Verrückt nach Kate - Emma Smith - E-Book

Verrückt nach Kate E-Book

Emma Smith

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Beschreibung

»Die Legende besagt, dass sich jeder Mann nach einem Sprung in diesen See in die erste Frau verliebt, die er danach erblickt. Aber das sind alberne Geschichten, um den Ort interessanter zu machen. Du wirst sehen, alles völlig normal.« Die mollige und tollpatschige Kate wollte den Firmenausflug einfach hinter sich bringen – aber ohne eine wilde Diskussion mit ihrem attraktiven und verdammt arroganten Chef Reed und einen oberpeinlichen Sturz in den See wollte der liebe Gott sie nicht gehen lassen. Und als wäre das nicht schlimm genug, scheinen sich urplötzlich all die Männer für Kate zu interessieren, die mit in den See gestürzt sind. Selbst Reed, der ihr seit Jahren die kalte Schulter zeigt, scheint nun das Besondere in ihr zu sehen. Auf einmal hat Kate die Qual der Wahl. Aber was, wenn sie sich entscheidet und dann doch alles nur ein riesiger Hokuspokus war? Die Geschichte ist ein Einzelroman.

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Seitenzahl: 290

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Verrückt nach Kate

UND AUF EINMAL LIEBT ER SIE

EMMA SMITH

Impressum: Impressum:

Jasmin Schürmann

c/o Autorenbetreuung/Caroline Minn

(Impressumservice)

Kapellenstraße 3

54451 Irsch

[email protected]

Lektorat: Marie Weißdorn

Korrektorat: Klaudia Szabo

Covergestaltung: Wolkenart – Marie Katharina Becker

Inhalt

Kate

Kate

Kate

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Kate

Reed

Kate

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Reed

Kate

Nachwort

Über Emma

Kate

VOR 18 JAHREN:

»Gib mir meine Puppe wieder!«

»Hol sie dir doch!«, rief Peter Woody lachend.

»Gib sie mir!«

Ich rannte ihm über den ganzen Schulhof hinterher. Dabei lachte er immer weiter. Er machte sich lustig über mich. Sie alle machten das.

»Na, schon müde?« Peter, der einen ganzen Kopf größer war als ich, blieb grinsend ein paar Meter vor mir stehen und hielt meine Lieblingspuppe hoch.

Jeder einzelne Schüler blickte zu uns. Sie waren genauso hartnäckig wie Peter, immerhin passierte das hier mehrmals die Woche. Jedes Mal zogen wir so ein großes Publikum an, ohne dass mir irgendjemand half.

»Gib sie her, Peter!«, forderte ich und versuchte so bedrohlich wie nötig zu klingen.

»Oh, ist unsere Fat Cat etwa wütend?«

Ich blähte die Nasenflügel auf. Nicht schon wieder! Nicht dieser fiese und gemeine Spitzname!

Aber das war noch nicht alles. Denn weil Peter es aussprach, riefen es jetzt alle.

»Fat Cat! Fat Cat!«

Warum machte er das so gut wie jeden Morgen? Diese zwei wirklich fiesen Worte hatten sich längst in meinen Kopf gebrannt und taten weh. 24 Stunden am Tag.

Mit einem Schrei rannte ich plötzlich auf Peter zu und schubste ihn so fest, dass er völlig überrascht zu Boden fiel. Die Puppe ließ er dabei fallen.

»Du bist nicht nur fett, sondern auch total krank!«, rief Peter. Es war nichts Neues, dass er mir dies an den Kopf warf.

Bevor er noch etwas sagen konnte, läutete die Schulglocke das Ende der Pause ein.

Peter stand auf, streifte mich im Vorbeigehen mit der Schulter und flüsterte mir wie so oft zu: »Das wirst du noch bereuen!«

Die anderen Schüler ignorierten mich und liefen hinein.

Ich hob meine Puppe auf, die keine Haare mehr besaß, weil Peter sie abgeschnitten hatte. Sie hieß Bella und war schmutzig, weil der Boden hier uneben und noch feucht vom Regen war. Ein Auge war mit einem schwarzen Stift übermalt, das linke Bein abgerissen.

Seufzend schloss ich die Augen, um nicht mitten auf dem Schulhof loszuheulen. Fest drückte ich Bella an mich, bis ich irgendwann bemerkte, dass ich völlig allein hier draußen stand.

Wie immer.

* * *

Ich hatte zu lang gebraucht. Das war mir sofort klar, als ich mich durch den Hintereingang ins Haus schleichen wollte, denn Daddy erwartete mich bereits. Er stand angelehnt an der Küchentheke und schaute mich abwartend an, wie immer, wenn er mich bei etwas erwischte.

»Warum schleichst du dich durch die Hintertür rein?«, fragte Dad lächelnd.

Die Frage war eine Falle, deswegen antwortete ich nicht sofort.

»Komm, setz dich, Kate.«

Ich seufzte, setzte mich aber neben ihn an den Esstisch. »Dad, ich muss noch Hausaufgaben machen und …«

»Was ist das?«, fiel er mir ins Wort und zog mir ein Blatt aus dem Haar.

Ich erstarrte und dachte an Peters Revanche zurück. Er hatte mich auf dem Heimweg in ein Gebüsch geschubst.

»Keine Ahnung.«

Daddy musterte mich kritisch. »Hast du wieder Ärger, mein Schatz? Du kannst mit mir reden, wenn du …«

»Es ist alles okay. Echt.«

»Ach, wirklich? Und was ist mit Bella passiert?«

Ich erstarrte und sah zu der Puppe in meinem Schoß.

»Nichts«, antwortete ich schnell und griff instinktiv nach Bella.

»Lass mich mal sehen.« Dad nahm sich Bella und bekam große Augen vor Überraschung. »Was ist mit ihr passiert, Kate?«

»Sie ist …«

»Jetzt sag mir nicht, dass sie durch die Gegend marschiert ist und sich selbst ein Bein ausgerissen hat. Du bist alt genug, um zu wissen, dass du deinen alten Herrn nicht so belügen sollst.«

»Es war Peter, okay?«

»Peter?«, fragte er nachdenklich und legte Bella auf den Tisch zurück. »Etwa dieser Peter Woo…«

»Ja, dieser Peter! Er denkt, er kann mich ärgern.«

»Aber das ist doch kein Ärgern mehr, Schatz. Bella ist völlig verstümmelt.«

Ich zuckte mit der Schulter und sah überall hin, nur nicht zu Daddy.

»Kate«, sagte er sanft und zog dabei meinen Namen in die Länge. Das machte er immer, wenn ich nichts sagen wollte.

»Alles ist okay, Dad. Ich mag Bella eh nicht mehr. Ich spiele sowieso kaum noch mit Puppen.«

»Aber Bella ist …«

»Bella ist nur ein Spielzeug!« Mein Blick verschwamm, als ich die Worte ausgesprochen hatte. »Sie ist nur eine blöde Puppe für ein dickes, hässliches Kind …«

Dad stand auf und kniete sich vor mich. Mit einer Hand hielt er Bella, mit der anderen meine eigene Hand.

»Jetzt hörst du mir mal zu, mein Schatz.«

Dad trug einen ergrauten Bart und seine Haare wurden immer weißer. Wann er wohl Santa Konkurrenz machen würde?

Ich biss mir nervös auf die Unterlippe. Eigentlich wollte ich ihm nicht sagen, was ich wirklich dachte. Aber jetzt war es passiert.

»Du bist weder dick noch hässlich. Und weißt du auch, warum ich das weiß?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Weil du nach deiner Mom kommst. Du hast ihre Augen, ihre Haare und dieses schöne Lächeln, das du mir gefälligst öfter zeigen musst. Bis auf das …«

»Grübchen. Das habe ich von dir«, beendete ich den so oft gehörten Satz für ihn.

Dad lächelte. »So ist es. Ich möchte nicht, dass du dir noch einmal zu Herzen nimmst, was andere über dich sagen, nur weil du nicht wie jeder andere aussiehst. Mom war etwas Besonderes. Das bist du auch!«

Aber Mom war nicht mehr hier.

Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, erklang Peters Stimme in meinem Kopf. »Du bist fett und hässlich! Deswegen mag dich auch keiner!«

»Wir können dir gern eine neue Puppe kaufen, wenn du …«

»Nein! Das brauchst du nicht«, antwortete ich ihm schnell. »Ich … ich nehme sie einfach nicht mehr mit.«

Dann stand ich vom Stuhl auf und ignorierte Dads nachdenklichen Blick.

»Ich muss Hausaufgaben machen.«

Als ich in meinem Zimmer angekommen war, wusste ich, was ich zu tun hatte. Ab sofort brauchte ich Bella nicht mehr. Das war besser so.

Ein Kind spielte mit Puppen. Es wurde Zeit, keines mehr zu sein.

Kate

VOR ZWEI JAHREN

Meine Finger flogen nur so über die Tastatur. Ich war hoch konzentriert, als Tiff zu mir kam. Mein Büro bestand praktisch nur aus meinem Schreibtisch, der frei vor Mr. Jacobs Büro stand. So konnte ich mich mit jedem Kunden direkt befassen, wenn es nötig war.

»Hey Kate, hast du die Akte zu dem neuen Baugebiet in Milton irgendwo gesehen? Ich find sie nicht …«

Ohne vom Monitor wegzusehen, griff ich nach einer Akte und reichte sie ihr.

»Du bist ein Engel!«

Ihr süßliches Parfum stieg mir in die Nase. Wenn ich aufschauen würde, würde ich Tiff in einem eleganten Kostüm sehen, das ihr perfekt passte.

»Jepp, steht in meiner Berufsbeschreibung unter ›Sie trägt ihren Heiligenschein nur sonntags.‹«

»Ah, deswegen sehe ich ihn so selten. Sag mal, hast du Lust, heute in der Mittagspause den neuen …«

Ein schrilles und wirklich anstrengendes »Pling« kündigte den Fahrstuhl an. Hinten im Großraumbüro befanden sich einzelne Arbeitsräume, für die Immobilienheinis, die vertrauliche Gespräche mit den Kunden führten, aber hier vorne bekam man alles mit. So auch dieses nervige »Pling«.

»Ähm, hat Mr. Jacobs Urlaub?«, fragte Tiff neben mir.

Ihre Frage ergab für mich keinen Sinn, denn davon würde ich als Erste erfahren.

»Wieso?«, fragte ich und setzte meinen Namen unter die wichtige E-Mail, die ich nebenbei getippt hatte.

Tiff räusperte sich, dann hüstelte sie wie bescheuert.

»Brauchst du was zu trinken?«, murmelte ich abgelenkt, während ich die richtige E-Mail-Adresse des Empfänger suchte. »Dann nimm dir …«

Dann hörte ich es auch schon krachen. Ich hatte die Tasse nicht richtig gegriffen und fegte sie vom Tisch, bevor ich auch nur blinzeln konnte. Meine Bluse wurde warm und nass und sofort war mir klar, dass ich mir gerade den letzten Rest meines Kaffees über die Brust gegossen hatte. Genervt hob ich die Tasse vom Boden auf.

»Ja wundervoll. Natürlich passiert mir das direkt morgens um neun Uhr. Das ist doch …« Genervt stand ich auf und versuchte den Fleck zu entfernen. Dumm, dass die bloße Hand da nicht ausreichen würde.

»Kate.« Tiff sagte meinen Namen mit einer Warnung in der Stimme. Ich blickte sie an.

»Ach, komm.« Mir kam die letzte Aktion in den Sinn, bei der ich auch die Klappe gehalten hatte, als sie mal wieder irgendetwas Dummes getan hatte. »Als du damals die Unterwäsche vergessen hast nach diesem One-Night-Stand, der nach zu viel Knoblauch roch, sind wir noch zusammen in die Boutique gegangen und …«

Erst jetzt bekam ich mit, dass vor meinem Schreibtisch noch jemand stand.

Und wie da jemand stand.

Er war über eins neunzig groß, breitschultrig und trug einen teuren Anzug, vermutlich aus Seide. Sein Gesicht war markant, männlich und so was von attraktiv. Aber seine Augen … Puh, deren Blick lag so kühl auf mir, als hätte ich tatsächlich über Tiffs One-Night-Stand und ihren vergessenen Slip geredet. Scheiße … Das hatte ich!

Vergiss den Knoblauch nicht, Kate.

Ich hätte verzweifelt aufgeschrien und mich dann nach Kanada aufgemacht, wenn er nicht noch immer vor meinem Tisch gestanden hätte.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich so professionell, wie es mir nur möglich war mit einem übergroßen Kaffeefleck auf der Bluse. Hinter ihm standen zwei weitere Kerle im Anzug.

Sein Blick glitt kurz zu Tiff, die lieber den Boden ansah und sich die geliehene Akte vor den Oberkörper hielt.

»Mein Name ist Reed Jacobs«, sprach er. Seine Stimme klang tief, aber geschäftsmäßig. Als würde es ihn langweilen, überhaupt mit mir reden zu müssen.

Moment. Er hieß Jacobs?

Ich wollte mir nichts anmerken lassen, also nickte ich einfach.

»Und was kann ich für Sie tun?«

»Sie sind seine Sekretärin.«

Diese Information gefiel ihm anscheinend nicht. Zumindest sagte das der Ton in seiner Stimme. Aber vielleicht redete er einfach immer so.

»Ja, ich bin die Sekretärin von Mr. Jacobs. Kate Walsh. Sie sind ein Verwandter?«

Reed Jacobs wirkte das erste Mal wie ein Mensch, als er vorsichtig nickte und sich etwas in seinem Blick veränderte.

»Er war mein Vater.«

Ich blickte zu Tiff, die auch verwirrt schien.

»Er ist heute Nacht an einem Herzinfarkt verstorben. Ab sofort übernehme ich die Geschäfte von Jacobs’ Immobilien. In 15 Minuten möchte ich alle Mitarbeiter versammelt wissen.«

Reed Jacobs wartete gar nicht erst auf meine Reaktion. Er lief nach links, direkt in das Büro seines Vaters.

Seines Vaters … der tot war.

Eines seiner Anzug-Anhängsel legte einen Stapel Akten auf meinen Schreibtisch. »Wir hätten ein paar Fragen bezüglich …«

Ich schüttelte den Kopf und hob die Hand. »Einen Moment. Sprechen Sie mit Tiffany Scott. Sie koordiniert alles.«

Tiff sah verwirrt aus, sagte aber nichts.

Ich ließ sie stehen und ging dem Typen mit dem tiefen Stock im Arsch hinterher. Ich klopfte nicht mal an die Bürotür seines Va… an seine Bürotür, sondern marschierte einfach hinein.

Eigentlich hatte ich erwartet, ihn am Schreibtisch sitzen zu sehen, aber er stand am Panoramafenster und blickte auf Boston hinunter. Es regnete. Wie passend für diesen Tag.

»Was kann ich für Sie tun, Miss Walsh? Da Sie nicht mal anklopfen, gehe ich davon aus, dass es dringend ist.«

Ein Vorwurf verpackt in einer Frage. Wunderbar.

»Es ist sehr dringend, Mr. Jacobs. Sie kommen einfach hierher, erzählen mir durch die verdammte Stock-im-Arsch-Blume, dass Ihr Vater tot ist, und verschwinden dann?«

Er drehte sich um und schaute mich an. Sein Blick fiel auf meine Bluse. Oh, ich hasse diesen dummen Fleck.

»Sie mochten meinen Vater?«

Die Frage hatte ich nicht erwartet.

»Er war nett, ja.«

»Nett?« Reed Jacobs wirkte belustigt. »So sagt man das also heutzutage.«

»Was sagt man so heutzutage?«

»Schlafen Sie mit ihm?«

Das hatte er doch nicht wirklich gefragt, oder? Nein. So beschissen dreist konnte er doch nicht sein.

Aber Reed Jacobs zuckte nicht mal mit der Wimper, als ich ihn geschockt anblickte. Dieser Mistkerl meinte das ernst!

»Okay, Sie haben sich vermutlich einen Drink bei Phil um die Ecke besorgt. Viele Drinks, wenn ich darüber nachdenke, dass Sie gerade andeuten, ich hätte mit Ihrem Dad geschlafen.«

Er reagierte immer noch nicht. Wenn er nicht stehen würde, wäre mir die Vermutung gekommen, er könnte vielleicht nicht mehr atmen. So ein Glück hast du nicht, Kate.

»Ihr Dad war ein guter Chef. Aber sicherlich nicht so gut, dass ich mich plötzlich auf einen Mann einlasse, der älter ist als mein eigener Vater. Gott, dass ich mich wenige Stunden nach seinem Tod so äußern muss. Nett, wirklich absolut nett.«

»Es ging schnell, wenn Ihnen das hilft.«

Ich schnaubte. »Sorry, aber ich glaube, der Mystic River um die Ecke ist gerade zugefroren. Reden Sie eigentlich immer so von Ihrem Vat…«

»Er hat Ihnen einen unkündbaren Arbeitsvertrag verschafft.« Reed Jacobs ging zu dem Schreibtisch und lehnte sich darauf, dann verschränkte er ganz geschäftsmännisch die Arme vor der Brust.

»Und?«, fragte ich herausfordernd.

»Warum sollte er das tun?«

Weil ich ihn vor zwei Jahren mit einer Praktikantin erwischt und am nächsten Tag so getan habe, als wäre nie etwas passiert. Er dachte, ich wolle mit Geld abgespeist werden. Als ich den Scheck einfach zerrissen habe, hat er mir eine Woche später den neuen Arbeitsvertrag hingehalten. Wie waren seine genauen Worte noch mal?

»Sie hätten das Geld nehmen oder es meiner Frau erzählen können. Das haben Sie alles nicht. Nehmen Sie wenigstens den Vertrag an. Dann fühle ich mich besser.«

Ich hatte ihn unterschrieben. Einmal, damit er endlich Ruhe gab, und zum Zweiten, weil mein dämlicher Ex damals mit meiner Kohle abgehauen war und ich dringend eine Absicherung benötigte, um einen Kredit von der Bank zu bekommen.

Interessanterweise ließ Harold Jacobs sich trotzdem ein halbes Jahr später von Ehefrau Nummer vier scheiden. Welche ihrer Vorgängerinnen Reed Jacobs’ Mutter war, wusste ich nicht. Wir wussten wenig Privates über unseren Chef.

»Weil ich gut bin in meinem Job.«

Er musterte mich, als würde er irgendeine Schwachstelle suchen. Die fand er bei meinen zu breiten Hüften, den dicken Schenkeln und den großen Brüsten. Okay, Letzteres fand selbst ich nicht abstoßend. Das musste ich zugeben.

»Das werden wir dann wohl noch herausfinden.«

Die Drohung kam an, aber mir machte sie keine Angst. Reed Jacobs war ein Typ von vielen. Er mochte einen Anzug tragen und sich sicher fühlen, aber er war auch nur ein Mann.

»Rufen Sie die Mitarbeiter in fünfzehn Minuten zusammen. Ich werde mich kurz vorstellen.«

Ich nickte, weil es nichts mehr zu sagen gab. Dann drehte ich mich um, aber weil ich eine gute Kinderstube genossen hatte, sagte ich noch: »Mein Beileid. Ihr Dad war ein guter Chef.«

Er sah auf, obwohl er bereits hinter dem Schreibtisch saß, und unsere Blicke begegneten sich. Mir war noch nicht ganz klar, welche Farbe seine Augen hatten. Wenn ich es herausfinden sollte, würde es mich nicht wundern, wenn sie blau waren. Wie das Eis …

Ich beendete den Blickkontakt und schloss die Tür hinter mir.

Meine gute Kinderstube eben.

Vierzehn Minuten später befanden sich alle 54 Mitarbeiter vor seiner Bürotür.

Tiff stand direkt neben mir und wirkte nervös. Wie der Rest.

»Und du hast den Neuen schon kennengelernt?«, fragte mich Declan, einer der Makler.

Ich wollte antworten, aber genau fünfzehn Minuten nach unserem Gespräch trat er aus dem Büro, gefolgt von seinen zwei Lakaien. Wenn er überrascht war, dass wir alle pünktlich hier standen, ließ er es sich nicht anmerken. Wie ein dämlicher englischer Baron oder so etwas drückte er den Rücken durch.

»Danke, dass Sie sich so schnell zusammengefunden haben. Leider ist Harold Jacobs in der letzten Nacht schnell und unvorhersehbar gestorben.« Das Tuscheln begann, aber er ignorierte es. »Ab sofort übernehme ich, Reed Jacobs, als sein ältester Sohn die Leitung von Jacobs’ Immobilien. Machen Sie sich keine Sorgen. Soweit ich das auf den ersten Blick beurteilen kann, sehen die Zahlen gut aus.«

»Dafür hat er schon die Zeit gefunden?«, raunte Declan jemand anderem zu. Da konnte ich ihm nicht widersprechen.

»Es wird Veränderungen geben, aber keine, die Sie viel interessieren dürften. In den nächsten Tagen und Wochen werde ich mich weiter in die Akten einlesen, aber seien Sie sicher, dass Jacobs’ Immobilien weiterhin ganz oben mitspielen wird. Ich danke Ihnen.«

Und schwups, verschwand er wieder in seinem Büro. Seine zwei Magnete folgten ihm direkt.

»Ziemlich trocken, der werte Herr«, kommentierte Danny den Auftritt. Er gehörte wie Tiff und Declan zu den Maklern.

»Eher heiß. Dieses Unnahbare hat was«, erklärte Tiff und grinste über beide Ohren.

»Oha, sie will wie Kelly enden«, sagte Declan.

Kelly war die Praktikantin gewesen, die Harold Jacobs mehrmals bedienen und dann von heute auf morgen nicht mehr »kellnern« durfte. Ja, schon klar. Das klang fies, aber hallo? Sie war gerade mal 19 gewesen und er … uralt!

»Hey, Jacobs Junior ist heiß und höchstens 35.«

»34«, warf Declan ein, der schon sein Handy gezückt und Wikipedia gefragt hatte.

Ich verdrehte die Augen und ging zu meinem Schreibtisch. Natürlich folgte Tiff mir.

»Also, Kate, dein Arbeitsplatz ist jetzt auf jeden Fall der Beste von allen.«

Ich runzelte die Stirn, aber sie nickte in die Richtung seines Büros. Die Tür stand auf. Reed saß an seinem Schreibtisch und ließ sich von seinen zwei Sklaven etwas erklären. Ich verdrehte die Augen.

»Ich muss dann mal wieder an die Arbeit. Gehen wir nachher zu dem neuen Chinesen an der Second Avenue?«

»Klar.« Chinesisches Essen würde ich mir nie entgehen lassen.

Tiff verschwand und ich klickte mehrere Minuten auf der Maus herum, bis mein Blick wieder zur Tür flog. Reed saß weiterhin auf seinem Stuhl und nickte immer wieder konzentriert, wenn ihm etwas gesagt wurde.

Reed Jacobs. Der Eisblock, der mich nicht leiden konnte.

Automatisch dachte ich an Peter Woody und Bella zurück. Es waren nur wenige Sekunden, aber schon für diese verschwendete Zeit könnte ich mir in meinen prallen Hintern beißen.

Mit genug Motivation, ihm zu zeigen, wie gut meine Arbeit war, konzentrierte ich mich weiter auf den Papierkram.

Kate

HEUTE

»Sie wollen mir also sagen, dass Sie das Catering absagen müssen, weil Ihnen eingefallen ist, dass die Frau Ihres Cousins zweiten Grades entbindet?«

Declan lief an meinem Schreibtisch vorbei und hob grüßend die Hand, während ich dem Caterer zuhörte, der irgendetwas von Verpflichtungen erzählte.

»Und Sie wissen schon, dass wir Sie in diesem Fall auf Schadensersatz verklagen können?«

»Was?«, brüllte er in den Hörer.

Grinsend lehnte ich mich zurück. »Jepp, deswegen sage ich immer, dass jeder sich unseren Vertrag sehr konzentriert ansehen soll. Es wird also folgendermaßen laufen: Wir bekommen für heute Mittag pünktlich die Snacks, Sie werden als reicherer Mann diesen Tag beenden und können von mir aus danach die Frau Ihres Cousins zweiten Grades besuchen. Wie finden Sie diesen Kompromiss?«

»Kompromiss? Das ist doch kein Kompromiss!«

»Natürlich ist das einer. Sie bekommen das Geld, wir die vereinbarten Snacks. Und weil Sie einen Kompromiss eingehen, verklagen wir Sie nicht. Außerdem sollten Sie sich am Ende des Tages fragen, ob es so clever ist, die Frau Ihres Cousins zweiten Grades zu schwängern.«

»D-d-das …«

Volltreffer.

»Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Tag, wir sehen uns um 13 Uhr.« Dann legte ich auf und massierte meine Stirn.

Boston. Diese Stadt machte mich noch wahnsinnig.

»Stress?« Declan lehnte sich an meinen Schreibtisch. Sein blondes Haar war wieder mal perfekt gestylt und der Anzug sah recht passabel an ihm aus.

»Ach, nur das Übliche. Der erste Anrufer war ein aufgebrachter Kunde, der den Ohrring seiner Freundin in einem Musterhaus verloren hat.«

»Und das ist jetzt ein großes Problem?«

»Oh ja. Morgen zeigt er seiner Frau das Haus«, erklärte ich ihm und nickte, als Declan nur mit »Oh« antwortete.

»Und unser Caterer treibt es mit seiner Cousine. Wobei … wie ist das Verwandtschaftsverhältnis, wenn es nur die Frau seines Cousins zweiten Grades ist?«

Declan dachte über meine Frage nach und schüttelte dann den Kopf. »Ich komme mir vor wie ein Gast in einer Mittags-Talkshow.«

Dem konnte ich nur zustimmen. »Deswegen date ich ab sofort niemanden mehr.«

Dann begann ich zu tippen. Ein paar E-Mails mussten noch raus.

»Und deine Aussage hat jetzt nichts damit zu tun, dass dein letztes Date für den Eimer war?«

Ich blickte über den Monitor zu Declan. Ein hübsches Gesicht. Er war attraktiv, hatte was im Köpfchen und Humor. Er hörte gern zu und … war schwul. Er hatte es noch nicht zugegeben oder darüber gesprochen, aber das war nur eine Frage der Zeit. Nie sprach er von einer Frau, dafür redete er im Büro über alles andere. Das war doch nicht normal!

»Mein letztes Date war nicht für den Eimer. Denn den Eimer hat er nicht verdient.«

Ich dachte an den Abend und die magischsten Sätze zurück, die ein Typ jemals zu mir gesagt hatte.

»Du bist echt hübsch. Gut, ein paar Pfunde könntest du noch abspecken, aber hey, mit mir wirst du die für ein paar Stunden vergessen. Ich muss nur eben meine Frau anrufen. Sie soll nicht mit dem Essen auf mich warten.«

Danach hatte ich Tinder für immer von meinem Handy verbannt.

Dieser sagenumwogene Abend war jetzt drei Tage her. Drei Tage, in denen ich so viel Schokolade und Eis in mich hineingestopft hatte, dass selbst eine Premium-Mitgliedschaft im Fitnessstudio um die Ecke niemals ausreichen würde, um das wieder wegzutrainieren.

»Du weißt, dass der Typ nur Blödsinn geredet hat. Und dass wir nicht alle so sind«, meinte Declan.

In dem Augenblick gab der Lift ein Klingeln ab und Reed Jacobs betrat die Bühne. Denn jeder Raum, den er betrat, war für diesen Mann eine Bühne. Unser Boss trug auch heute einen Anzug, der ihm perfekt stand. Zu perfekt.

Er war vertieft in sein Handy, als er, ohne zu grüßen, an uns vorbeiging und direkt in sein Büro verschwand.

»Okay, ich gebe zu, dass er jetzt keine Hilfe ist, wenn ich dir sagen möchte, dass nicht alle Männer absolute Nieten sind.«

»Declan, das ist total süß von dir, aber …«

»Ms. Walsh, in mein Büro«, drang Reed Jacobs’ Stimme durch die Freisprechanlage auf meinem Schreibtisch.

Seufzend stand ich auf. »Mordor wartet auf mich.«

Er wirkte amüsiert. »Ach, und du bist Frodo?«

»Frodo zieht es nach Mordor. Mich zieht es überall, nur nicht dorthin.«

Ohne zu klopfen, trat ich ins Büro.

»Guten Morgen, Mr. Jacobs. Ich hoffe, Sie hatten einen guten Start in den Tag.«

»Warum habe ich ständig das Gefühl, als müsste ich mich umdrehen und nach einem Axtmörder suchen, wenn Sie mit so netten Worten mein Büro betreten?«, fragte er so beiläufig wie möglich und öffnete eine dicke Akte.

»Ich kann nichts für Ihre Träume von Axtmördern. Aber wenn Sie über diese Dinge sprechen wollen, helfen ein großes Ledersofa und ein Therapeut.«

Er ignorierte mein Gezicke, schaute nicht mal auf, um mit mir zu diskutieren. Wie frustrierend.

»Wie sieht es mit dem Meeting für heute Mittag aus? Die Chinesen erwarten die beste Qualität, um …«

»Alles ist vorbereitet und wird pünktlich um 13 Uhr geliefert.«

»Sehr gut. Was ist mit dem Firmenausflug zum Lake Winnipesaukee?«

»Die Zimmer sind alle reserviert, ich stehe mit der Hotelleitung in Verbindung. Es ist nur noch zu klären, was wir an Ausflügen planen möchten.«

»Das überlasse ich Ihnen.«

Natürlich. Ich hatte nichts anderes erwartet.

»Die E-Mail mit dem Ausflugsplan finden Sie in Ihrem Postfach.«

Jetzt sah er endlich auf und starrte mich einen Moment lang an.

»Er muss nur noch abgesegnet werden«, redete ich weiter, weil ich es hasste, wenn er einfach nur starrte, statt etwas zu sagen.

Wenn ich eines in zwei Jahren mit Reed Jacobs gelernt hatte, dann dass er wenig zu sagen hatte. Er sprach lieber mit den Augen. Aber dieses Mal war mir nicht ganz klar, was dieser Blick zu sagen hatte.

»Gut, das wäre dann alles.« Reed Jacobs blickte wieder auf seine Akte.

Ich nickte und drehte mich um. Ich freute mich, schnell wieder von ihm wegzukommen, auch wenn ich am liebsten noch mehr Frust loswerden wollte. Aber übertreiben konnte ich es auch nicht.

»Ach, und Ms. Walsh?«

Ich drehte mich noch einmal um. Er sah mich nicht an. Natürlich nicht. Die Akte vor ihm war wichtiger.

»Sagen Sie Mr. Beutlin, er soll arbeiten und nicht bei Ihnen herumtrödeln.«

Woher zum Teufel wusste er das denn?

Eine ganz normale Sekretärin hätte sich jetzt in Grund und Boden geschämt, sich entschuldigt und wäre davongerannt. Ich war aber nun mal keine normale Sekretärin und wollte gerade etwas sagen, als die Tür hinter mir geöffnet wurde.

»Darling, ich wollte … oh.«

Jessica Sunshine. Das Supermodel. Keine Ahnung, ob der Nachname ihr echter war, aber egal, wo sie hinkam, schien die Sonne. Also theoretisch. Ihre langen Beine, die blonden Haare und vermutlich auch der kurze Rock und die passende Bluse sorgten für den »Sonnenschein« in der Hose. Zumindest vermutete ich das im Zusammenhang mit Reed Jacobs’ Beziehung zu ihr. Immerhin tauchte sie seit fünf Monaten hier auf. Das war die längste Beziehung, seit er hier die Macht übernommen hat.

»Störe ich?«

Störte sie? Ich blickte zu Reed, der nicht mal lächelte, als sein ganz persönliches Supermodel ihn besuchen kam. Was war nur los mit diesem Mann?

»Wir waren gerade fertig.«

Wow.Überschlag dich bloß nicht.

»Ja, wir sind fertig.« Ich wollte mich wieder aufmachen, als Ms. Sunshine – klingt das genauso bekloppt für euch wie für mich? – mich noch aufhielt.

»Würden Sie mir eine Flasche Wasser bringen? Aber bitte von Vichy. Meine Haut verträgt dieses 0815-Zeug nicht.«

Ich bemühte mich, mein Lächeln festzutackern.

»Selbstverständlich.«

Dann konnte ich endlich gehen.

* * *

Wie jeden Abend kam ich gegen sechs Uhr nach Hause. Ich lebte in einem kleinen, aber schicken Apartment in South Boston. Viele hier nannten die Gegend einfach Southie. Es war nicht die schönste in Boston, aber dafür eine günstige.

Ich schloss die Tür hinter mir und verriegelte diese zweimal. Seufzend legte ich die Tasche auf die Kommode und zog meine Pumps aus. Was für eine Erleichterung …

Ich ging gerade in die Küche, um mir ein Glas Rotwein einzuschenken, da klingelte mein Telefon. Ich lächelte, als ich den Hörer ans Ohr hielt und direkt sagte: »Hey, Dad. Dein Timing ist wie immer perfekt.«

»Muss ich also nicht die Cops rufen. Gut zu wissen«, ertönte Dads tiefe Stimme durch das Telefon.

Er war übervorsichtig, seit ich ausgezogen war. Gut, das war zehn Jahre her, aber Dad war ein Gewohnheitstier. Wenn ich nicht direkt zu Hause zu erreichen war, machte er sich immer sofort Sorgen.

»Dad, beim letzten Mal haben die U-Bahn-Fahrer gestreikt. Ich konnte also nichts dafür, dass ich später nach Hause kam.«

»Jaja, ich habe es verstanden. Ich bin zu fürsorglich. Aber du bist meine einzige Tochter und …«

»Und du würdest es nicht überleben, wenn ich entführt, verprügelt oder einen Rockstar mit einem Po-Tattoo mit nach Hause bringen würde«, beendete ich diesen legendären Satz aufs Neue.

»Jaja, zieh du es nur ins Lächerliche. Aber die Männer von heute besitzen nicht mehr so viel Ehre, mein Schatz. Weißt du, wie es ist, wenn deine einzige Tochter …«

»Allein und ohne Waffenschein in einem Viertel lebt, in dem überdurchschnittlich viele Gewaltverbrechen passieren, und man selbst wegen einer Hüftoperation nicht mehr gruselig genug auf potenzielle Verbrecher wirkt, weil man nicht mal mehr eine halbe Meile rennen kann?«, beendete ich wieder seinen Satz und verdrehte die Augen.

»Hör auf, die Augen zu verdrehen. Du weißt, das mag ich nicht.«

»Tue ich gar nicht!«, konterte ich so genervt, dass er fast glauben könnte, ich hätte nicht die Augen verdreht.

»Wann seid ihr jetzt auf diesem Firmenausflug?«

Ich nippte an meinem Rotwein. Lecker. »Nächstes Wochenende.«

»Du klingst nicht begeistert.«

»Ach, Dad. Du weißt, dass ich meinen Job mag, aber …«

»Wenn es ein Aber gibt, sollte man das immer ernst nehmen.«

Sicher. Dad war stolz auf mich, dass ich in dieser großen und berühmten Immobilienfirma arbeitete, aber er wollte auch das Beste für mich. Und ich fragte mich nicht das erste Mal, ob dieser Job das Beste für mich war.

»Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt.«

»Du meinst die Beziehung zu deinem Chef?«

Dads Frage war nicht so gemeint, wie ich sie aufnahm. Es gab keine Beziehung zu ihm. Also, nicht dass ich eine mit ihm führen wollte. Also, nicht dass er und ich …

»Er ist ein Arsch, Dad. Ein kaltherziges Arschlo…«

»Rotwein?«, fragte er, weil das Fluchen meist in Zusammenhang mit einem Glas Wein begann.

Ich seufzte. »Dad, er ist wirklich eins.«

»Das sind die meisten machtvollen Menschen, Schatz. Stell dir mal vor, du hättest die Verantwortung für …«

»Oh großer Gott, jetzt verteidige ihn nicht auch noch. Heute hatten wir ein wichtiges Meeting. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, damit alles reibungslos verläuft. Selbst die Begrüßung unserer Geschäftspartner hat er mir überlassen, obwohl er mit Sicherheit weiß, dass ich es hasse, Mandarin zu reden.«

»Ja, gut, aber du kannst es ja. Du hast den Fremdsprachenkurs mit einer Eins abgeschlossen.«

Ich schloss die Augen. »Dad, darum geht’s nicht. Die Chinesen reden auch Englisch. Unsere Sprache ist verdammt noch mal die Businesssprache auf dem gesamten Globus, aber Mr. Neunmalklug will unbedingt, dass ich mich in Mandarin kaputtquatsche. Als er sich dann mal hat blicken lassen, hat er natürlich Englisch geredet. Warum sollte der CEO es auch anders handhaben?«

»Gut, aber …«

»Er schaut meistens weg, wenn ich ihm etwas Wichtiges erzählen muss. Als wäre ich eine kleine, dicke Fliege, die man …«

»Er hat dich dicke Fliege genannt?«, fragte er aufgebracht.

»Dad, nein! Großer Gott, ich meine das bildlich gesprochen.«

»Du bist keine dicke Fliege!«, verteidigte er mich weiter.

»Dad, darum geht’s doch gar nicht mehr!«

Er seufzte. »Wenigstens kannst du so dein Mandarin immer wieder mal auffrischen.«

Schnaubend drehte ich mein Glas hin und her. »Er will mich provozieren. Mir zeigen, wer hier den Gehaltscheck unterschreibt.«

»Nun ja, er unterschreibt ihn ja auch …«

Wieder schnaubte ich.

»Gut, was tut er denn sonst noch so, das dich aufregt?«

»Sein verdammtes Thunfisch-Sandwich!«

»Was?«

»Zum Mittag will er immer das Thunfisch-Sandwich.«

»Und?«

»Der Laden hat keinen Lieferservice und ist in Cambridge!«

20 Meilen entfernt.

»Oh.«

»Ja! Oh! Ich meine, wir leben im 21. Jahrhundert. Welcher Imbiss liefert nicht aus?«

»Ach, mein Schatz. Ist es wirklich so schlimm?«

»Nicht immer. Meine Kollegen sind toll. Die Besten.«

Es blieb kurz still in der Leitung.

»Kein Rockstar?«

Ich lachte. »Das ist eine Immobilienfirma, Dad.«

»Auch Rockstars kaufen Häuser.«

Nach zehn weiteren Minuten mit Dad am Telefon legte ich auf und ging unter die Dusche. Danach wickelte ich mich in mein übergroßes und flauschiges Badetuch und wischte mit der Hand den Spiegel sauber.

Mein 28-jähriges Ich blickte mir entgegen. Auch wenn ich auf der Arbeit nicht mehr als Wimperntusche, Concealer und ein wenig Make-up trug, sah ich nun völlig anders aus. Noch nichtssagender als sonst schon.

Ich hob die Oberarme und zog an meiner Haut herum. Sie waren zu dick. Wenn ich das Handtuch jetzt fallen lassen würde, wäre der Bauch zu dick, die Hüften zu breit und meine Beine … Gott, über die durfte ich erst gar nicht nachdenken.

Ich zog die Mundwinkel nach oben, weil ich sehen wollte, wie ich aussah, wenn ich lächelte. Ich ließ es sofort wieder sein.

Automatisch verglich ich mich mit Ms. Sunshine, die von März bis Mai letzten Jahres halbnackt auf dem Times Square in Manhattan zu sehen gewesen war. Letzteres hatte sie mir vor ein paar Tagen zum zehnten Mal erzählt, als ich schnell einen doppelten Cheeseburger herunterwürgte, weil diese Thunfisch-Sandwich-Aktion wieder zu viel Zeit am Mittag gekostet hatte. Am Ende hatte ich meinen Rock mit Senf bekleckert und den Burger nicht aufessen können, weil … nun ja, Ms. Sunshine in Unterwäsche auf dem Times Square zu sehen gewesen war und ich Werbung für die Vorher-Bilder bei Slim Fast machen wollte, wenn ich ihn aufgegessen hätte.

Bevor jetzt jemand denkt, ich hätte einfach essen sollen: Hatte ich dann auch. Abends. Als ich allein war. Da hatte ich mir nämlich noch einen Burger geholt.

Die Welt war unfair und fies. Ich musste ein Stück Törtchen nur ansehen und schon waren 5 Pfund mehr auf meinen Hüften drauf. Ms. Sunshine trank 20 Dollar teures Leitungswasser und redete sich damit ein, dass das ausreichen würde.

So zickig ich mich auch verhielt, es war der Neid, der das hier aus mir machte. Mein ganzes Leben lang kämpfte ich schon gegen meine Pfunde an. Wann würde das endlich aufhören?

Wenn du jemanden findest, der weiß, was er an dir hat?

Ich ignorierte meine innere Stimme. Immerhin erinnerte mich diese auch jedes Mal daran, dass noch Schokolade im Haus war.

Kate

Am nächsten Morgen fuhr ich gerade meinen PC hoch, als mein Handy klingelte.

Declan:Bin bis nachmittags außer Haus. Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend auf einen Film treffen? Ich brauche dringend mal einen Abend Gesellschaft?

Das war eine tolle Idee. Ich grinste und simste ihm sofort zurück.

Ich: Bin dabei!

Declan: Was soll ich mitbringen? Ich hab zu Hause noch ein paar TK-Pizzen.

Angewidert runzelte ich die Stirn. TK-Pizzen schmeckten überhaupt nicht.

Gerade als ich zurückschreiben wollte, bekam ich eine neue Nachricht.

Arschgeige: Mailen Sie mir sofort die Akte aus Hongkong zu.

Ich war gerade mal fünf Minuten im Büro und schon kamen die ersten Befehle.

Kurz darauf kam noch eine Nachricht von »Arschgeige« an, ich ignorierte sie aber und schrieb schnell Declan zurück.

»Morgen, Kate«, begrüßte mich George aus der Rechtsabteilung.

Ich sah kurz auf und schrieb weiter. Wenn ich eines als Sekretärin gut konnte, dann tippen. »Guten Morgen, George.«

Mein Handy klingelte wieder. Declan.

Declan: Bräuchte die Antwort schnell, wenn ich noch was anderes besorgen soll …

Die hatte ich doch gerade geschrieben.

Moment …

Mit einem dicken Kloß im Hals und verdammt schnellem Herzschlag öffnete ich den Chatverlauf mit »Arschgeige«.

Shit. Nicht nur, dass ich ihm aus Versehen die Antwort für Declan geschickt hatte, es ging um das Wie.

Ich: Ich will keine aus der TK. Sie muss Fetisch sein!!!:-)

»Oh großer Gott«, murmelte ich geschockt.

Dieses verdammte T9-System hatte aus »frisch« das Wort »Fetisch« gemacht. Und das hatte ich ausgerechnet meinem Boss geschickt. Meinem Boss!

Bisher hatte er nicht geantwortet. Die Nachricht war angekommen. An den falschen Empfänger, aber sie war angekommen!

»Okay, ruhig bleiben. Noch hast du Zeit. Er kommt nicht vor neun ins Büro und …« Mein Blick schoss zur Uhr auf dem Monitor. 8:58.

Scheiße! Ich hatte also noch genau zwei Minuten, bis ich meinem Boss in die Augen schauen musste, der jetzt dachte, dass ich einen verdammten Pizza-Fetisch hatte.

»Okay, zwei Minuten. Das bekommen wir hin! Zwei Minuten sind lang genug«, redete ich mir ein, griff mir meine Tasche und erstarrte, als der Lift ein »Pling« von sich gab.