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Seitenzahl: 41
Oskar Schürer
Gesänge und Psalmen
Kurt Wolff Verlag · Leipzig 1919
Bücherei „Der jüngste Tag“, Band 71
Gedruckt bei Poeschel & Trepte, Leipzig
Copyright by Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1919
So steig ich wieder auf, heimlich erhobene Schale!
Schon schüttet ewiger Sinn sich in mich schwer.
Wird mich nicht überreicher Drang zermahlen?
Gesang quält wieder auf und bettelt sehr.
Doch immer spür ich Scheu, hinaufzublicken:
Geahnter! Du wirst Wert und Wort der Stunde knicken.
Sieh, meine Hände sich wie Ringer keuchend um dich falten!
Wie halten — o wie retten dich in mein Erkalten?
Du lädst dich in mein armes Schaun, wie schwank ich wild!
Berührten, die ich pflückte, Erdenharmonien dein ewig Bild?
So schlürft ich nie, Verzehrender! so ward ich nie verschleudert!
Hinrasend Meer! Aufblühe, Mensch! noch Tierblick sich ins Ahnen läutert!
O lösch mich aus, Gewalt! so trüb dort unten spült der Tag.
Schmilzt hin vor dir und höhnt, der so an deinem Busen lag.
Schon gleit ich nieder. Täler brüllen auf, da ich sie fülle
in Drang und Trotz. Sie werden über mir zusammenschlagen.
Ein Schluchzen nur in armer Hand werd ich in meine Hütte tragen,
Ein Schluchzen, drin ich mich in lauter Scham verhülle.
Doch immer hart getürmt auf mein Verzagen ragt Gebot:
„Ich hab mich dir gezeigt. Du wieder sollst mich zeigen!
Ich bin der Sinn und Form ist meine Not.“
Dann werde ich mich neigen, großer Rufer! tiefer neigen.
Dein Bild zu wagen, taste ich nach Körnern warmer Erde:
Ach wie ich greife, wird es Asche werden.
Weicher Hufschlag kost die weißen Flächen,
lichtumspülte Berge wandern mit.
Selig Jagen, daß die Fernen brechen,
wilde Nähe dampft von meinem Ritt.
Schneegewölke stiebt um unsre Lenden,
Sonne schauert auf in weißem Gischt.
Meine Hunde schießen vor und wenden,
Wellenlust, die sich dem Schäumen mischt.
Froh umbellt und königlich getragen,
Gold blitzt auf dem wildgeworfnen Huf.
Bläh’ die Nüstern, Brauner! Friß dein Jagen,
spür auch du den Drang, der dich erschuf.
Tag schreit auf und selig kreist die Sonne,
trunkner Bräutigam umkniet die Braut.
Ich bin Tag und Hund und Pferd und bin die Wonne,
die in Taumeln ihren Gott erschaut.
So ritt ich durch die armen Fetzen Ewigkeit.
In stummem Zwange lag die Nacht geknebelt
und lohte hungernd, wie ein ausgeweintes Leben
nach einem Schmerzensschrei, der sie erlöste.
Erbarmungsloses Mondlicht drängte alle Sterne
in freudenlose Firmamente roh hinauf,
mit kalten Hieben warf es unsre Erde
— das weiße Schneeland, das um Sonne trauert —
wie einen Toten in den fahlen Grund.
Gespenstisch fror das kalte Dämmern auf dem Leichnam,
den ich mit grauem Schauder überritt.
Aus ihrer Schattenbläue sprangen dunkle Bäume
wie rasende Fontänen schwarzen Blutes auf,
im lodernden Geäste sich verspritzend.
Rauchende Dolden tobten wild ins Graun.
Und harter Mondschein starrte alle Brunnen Blutes,
und fror gespenstisch auf der Leiche Welt,
in die mein Pferd die scharfen Hufe bohrte.
Solang ich ritt, umgraute mich der Leichnam
und Wunden sprangen blutend, wo ich ritt.
Da half mir niemand solche Wehschau zu ertragen.
Du arme Welt, wer hat dich so geschlagen?
O Menschenerde, wie du dich verklagst!
Ich schrei den Bußeruf, den du nicht wagst.
Erbarmender! daß ich hier liege
niedergeworfen in deine keimenden Schollen!
Höre mein Schrein!
Wer warf uns in solche Geschicke?
Raserei über uns! ewig urfremdes Sterben!
Sterben in Frühen und Abend und duldenden Nächten.
Leben uns ausspie;
in Erden müssen wir kauern, ach! hassen die dumpfen Tage!
Immer geduckt unter drohenden Fäusten,
brechendem Hohn.
O wer hat uns so unterjocht?
Empörung lauert in allen tödlichen Schlachten,
da aus der Not sich erkannte
Opfer und Mord.
Wohin, ihr Alten, stelltet ihr eure Söhne,
daß sie euch hassen müssen
jungguten Erkennens!
Denn euer Tun müssen wir büßen —
Was fehlten wir?
Euern verirrten Begierden
was bluten wir noch?
Säulen von Vätern lasten
schwer auf uns.
Wir wollen sie vertoben,
verspritzen,
in Tage baun, uns zu erfüllen!
Es wartet ein Tun in den Welten: ich möchte es wagen!
Es jagt ein rotheißes Geblüt in den Adern der Erde:
ich möchte es küssen!
Geschöpf sein und leben!
Ging ich, mein Vater, nicht,
ein Schwankender,
unter den Lasten deiner Gesichte!
Lagerten sich nicht schwer
auf meine Tage