen Kleinen, dem er manchmal zugezwinkert hat. Der Junge, von Grit wegen einer Ungeschicklichkeit getadelt, saß am Tisch, und die Freude am Essen war ihm vergangen. Er hob den Blick zu seinem Vater, und Johannes zwinkerte ihm zu. Wenn jetzt die Kinder kommen, nimmt er die Sonnenbrille ab und zwinkert. Sie lachen und sagen was zu ihrer Erzieherin. Die, während sie leise auf die Fragen der Kinder antwortet, sieht ihn an und lächelt. Vielleicht bildet sie sich ein, er sucht Kontakt zu ihr über die Kinder. Er setzt die Sonnenbrille wieder auf. Eines Tages aber steuert die Aufsichtsperson auf ihn zu. „Entschuldigen Sie bitte“, fängt sie an, „ich habe eine Frage.“ Sie steht vor ihm in ihrem verwaschenen, durchgeknöpften Jeanskleid, in den flachen Sandalen, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt. Er bleibt sitzen, unhöflich, wie ihm wohl bewusst ist, und ohne das geringste Entgegenkommen. „Oder vielmehr, die Kinder haben eine Frage“, fährt sie unbeirrt fort. „Die Kinder möchten wissen, ob Sie aus Kuba sind.“ Er wendet sich den Kindern zu. Sie umringen seine Bank. Er sieht in die runden Gesichter, in die blanken, neugierigen Augen, und nimmt die Brille ab. „Aus Kuba“, fragt er, „warum?“ Die Aufsichtsperson erklärt ihm den Zusammenhang. Es gibt im Kindergarten ein Bilderbuch über Kuba, und manche Leute darin ähneln ihm. Deshalb fragen die Kinder jedes Mal. Die Aufsichtsperson heißt übrigens Irene.

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Impressum

Christa Grasmeyer

Verliebt auf eigene Gefahr

ISBN 978-3-95655-035-5 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1984 im Verlag Neues Leben, Berlin.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2014 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

1. Kapitel

Er hustet und bewegt den Kopf auf dem Kissen. Neben ihm erwacht der Hund, der Ludwig heißt. Ludwig liegt mit im Bett und reckt die Pfoten.

Kemski klatscht mit einer Zeitung an die Wand. Als er sieht, dass Johannes die Augen offen hat, erklärt er: „Du stöhnst im Schlaf, so stechen einen hier die Mücken.“ Johannes beobachtet ihn eine Weile. Er krault den Hund. „Nein“, sagt er, „das kommt von deinen Tabletten.“ Kemski lässt die Zeitung, die er als Mückenklatsche benutzt hat, sinken.

„Du bist einfach bei meinen Tabletten gewesen? Warum?“

„Weil ich einen Rausch wollte. Ich hab gehört, es gibt Tabletten, die zusammen mit Schnaps den schönsten Rausch schaffen.“

Kemski sitzt einige Sekunden stumm auf seinem Bett. Dann sagt er: „Dass du darauf scharf bist! Nächstens schüttest du dir ein ganzes Röhrchen voll in den Rachen.“

„Nur eine hab ich genommen, und stell dir vor, gerade will ich mir einen Schnaps holen, da fall ich wie ein Panzernashorn aufs Bett. Du hast da schwere Betäubungsmittel.“

„Ausgeschlossen. Du musst überempfindlich sein. Wie kannst du wahllos zulangen, irgendwas einnehmen!“

„Mir ist so merkwürdig ...“ Johannes streicht sich über die bloßen Arme. „Es tropft. Merkst du auch, dass es hier tropft?“

„Was tropft?“, fragt Kemski beklommen.

„Schmieröl. Von oben kommt Schmieröl ...“

Über Halluzinationen weiß Kemski nicht Bescheid, jedenfalls nicht auf Anhieb, er müsste erst im Gesundheitsbuch nachlesen. Er legt seine Maurerhände auf Johannes’ Schultern. Ein Schrei lässt ihn zurückprallen. Johannes fährt hoch und krümmt sich. Er würde gern mit einem kompletten Anfall den Spijök auf die Spitze treiben, aber der Hund macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Ludwig springt bellend im Bett umher. Johannes muss ihn festhalten.

Kemski schlappt auf seinen ausgetretenen Turnschuhen zur Tür. Als Johannes’ Zimmergefährte ist er an Faxen gewöhnt. Er zieht ab in den kahlen, ungemütlichen Raum, in dem die Männer essen und abends beim Fernsehen und Kartenspiel sitzen.

Johannes zündet sich eine Zigarette an. Er balgt sich mit Ludwig im Bett, der ist dafür immer zu haben. Ludwig hat schon mal ein Kissen zerfetzt. Johannes hat die Federn zusammengeklaubt und das Kissen in die Mülltonne gestopft, aber als die Müllfahrer kamen, ließ sich die Tonne nicht entleeren, das Kissen steckte darin wie ein Pfropfen, und die Müllfahrer zogen es heraus. Da ausgerechnet erschien die Putzfrau, die ab und zu nach dem Rechten sieht und sowieso überall erzählt, was für eine Schweinewirtschaft bei denen von der Denkmalpflege herrscht, und Johannes musste zum Verwalter gehen und das Kissen bezahlen und erklären, er selbst habe es im Zustand totaler Trunkenheit so zugerichtet, denn sonst wäre womöglich Ludwig des Hauses verwiesen worden.

Dieses Haus, „Seeblick“ genannt, soll im nächsten Winter renoviert werden, dann können wieder Bus- und Straßenbahnfahrer darin Urlaub machen. Jetzt hat es der Nahverkehrsbetrieb, da er es ohnehin zurzeit nicht nutzen kann, als Unterkunft an die Denkmalpflege vermietet. Aber hier arbeiten die Männer nicht, was hier zu tun ist, kann jeder Handwerker leisten. Zu ihrer Arbeit gehen sie eine halbe Stunde durch den Wald, der gleich hinter der Steilküste beginnt.

Am Anfang ist der Wald hoch und weiträumig, Buchen wölben das Blätterdach über den Säulen ihrer glatten Stämme. Dann kommen Eichen dazu, Fichten und Ebereschen, Unterholz wuchert, der Wald wird dicht und immer dichter, ringsum ist alles Naturschutzgebiet. Wo Bäume fallen, modern sie. Große Ameisen ziehen in Marschkolonnen über die schmalen, feuchten Wege. Schmetterlinge hängen sich an die Lupinen und bringen sie zum Erzittern. Mitten im Wald ist eine Lichtung, und auf der Lichtung steht ein Jagdschloss.

Beim Frühstück auf der besonnten Freitreppe haben sie Ludwig zum ersten Mal gesehen. Er beobachtete sie aus der Entfernung. Er kam jeden Tag und saß vor der Freitreppe, und wenn die Männer durch den Wald zurückgingen, trottete er hinterher und legte sich auf den Sandweg vor dem Haus „Seeblick“.

Johannes guckte abends aus dem Fenster. Der Hund lag so, dass er die Tür sehen konnte. Er wendete die Augen auch nicht ab, als Johannes mit der Zunge schnalzte und leise pfiff. Johannes warf ein Stück Wurst auf den Weg, der Hund merkte es nicht. Johannes warf eine von Kemskis Gesundheitsbroschüren aus dem Fenster, dass sie raschelnd ins Gesträuch fiel, ein Geräusch, das jeden Hund alarmiert hätte. Dieser hier rührte sich nicht.

Am nächsten Tag, als sie wieder beim Frühstück auf der Freitreppe des Jagdschlosses saßen und der Hund ihnen zusah, rief Johannes ihn an, erst leise, dann lauter, und als er einen Pfiff ausstieß, fuhr der Hund zusammen und riss den Kopf herum.

Die Männer lachten. Im Alter kann ein Hund taub oder blind werden, aber dieser war jung, er strolchte umher, ohne Herrn, der ihn schützte.

Es gibt allerdings die merkwürdigsten Sachen. Einmal hatten sie einen Konzertsaal restauriert. Bei der Einweihung saßen sie in der ersten Reihe, und da lasen sie im Programmheft, dass der Meister, dessen Musik sie umbrauste, taub gewesen war. Daran erinnerten sie sich nun, und ein Erbarmen kam sie an wie damals, und sie nannten den Hund Ludwig. Gewissermaßen nahmen sie ihn in ihre Brigade auf, denn wer einen Namen hat, den kennt man, und wen man kennt, den lässt man nicht draußen die Nacht verbringen. Ludwig jedoch offenbarte erheblichen Mangel an Kollektivgeist. Sieben von den acht Männern ließ er einfach links liegen. Er wählte einen einzigen aus, das war Johannes.

Die Tür wird aufgerissen. Rot und verschwitzt stürzt Martin herein.

„Der alte Kacker hat meine Maschine eingeschlossen!“ Martin feuert den Motorradhelm auf Kemskis Bett. „Gott sei Dank, dass du da bist, John“, sagt er. „Ich hatte schon Angst, du bist mit Ludwig unterwegs.“

Johannes wirft ihm eine Zigarette zu. Der Ärger mit dem Alten geht nun schon so lange. wie Martin dessen Enkeltochter zur Freundin hat, vierzehn Tage ungefähr. Wenn er sie abholt, lässt er den Motor vor dem Haus, sogar im Hof des Alten, heulen und knattern. Das Mädchen findet nichts dabei. Sie kommt trällernd aus dem Haus und schwingt sich hinter Martin auf den Sitz.

„Aber der Alte! Der Alte hat mir meine Maschine geklaut.“

„Das darf er nicht. Ich würde zur Polizei gehen.“

„Zur Polizei will er! An der Einfahrt zum Hof hat er einen Haufen idiotische Sachen angepflanzt, da bin ich rüber und auch über so blöde Zierplatten.“

„Und alles kaputt?“

„Zwei Platten, weil sie bloß lose in den Sand gelegt waren. Ich bin rauf zu Susi, verstehst du, und da karrt doch der Alte meine Maschine in seinen Gerümpelschuppen und schließt ab, und wie ich runterkomm, steht er da und kräht und haut mir den Harkenstiel über den Helm.“

„Er hat dich angegriffen?“

„Weil ich die Schuppentür eintreten wollte.“

Johannes lacht. Er geht zum Waschbecken und betrachtet sich im Spiegel. Dann fängt er an, mit Sorgfalt die vom Bart freien Flächen seines Gesichts zu rasieren. Er wäscht sich, kramt im Schrank, er holt eine blaue Hose mit Bügelfalten und ein im Farbton passendes Hemd hervor. Schließlich kämmt er sich und bürstet den gestutzten Bart.

Ludwig rennt voraus. Sie gehen den Sandweg entlang, der von der Steilküste abwärtsführt und in das Ende der Strandpromenade einmündet. Die Sonne ist. von Wolkenbänken verdeckt, der Wind trägt den Atem der See heran. Kurz vor dem Kurpark deutet Martin nach rechts. Sie gehen durch eine stille Straße mit niedrigen Häusern und mit Gärten, überqueren die Hauptstraße von Hedwigshöhe, wo der Bus, der die Bäder abfährt, Haltestellen hat. Sie kommen vorbei an kleineren Kurhäusern und Heimen, die großen liegen direkt am Strand. Aber auch solche Häuser, die früher vielleicht mal billige Familienpensionen waren, sind in Hedwigshöhe sehr gepflegt. Hedwigshöhe galt als elegant. Im Vergleich zu jüngeren Seebädern sieht man das immer noch.

Am Rand des Ortes, landeinwärts, stehen die Häuser weit zurück in Gärten, und hinter den Gärten beginnen Wiesen und Felder.

„Vielleicht“, sagt Johannes, „ist der Alte trottelig, vielleicht hat er sich deine Nummer nicht notiert. Wenn er das doch getan hat, musst du bei der Polizei abstreiten auf Biegen und Brechen, und deine Susi muss auch abstreiten und sagen, dass ihr Großvater dich bloß angezeigt hat, weil er dich hasst. Ob sie das tun wird?“

„Ja“, sagt Martin überzeugt.

„Na, ich wär nicht so sicher. Die Frauen, mein Lieber, machen einem sonst was vor.“

Martin schweigt taktvoll. Obwohl er nur wenig jünger ist als Johannes, hört er doch immer auf ihn. Nur wenn es sich um Mädchen handelt, hegt er Vorbehalte. Er stellt wohl Johannes’ größere Erfahrung in Rechnung, meint aber, dass der gerade eine Phase der Verbitterung durchmacht, verständlicherweise, er hat ja einiges hinter sich, und da soll man ihm nicht widersprechen.

„Pass auf“, sagt Johannes, „du versteckst dich jetzt, behältst mich aber im Auge. Wenn ich mit dem Alten ins Haus geh oder irgendwie abseits, in den Garten, ich weiß noch nicht, dann schleichst du dich ran und holst deine Karre aus dem Schuppen.“

„Der ist abgeschlossen.“

„Überlass das mir.“

Martin überlässt es ihm gern. Als Lehrling war er in der Jugendbrigade, die Johannes geleitet hat, und als er vor ein paar Wochen von der Armee zurückkam und hörte, Johannes hat die Brigade abgegeben und geht auf Außenarbeit, wollte er mit. Seine Bewunderung für ihn ist eher noch gewachsen, obwohl er dem Älteren nun die Würde des bei der Fahne Gedienten voraushat. Johannes ist noch nicht gezogen worden. Aber die Würde des Gedienten nützt Martin wenig, da er feststellt, wie sehr Johannes inzwischen fachlich zugelegt hat.

Susis Großvater, ein dicker, glatzköpfiger Mann, sprengt im Vorgarten den Rasen.

„Entschuldigen Sie“, ruft Johannes über den Zaun, „eine Frage bitte, wohnen Sie hier?“

Der Alte sieht ihn misstrauisch an. Dann entschließt er sich zu antworten: „Wo sonst?“

Johannes lächelt gewinnend.

„Zimmer sind nicht!“, ruft der Alte.

Johannes schüttelt den Kopf und wartet. Der Alte tappt zum Haus, dreht dort einen Hahn zu und kommt zum Zaun.

„Ich heiße Skryszebinski“, sagt Johannes, weil das ein Name ist, den kein Mensch behält, „Doktor Skryszebinski. Ich bin neu in Hedwigshöhe.“

„.Arzt?“, fragt der Alte in verändertem Ton.

„Ja. Im Kurheim ,Mecklenburg‘. Da wohne ich auch. Ich bin geschieden, wissen Sie, ich habe nur noch diesen Hund hier. Leider ist es so, dass der Gute im Kurheim nicht aus- und eingehen darf. Ich bin auf der Suche nach einer Bleibe für ihn, selbstverständlich nur vorübergehend, bis ich eine Wohnung bekomme. Könnten Sie mir jemand nennen, der bereit wäre, den Hund in Pflege zu nehmen? Er ist still und anspruchslos, ein Eckchen im Hausflur genügt ihm. Ich würde ihn jeden Tag für ein paar Stunden abholen.“

Der Alte überlegt. „Jeden Tag?“, fragt er. Irgendwie scheint ihm dies zu gefallen.

Johannes nickt.

„Er kann bei mir bleiben“, sagt der Alte.

„Oh, ein Glücksfall! Hier bei Ihnen, wo alles grünt und blüht. Ein prächtiger Garten übrigens, eine Augenweide. Sicher sind Sie ein ungewöhnlich rüstiger Mann.“

„Bloß die Knie, die brauchen Packungen“, wirft der Alte ein, wobei er Johannes ins Gesicht sieht. „Packungen und Massagen.“

„So“, sagt Johannes, „Gicht wohl gar? Bei Gicht heißt es vorsichtig sein. Immer schön einreiben.“

Der Alte wagt nicht, weiterzusprechen, aber was er erhofft, ist überdeutlich.

Johannes streicht sich den Bart und lächelt. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mir Ihre Knie bei Gelegenheit mal ansehen. Wir behandeln hier ja unter anderem auch Gicht. Die Einreibungen bedürfen einer gewissen Fachkenntnis.“

„Richtig!“, stößt der Alte freudig hervor. „Man kann nicht einfach drauflos kneten.“

„Auf keinen Fall. Sehen Sie, ich habe ein Auto. Neulich wollte der Motor nicht anspringen. Da bot mir ein Patient seine Hilfe an. Ich dachte natürlich, der Mann ist Mechaniker. Weit gefehlt, er hat sich nur aufgespielt und Schaden angerichtet. Sie haben wohl auch einen Wagen?“

„Ich?“

„Weil Sie dort drüben eine Garage haben.“

„Das ist bloß ein alter Schuppen.“

„Immerhin, ein solider Unterstand. Ich wäre froh, hätte ich einen solchen Schuppen. Mein Wagen steht im Freien, auf dem Parkplatz beim Kurheim. Und was soll ich Ihnen sagen? Freche Bengel haben mir den Lack zerschrammt, und vorgestern, Sie werden es kaum glauben, haben sie sogar Farbe an den Wagen geschmiert. Ich würde mich nicht wundern, wenn so was in einer Großstadt passiert, aber hier, wo alle Einwohner so ausgesucht freundlich und zuvorkommend sind, hier wachsen Rowdys auf.“

Der Alte hat beim Zuhören die Zaunlatten gepackt. Zornröte ist ihm bis in die kahle Kopfhaut gestiegen. „Nein, aus Hedwigshöhe sind die nicht! Die kommen von außerhalb und lassen ihre Teufelsmaschinen heulen und fahren alles in Klump und stecken unsere Mädchen hier mit ihrer Frechheit an. Ich kenn die Sorte, ich weiß, wen Sie meinen.“

In erbittertem Redeschwall zählt er Martins Missetaten auf. Er geht zum Schuppen und winkt Johannes, dass er kommen soll. Er nestelt einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und steckt ihn in das Vorhängeschloss.

„Da!“, ruft er. „Da steht die Teufelsmaschine!“

Johannes stößt die Schuppentür weit auf, als wolle er Licht haben, um das Motorrad ganz genau zu betrachten. „Kennen Sie den Burschen?“

„Er trägt immer einen Helm zur Tarnung. Aber er wird wiederkommen, er kann ja sein Höllenfuhrwerk nicht einfach abschreiben.“

„Sie sind noch von altem Schrot und Korn“, sagt Johannes bewundernd. „Sie rechnen persönlich mit ihm ab. Männer wie Sie brauchen keine Polizei.“

„Die Polizei greift nicht durch. Und wenn sie schon mal einen schnappt, was liest man in der Zeitung? Bewährung.“ Johannes nickt bekümmert. Dann, da der Alte im Begriff ist, die Tür wieder zu schließen, ruft er plötzlich: „Halt! Was ist das? Was haben Sie?“

Der Alte hält verdattert inne. Johannes fasst ihn am linken Handgelenk und sieht ihm in die Augen.

„Haben Sie das öfter?“

„Was denn?“

„Hitze im Kopf? Ihr Puls stockt. Haben Sie Ohrensausen?“

„Manchmal ...“

„Schwindelgefühl? Unsicherheit auf den Beinen?“

„In meinem Alter ...“

„Oh, nein! Halten Sie sich an mir fest, Sie können jeden Augenblick lang hinschlagen. Wo ist hier eine Bank?“

„Ach, Herr Doktor“, sagt der Alte gutmütig, „Sie sind noch jung.“

„Man muss sich um Sie kümmern. Vorsicht, langsam! Kommen Sie, so ist es gut.“

Er umfasst den Alten, hält stützend seinen Arm und zieht ihn vom Schuppen fort. Der Alte lässt es geschehen, teils aus Nachsicht mit dem Eifer dieses jungen Menschen, teils aus Genugtuung darüber, dass endlich mal einer seine Leiden ernst nimmt.

„Das Haus“, sagt er, und Johannes begreift auch gleich, warum. Die Frau des Alten kommt die Stufen herunter.

Wahrscheinlich hat sie hinter der Gardine gestanden. Mit einer Mischung aus Sorge und Argwohn sieht sie, dass ein Fremder ihren Mann herbeiführt, als wäre der ein Tappergreis. Der Alte macht sich schwer und zieht seufzend die Beine nach.

Sie kriegt zu tun, denkt Johannes. Sie wird ihn bedauern müssen und aufs Sofa betten und seine Knie reiben.

Er sagt: „Ein Schwächeanfall.“

Die Frau weiß nicht, was sie davon halten soll.

„Das ist ein Doktor aus dem Kurheim“, erklärt der Alte mit matter Stimme.

„Haben Sie Schnaps im Haus?“, fragt Johannes, und der Alte an seinem Arm zuckt freudig zusammen.

„Ja, Herr Doktor“, sagt die Frau, nun doch beeindruckt. Sie fasst ihren Mann von der anderen Seite und wuchtet ihn die Stufen hoch. „Wie ist denn das auf einmal gekommen?“

„Ja, sehen Sie, das fragt man sich oft, leider zu oft auch erst dann, wenn es zu spät ist. Vor allem darf Ihr Mann sich nicht aufregen.“

„Der Bengel! Das Motorrad!“

„Gewiss. Aber davon abgesehen, auch sonst nicht.“

„Er raucht, Herr Doktor. Hundertmal am Tag sag ich ihm, lass das Rauchen. Nein, er raucht.“

„Hundert Zigaretten kann kein Mensch am Tag rauchen.“

„Pfeife raucht er.“

„Nun, ein Pfeifchen hin und wieder ...“

Im Wohnzimmer lässt sich der Alte in einen mit Plüsch bezogenen Sessel sacken. Die Frau schüttelt, zu Johannes gewendet, vorwurfsvoll den Kopf.

„Der Schnaps“, erinnert er.

Sie dreht sich wortlos um und geht aus dem Zimmer. Johannes folgt ihr in die Küche. Er hat richtig vermutet, sie hält den Schnaps unter Verschluss, macht vielleicht sogar Striche am Etikett.

„Hören Sie bitte“, sagt er leise, „ein Wort unter uns. Freuen Sie sich, dass Sie Ihren Mann haben. Freuen Sie sich jeden Tag darüber, und bereiten Sie ihm ebenfalls Freude. Freude verlängert das Leben.“

„Wieso, steht es schlecht um ihn? Sie haben ihn doch gar nicht untersucht.“

„Ist er über siebzig?“

„Das ja.“

„Sehen Sie. Über siebzig zählt jeder Tag.“

„Ich bin auch an die siebzig!“, trumpft sie auf.

„Schon, aber es ist ein Unterschied, ob Männer oder Frauen über siebzig sind. Beim Mann weiß man nie, ob er nicht mit einem Mal tot umfällt.“

„Höchstens, weil er raucht.“

„Wäre das ein Trost für Sie? Würde es Ihnen helfen, wenn Sie an seinem Grab sagen könnten: Da liegst du nun, das hast du davon?“

„Gott, wie Sie reden, schrecklich! Da träumt man ja von. Unser Doktor Gadow würde so was nie sagen.“

„Gut, ich will mich nicht einmischen. Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen."

„Wo Sie schon mal da sind“, lenkt die Frau ein, „trinken Sie man einen Schnaps mit.“

Er schüttelt den Kopf und zieht sich schnell über den Flur zurück. Draußen winkt er Ludwig, der auf ein Zeichen von ihm neben den Stufen gewartet hat.

Johannes geht mit dem Hund durch die Straßen. Kurgäste, in Gruppen oder allein, wandeln zur Promenade, um andächtig den roten Himmel zu bestaunen. In den „Pott“ gehen Kurgäste nie, sie gehen lieber in die „Strandperle“. Da spielt Musik, da wird getanzt.

Der „Pott“ bietet derbere Genüsse. Man kann trinken und essen, rauchen und klönen, Karten spielen und Skatsprüche über den Tisch schreien, zum Beispiel „Herzlich lacht die Puppenfee“ oder „Damenreiten kostet Geld“, und wenn einer bloß still in sein Bierglas starren will, stört es auch keinen. Die Männer, die hier sitzen, arbeiten als Heizer, Gärtner, Busfahrer, Strandwart oder in der Kreisstadt bei der Bahn, bei der Post, beim Kohlehandel. Auf der Bank am grünen Kachelofen sitzt Abend für Abend ein alter Bootsbauer und tütelt sich einen an. Ab und zu ruft er laut: „Hoch lebe die Seeräuberei, die Flagge rot am Mast!“ Dann sagt Rosi, die Wirtin hinter der Theke: „Korl, giww di, süss kriggst du nicks mihr.“ Und Korl sagt: „Rosi, du büst ja verstoppt.“

Als Johannes hereinkommt, stellt Korl fest: „Dor kümmt Vasco.“ Er rückt zur Seite. Längst nicht jeden lässt er bei sich auf der Ofenbank sitzen. Johannes spricht Platt, so gut wie alle anderen im „Pott“, und er hat Korl seine Hände gezeigt, vertrauenerweckende Arbeitshände, aber Korl bleibt fest. „Du büst ’n spanscher Pirat, un Jehann hetst du ok nich, du hetst Vasco.“

Einmal hat Johannes ihm eine Uhr geschenkt, weil er zwei Uhren besaß und Korl gar keine. Seitdem weist Korl die schlichte Ruhla-Uhr überall vor und erzählt, die habe ihm Vasco aus Indien mitgebracht. Sein Leben lang hat Korl gedacht, er würde mal nach Indien reisen. Jetzt weiß er, dass er nicht nach Indien reisen wird. Er weiß auch, dass er nie mehr ein Boot bauen wird, und er sagt zu Johannes auf der Ofenbank: „Ick bug di ’n Boot.“ Und Johannes sagt: „Denn führn wi nah Indien.“ Und Korl sagt: „Denn bringen wi Elefanten un Brülljanten mit, un för di ’ne Fru mit ’n Placken uppe Stirn.“ Eine Frau aus Indien, mit einem Fleck auf der Stirn, kann Korl sich allenfalls als Piratenfrau neben Johannes vorstellen, andere nicht. Er ruft durch den Raum: „Fiete, gah nah Hus, din Olsch töwt!“ Oder er fragt einen, der längere Zeit nicht da war: „Na, hett din Olsch di ok eens wedder rut laten?“ Aber Johannes fragt er nicht, und Johannes sitzt gern neben ihm auf der Ofenbank.

Am Tisch sagt einer: „Vasco, lat Luden danzen.“ Die Männer freuen sich, wenn Ludwig tanzt. Es ist kein besonderes Kunststück. Johannes stößt Ludwig an, zeigt ihm ein Stück Wurst und lässt die Wurst über seinem Kopf kreisen, und dann stellt der Hund sich auf die Hinterbeine und tanzt.

Eines Tages, hofft Johannes, wird Ludwig lernen, auch ohne Wurst zu tanzen.

„Prost!“, sagt er, und Korl kippt den Klaren und betrachtet Johannes von der Seite. Sonst kommt Johannes immer in Jeans und Pullover in den „Pott“.

„Worüm hest di uptakelt? Wisst du ok danzen?“

„Nee“, sagt Johannes, „min Achterbeen sünd mi to schad ton Danzen.“

Korl lacht beifällig.

Aber Rosi sagt: „Passt sick dat för di? Büst doch ‘n jungen statschen Kirl un hockst bi Korl an’n Aben? För Korl passt sick dat, äwer du hest doch noch allens vör di.“

„Mi reicht, wat ick achter mi heww“, sagt Johannes verstimmt.

Und Korl sagt: „Rosi, du büst ja verstoppt.“

2. Kapitel

Er weiß, dass er auffällt. Frauen sehen ihn an. Manche gehen mehrmals vorbei, langsam und scheinbar in Gedanken versunken, und dabei sehen sie ihn an. Es kommt auch vor, dass sich eine zu ihm auf die Bank setzt. Er kennt das und sitzt wie aus Bronze gegossen. Wenn er trotzdem angesprochen wird, wirft er einen Satz hin, der sich italienisch anhört. Abgesehen von amore und Dolce Vita kann er kein Wort Italienisch, er ahmt den Sprachklang nach, wie er ihn im Fernsehen aufgeschnappt hat. Das Interesse entflammt zwar dadurch nur noch mehr, aber er hält sich die Frauen durch eisernes Nichtverstehen vom Leibe. Oder er täuscht Schwerhörigkeit vor, auf die Idee hat ihn Ludwig gebracht.

Johannes sitzt oft im Kurpark, wenn es leidlich warm und trocken ist. Da die Männer sehr früh am Tag mit der Arbeit beginnen, bleibt ihnen ein langer Nachmittag zum Schwimmen, Schlafen, Ballspielen, oder was immer ihnen einfällt, die Stunden in einem Seebad zu nutzen. Johannes geht meistens mit Ludwig in den Wald oder einsame Feldwege entlang. Er hat sich für den Hund ein Übungsprogramm ausgedacht, gestuft nach Schwierigkeitsgraden, und er hat verschiedene Handzeichen ersonnen. Er mag nämlich nicht, dass die Männer über Ludwig lachen und unwürdige Späße mit ihm treiben und so tun, als sei dieser Hund ein bisschen düsig, nur weil er mühelos zu überrumpeln ist und leicht in drollig wirkende Bestürzung gerät. Eines Tages sollen alle, die jetzt über Ludwig lachen, staunend verstummen. Johannes bringt ihm bei, was auch andere Hunde lernen, bei Fuß gehen, hinsetzen und warten, still sein und ohne Erlaubnis nicht weglaufen. Es klappt schon, wenn sie beide allein sind, fern von jeder Ablenkung. In Hedwigshöhe herrschen erschwerte Bedingungen, das ist der höhere Schwierigkeitsgrad. Hühner scharren in den Höfen, Hunde verlocken Ludwig zu Ungehorsam. Zuletzt ruhen sie sich im Kurpark aus, Ludwig schläft unter der Bank ein, Johannes beobachtet die Vorübergehenden.

Entspannt und angenehm müde sitzt er immer auf derselben Bank. Sie steht am Hauptweg und ist bei den Kurgästen nicht beliebt. Hier scheint die Sonne glühend heiß, und der Weg ist staubig. Anders beim Springbrunnen, am Rosenrondell, da ziehen die Frauen ihre Röcke über die Knie hoch und halten die Beine in die Sonne, Beine mit Ausschlag, da gibt es keine freie Bank, auch im Halbschatten nicht. Im Halbschatten sitzen ältere Leute und solche, die husten und beschwerlich atmen. Die Bank am Hauptweg gehört Johannes.

Manchmal, an besonders schönen Nachmittagen, trappelt eine Kindergruppe den Hauptweg entlang, lauter dralle kleine Gören, einheimische zweifellos, zu gesund, um aus dem Kinderkurheim zu sein. Sie tragen Schaufeln, bunte Eimer und Bälle in Netzen, damit haben sie am Strand gespielt. Es gibt in der Nähe einen Kindergarten, und dorthin gehen sie nun zurück, immer zwei und zwei. Sie lärmen nicht, sie sprechen ganz leise miteinander und schauen die Kurgäste, auch Johannes, mit einem Ausdruck von ernsthafter Besorgnis an.

Als er die Kinder zum ersten Mal sah, war er befremdet, und er nahm die dazugehörende Aufsichtsperson argwöhnisch in Augenschein. Er musste an Heiner denken, seinen Kleinen, dem er manchmal zugezwinkert hat. Der Junge, von Grit wegen einer Ungeschicklichkeit getadelt, saß am Tisch, und die Freude am Essen war ihm vergangen. Er hob den Blick zu seinem Vater, und Johannes zwinkerte ihm zu.

Wenn jetzt die Kinder kommen, nimmt er die Sonnenbrille ab und zwinkert. Sie lachen und sagen was zu ihrer Erzieherin. Die, während sie leise auf die Fragen der Kinder antwortet, sieht ihn an und lächelt. Vielleicht bildet sie sich ein, er sucht Kontakt zu ihr über die Kinder. Er setzt die Sonnenbrille wieder auf.

Eines Tages aber steuert die Aufsichtsperson auf ihn zu.

„Entschuldigen Sie bitte“, fängt sie an, „ich habe eine Frage.“

Sie steht vor ihm in ihrem verwaschenen, durchgeknöpften Jeanskleid, in den flachen Sandalen, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt. Er bleibt sitzen, unhöflich, wie ihm wohl bewusst ist, und ohne das geringste Entgegenkommen.

„Oder vielmehr, die Kinder haben eine Frage“, fährt sie unbeirrt fort. „Die Kinder möchten wissen, ob Sie aus Kuba sind.“

Er wendet sich den Kindern zu. Sie umringen seine Bank. Er sieht in die runden Gesichter, in die blanken, neugierigen Augen, und nimmt die Brille ab.

„Aus Kuba“, fragt er, „warum?“

Die Aufsichtsperson erklärt ihm den Zusammenhang. Es gibt im Kindergarten ein Bilderbuch über Kuba, und manche Leute darin ähneln ihm. Deshalb fragen die Kinder jedes Mal.

Er ärgert sich, weil sie die Kinder nicht selber antworten lässt. Er neigt sich vor zu einem lütten Bengel, der ihm die Hand aufs Knie gelegt hat.

„In Kuba sprechen die Menschen spanisch. Ich bin von hier, ich kann sogar Platt. Kannst du das auch?“

Der Junge schüttelt den Kopf. Die Kinder drängen sich näher heran.

„Mein Opa kann’s“, sagt eine Kleine. Sie ist neben ihm auf die Bank geklettert und beginnt zu singen: „Fieken hett schräben ut Hagenow …“

Johannes lacht. Er wünscht, die Kleine hätte von ihrem Opa die gängige Verballhornung dieses Liedes gelernt, nämlich „Fieken hett schäten in’t Haberstroh“. Da wär die Aufsichtsperson schön in Verlegenheit. Sie macht Anstalten, die Kinder wieder um sich zu scharen.

Der Junge sagt schnell noch: „Du hast aber ganz schwarze Haare und ganz schwarze Augen.“

„Ja, und du bist blond. Wenn wir alle gleich aussähen, wär’s langweilig, nicht?“

„Und warum bist du krank?“

Die Erzieherin schiebt den Jungen von ihm weg, sie hebt das Mädchen von der Bank. Die Kinder ordnen sich zu Zweierreihen, ohne Ermahnung, in stillem Einverständnis, dass man so und nicht anders durch den Kurpark zu gehen habe. Johannes starrt die Aufsichtsperson finster an. Sie hat lange dichte Wimpern, die ihren Augen einen unangebracht sanften Ausdruck geben. Einen schmachtenden, denkt er.

„Verzeihen Sie, wir haben Sie gestört“, sagt sie. „Die Kinder tun das sonst nicht.“

„Schon gut.“

Zu den Kindern hat er anders gesprochen. Die Aufsichtsperson zieht erstaunt die Brauen hoch. Dann geht sie mit ihrer Gruppe weiter

Von nun an grüßen ihn die Kinder, wenn sie vom Strand kommen. Sie ziehen brav vorbei, aber sie winken, und er winkt zurück und lacht jedes einzelne an. Nur die Aufsichtsperson grüßt er flüchtig, mit knappem Kopfneigen. Das macht ihm Spaß. Er sieht, wie verwundert sie ist über diesen Unterschied. Sie geht nicht mehr mit so gelösten Schritten, sie spannt sich unter seinem Blick.

Einmal, nachdem sie mit den Kindern vorbeigegangen ist, kommt sie plötzlich allein zurück. Er ist überrascht, denn er bemerkt sie erst, als sie seine Bank schon fast erreicht hat. Sie will aber nicht zu ihm, sie ist in Eile und ruft ihm zu: „Ich kann’s nicht ändern!“

„Was?“, ruft er ihr nach.

Sie hebt bedauernd die Hände. „Na, dass ich Ihnen schon wieder die Stimmung verderbe. Ich bin wohl ein rotes Tuch für Sie.“

Er ist verärgert, weil er sich hat verleiten lassen, auf ihren Zuruf zu antworten. Sie hat ihm wirklich die Stimmung verdorben. Die Sonne wird ihm lästig, er langweilt sich.

Kaum hat ihn der Gedanke, dass er nachher in den „Pott“ gehen wird, ein bisschen aufgeheitert, da sieht er die Erzieherin auf dem Weg zurückkommen, diesmal mit einem Netz

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voller Bälle, das sie offenbar am Strand vergessen hat. Sie geht nun langsamer, beruhigt, das Netz gefunden zu haben. Etwas an ihrem Gang, an ihren Bewegungen auf ihn zu, lässt ihn ahnen, was jetzt folgt. Ohne die Kinder um sich ist sie keine Aufsichtsperson, sondern ein neugieriges Mädchen.

Er steht auf, stößt den schlafenden Hund an und flieht, den Hauptweg entlang. Er dreht sich nicht um, sieht nicht nach links oder rechts, er konzentriert sich auf die Art seiner Fortbewegung. Er schleift das rechte Bein durch den Kies, knickt ein in der Hüfte bei jedem Schritt, und sein Rücken schaukelt auf und ab.