Verschwundene Arbeit - Rudi Palla - E-Book

Verschwundene Arbeit E-Book

Rudi Palla

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Beschreibung

Was machte ein Abdecker, ein Fischbeinreißer, ein Kalfaterer, ein Lustfeuerwerker oder ein Planetenverkäufer? Die meisten unserer Vorfahren haben ihr Leben lang Tätigkeiten ausgeübt, von denen wir nichts mehr wissen. Die rapide Veränderung der Arbeitswelt hat Hunderte von ausgestorbenen Berufen hinterlassen. Wie viel hochspezialisiertes Können damit verloren gegangen ist, lässt sich kaum ermessen. Wie ein Archäologe legt Rudi Palla in dieser Sammlung all jene Tätigkeiten frei, die wir uns heute teilweise kaum noch vorstellen können. Dieses sorgfältig edierte und liebevoll illustrierte Buch ist ein Reiseführer durch die Sedimente menschlicher Anstrengung, eine Schatz- und Wunderkammer, ebenso reich an genau recherchierten Details wie an amüsanten Anekdoten und Kuriosa. Rudi Pallas Lexikon ist nicht nur ein hilfreiches Nachschlagewerk, sondern zugleich ein anregendes Lesebuch, das zum Weiterblättern und Weiterlesen verführt.

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Rudi Palla

Verschwundene Arbeit

Einer der letzten Pariser Laternen-Anzünder auf dem Place de la Concorde.

Photographie. Um 1931

Rudi Palla

Verschwundene Arbeit

Das Buch der untergegangenen Berufe

Mit 117 Abbildungen

Für Lilly

 

Hutmacherin (L’Agacante Modiste).

Kolorierte Lithographie. Um 1830

Inhalt

Vorrede

A

B

C

D

E

F

G

H

K

L

M

N

O

P

R

S

T

U

V

W

Z

BIBLIOGRAPHIE

BILDQUELLEN

REGISTER

IMPRESSUM

Vorrede

Eine Kultur lebt vor allem in der Mannigfaltigkeit ihrer Berufe. Jeder von ihnen bringt, abgekapselt in seiner Zelle, für sich Gesichtsausdrücke, Kleidung, Sprachen, Haltungen, rührende oder scherzhafte Anekdoten, eine Pädagogik, eine Moral hervor. Das waren die Werkstätten bis vor kurzem: Kulturgerinnsel, sich selbst genug; Königreiche, in denen der König »Mastro« genannt wurde, d. h. Meister des Hammers, der Axt, des Schustermessers, der Drehbank … Historische Orte und geweihte Stätten, deren veraltete Techniken, deren edler Phalanstère-Geruch in keiner Enzyklopädie mehr aufgenommen werden wird.

Gesualdo Bufalino, Museum der Schatten (1982)

 

Die meisten unserer Vorfahren haben ihr Leben lang Tätigkeiten ausgeübt, von denen wir nichts mehr wissen. Die rapide Veränderung der Arbeitswelt hat Hunderte von ausgestorbenen Berufen hinterlassen. Wieviel hochspezialisiertes Wissen damit verlorengegangen ist, läßt sich kaum ermessen.

Ein gutes Beispiel für die Vielfalt der Tätigkeiten von einst bietet die Schilderung des Beschneidungsfests, welches Murad III. für seinen Sohn Mohammed ausrichten ließ und das am 1. Juli 1583 im Hippodrom von Konstantinopel feierlich begann. Überliefert hat es der österreichische Orientalist Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall, der Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Jahre als Legationssekretär in Konstantinopel akkreditiert war, in seinem Werk »Geschichte des osmanischen Reiches« (1829). Es war, wie Hammer-Purgstall hervorhob, ein Schauspiel, das in der osmanischen Geschichte durch Glanz und Reichtum seinesgleichen suchte. Während einundzwanzig Tagen zogen in endlosen Kolonnen die Zünfte und Handwerker, begleitet von wirbelnden Derwischen, Feuerfressern, Gauklern und Taschenspielern, am Sultan und seinem Gefolge vorbei: Seidenspinner, Schnürmacher und Schlingenflechter mit seltsamen Hüten, Kappen und Hauben, mannigfaltig mit Seide ausgenäht, ausgezackt und ausgeschlungen; die Leinenweber boten dem Sultan die feinste Leinwand, die Lederpresser große, runde Tischdecken aus Leder, mit Gold durchnäht, und lederne Wasserflaschen ohne Naht zum Geschenk dar. Die Zwirnhändler und Schürzenmacher zogen vorbei, verdunkelt vom Glanz und der Pracht der ihnen folgenden Goldschmiede und Juweliere, die über dreihundert Knaben, in Goldstoff gekleidet, als die lebendige Unterlage ihrer Auslage vorführten. Die Spiegelmacher und Schalenmaler mit hundertfünfzig Knaben, vorn und hinten mit Spiegeln behangen. Dann traten auf die Wollstoff- und Leinwandfärber, die Speerschaftener und Lanzenmacher, die Rotgießer, Glasbläser, Lastträger, die Damastwirker hielten auf siebenunddreißig Stangen reiche Zeuge empor, die Verfertiger der eisernen Schuhbeschläge und der Kornschwingen, die Feil- und Beilhauer, die Bürstenbinder, Schuhflicker, Eisenhändler, griechischen Frauenschuster, Wäscher, Kesselschmiede, Sägehauer, Barbiere mit einer wandelnden Bude, in der sich kleine Knaben gegenseitig schoren; die Kopfbundverkäufer, Waagmacher, Gar-, Sudel- und Pastetenköche. Weiters die Biskottenbäcker, Roßhändler, Vogelsteller, ägyptischen Kaufleute, die Taglöhner, die dem Oberstbaumeister unterworfenen Bauleute: Maurer, Steinmetze, Zimmerleute, Brunnengräber, Gipsübertüncher, Wasserleiter, Kalkbrenner, Kahnmacher; Brillenverkäufer; dann die Maler, Kopfbundwinder, ägyptischen Schiffleute, Korbflechter – und viele mehr.

Das Verhältnis des Menschen zur Arbeit, vor allem zur Handarbeit, und ihr Stellenwert innerhalb der Gesellschaft erfuhren im Laufe der Geschichte tiefgreifende Veränderungen. Zu den ersten handwerklichen Tätigkeiten und Hauptkünsten der Zivilisation gehörten die Schmiedekunst, die Töpferei und Weberei. Denken wir an den griechischen Gott des Erdfeuers und der Schmiedekunst Hephaistos, Sohn des Zeus und der Hera, den Homer im achtzehnten Gesang seiner »Ilias« preist: »Unzerstörbares Erz und Zinn warf jetzt er ins Feuer / und setzte danach dann / Auf den Amboßhalter den großen Amboß, ergriff dann / rechts den wuchtigen Hammer und links die Zange fürs Feuer. / Und er macht zuerst den Schild, den großen und festen.« Bereits um 3600 v. Chr. führte der menschliche Einfallsreichtum in Mesopotamien und im Iran zur Entwicklung der frei rotierenden Töpferscheibe, neben dem schnurgetriebenen Bohrer (mit Fiedelbogen) das älteste mechanische Arbeitsgerät. Etwa um dieselbe Zeit wurde das erste Webgerät in Europa entwickelt, der senkrecht stehende Gewichtswebstuhl. Er bestand aus zwei aufrechtstehenden Stützen, die oben durch einen Querbaum verbunden waren, an dem die von Gewichten aus Stein oder Ton straff gehaltenen Kettfäden hingen. Mit Hilfe von Litzenstäben wurden die Webfächer gebildet und die Schußfäden manuell eingebracht und mit dem Webschwert nach oben angeschlagen. »Webe eng; mache gutes Tuch, mit zahlreichen Schußfäden auf einem kurzen Stück«, riet der antike Dichter Hesiod.

Machen wir einen Zeitsprung in die frühe Neuzeit, wo es zunehmend zur Arbeitsteilung und Spezialisierung der handwerklichen Tätigkeiten kam, was sich vor allem in der Entstehung neuer Berufe ausdrückte, nicht zuletzt als Folge der zunehmenden Verstädterung. Die Eisenschmiede, einst die Berufsbezeichnung für die gesamte Metallverarbeitung, differenzierten sich in Messer-, Klingen-, Bohrer-, Sägen-, Nagel-, Huf-, Zeug- und Zirkelschmiede sowie Schlosser. Von den Schlossern setzten sich die Uhrmacher ab, diese teilten sich dann selbst in Groß- und Kleinuhrmacher, je nachdem, ob sie sich auf Turmuhren oder Taschenuhren spezialisierten. Aus den Kleinuhrmachern entstanden neue Berufsgruppen, die sich auf die Verfertigung von Federwerken oder Uhrgehäusen konzentrierten. An die Stelle der Weber traten Leinen- und Baumwollweber, Tuchmacher oder Seidenweber, von den letzteren sonderten sich Samt- und Dünntuchmacher ab. Aus Bäckern wurden Weiß-, Schwarz- und Zuckerbäcker. Einzelne Berufe haben bereits früh ihren handwerklichen Charakter verloren, sind im Verlagssystem (Trennung von Produktion und Absatz) und in Manufaktur aufgegangen oder haben einen strukturellen Wandel (Übergang zu Reparatur, Kleinhandel, Dienstleistungen etc.) erfahren.

Handwerkliche Arbeit war vielfach Knochenarbeit; sie war auch teils widerwärtig (Abdekker, Färber), ekelerregend (Lederer, Lumpensammler), schmutzig (Papiermacher), gesundheitsschädlich (Glasbläser, Hutmacher), lebensgefährlich (Bergarbeiter, Flößer, Schiffleute) und oft mit todbringenden Krankheiten verbunden. Der Vater der Arbeitshygiene, der italienische Arzt Bernardino Ramazzini, veröffentlichte 1700 seine Schrift »De morbis artificum diatriba« (»Abhandlung von den Krankheiten der Künstler und Handwerker«), die erste umfassende Darstellung der Krankheitsursachen durch Schmutz, Staub, Bewegung und Haltung, Wasserarbeit oder Feuer. »Künstler und Handwerker müssen von gewissen eigenen Krankheiten mehr als andere befallen werden«, heißt es im Vorwort, »weil fast keine Arbeit von allem Nachteil, den sie der Gesundheit verursachen könnte, freigesprochen werden kann.«

 

Die Holzhauer.

Farblithographie. 1819

Die Ausübung verschiedener Handwerksberufe wurde immer wieder mit konstitutiven Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht. Darauf hat Claude Lévi-Strauss in seinem Werk »Die eifersüchtige Töpferin« (1987) hingewiesen und sich dabei auf das Buch »Légendes et curiosités des métiers« (1895) des französischen Ethnologen Paul Sébillot berufen. Diese Merkmale sind von dreierlei Art, schreibt Lévi-Strauss: »Zunächst der körperliche Aspekt: Man stellte die Weber und Schneider, vielleicht deshalb, weil sie sitzend oder hockend arbeiten, als Krüppel oder Verwachsene dar. Die bretonischen Märchen verleihen dem Schneider mit Vorliebe das Aussehen eines schieläugigen Buckligen mit struppigem rotem Haar. Die Metzger dagegen galten als robust und gesund.

Darüber hinaus unterschied man die Berufe nach moralischen Kriterien. Praktisch einstimmig brandmarkte ein alter europäischer Volksglaube die Weber, die Schneider und die Müller als Diebe, die zu ihrer Berufsausübung einen Rohstoff – Garn, Tuch, Korn – bekommen, bei dem man argwöhnt, daß sie davon etwas für sich selbst abzweigen, bevor sie ihn, in Stoff, Kleidungsstück oder Mehl verwandelt, wieder in Umlauf bringen. Wenn diese drei Zünfte in dem Ruf standen, hinsichtlich der Quantität der Produkte zu betrügen, so verdächtigte man die Bäcker – die das Ansehen von Kupplern, ja sogar von Betreibern von Stundenhotels hatten –, Waren von zweifelhafter, durch die Darbietungsform verfälschter Qualität zum Verkauf zu bringen.

Schließlich schrieb man jeder Kategorie von Handwerkern unterschiedliche psychologische Dispositionen zu: Die Schneider galten als prahlerisch und furchtsam, aber auch als gewitzt und als Glückspilze nach Art der Schuhmacher; diese wiederum als Possenreißer, Schlemmer und schalkhafte Vögel; die Metzger waren ungestüm und hoffärtig; die Schmiede eitel; die Holzfäller grob und verdrießlich; die Barbiere geschwätzig; die Anstreicher trinkfreudig und immer fröhlich usw.«

Eine der ereignisreichsten Perioden in der Geschichte der Technik war zweifellos jene zwischen 1750 und 1850, die in England begann und als »Industrielle Revolution« bekannt ist. Sie steht, wie Akos Paulinyi in »Vom Ursprung der modernen Technik« (1989) schreibt, »für die Entstehung des industriekapitalistischen Systems und für alle damit verbundenen Veränderungen«; eine tiefgreifende technische, ökonomische und gesellschaftliche Umwälzung. Als wichtigste Maschine der »Industriellen Revolution« und zugleich ihr Symbol wird gemeinhin die Dampfmaschine angesehen. Die Erfindung der Spinnmaschine (zunächst Richard Arkwrights »Waterframe«, dann James Hargreaves’ »Spinning Jenny« und schließlich Samuel Cromptons »Mule«), die das Handspinnrad ablöste, und des mechanischen Webstuhls schufen die Grundlage für das entstehende Fabriksystem. Die Textilindustrie gab Anstoß zur Entstehung und Entwicklung weiterer Industriezweige – mit katastrophalen Auswirkungen für die Legion der Handarbeiter, die ihren Broterwerb verloren und verarmten. Das Massenelend führte zu sozialen Unruhen und Maschinenstürmerei, nicht nur in England. So stürmten arbeitslose Drucker und Weber in den Märztagen des Jahres 1848 die Baumwolldruckfabriken in Wien und Umgebung und zerstörten die neuen Textildruckmaschinen. Karl Marx und Friedrich Engels veröffentlichten im Februar 1848 ihr »Kommunistisches Manifest«, darin heißt es zur Situation der neuen Klasse, der »Arbeiterklasse«: »Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter und damit allen Reiz für den Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Race bedarf.«

Die Veränderung der Arbeitswelt durch neue Technologien, verbunden mit der zunehmenden Rationalisierung von Arbeitsprozessen im 19. und 20. Jahrhundert, hatte ebenfalls weitreichende Auswirkungen. Am Beispiel des Buchdrucks, der »Schwarzen Kunst«, eines mehr als fünfhundert Jahre alten, durch Johannes Gutenberg begründeten Gewerbes, läßt sich dessen Mechanisierung und Ende anschaulich darlegen. Die erste einschneidende Veränderung fand beim Drucken mit der Einführung der Schnellpresse seit 1814 statt. Sie löste die Handpresse ab und machte die gutbezahlten Drucker nahezu entbehrlich. Die Mechanisierung des Druckes verstärkte die Bestrebungen, auch den Satz zu mechanisieren. Der Einsatz von leistungsfähigen Setzmaschinen ab 1890, insbesondere der Zeilensetz- und Gießmaschine »Linotype« (von »lines of types«), womit die Leistung um rund das Vierfache eines Handsetzers gesteigert werden konnte, bedeutete für viele dieser Fachkräfte den Verlust ihrer anspruchsvollen Arbeit. Mit den Handsetzern verschwanden zusehends auch die Schriftgießer, welche die Lettern oder Typen für die Setzkästen herstellten. Der Einsatz des Photo- oder Lichtsatzes zur Satzherstellung (photomechanisch oder photoelektronisch) ab Mitte der 1950er Jahre verdrängte nicht nur die Maschinensetzer, sondern auch andere hochqualifizierte Facharbeiter im graphischen Gewerbe. Zum Beispiel die Korrektoren, welche die Korrekturabzüge (Fahnen) auf Satzfehler durchsahen. Oder die Chemigraphen, deren Aufgabe darin bestand, die vom Reprophotographen (der durch die digitale Scanner-Technologie ebenfalls überflüssig wurde) gelieferten Filme phototechnisch auf präparierte Zinkplatten zu übertragen und aus ihnen die nicht zu drukkenden Teile herauszuätzen. Das Endprodukt bezeichnete man als Klischee, das als Druckstock verwendet wurde. Oder die Metteure, die den Umbruch gestalteten, Satz und graphische Bestandteile zu einem Seitenlayout zusammenfügten. Oder die Stereotypeure, die Druckformen in Matrizen aus Pappmaché preßten, die anschließend mit einer Bleilegierung abgegossen wurden; diese so gewonnenen zylindrischen Bleiabgüsse wurden in Rotationsdruckmaschinen für den Buch- und Zeitungsdruck eingesetzt.

Aber nicht nur das graphische Gewerbe wurde vom technischen Fortschritt überrollt; viele andere Berufszweige waren ebenso davon betroffen. Inzwischen ist die Arbeit zu einem Gut geworden, um das die Menschen mehr und mehr bangen.

 

Wäscherin.

Kolorierter Stahlstich. 1844

Dieses Buch ist ein Streifzug durch die Sedimente menschlicher Anstrengung; es versammelt neben handwerklichen Tätigkeiten auch solche der Dienstleistungen, der Unterhaltung, des Kleinhandels und der Beförderung; es ist reich an Details, Anekdoten und Kuriosa.

A

Die Arbeit ist immer mehr wert als der Preis, den man für sie zahlt. Das Geld verschwindet, die Arbeit aber bleibt.

Maxim Gorki

 

ABDECKER (auch Freiknechte, Fall-, Wasen- oder Feldmeister, Kafiller, Schinder, Abstreifer) nannte man jene Personen, die mit der Beseitigung und Verwertung (abdecken – abhäuten) von Tierkadavern beschäftigt waren. Die wichtigsten Produkte der Verwertung waren Fette, Leim, Knochenmehl, Seife, Salmiak, Bleichmittel und Viehfutter.

Im allgemeinen waren → Scharfrichter die Besitzer oder Pächter von Abdeckereien, die meist ihre Knechte die ekelhafte Arbeit verrichten ließen. Das Gewerbe galt lange Zeit als anrüchig und unehrlich. Für unehrlich wurde auch erachtet, wer mit einem Abdecker – wie übrigens auch mit einem Scharfrichter –, ohne es zu wissen, getrunken oder gegessen hatte, gegangen oder gefahren war. Gleichfalls als unwürdig galt, wenn jemand Aas anrührte oder ein totes Vieh oder Haustier selbst vergrub. Erfuhr der Abdecker davon, durfte er zur Beschimpfung eines solchen Bürgers ein Messer in dessen Türe stecken, um ihn zu zwingen, sich mit Geld loszukaufen.

Sein Handwerkszeug war der »bloße Meichel« (Schindermesser), mit dem er beim »Fetzen« (Abdecken) dem »Kuffert« (Tier) den »Sturz« (Fell) ablöste und den »Schmuck« (Fett) »abfäberte«. Die für gewöhnlich »be-fooschte Plautze« (blutige Haut) kam in den »Fetzsack« und wurde später in der »Schinderschupfe« gesäubert, das »Bossert« (Fleisch, Aas) vergrub er. Das Vokabular der Abdeckersprache entstammte vielfach der Gaunersprache, dem Rotwelsch.

Abdecker mußten außerhalb der Stadt wohnen, und um die Quartiere lag oft abgehäutetes, verwesendes Vieh herum, das scheußlich stank und Schwärme von Fliegen und Raben anlockte. Der Weg durch ein solches Quartier wurde häufig Rabengasse genannt.

ABTRITTANBIETER waren Männer und Frauen, die sich in größeren Städten als wandelnde Bedürfnisanstalten ihr Geld verdienten, indem sie den Bürgern, die ihre Notdurft öffentlich verrichten mußten, einen Kübel und Schutz vor neugierigen Blicken anboten. Es war ja lange Zeit üblich, direkt auf den Straßen, an Mauern, auf Treppen, in Gängen und Hinterhöfen zu urinieren und seinen Kot zu deponieren. Der volkstümliche schwedische Dichter Carl Michael Bellmann (1740 bis 1795) sang zur Zither: »Draußen vor der Stadt / bei den grünen Pfützen, / wo die alten Weiber mit dem Arsch auf der Stange sitzen, / wo das gemeine Volk / mit dem Arsch trompetet, / dahin kam auch Gevatter Mowitz einmal. / Dort pißten ein Priester und ein Poet / zusammen in einen Winkel, / und das Wasser rauschte, und die alten Weiber schissen. / Plumps, plumps, plumps, plumps, / ein Prosit auf das gemeine Volk, / kling, klang.« Dieses Verhalten erfuhr erst im 18. Jahrhundert durch die »Politik der Desodorisierung« und das Vorrücken des Peinlichkeitsempfindens eine jähe Ächtung. Es wurden Höflichkeitsvorschriften gegeben (wie zum Beispiel »Gehet man bey einer Person vorbey, welche sich erleichtert, so stellet man sich, als ob man solches nicht gewahr würde, und also ist es auch wider die Höflichkeit, selbige zu begrüßen«) und Verordnungen erlassen, alle natürlichen Verrichtungen dem Auge anderer Menschen zu entziehen und dafür einen »gebührlichen Ort« aufzusuchen. Die Zeit der hilfreichen Abtrittanbieter war gekommen. Ein jugendlicher Wanderer, Johann Christoph Sachse, der sich 1777 in Hamburg aufhielt, hörte, wie eine Frau »Will gi wat maken?« rief. »Eh ich mich’s versah«, berichtete er in seinen Lebenserinnerungen, »schlug sie ihren Mantel um mich, unter welchem sie einen Eimer verborgen hatte, dessen Duft mir seine Anwendung verrieth.« Er bekam einen Schrecken und flüchtete unter dem Gelächter der Umstehenden. »Ich lachte mit als ich erfuhr, daß dergleichen Weiber und auch Männer expres [mit Absicht] in Hamburg herum giengen, um, für einige beliebige Abfindung Nothdürftige auf freyer Straße ihrer Bürde entledigen zu lassen.« Die Institution scheint sich jahrzehntelang gehalten zu haben, wie den Aufzeichnungen und Briefen des Handwerksburschen Johann Eberhard Dewald 1836–1838 (herausgegeben von Georg Maria Hofmann) zu entnehmen ist. Im Gedränge auf der Frankfurter Messe »waren mir besonders merkwürdig einige Frauen, die unter einem weitläufigen Umhang aus Leder oder dergleichen – ich konnt es nit erkunden – ein Schulterholz trugen, daran auf beiden Seiten eine Bütt herunterhing. Ihr aufmunterndes Rufen ›Möcht mol aaner?‹ erinnerte die Besucher der Budenmärkte an ihre vollen Bäuch und wohl sonst noch was, und wirklich bemerkte ich mehrere Malen etwelche unter dem Umhang verschwinden, um dort einem Geschäft zu obliegen, dem die menschliche Natur sich zu Zeiten durchaus nit entziehen kann.« Die Errichtung öffentlicher Bedürfnisanstalten im 19. Jahrhundert ließ auch diesen Beruf verschwinden.

AHL(EN)SCHMIEDE übten, wie die meisten Schmiede, ein »geschenktes« Handwerk aus, was bedeutete, daß die Gesellen frei wandern durften und, wo sie hinkamen, freie Zehrung und Geschenk erhielten. Sie stellten ein nadelartiges, mäßig gehärtetes Werkzeug, die Ahle, auch Orte oder Pfriem genannt, von rundem, quadratischem oder rautenförmigem Querschnitt zum Stechen von Löchern in Leder, Pappe, Zeuge oder Holz her. Je nach Größe und Gebrauch nannte man sie Absatz-, Einstich-, Bestech- und Markierahlen. Gleichfalls zu den Ahlen gezählt wurden die Schusterbohrer, mit denen man in die Sohlen die Löcher für hölzerne oder eiserne Nägel vorschlug. → Sattler und Riemer bedienten sich meist mit hornenen Heften versehener Ahleisen, Verziehahlen und Einbindahlen. Letztere besaßen an der etwas gekrümmten Spitze ein Öhr zum Durchziehen des Riemens durch das vorgestochene Loch. Zu den Werkzeugen der Buchbinder gehörten gerade Ahlen zum Durchstechen der Pappe, die → Schriftsetzer korrigierten mit sehr spitzen Ahlen den Schriftsatz, und die Tischler verwendeten Ahlen zum Vorstechen von Löchern und zum Anzeichnen von Linien.

 

Allesschlucker.

Plakat. Um 1912

ALLESSCHLUCKER verblüfften ihr Publikum in den Manegen und Vergnügungsetablissements durch Verschlingen von Glasscherben, Sägespänen, Nägeln, weißen Mäusen und dergleichen. »Der Mann mit dem Straußenmagen« trank dazu noch Petroleum, ging barfuß auf Glasscherben und vergrub als Höhepunkt seiner Darbietungen unter Trommelwirbel seinen kahlgeschorenen Kopf in einem Haufen messerscharfer Glassplitter.

Eine besondere Attraktion waren bestimmt die »lebenden Aquarien«, Menschen, die ihren Magen so unter Kontrolle hatten, daß sie die verschluckten Gegenstände unversehrt wieder ausspeien konnten. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts trat in Deutschland auf Rummelplätzen ein gewisser Girobollo auf, der fünfzehn Liter Wasser auf einmal hinunterstürzen konnte, und der Franzose Delair, der sich MacNorton nannte, vermochte sogar zweiundzwanzig Liter Wasser in zweieinhalb Stunden zu trinken. Beide Artisten pflegten dann lebende Fische, Salamander, Frösche und Schlangen zu verschlucken, und in Mac-Nortons Ankündigung hieß es: »Ich behalte sie bei mir in den Magensäcken während zwei Stunden wie Jonas im Walfische, dann kommen sie wieder aus meinem Halse heraus, zappelnder und lebendiger als je.« Sein prall gefüllter Wasserbauch entlud sich alsdann einem Springbrunnen gleich als hohe Fontäne durch den Mund.

Als absolut kurios ließe sich auch der Auftritt von Omikron, dem »lebenden Gasometer«, bezeichnen. Er konnte zwanzig bis vierundzwanzig Liter Gas inhalieren und durch einen Schlauch eine Gaslampe zum Brennen bringen oder sich auf einem durch ihn beheizten Gasofen in einer Pfanne Spiegeleier braten.

AMEISLER sammelten, vornehmlich in Nadelwäldern, die gelblich-weißen Puppen der Ameisen, fälschlich Ameiseneier genannt, und verkauften sie als Futter für Stubenvögel und Zierfische. Bevorzugtes Objekt der Ameisler waren Waldameisen (Formica), die ihre Nester unter der Erde bauen und darüber einen kegelförmigen Haufen (»Ameisenhaufen«) aus Baumnadeln, kleinen Ästen und Moos aufschichten, der eine beträchtliche Höhe erreichen kann.

Der »Waldbauernbub« Peter Rosegger, Schriftsteller und Poet aus dem steirischen Joglland, begegnete immer wieder diesen seltsamen Gesellen auf seinen Streifzügen durch die »Waldheimat«, wie er in seinen Kindheitsund Jugenderinnerungen schrieb: »Im Walde kannst du manchmal einem sonderbaren Mann begegnen. Seinem zerfahrenen Gewande nach könnte es ein Bettelmann sein; er trägt auch einen großen Sack auf dem Rücken. Aber über diesem Bündel und an all seinen Gliedern, von der bestickten Beschuhung bis zum verwitterten Hut, laufen in aller Hast zahllose Ameisen auf und nieder, hin und her, in Schreck und Angst, und wissen sich keinen Rat in der fremden, wandelnden Gegend, in die sie geraten.«

Die verpuppten Larven werden von den Brutpflegerinnen im oberen Teil des Ameisenhaufens abgelegt, um von der Sonnenwärme zu profitieren. Die Ameisler mußten daher die oberste Schicht des Haufens abtragen, um an die Puppen zu kommen, wobei die Zeit der »Ernte« beschränkt war, da die Puppenruhe, also die Zeit bis zum Schlüpfen, relativ kurz war (bei den Roten Waldameisen beispielsweise etwa vierzehn Tage). Es waren, wie Peter Rosegger andeutete, ärmliche Häusler, die sich mit dem Verkauf der Puppen, die vorher getrocknet wurden, ein Zubrot verschafften. Die Tätigkeit ist sicher mit der Vogelhaltung in Käfigen aufgekommen und bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts belegbar, als sie von den österreichischen Forstbehörden verboten wurde, da das Sammeln der Ameisenpuppen in die Ameisenbestände eingriff und dadurch das ökologische Gleichgewicht belastete.

AMMEN waren Frauen, die sich nach der Geburt eines Kindes verdingten, um ein anderes Kind an ihrer Brust zu stillen. Das eigene wurde dann in Kost zu einer Pflegemutter gegeben, oft unter elenden Bedingungen. Hin und wieder nannte man auch Kindermädchen Ammen, die aber, zum Unterschied von den Säugammen, Trockenammen genannt wurden. Welche Eigenschaften von einer guten Säugamme erwartet wurden, darüber gab Ersch und Grubers Allgemeine Encyklopädie zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit wohlmeinenden Ratschlägen Auskunft: »Sie muß nicht gar zu jung, aber auch nicht leicht über dreißig Jahre alt sein; sie muß mäßig große, nicht schlaffe, hängende Brüste haben; sehr große Brüste haben selten gute oder viel Milch. Die Brustwarzen müssen gehörig weit hervorragen und in Hinsicht der Dicke zu der Größe des Mundes passen. Ein weitmundiges Kind kann eine sehr dünne Warze nicht fassen und festhalten. Die Amme muß überhaupt gesund und blühend sein. Als ein Zeichen der Gesundheit, werden gewöhnlich gute Zähne gerühmt. Doch leidet dies Ausnahmen, Schwindsüchtige haben oft die schönsten Zähne, die sich freilich dem Kennerauge durch eine milchbläuliche Farbe und einen gewissen Grad von Durchsichtigkeit auszeichnen. Vorzüglich richte man sein Augenmerk auf Hautkrankheiten. Der leiseste Verdacht irgendeines Ausschlages, oder gar eines venerischen Übels, entferne die Amme. Die Amme muß sanfter Gemütsart, doch nicht zu furchtsam und schreckhaft, und nicht mannsüchtig oder gar ausschweifend und liederlich sein. Sie muß nicht lecker, nicht unmäßig im Essen und Trinken, oder gar gefräßig und nicht hitzigen Getränken ergeben sein. Sie muß sowohl auf eigene, als auf des Kindes Reinlichkeit halten. Sie darf keinen zu festen, aber auch keinen unruhigen Schlaf haben und muß überhaupt ohne große Beschwerde öfteres Wecken und anhaltendes Wachen ertragen können. Sie darf nicht menstruiert sein, denn eine säugende Frau oder Amme, die ihre Regeln bekommt, ist entweder wieder schwanger geworden oder hat zu große Neigung, es zu werden, oder ist sonst ungesund. Es ist gewöhnlich ein Mißgriff, wenn eine verheiratete Frau zur Amme gewählt wird, denn abgesehen von der Immoralität, die es oft verrät, wenn eine Frau ihr rechtmäßiges Kind und ihren Hausstand ohne die größte Not verläßt, um einige Taler zu gewinnen, so ist sie der ehelichen Umarmung meist zu sehr gewohnt und die Sehnsucht danach treibt die Menstruation hervor oder schadet sonst ihrer und des Säuglings Gesundheit. Was die Diät der Amme betrifft, so ist auch dabei manches zu beobachten. Im ganzen lasse man sie bei einer gewöhnlichen Lebensart. Die Bauerndirne verlangt derbere Kost und stärkere Leibesbewegung, als das Stadtmädchen. Soll eine solche Dirne in vornehmen Häusern auf einmal nur Weizenbrot, feine Gemüse, kräftige und gewürzte Fleischspeisen genießen, so verschwindet oft bei der für andere noch so nahrhaften Speise die Milch zusehens, oder nimmt eine undingliche Beschaffenheit an. Man vermeide vorerst nur blähende Kohl-, Rüben- und Hülsenfruchtarten, und merke übrigens auf, wie dem Kind die Milch bekomme. Nach und nach mag es sich auch an blähende Speisen gewöhnen, man gebe der Amme nur Gelegenheit, sie gehörig auszuarbeiten, welches bei Gefangenhaltung im Zimmer, bei gänzlich abgeschnittener Übung der Körperkräfte nicht geschehen kann. Ist es möglich, so wähle man eine Amme, die einige Ähnlichkeit mit der Mutter des Kindes in Hinsicht auf Konstitution, Temperament, nur nicht ihre Fehler oder Krankheiten, hat. Wenigstens suche man eine solche, die ungefähr zur gleichen Zeit mit der Mutter, wenigstens nicht mehr als zwei oder drei Monate früher als sie, geboren hat.«

 

Hannakische Kinderfrau.

Photographie. Um 1910

ARMBRUSTER stellten die aus dem Pfeilbogen (→ Bogner) hervorgegangene mittelalterliche Schußwaffe, die Armbrust (arcuballista, arbalista) her. Die Armbrust bestand aus dem Schaft, meist aus Eibenholz, mit einem Bogen aus Holz, Horn oder Stahl, der durch die Sehne, die aus starken Darmsaiten fingerdick gedreht war, gespannt wurde. Es gab Vorschriften, wonach solche Tiersehnen nicht außerhalb der Stadt, sondern nur an die heimischen Armbrustmacher verkauft werden durften, damit immer ein gewisser Vorrat an Sehnen gewährleistet war.

Im Schaft lag die drehbare Nuß, mit der die Sehne gespannt wurde. Ein Druck auf den Stecher ließ die Sehne vorschnellen, schlug auf das Geschoß, einen Pfeil oder Bolzen (teils mit einem kronförmig gezackten Kopf), in der Rinne des Schaftes und sandte es ab. Zum Spannen des Bogens diente der Spanner, bei Reitern der hebelartige Geißfuß, bei stärkeren Bogen die Handwinde. Zur Ortsverteidigung wurde die große Armbrust von sieben bis neun Metern Länge (Arkuballiste) auf der Plattform der Tore und Türme, auch auf Rädern als Feldgeschütz, in Stellung gebracht. Eine leichte Ausführung mit Stahlbogen, Doppelsehne und Visierklappe hieß im 16. Jahrhundert Ballester oder Schnäpper.

Auf dem Handwerk lastete eine hohe Verantwortung; »wente dar licht lyf unde sund [liegt Leben und Gesundheit] an ener guden armborsten«, hieß es in der hamburgischen Ordnung der Armbruster, und vielerorts bestand die Verpflichtung, daß jede Armbrust die Marke des Meisters tragen und daß er ein Jahr für ihre Güte garantieren mußte.

Eine spätere Variante der Armbrust besaß eine bedeckte Rinne oder einen zylindrischen eisernen Lauf mit Sehnenschlitz und schoß Kugeln aus gebranntem Ton, Marmor oder aus Blei, die noch auf zweihundertfünfzig Schritte einen Panzer durchschlugen. Daher wurde die Armbrust noch geraume Zeit neben dem Feuergewehr als Schußwaffe verwendet.

ASCHENBRENNER hielten sich oft wochenlang in unwegsamen Waldgegenden auf und brannten aus Ästen, Laubwerk, kernfaulen Bäumen und auf dem Boden liegenden »Ranen« (vom Wind mitsamt den Wurzeln ausgerissene Baumleichen) die sogenannte Waldasche. Baumasche gewannen sie durch das im 18. Jahrhundert wegen der dramatischen Holzknappheit in vielen Gegenden verbotene Verbrennen von aufrechtstehenden Bäumen oder das Einäschern ganzer Waldteile. Im Wald wohnten sie, ähnlich wie die → Köhler und Waldhirten, in primitiven Unterständen oder Hütten aus Baumstämmen, Rinden und Moos. In den Städten und den Dörfern sammelten sie gewöhnliche Ofenasche und Heuasche ein. Ihre Abnehmer waren hauptsächlich die Glashütten beziehungsweise die → Pottaschesieder.

ASCHENMÄNNER (auch Aschenträger) waren Leute aus der Unterschicht, die das Einsammeln der Asche besorgten, als man in Wien noch ausschließlich mit Holz heizte (die »schmutzige« Kohle setzte sich bis ins 19. Jahrhundert nicht durch). Jeder von ihnen ging einen bestimmten Rayon ab und machte mit dem Ruf »An’ Oschn! An’ Oschn! « auf sich aufmerksam. Aus Johann Pezzls Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt Wien, erschienen 1802, geht hervor, daß in einem Wohnhaus täglich gut und gern ein Klafter Holz, das sind eineinhalb Festmeter, verheizt wurde. Mit einer Krücke holten die armselig gekleideten Männer die Asche aus dem Herd oder Ofen und füllten sie in eine hölzerne Butte, die sie auf dem Rücken trugen. Sie verkauften die Asche hauptsächlich an Seifensieder und Leinwandbleicher, was ihnen ein bescheidenes Einkommen bescherte. Ferdinand Raimund setzte dem Aschenmann in seinem Zaubermärchen Der Bauer als Millionär ein literarisches Denkmal; der zu unverhofftem Reichtum gekommene Waldbauer Fortunatus Wurzel verliert Geld und Jugend und muß sich als alter Aschenmann durchs Leben bringen. Im dritten Aufzug singt er das von Raimund selbst komponierte, mittlerweile berühmt gewordene Aschenlied: »So mancher steigt herum, / Der Hochmut bringt ihn um, / Tragt einen schönen Rock, / Ist dumm als wie ein Stock; / Von Stolz ganz aufgebläht, / O Freundchen, das ist öd! / Wie lang steht’s denn noch an, / Bist auch ein Aschenmann. / Ein Aschen! Ein Aschen!«

 

Ferdinand Raimund als Aschenmann aus dem Zaubermärchen »Der Bauer als Millionär«.

Kreidelithographie. 1826

B

Arbeit – Travail. Tägliche Verrichtung, zu welcher der Mensch durch seine Bedürftigkeit verurteilt ist und der er gleichzeitig seine Gesundheit, seinen Unterhalt, seine Heiterkeit, seinen gesunden Verstand und vielleicht seine Tugend verdankt.

Denis Diderot

 

BADER UND BARBIERE waren bis ins 19. Jahrhundert für die Körperpflege und die wundärztliche Versorgung der Bevölkerung zuständig. Das Badewesen dürfte zur Zeit der Kreuzzüge entstanden sein, als die zurückkehrenden Kreuzfahrer nicht nur die Badekultur des Orients mitbrachten, sondern auch die arabische Lepra, die man im Okzident Aussatz nannte. Heilung versprach das Schwitzbad, das gegenüber den bisher gebräuchlichen Wasserbädern in Badewannen (Badzuber) an Attraktivität und Verbreitung gewann. Das Baden zählte zu den »Hauptfröhlichkeiten« aller Bevölkerungsschichten: »Wiltu ein Tag fröhlich sein? Gehe ins Bad. Wiltu ein Wochen fröhlich sein? Lass zur Ader. Wiltu ein Monat fröhlich sein? Schlacht ein Schwein.« Zu festlichen Anlässen und am Vorabend hoher Kirchenfeste war es üblich, ein Bad zu nehmen und den Bediensteten und ihren Familien ein »Freibad« zu spenden; vor und nach der Hochzeit wurden »Hochzeitsbäder« gehalten, und die Diener- und Arbeiterschaft bekam statt des Trinkgeldes ein »Badegeld« zugesteckt. Unter den Handwerkern war es üblich, am Samstag ein Bad zu nehmen und reine Wäsche anzuziehen. In manchen Orten besaßen die Badestuben sogar eine Art Asylrecht, kraft dessen der Gerichtsbote den im Bad Befindlichen erst abführen durfte, nachdem dieser ausgebadet und sich abgetrocknet hatte.

Der Erwerb einer Badestube (balneum) war mit hohen Kosten durch Hauswert und aufwendiges Inventar verbunden und für die meisten Bader unerschwinglich. Badestuben waren daher meist im Besitz der Städte, die sie an die Bader verpachteten, und diese waren verpflichtet, an festgesetzten Tagen einzuheizen. Zum Badgießen gehörte auch das Kopfwaschen und das Kämmen (»sterket das gehirn und gedechtnuess«), das Haarschneiden und bei männlichen Badegästen das Rasieren (scheren, balbieren, barbieren). Außerdem war es den Badern erlaubt, ihre Badegäste mit Salben zu behandeln, Blutegel und Schröpfköpfe anzusetzen, Zugpflaster aufzulegen, Klistiere zu geben, Geschwüre auszuquetschen, Zähne zu brechen und zur Ader zu lassen. Darüber hinaus wurden die Badebesucher mit Speisen und Getränken bewirtet, aber auch mit Spiel und Gesang unterhalten. Für alle diese Dienstleistungen standen dem Bader in der Regel Hilfskräfte zur Seite, sogenannte Baderknechte (beispielsweise der Scherknecht) und Bademägde (die Reiberin zum Trockenreiben und Massieren, die Gewandhüterin zur Aufsicht der Kleidungsstücke). Ein aus dem 15. Jahrhundert stammender Tractat über Badekosmetik empfiehlt französische Seife, Kleienwasser und Weinsteinöl als Schönheitsmittel, eine Art Wachsmaske, um alle Unreinheiten des Teints zu entfernen, »rothe Schminke aus Brasilholz«, weiße aus »gepulvertem Panis porcinus«, wahrscheinlich Cyclamenknollen, und Pomaden gegen aufgesprungenes Gesicht und rauhe Lippen.

In der Literatur wird die Wundarzneikunde teils als eigenes Gewerbe aufgefaßt, teils in Verbindung mit dem Barbier (Chirurg), und erst später auch mit dem Bader dargestellt. Bader und Barbiere übten also im Laufe der Zeit neben dem Badgießen und dem Barbieren gemeinsam die Wundarzneikunde aus, und das führte naturgemäß zu Rivalität, Neid und Zank unter den beiden Berufsgruppen. Der Wunsch der Barbiere, den Badern die Ausübung der Chirurgie zu verbieten, war nicht zu erfüllen, weil die Zahl der Chirurgen (Barbiere) viel zu klein war, um den Bedarf an Wundärzten zu decken. Besonders die Barbiere, die sich den Badern überlegen fühlten und ihnen mit Geringschätzung begegneten, waren bis zu ihrer Vereinigung (1773 in Wien) um peinliche Trennung bemüht. Der Konkurrenzkampf nahm an manchen Orten, wie beispielsweise in Frankfurt am Main, groteske Formen an. Vorübergehende zog man in zudringlichster Weise bei den Kleidern in die Stube, um ihnen den Kopf zu waschen oder den Bart zu schneiden.

Bader und Barbiere unterschieden sich von den Ärzten (medici) dadurch, daß sie ihre Kunst als Handwerk erlernten und nur zur Ausübung der Chirurgie berechtigt waren, die noch im 18. Jahrhundert von der (inneren) Medizin getrennt war. Die Aufgaben, die in den Wirkungsbereich des Wundarztes (Chirurgen) fielen, waren zum Teil riskante, aber gewinnbringende Eingriffe wie Steinschnitte, Starstiche, die Erweiterung verengter Harnröhren (mit dem Uréthrotome caché), die Behandlung der Tränenfistel, des Nasen- und Lippenkrebses, der Nasenpolypen, der Luftröhrenschnitt, die Operation von Hernien (Eingeweidebrüchen), des Kropfes und anderer entzündlicher Leiden im Brustraum, im Unterleib und an den Genitalien, ja sogar die Trepanation oder Durchbohrung verletzter Hirnschalen und die Amputation der Extremitäten. Auf dem mit Bronzeengelsköpfen verzierten eisernen Bügel einer Amputiersäge findet sich der eingeätzte Spruch: »Grausam sieht mein Gestalt herein, / mit Angst, Schwäche und großer Pein, / wann das Werk nun ist vollendet, / das trauern sich in Freude wendt. 1571«. Chirurgengesellen fanden sich vielfach auch als → Feldschere beim Militär und Meister als Ratsbarbiere, Blattern- und Pestärzte in städtischen Diensten. Eine weitere Aufgabe war die Leichen- und Verwundetenbeschau, bei der aber nicht viel zu verdienen war und wofür gerne die jüngsten Mitglieder eingeteilt wurden.

 

Barbier und Bader.

Kolorierte Radierung. 1820

Die Ausbildung des Nachwuchses lag bis zum 16. Jahrhundert zur Gänze in den Händen der Meister, danach kam als weitere Instanz neben der Innung die Medizinische Fakultät dazu, die das Recht hatte, Bader und Barbiere zu prüfen. Die Lehrzeit ist in den meisten Privilegien mit drei Jahren angegeben und sollte nur dann verlängert werden, wenn der Lehrjunge nach vollendeter Lehrzeit die »Hauptgrundsätze seiner Kunst« noch nicht ausreichend beherrschte. Bevor ein Lehrjunge freigesprochen wurde, mußte er vor dem Gremium eine Prüfung ablegen, die als Tentamen oder Examen bezeichnet wurde, um zu zeigen, was er »durch frequentirung deren Chyrurgischen Collegien und Lesung Chyrurgischer bücher« und »in elementis et praxi Chyrurgica« gelernt habe. Die Gesellenzeit und der damit verbundene Wunsch, recht bald die Meisterschaft zu erlangen, um mit dem Erwerb einer Barbier- oder Badergerechtigkeit auf eigenen Beinen zu stehen, verlief nicht immer nach Wunsch. Sein Examen bei der Fakultät konnte der Geselle, wenn er über ausreichendes Wissen und genügend Geldmittel verfügte, ablegen, ohne daß ihn jemand daran hindern konnte. Die in den Zünften aber meist begrenzte Meisterzahl und die hohen Kosten (Konzession, Taxe für das Bürgerrecht etc.) machten dem Gesellen den Erwerb des Meisterrechtes oft unmöglich. Wollte er nicht ein ewiger Geselle bleiben, blieb nur noch die Möglichkeit einer Einheirat in das Gewerbe, von der ziemlich oft Gebrauch gemacht wurde. Außerdem konnte nur derjenige Principal werden, der »drey ganze Jahr nacheinander in der frembde vollbringt und unterwegs die Hospitäller frequentirt, wie auch anderwerths in chyrurgischen Exercitys sich mit guter fleissiger Übung qualificirt«, also seiner Wanderpflicht nachgekommen ist. Gesellen wurden von ihren Meistern gewöhnlich im Wochenlohn bezahlt, an manchen Orten außerdem am Gewinn beteiligt (Wien, Stralsund). In Österreich wurde 1770 der Wochenlohn durch den Tagelohn ersetzt. Der Geselle sollte nur für diese Tage Kost und Lohn bekommen, an denen er wirklich gearbeitet hatte, an Sonn- und Feiertagen dagegen nur die Kost. Diese Maßnahme stand in Zusammenhang mit den Bemühungen zur Abschaffung des »Blauen Montags«. Die oft unüberwindlichen Hindernisse, zur Selbständigkeit zu gelangen, förderten die unbefugte Ausübung der Heilkunde durch ungeprüfte Kurpfuscher und Quacksalber (Störer).

Mit der Zeit wurden, wie im Altertum, die Bäder vielfach als Stätten der »Sittenlosigkeit« diskriminiert, und Ärzte, Geistliche und Regierungen traten seit Anfang des 17. Jahrhunderts gegen sie auf. Auch die Furcht vor Ansteckung mit Syphilis und anderen Infektionskrankheiten, der Holzmangel, als dessen Folge die Badepreise stiegen, die Einstellung der für die Armen gestifteten »Seelenbäder« (jeweils am Sterbetag des Stifters) und der unter dem Begriff »Badefahrten« in Mode gekommene Besuch von Wildbädern (Thermalquellen) trugen zum schleichenden Niedergang des Badewesens bei.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts mußten die Wundärzte das Barbieren, das ein guter Nebenverdienst war, an die Perruquiers (→ Perückenmacher) abgeben, was aber nicht so streng gehandhabt wurde. Auf dem Land, besonders in Orten, wo es überhaupt nur einen Wundarzt gab, wird dieser sicherlich weiterbarbiert, entgegen den gesetzlichen Verordnungen innere Leiden behandelt, bei Fehlen einer Apotheke die Bevölkerung mit Medikamenten versorgt haben und als Geburtshelfer eingesprungen sein. Die Grenzen zwischen den Tätigkeiten der Wundärzte, Perückenmacher und Hebammen zeichneten sich aber immer deutlicher ab, so daß die ehemaligen Bader und Barbiere im 19. Jahrhundert nur noch als Wundärzte tätig waren.

BANDELKRÄMER (auch Briechler, Brüchler, Reffkrämer) waren eine eigentümliche Erscheinung in den Straßen Wiens. Sie trugen entweder ein ledernes oder hölzernes Tabulett am Bauch, von dem Bänder, Zwirn, Schnüre und Languetten (Hemdärmelbesätze) in allen Farben und Sorten herabhingen, oder eine Bandlkraxe auf dem Rücken. Sie wanderten von Haus zu Haus und riefen mit eintöniger, lauter Stimme: »Bandel-Zwirnkaufts!« Ihren Kram bezogen sie hauptsächlich aus dem Waldviertel (Bandlkramerland) und wanderten damit nicht nur nach Wien, sondern durch alle Alpenländer, das Riesen- und Erzgebirge bis in die Karpaten. Johann Gottfried Seume begegnete auf seinem Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 einem Tabulettkrämer in Znaim, der vorgab, bis nach Sibirien an den Jenissej zu handeln. Ihre Popularität trug zum Entstehen einiger volkstümlicher Ausdrücke bei; der wohl bekannteste und noch gängige ist »anbandeln« für kokettieren, ansprechen, einen Streit provozieren.

 

Bandelkrämer.

Handkolorierte Radierung. Um 1820

BÄNKELSÄNGER unterhielten ihr Publikum, oft von einer Bank herab, mit Gassenhauern und Bänkelliedern. Besungen und erzählt wurden Neuigkeiten des Tages und Naturereignisse, Unglücksfälle, Verbrechen, Mißgeburten, sentimentale Romanzen sowie soziale Mißstände in gereimter, greller, oft auch unflätiger Form, ganz nach dem Geschmack der unteren Schichten des Volkes. Bisweilen wurden auch Persönlichkeiten in den Versen angegriffen und verhöhnt. Einer der Angegriffenen beschwerte sich einmal an höchster Stelle, »daß sein Name von der Grundsuppe des Pöbels auf allen Gassen und Straßen der Stadt und Vorstädte in Gesellschaft irgend eines Galgenschwengels ausgerufen, dem allgemeinen Spott Preis gegeben und gebrandmarkt wird«.

 

Volks-Scene im Prater (Amusement au Prater).

Kolorierter Kupferstich. 1826

Die milde Zensur unter Josef II. in Österreich und die Entdeckung der spanischen Romanze und der englischen Ballade in Deutschland begünstigten stark das Aufblühen dieses literarischen Genres, das später durch die Ausbreitung der Zeitungen immer mehr an Aktualität verlor.

BARCHENTWEBER (auch Barchenter, Barchner, Parchner) stellten aus leinener Kette und baumwollenem Schuß ein dichtes, leichtes Gewebe mit Köperbindung her. Als im 14. Jahrhundert die Baumwolle auf den mitteleuropäischen Märkten auftauchte, nahm zunächst das süddeutsche Leinengewerbe die Möglichkeit wahr, mit einem Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle anspruchsvollere Qualität anzubieten. Die Baumwolle war zudem wesentlich körperfreundlicher als Leinen, und im Unterschied zur glatten Leinenbindung führte die Köperbindung zu einem sichtbaren schräglaufenden Webmuster, das seine Zeichnung beim Einfärben noch verstärkte, weil das Leinen weniger Farbe aufnahm als die Baumwolle. Die zunehmende Bevorzugung farbenfroher Kleidungsstücke seit dem späten Mittelalter steigerte die Nachfrage nach Barchent, der schon bald zum großen Konkurrenten der bisher verbreiteten Stoffe aus Wolle und Leinen aufstieg. Die deutsche Bezeichnung Barchent (Parchat, Schürlitz, Sardoch) stammt vom arabischen Wort barrakan und bedeutet eigentlich »grober Stoff« oder »Gewand«. Einen großen Aufschwung nahm die Barchentweberei in Schwaben, wo die Zentren Augsburg und Ulm waren, aber auch in Böhmen und Schlesien. Die Dynastie der Fugger legte in Augsburg mit der Leinen- und Barchentweberei den Grundstein für ihren sagenhaften Reichtum. Als Kaiser Karl V. der Schatz von Paris gezeigt wurde, soll er gesagt haben, er kenne einen Leinenweber in Augsburg (gemeint war Jakob Fugger, der 1525 starb), der dies alles mit barem Geld bezahlen könne.

BARETTMACHER fertigen flache Mützen mit runden oder viereckigen Deckeln und geraden oder aufgeschlagenen Krempen, die seit Beginn des 16. Jahrhunderts in verschiedenen Formen und wechselnden Größen, oft mit reichem Federbesatz, Schnüren, Medaillen und Plaketten geziert, die gewöhnliche Kopfbedeckung für Männer und Frauen waren. Unter dem Barett (Barret, früher gewöhnlich Biret) wurde häufig eine enganliegende Haube (Kalotte) getragen.

In manchen Städten regelten Kleiderordnungen das Tragen dieser Kopfbedeckung. In Wien zum Beispiel war es den Bauersleuten auf dem Land untersagt, ein Barett zu tragen, dafür durften Rats-, Erb- und vermögende Bürger sowie Doktoren, Advokaten, Gelehrte und Beamte, auch wenn sie nicht adelig waren, ein solches aus Samt, verbrämt und geschmückt, aufsetzen. Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts kam die Toque in Mode, ein kleines, steifes, gefaltetes Barett mit schmaler Krempe, aus Seide oder Samt, das von Vornehmen beider Geschlechter getragen wurde und mit einer meist goldenen Hutschnur und einem kleinen Federbusch geschmückt war.

BAROMETERMACHER verfertigten Geräte zur Messung des Luftdrucks, für die der englische Physiker Robert Boyle um 1663 das Wort Barometer gebraucht hatte. Die Tatsache, daß Wasser trotz seines Gewichts durch eine Pumpe hochgesaugt wird, erklärte man nach Aristoteles durch den Abscheu der Natur vor dem Leeren (Horror vacui), und als Brunnenmacher in Florenz feststellten, daß im Saugrohr einer Pumpe das Wasser nicht höher als zehn Meter stieg, soll Galilei, den man um Aufklärung des merkwürdigen Phänomens bat, gemeint haben, daß dieser »Abscheu« eben Grenzen habe. Die Antwort fand schließlich Galileis Schüler Evangelista Torricelli (1608–1647), der durch ein Experiment den Beweis für die Wirkung des Luftdrucks lieferte. Er füllte eine lange, dicke, an einem Ende zugeschmolzene Glasröhre mit Quecksilber, verschloß den unteren Teil mit seinem Daumen, tauchte die Röhre mit diesem Ende in ein Quecksilberbad und zog den Daumen weg. Das Quecksilber sank auf eine Höhe von etwa sechsundsiebzig Zentimetern, wobei sich darüber ein leerer Raum bildete, den man Torricellische Leere nannte. »Die Atmosphäre ist es, welche den Druck hervorbringt«, erkannte Torricelli den Grund der Veränderung; »die Luft ist ein schwerer Körper, sie hat ein Gewicht und lastet mit diesem Gewicht auf der Erde, wie das Wasser des Meeres schwer auf dem Grunde seines Bekkens ruht.« Der Luftdruck kann aber verschieden groß sein: 1648 ließ der Gelehrte Blaise Pascal (1623–1662) durch seinen Schwager Périer die erste barometrische Höhenmessung auf dem nahe der Stadt Clermont-Ferrand gelegenen und 1465 Meter hohen Puy de Dôme ausführen. Am Gipfel stand die Quecksilbersäule in einer Torricellischen Röhre um acht Zentimeter niedriger als am Fuß des Berges, wodurch das Vorhandensein des Luftdrucks und die Abnahme nach oben endgültig bewiesen war.

Alle diese Erkenntnisse in Verbindung mit der Herstellung eines brauchbaren Apparats, der unter dem Begriff Wetterglas populär wurde, hatten einen überaus starken Einfluß auf die Entwicklung vor allem der Geographie, Geologie und Pflanzenkunde. Überdies war das Barometer in der Landwirtschaft »ein höchst nützliches und wichtiges Instrument«, wie Johann Georg Krünitz in seiner Öconomisch-technologischen Encyklopädie (1773ff) feststellte, »an welchem man zum voraus die Veränderung des Wetters abnehmen, und sowohl ein Gärtner als der Ackersmann mit dem Pflanzen, Säen, Aernden und anderen Garten- und Feldarbeiten sich darnach richten kann«.

Eines der ersten Barometer überhaupt dürfte dasjenige des Herrn von Guericke, eines durch seine Luftpumpe berühmt gewordenen Physikers und langjährigen Bürgermeisters von Magdeburg, gewesen sein. Es war statt mit Quecksilber mit Wasser gefüllt, und auf der Flüssigkeit schwamm das sogenannte Wettermännchen, das mit einer Hand auf einer Skala die Veränderung des Luftdrucks anzeigte. Neben den einfachen Gefäß-Barometern erfreuten sich später die Heber-Barometer von Fortin und Gay-Lussac großer Beliebtheit, bei denen ein zweiter Schenkel der Röhre das Gefäß bildete. Leichter und sicherer zu transportieren waren die Aneroid-Barometer, 1844 von dem Mécanicien Lucien Vidie erfunden, die als wichtigsten Bestandteil eine geschlossene, luftleere Metalldose mit elastischen Deckeln hatten, auf die der Luftdruck einwirkte.

In Ferdinand Raimunds Posse Der Barometermacher auf der Zauberinsel (1823) wird der abgewirtschaftete Barometermacher Bartholomäus Quecksilber durch einen Sturm auf eine Zauberinsel geworfen und erhält durch eine Fee drei Zaubergeschenke: einen Stab, durch dessen Berührung alles zu Gold wird; ein Horn, auf dessen Ton hin eine kampfbereite Armee von Zwergen und Amazonen erscheint, und eine Binde, welche die Kraft des Wünschelhuts hat.

BARTENHAUER (auch Bartenwerper) stellten Hieb- und Stoßwaffen wie Streitäxte, Hellebarden, Gläfen oder Roßschinder (so genannt, weil sie besonders benutzt wurden, um die Kniekehlen der Pferde zu durchschneiden), Piken und Partisanen her, aber auch Fleischbarten und Binderbarten (für Faßbinder).

BAUMWOLLWEBER entwickelten sich vor allem in jenen Gebieten, wo die Baumwollverarbeitung durch die → Barchentweberei schon bekannt war, und webten ein reines Baumwollgewebe. Die Arten und Namen der baumwollenen Gewebe (Zeuge) folgten natürlich den Gesetzen der Mode und waren nahezu unerschöpflich. Es gab glatte Stoffe wie Kattun (→ Kattundrucker), Kitay (Kattun von geringer Breite), Nanking (Kattun von bräunlichgelber Farbe), Kammertuch (feiner als Kattun), Baumwollbatist, Perkal, Kaliko (steht in der Feinheit zwischen Kammertuch und Perkal), Musselin (lockerer als Perkal gearbeitet), Vapeur (feiner als Musselin) und Rips; geköperte Stoffe nannte man Croisé oder Köper, Cretonnes (bedruckter Köper), Drill, Jeans und baumwollenen Merino; die atlasbindigen Stoffe hießen Satin (auch Oriental genannt), Baumwollmolton, Englisch Leder (Moleskin und Biber). Erwähnenswert sind auch gemusterte und samtartige Stoffe aus Baumwolle.

Die Baumwolle wurde seit dem 13. Jahrhundert aus dem östlichen Mittelmeerraum über Italien (Venedig) nach Norden importiert und war wesentlich teurer als Flachs. Sie mußte, da sie in zusammengepreßten Ballen transportiert wurde, zunächst aufgelockert, gereinigt und auf der Karde, einer Art Striegel, von den pfefferkorn- bis erbsengroßen Samen befreit und gestrichen werden. Durch die geringe Faserlänge (Stapel) der Baumwolle besaß der gesponnene Faden keine allzu hohe Festigkeit und konnte lange Zeit nur als Schußgarn für Barchent verwendet werden. Baumwolle ließ sich auch zunächst nicht wie Flachs oder Wolle auf dem Tretrad mit Flügelspindel (Verdrehen und Aufwickeln zur gleichen Zeit) spinnen, sondern mußte auf dem Handrad (Spinnen, Aufwickeln, Spinnen, Aufwickeln usw.) verdreht werden.

Weber mit Webstuhl.

Photographie. Um 1930

Selbsttätige Spinnmaschinen.

Handkoloriertes Glasdiapositiv. Um 1910

Ein entscheidendes Moment für die technische Weiterentwicklung war der Produktivitätsunterschied von Spinn- und Webverfahren. Alle seit dem Mittelalter gebräuchlichen Spinnverfahren konnten nicht gewährleisten, daß ein Spinner allein einen Weber mit Garn versorgen konnte. Damit der Weber den ganzen Tag genügend Garn zum Verarbeiten hatte, war er immer auf mehrere Spinner angewiesen. Die Garnmisere wurde noch verschärft, als 1733 der Engländer John Kay ein »fliegendes Weberschiffchen« erfand, mit dem die Weber in derselben Zeit etwa doppelt so viele und breitere Stoffe weben konnten wie bisher. Dem »Garnhunger« versuchte man in allen europäischen Ländern mit verschiedenen Maßnahmen beizukommen. In Preußen wurden regelrechte Spinnerdörfer (vor allem für Wolle) eingerichtet; Spinn- oder auch Industrieschulen entstanden, in denen Lehrer Kinder hauptsächlich zum Spinnen anleiteten; in Waisen- und Strafanstalten wurde Spinnen als Zwangsarbeit befohlen, und sogar die preußischen Soldaten mußten einen Teil ihrer Dienstzeit aufs Spinnen verwenden. Dann, um 1764, gelang James Hargreaves, einem Weber aus Stanhill bei Blackburn, mit der Erfindung eines von Hand angetriebenen Spinnapparates ein durchschlagender Erfolg. Auf der berühmten »Spinning Jenny« konnten zunächst acht, später sehr viel mehr Fäden gleichzeitig gesponnen werden. Die handbetriebene »Jenny« wurde die Maschine der Hausindustrie.

Mit der Erfindung der »Jenny« und der nachfolgenden Mechanisierung nahm die reine Baumwollweberei ihren großen Aufschwung, zuerst in England, dann in Frankreich und Deutschland. Es entstanden Spinn- und Webfabriken, mit deren Massenproduktion die Textilhandwerker nicht mehr konkurrieren konnten. Innerhalb von sechzig Jahren wurde eine jahrhundertealte Technik mechanisiert und automatisiert, wodurch viele der Spinner und Weber in große materielle Not gerieten.

Das wohl berühmteste und über den ganzen Erdball verstreute Produkt aus Baumwolle ist ohne Zweifel eine Hose. 1873 ließ in San Francisco ein Einwanderer aus dem bayerischen Buttenheim namens Levi (Löb) Strauss einen Köper aus dem französischen Nîmes namens Denim indigoblau färben und nach dem Muster einer Genueser Matrosenhose zu Arbeitshosen (die »Genes«) schneidern. Einem Schneider aus Reno, Jakob W. Davis, kaufte Strauss das Patent ab, die gefährdeten Stellen einer Hose mit Kupfernieten zu sichern. Die legendären Bluejeans waren geboren.

BEINDRECHSLER verarbeiteten vor allem Pferde- und Rinderknochen (der Vorder- und Hinterfüße), die Stoßzähne des Elefanten (Elfenbein) und des Mammuts (fossiles Elfenbein) sowie als Elfenbeinersatz die Eck- und Schneidezähne des Nilpferdes, die Eckzähne des Walrosses, die Vorderzähne des Narwals und die Unterkieferzähne des Pottwals zu einer Unzahl von Gegenständen des täglichen Gebrauchs und Luxus. Man säuberte, entfettete und bleichte die Knochen bzw. Zähne und bearbeitete sie auf der Drehbank mit Schrot-, Spitz- und Schlichteisen oder mit der Laubsäge, mit Hobeln, Raspeln, Feilen, Stecheisen, Messern und Bohrern. Flache und solche Stücke, die zum Drehen nicht geeignet waren, wurden möglichst genau ausgesägt, mit Feilen ausgearbeitet, mit dem Messer reingeschabt und abschließend, wie die gedrehten Arbeiten, mit nassem Schachtelhalm (Scheuerkraut), Fischhaut (einiger Haifisch- und Störarten), Tripel (Polierschiefer) oder Bimsstein geschliffen und mit Schlämmkreide oder mit den eigenen Spänen poliert. In den Werkstätten entstanden Frisier- und Zierkämme, Haarnadeln, Löffel und Gabeln, Stock- und Schirmgriffe, Billardkugeln, Schach- und Damefiguren, Dominosteine, Würfel, Knöpfe, Ringe, Nadelbüchsen, Fingerhüte, Pfeifenspitzen, Uhrzeiger, Falzbeine, Hefte für Messer und feine (zum Beispiel chirurgische) Werkzeuge, Miniaturgemälde, Fächer, Schreibtafeln, künstliche Zähne, Spielmarken und Zahnstocher.

Viele Beinarbeiten wurden auch noch auf mannigfaltige Weise verziert (geätzt, graviert) und gefärbt. Eine Abkochung von Brasilienholz mit Kalkwasser färbte dunkelrot, eine mit Essig und Alaun hellrot. Grün erhielt man mit Essig, Grünspan und Salmiak, Blau durch reife Holunderbeeren mit Essig und Alaun, Gelb durch Kreuzbeeren und Kurkumawurzel mit Alaun und Schwarz, wenn man das Werkstück zuerst mit Pottasche und Galläpfelabsud und dann mit essigsaurem Eisen behandelte.

Zum Belegen der Klaviertasten wurde anstatt des teuren Elfenbeins vielfach Hirschbein verwendet, das sich durch Feinheit und blendendes Weiß auszeichnete. Aus Hasenknochen wurden Jagd- und Wildrufe, aus Gänseflügelknochen Vogelpfeifchen hergestellt.

Berühmt waren die Beinwaren aus Geislingen am Fuß der Schwäbischen Alb. Zu den feinsten und zierlichsten Arbeiten, die jemals eine Werkstätte verließen, zählten sicher jene zweiunddreißig Schachfiguren, die in einem Kirschkern Platz fanden.

 

Der Horn-Bein-Metall-Gold- und Silber-Drechsler (Dreher).

Kupferstich. 1789

BEINSCHNEIDER bedienten sich hauptsächlich des Elfenbeins oder als Ersatz für das teure Material der Zähne des Walrosses, Nilpferdes, Nar- und Pottwals und schnitten und schnitzten daraus Buchdeckel, Seiten von Tragaltären, Schreibtafeln, Spiegelkapseln, Broschen, Armringe, Tierfiguren, Statuetten, Oberteile von Krummstäben, Schmuckkästchen, Kämme und Putzgerät, Schwert- und Dolchgriffe sowie Intarsien als Einlage in Holz. Elfenbein war im Mittelalter sehr beliebt, weil es als Sinnbild der Reinheit und Keuschheit galt, ja, ein Dichter verglich es sogar mit der Jungfrau Maria.

BERGARBEITERSCHAFT; dieser gehörten alle jene Menschen an, die stets mit Wagnis und harter Arbeit dazu beitrugen, der Erde ihre unterirdischen Schätze abzuringen; denn es sind nicht »einfache Geschenke einer freigebigen Natur«, die dem Menschen zuteil werden, sondern Grundstoffe, deren Aufsuchen, Erschließen, Gewinnen, Fördern und Aufbereiten »des Einsatzes von Scharfsinn, Wissen und Können in einem Maße bedürfen, von dem sich der Außenstehende kaum eine Vorstellung zu machen vermag« (F. Friedensburg). Das Innere der Erde zu durchforschen, um zu den Bodenschätzen vorzudringen, vor allem zu den Erzen, Metallen und Salzen, aber auch zu den Edel- und Nutzsteinen bis hin zu den Tonen und Erden, hat eine jahrtausendealte Tradition, die mit dem Feuerstein (Flint) begann. In den Schächten und Abbaustrecken der neolithischen Bergwerke fanden sich schon zahlreiche Arbeitsgeräte (Gezähe), die entweder aus Teilen von Hirschgeweihen (Brechstangen) oder aus Stein (Schlag- oder Klopfsteine, Hämmer und Fäustel) bestanden. Als »Geleucht« (Beleuchtung) dienten den Bergleuten Kienfackeln, gefördert wurde mit Handbeuteln aus Fellen oder Tragkörben, und als »Fahrten« (Ein- und Ausstiege) verwendete man schräggestellte Steigbäume. Das erste für die Herstellung von Waffen, Geräten und Schmuck verwendete Nutzmetall war das – hier und da auch in gediegener Form vorkommende – Kupfer, dessen systematischer Abbau sehr wahrscheinlich im östlich und südöstlich an das Mittelmeer grenzenden Großraum, im Alten Orient, begann. Wird nicht auch der Garten Eden irgendwo in diesem Raum vermutet? »Der Einfall, Kupfer zu schmelzen«, schrieb Ronald F. Tylecote in seiner Geschichte des Kupfers (1966), »kam wahrscheinlich durch die Beobachtung von Veränderungen der grünen oder roten kupferhaltigen Farben auf den Tontöpfen über dem Feuer, denn wir finden die Nachweise des ersten Kupferschmelzens bei den Leuten, die bemalte Töpferwaren herstellten.« Eine der ersten mitteleuropäischen Kupfergruben von herausragender Bedeutung war jene im österreichischen Mitterberg zwischen Bischofshofen und Mühlbach im Salzburger Land, wo seit der frühen Bronzezeit (um 1900 vor Christus) mit bereits verhältnismäßig großer Belegschaft Kupfererze gewonnen wurden. Die Römer, als die bergbaulichen Erben der Griechen und Etrusker, der Phönizier und Karthager, beuteten in ihren Provinzen auf der Iberischen Halbinsel die reichen Vorkommen an Silber- und Kupfererzen aus, aber auch an Zinn- (das Metall benötigte man neben Kupfer für die Bronzeherstellung) und Eisenerzen. Nach dem hellenistischen Historiker Polybios (gestorben nach 120 vor Christus) sollen allein in den Silberminen bei Neu-Karthago (Cartagena) nicht weniger als vierzigtausend Arbeiter, vor allem Sklaven und Strafgefangene, unter entsetzlichen Bedingungen tätig gewesen sein. Der Aufschwung des mittelalterlichen Bergbaus in Europa ging offenbar von den in der Maingegend siedelnden Franken aus, die dort im 9. Jahrhundert Eisen, Kupfer, Silber und Gold gewonnen haben dürften. Fränkische Bergleute waren es auch, die seit 922 bei Frankenberg und Mittweida am Nordrand des sächsischen Erzgebirges mit dem Abbau von silber- und kupferhaltigen Fahlerzen begonnen haben. Jahrzehnte später kam es dann unter Kaiser Otto I. zur Gründung des berühmten Unterharzer Bergbaus am Rammeisberg bei Goslar und zum Abbau der silberreichen Kupfer- und Bleierze. Es war vor allem das Silber, das als Münzmetall dieser Epoche große Bedeutung erlangte und die Schürftätigkeit belebte. Der klassische »Bergsegen« Gold, Silber, Kupfer, Quecksilber, Zinn, Blei und Eisen wurde nach und nach erweitert durch die Entdeckung von Lagerstätten neuer Metalle wie Wismut, Nikkel, Kobalt, Wolfram, Mangan, Chrom und Molybdän, und als die »Eisenzeit« durch die Industrialisierung ihrem Höhepunkt zustrebte, wurde die Kohle, le pain noir de l’industrie (Paul Sébillot), zum wichtigsten aller Bodenschätze. »Die Steinkohle bewegt die Welt, der Geist der schnellen Fortschritte kommt von ihr; sie ist der Schatz der Länder, eine der letzten Gaben, die die Erde der verschwenderischen Menschheit schenkt«, heißt es in einem der Kohle gewidmeten Roman aus dem Jahre 1870.

Zu einem gewaltigen Modernisierungsprozeß im Montanwesen kam es unter den befreienden Impulsen der Renaissance. Sowohl die Investitionsbereitschaft breiter Kreise aus Bürgertum, Adel und Klerus als auch die systematische Forschung und das Entstehen und die Verbreitung montankundlicher Schriften hatten daran großen Anteil. Das wahrscheinlich umfangreichste und präziseste Kompendium stammt von dem sächsischen Humanisten und »Vater der Mineralogie« Georg Agricola (eigentlich Georg Bauer), der sich für einige Jahre als Stadtarzt in der jungen Bergbaustadt St. Joachimsthal (Jáchymov) im böhmischen Erzgebirge niedergelassen hatte, um sich »mit ganzer geistiger Kraft« und »glühendem Eifer«, wie er selbst bekannte, dem Studium der Natur und der bergmännischen Erfahrungswelt zu widmen. In Joachimsthal, wo damals rund neuntausend Bergleute in mehr als neunhundert Silberminen arbeiteten, begann er die Arbeit an seinem berühmt gewordenen Werk Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen (De re metallica libri XII), die aber erst ein Jahr nach seinem Tod 1556 in Basel bei Froben erschienen sind. Mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang blieben sie das Standardwerk des Montanwesens.