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Millionen Menschen leiden unter Schmerzen und Verspannungen in verschiedenen Regionen des Körpers. Die Auslöser sind meist Fehlbelastungen durch Bewegungsmangel und schlechte Haltung oder auch emotionaler Stress. Die Ärztin Ellen Fischer hat mit der Release-Methode eine Selbsthilfetechnik nach dem Vorbild osteopathischer Behandlungsprinzipien entwickelt, die die Muskulatur wieder in Balance bringt: Verspannungen werden zunächst sanft gelöst. In Kombination mit anschließenden Kräftigungsübungen für die zu schwachen Muskeln entsteht ein effektives Programm. Es hilft sowohl bei akuten und chronischen Nacken-, Rücken- und Gelenkschmerzen als auch bei stressbedingter seelischer Anspannung. Die Übungen sind überall gut durchführbar, nicht anstrengend und schließen sonst schwer beeinflussbare Muskelgruppen wie das Zwerchfell und den Beckenboden mit ein. Das bietet dieses Buch Theorie: Wie funktionieren Muskeln und Faszien? Wie kommt es zu Verspannungen? Wie kann man sie nachhaltig positiv beeinflussen? Praxis: Ganz neue Übungen – achtsam und tiefenwirksam. Sie befreien nicht nur von Fehlspannungen und Schmerzen, sondern verbessern gleichzeitig die Beweglichkeit. Geeignet für alle: von jung bis alt, von Sportlern bis zu Schmerzpatienten.
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Seitenzahl: 165
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Übungsprogramme für häufig verspannte Muskeln
Haben Sie Rückenschmerzen?
Bei akuten und starken Schmerzen beginnen Sie am besten mit den Übungen für das Kreuzbein auf S. 76 und den tiefen Hüftbeuger auf S. 78. Wenn Sie damit erste Erfolge erzielt haben oder unter chronischen Verspannungen mit mäßigen Schmerzen leiden, eignen sich gut die Übungen auf S. 120 und 123. Ihre Beweglichkeit verbessern Sie mit den Übungen auf S. 151, 153 und 158.
Haben Sie Nackenschmerzen?
Bei akuten und starken Schmerzen beginnen Sie am besten mit den Übungen für Kopfnicker und Schultergürtelheber auf S. 102 und 105. Wenn Sie damit erste Erfolge erzielt haben oder unter chronischen Verspannungen mit mäßigen Schmerzen leiden, hilft die Übung auf S. 124 weiter. Ohne Hilfsmittel durchführbar und deswegen gut geeignet für eine Entspannungspause im Büro sind die Übungen auf den Seiten 131, 159 und 161. Das Risiko für wiederkehrende Beschwerden sinkt, wenn Sie die Aufrichtung der Wirbelsäule verbessern, Übungen dafür finden Sie auf 110, 112 und 157.
Haben Sie Schulterschmerzen?
Bei akuten und starken Schmerzen beginnen Sie am besten mit den Übungen für die Brustmuskeln, den Beuger des Oberarms und den seitlichen Oberarmheber auf S. 95, 97 und 100. Wenn Sie schmerzfrei geworden sind und Ihre Haltung und Beweglichkeit verbessern wollen, helfen Ihnen dabei die Übungen auf Seite 153, 155 und 159.
Haben Sie Hüftschmerzen?
Bei akuten und starken Schmerzen beginnen Sie am besten mit den Übungen für die Hüftbeuger, Anspreizer und Außendreher des Hüftgelenkes auf S. 78, 88 und 86. Unterstützend wirkt die Entspannung des Beckenbodens auf S. 108. Nur wenn Sie die Hüfte wieder vollständig strecken können, ist die Übung für die seitlichen Stabilisatoren auf S. 83 eine gute Abrundung.
Haben Sie Knieschmerzen?
Bei akuten und starken Schmerzen beginnen Sie am besten mit der Übung für den Kniestrecker auf S. 91 und der Partnerübung für den Kniebeuger auf S. 142. Das Risiko für wiederkehrende Beschwerden sinkt, wenn Sie die muskuläre Balance des ganzen Beines verbessern, Übungen dafür finden Sie auf S. 136, 141 und 145.
EIN WORT ZUVOR
SO FUNKTIONIEREN MUSKELN
Wunderwerk Muskel
Ihre Muskeln brauchen Pflege
Wie funktioniert ein Muskel?
Die konditionellen Grundeigenschaften
Faszien – geheimnisvolles Gewebe, das alles zusammenhält
Der Einfluss des Gehirns auf die Körperspannung
Optimale Spannung schützt vor Verschleiß
Verspannungen haben viele Gründe
Die mechanische Ebene
Die emotionale Ebene
Die vegetative Ebene
Release – der beste Weg in die Entspannung
Die verschiedenen Dimensionen von Entspannung
Wie funktioniert Release ganz praktisch?
Wenn Schmerz zur Krankheit wird
Akute und chronische Schmerzen
Die Schmerz-Angst-Spirale und das Schmerzgedächtnis
Schmerz überwinden
Häufig verspannte Muskeln
SO LÖSEN SIE VERSPANNUNGEN
Auszeit für den Muskel
Verspannungen selbst lösen
Das Kreuzbein
Der tiefe Hüftbeugemuskel
Der seitliche Stabilisator der Lendenwirbelsäule
Die seitlichen Stabilisatoren des Hüftgelenks
Der Außendreher des Hüftgelenks
Die Anspreizer des Hüftgelenks
Der lange Strecker des Kniegelenks
Kleiner und großer Brustmuskel
Der Beugemuskel des Oberarms
Der seitliche Oberarmheber
Der Kopfnicker
Die Schultergürtelheber
Der Beckenboden
Das Zwerchfell
Die Gefäße
Muskeln lockern durch sanften Druck
Der Trick mit den Bällen
Triggerpunkte manuell lösen
Die aufrichtende Muskulatur der Wirbelsäule
Die Gesäßmuskulatur
Die Schultergürtelheber
Die Kiefermuskulatur
Die Muskulatur der Unterarme
Auf Spannung folgt Entspannung
Schritt für Schritt zu mehr Entspannung
Die Schultergürtelheber
Die Beugemuskeln des Unterarms
Der lange Kniestrecker
Die Beugemuskulatur des Kniegelenks
Der Wadenmuskel
Dehnlagerungen und weiche Bewegungen
Die Schwerkraft zur Hilfe nehmen
Mit weichen Bewegungen Spannungen lösen
Den Rücken lang machen
Bleiben Sie wendig
Die Flügel ausbreiten
Aufrecht durchs Leben gehen
Weiche Bewegungen für das Kreuz
Weiche Bewegungen für den Nacken
Weiche Bewegungen für den Kopf
Weiche Bewegungen für den Kiefer
ANHANG
Bücher, die weiterhelfen
Wie fühlen Sie sich? Nehmen Sie sich Zeit, um die Signale Ihres Körpers wahrzunehmen? Das wäre schon mal ein guter Anfang auf dem Weg zum Wohlbefinden. In der Schule lernen wir lesen, schreiben und rechnen. Im Laufe der Zeit lernen wir eine Vielzahl von Werkzeugen und Maschinen zu benutzen, wie Haushaltsgeräte, Smartphones, Computer und Autos, die alle immer komplizierter werden. Während man früher nur eine Wählscheibe drehen musste, gehört inzwischen zu jedem Telefon eine 60-seitige Gebrauchsanweisung. Aber eine Bedienungsanleitung für unseren eigenen Körper bekommen wir üblicherweise nicht. Im Gegenteil! Indirekt wird uns schon in der Schule beigebracht, den Körper und seine Bedürfnisse über weite Strecken zu ignorieren.
Die meisten von uns machen sich keine Gedanken über das komplexe Wunderwerk des Organismus – solange ihr Körper reibungslos funktioniert. Als Medizinerin erlebe ich immer wieder, dass Menschen mit der Erwartung in die Praxis kommen: Der Doktor soll es richten! Dabei kann der Arzt oft gar nichts machen – trotz aller Fortschritte der modernen Medizin. Denn mehr als die Hälfte der Patienten kommen mit sogenannten funktionellen Beschwerden in die Sprechstunde, die auf einer Störung der Selbstregulation des Körpers beruhen. Wenn jemand wegen Schmerzen des Bewegungsapparats einen Arzt aufsucht, lässt sich sogar in 80 Prozent aller Fälle keine eindeutige strukturelle Ursache identifizieren. Grund für die Schmerzen sind vielmehr gestörte Spannungsverhältnisse in Muskeln und Faszien. Und diese Spannungen sind nicht nur eine Folge ungünstiger mechanischer Beanspruchung, sie spiegeln auch unsere Gedanken und Gefühle, innere Konflikte und Nöte wider. Nur die oder der Betroffene selbst kann darauf Einfluss nehmen – ein Therapeut kann bestenfalls den Weg weisen.
Dieses Buch lädt Sie ein, Ihren Körper neu zu entdecken. Je besser Sie verstehen, wie Ihr Nervensystem die Spannung des Bindegewebes – Muskeln, Sehnen, Gelenkkapseln, Bänder und die alles umhüllenden Faszien – reguliert, desto besser können Sie Verspannungen lösen und Schmerzen vorbeugen. Sie gewinnen an Beweglichkeit, Wohlbefinden und Lebensfreude.
Ellen Fischer
Wie und warum verspannt sich ein Muskel? Und wie entspannen Sie ihn am besten wieder? Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, wie Ihre Muskeln aufgebaut sind und welche Einflüsse dazu führen, dass sie sich verspannen und teilweise sehr starke Schmerzen verursachen. Darüber hinaus lernen Sie die Release-Methode kennen – einen nachhaltigen Weg in die Entspannung.
Leben ist Bewegung, ohne Bewegung gibt es kein Leben. Und weil keine Bewegung ohne Muskeln abläuft, sind sie es, die uns am Leben halten. Der Herzmuskel pumpt unermüdlich Blut durch den Körper, um ihn mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Muskeln in Drüsen und Organen halten den Stoffwechsel am Laufen; mit ihrer Hilfe können wir Nahrung zu uns nehmen und verdauen. Mit den Skelettmuskeln schließlich können wir atmen, uns bewegen, die Welt für uns erobern.
Der Mensch besitzt nicht weniger als 656 einzelne Skelettmuskeln; je nach Trainingszustand machen sie 25 bis 40 Prozent seiner Körpermasse aus und sind damit das größte Organsystem des Körpers. Verständlicherweise ist daher eine gute Verfassung der Muskulatur von entscheidender Bedeutung für das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und die Lebensfreude.
Eigentlich sind Muskeln recht anspruchslose Gesellen. Normalerweise geht es ihnen ohne besondere Pflege gut, solange sie tun dürfen, wofür sie geschaffen wurden: sich bewegen, und das möglichst vielseitig. Anspannen und entspannen, sich verkürzen und wieder lang werden. Doch leider gelingt es immer weniger Menschen, die natürlichen Bedürfnisse ihres Bewegungsapparates zu erfüllen. Die einen leiden unter Bewegungsmangel, weil sie den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen und sämtliche Wege mit dem Auto zurücklegen. Andere stehen den ganzen Tag oder üben einseitige und monotone Tätigkeiten aus. All dies führt zu Muskelverspannungen und nicht selten auch zu Schmerzen.
Je früher Sie etwas gegen Schmerzen tun, desto leichter lassen sie sich wieder beseitigen. Zwar sind Schmerzen mit der häufigste Grund, warum wir einen Arzt aufsuchen – übrigens sind bei 80 Prozent aller Schmerzerkrankungen Muskeln die maßgebliche Ursache. Doch niemand geht sofort zum Arzt, wenn die Schulter mal wehtut oder das Knie schmerzt. Damit sich banale Muskelverspannungen nicht zu einer ernsthaften Schmerzerkrankung ausweiten, ist es also wichtig, sich selbst helfen zu können.
Die Muskulatur wirklich systematisch zu pflegen wird umso wichtiger, je älter wir werden. Bis Anfang 30 verzeihen uns die Muskeln Unachtsamkeit und Vernachlässigung noch eher, doch danach bauen sie ab, wenn wir nichts dagegen tun. Es lohnt sich also, Zeit und Mühe in diese Art von „Körperpflege“ zu investieren, denn Schmerzfreiheit und Mobilität sind entscheidend für die Lebensqualität in jedem Alter.
Fit im Alter
Neben abwechslungsreicher körperlicher Betätigung ist die Zufuhr von Eiweiß, Kalzium, B-Vitaminen und Vitamin D von entscheidender Bedeutung, um den altersbedingten Verlust von Muskel- und Knochenmasse, Kraft und Koordination möglichst gering zu halten. In der Menopause sollten Frauen auch bei ausgewogener Ernährung zusätzlich täglich 1000 I.E. Vitamin D3 einnehmen, um Osteoporose (Knochenschwund) vorzubeugen. Kalzium sollte bevorzugt über die Nahrung zugeführt werden, idealerweise 1500 mg pro Tag. Studien weisen darauf hin, dass die Einnahme von Kalzium in Form von Tabletten Gefäßverkalkungen fördert und so das Risiko von Herzinfarkten erhöht, wenn die Dosis 500 mg täglich überschreitet. Bei Frauen, die sehr früh in die Wechseljahre kommen, kann die Substitution von bioidentischen Hormonen hilfreich sein, die Körpersubstanz zu erhalten.
Wie baut ein Muskel die Spannung auf, die wir brauchen, um uns aufrecht halten und bewegen zu können? Wie wird die Spannung reguliert und warum kommt es vor, dass Muskeln sich verspannen und wehtun?
Lesen Sie hier, wie Ihre Muskeln aufgebaut sind und wie sie funktionieren.
Um den Zusammenhang verstehen zu können, muss man sich als Erstes mit der Anatomie des Muskels auf mikroskopischer Ebene beschäftigen, mit den kleinsten Bausteinen. Darauf aufbauend lässt sich erklären, wie Abertausende dieser Bausteine zusammengefügt werden zu einem großen Muskel, den wir subjektiv als eine Einheit erleben. Mehrere Muskeln arbeiten wiederum in sogenannten Muskelketten zusammen. Dabei nennt man Muskeln, die sich gleichzeitig zusammenziehen, um eine Bewegung auszulösen oder ein Gelenk zu stabilisieren, Synergisten. Muskeln, die eine gegenteilige Wirkung auf ein Gelenk haben, werden als Antagonisten oder Gegenspieler bezeichnet.
Die kleinste Einheit des Muskels: das Sarkomer
Der kleinste Baustein eines Muskels heißt Sarkomer und besteht aus verschiedenen Proteinfäden: einem Myosin-Filament und zwei Aktin-Filamenten. Das Myosin-Filament ist der „aktive“ Partner. An seinen Seiten befinden sich eine Reihe von „Köpfchen“, die sich wie kleine Ruder bewegen können.
Wenn nun diese Myosin-Köpfchen an den Aktin-Filamenten andocken und eine Ruderbewegung durchführen, gleitet das Myosin- Filament in die Aktin-Filamente hinein. Das Sarkomer verkürzt sich, es spannt sich an.
Eine Verspannung kommt selten allein
Ist ein Muskel schmerzhaft verspannt, hat das automatisch Folgen für die benachbarten Muskeln. Die sogenannten Synergisten versuchen den angeschlagenen Muskel zu unterstützen, ihm Arbeit abzunehmen – und können sich dabei überanstrengen. Die Gegenspieler müssen gegen die erhöhte Spannung anarbeiten und werden ebenfalls überfordert. So kann sich ein Schmerzproblem ausweiten.
Ein Sarkomer kann jedoch nicht aktiv wieder entspannen. Dazu ist es nötig, dass sich die Myosin-Köpfchen von den Aktin-Filamenten lösen – und dieser Prozess verbraucht auf der biochemischen Ebene Energie. Vergleichbar mit der Schranke eines Parkhauses, die sich nur dann öffnet, wenn das bezahlte Ticket in den Schlitz gesteckt wird, öffnet sich die Verbindung zwischen Aktin und Myosin erst durch ein Molekül mit dem komplizierten Namen Adenosintriphosphat, kurz ATP. Erst wenn sich die Verbindung gelöst hat, können äußere Kräfte – Schwerkraft oder Anspannung des muskulären Gegenspielers – das kontrahierte Sarkomer wieder in die Länge ziehen.
Kontraktion ist die wissenschaftliche Bezeichnung für die aktive Anspannung eines Muskels.
Ein einzelnes Sarkomer ist winzig klein. Viele von ihnen in Serie hintereinandergeschaltet und 1000 Myosin- sowie 2000 Aktin- Filamente zu einem Bündel zusammengefasst bezeichnet man als Myofibrille (Funktionseinheit der Muskelzelle). Wiederum Tausende dieser Myofibrillen bilden eine einzelne Muskelfaser.
Je nachdem, wie groß ein Muskel ist, setzt er sich aus hunderten bis mehreren tausend Muskelfasern zusammen. Und jede einzelne von ihnen gehorcht im Hinblick auf die Entspannung dem beschriebenen „Gesetz der Sarkomere“.
In Serie geschaltete Sarkomere bilden eine Myofibrille.
Feinmotorik und Grobmotorik
An die Muskeln unseres Körpers werden ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt. So sind zum Beispiel die Muskeln, die unsere Augäpfel bewegen, der Prototyp eines feinmotorischen Muskels. Sie müssen keine schwere Arbeit leisten, dafür aber ungeheuer präzise arbeiten, damit wir das, was uns interessiert, auch ganz scharf sehen. Im Gegensatz dazu müssen die Muskeln des Rückens und der Beine große Kräfte aufbauen können, denn zum Beispiel beim Beschleunigen oder Bremsen, wenn wir rennen oder springen, wirken kurzzeitig Kräfte, die ein Mehrfaches des Körpergewichts betragen. Diese unterschiedlichen Anforderungen spiegeln sich auch im Aufbau und in der Ansteuerung dieser Muskeln.
Sonderfall Hände
Die feinmotorischen Muskeln der Hände neigen bei Überforderung weniger zu Verspannungen als zu unwillkürlichen Zuckungen und Krämpfen, von Medizinern „Dystonien“ genannt. Vor allem bei Musikern ist diese Störung gefürchtet.
Von der Steuerungsseite betrachtet ist das kleinste Element eines Muskels die „motorische Einheit“. Sie besteht aus einer Gruppe von Muskelfasern und wird von einer einzelnen motorischen Nervenzelle, dem sogenannten α-Motoneuron, angeregt.
Die „motorische Einheit“ ist das kleinste Funktionselement im Muskel. Sie kann bis zu 1000 Muskelfasern umfassen.
Eine motorische Einheit funktioniert nach dem Alles-odernichts- Prinzip: Wenn das α-Motoneuron den Befehl „anspannen“ gibt, ziehen sich alle Muskelfasern zusammen – jedes einzelne Sarkomer in all den vielen Myofibrillen.
In feinmotorischen Muskeln umfasst eine motorische Einheit lediglich zehn Muskelfasern. Doch bereits ein winziger Augenmuskel, der nur zwei bis drei Zentimeter lang und nicht einmal einen halben Zentimeter dick ist, besteht aus zirka 1740 solchen Einheiten. In grobmotorischen Muskeln kann eine motorische Einheit bis zu 1000 Muskelfasern umfassen. Die Zahl der motorischen Einheiten pro Muskel ist dagegen vergleichsweise niedrig. So enthält zum Beispiel der Oberarmbeugemuskel, der 20 bis 30 Zentimeter lang und mehrere Zentimeter dick ist, „nur“ rund 770 motorische Einheiten. Die Spannung und Länge des Muskels kann dosiert gesteuert werden, je nachdem wie viele der motorischen Einheiten für eine Kontraktion eingesetzt werden. Prinzipiell wäre der Mensch in der Lage, jede einzelne motorische Einheit bewusst und gezielt anzuspannen und wieder loszulassen. Im Allgemeinen ist das Gefühl für die Muskeln aber weniger ausgeprägt – sowohl was die Anspannung als auch was die Entspannung betrifft.
Wohldosierte Spannung
Das Alles-oder-nichts-Prinzip gilt für die motorische Einheit, aber nicht für einen ganzen Muskel. Indem die verschiedenen motorischen Einheiten eines Muskels unterschiedliche Befehle erhalten, können sie als Team Kraft und Länge des Muskels stufenlos und subtil regulieren.
Die einfachste Arbeitsweise für einen Muskel ist es, Spannung aufzubauen und sich gleichzeitig zu verkürzen. Dies nennt man eine isotonische Kontraktion; so arbeitet beispielsweise der Oberschenkelstreckmuskel beim Bergaufgehen. Dabei wird je nach der für die geplante Bewegung erforderlichen Kraft ein bestimmter Prozentsatz der motorischen Einheiten aktiviert.
Fließende Bewegungen im Zeitlupentempo und ohne große Last trainieren die intramuskuläre Koordination besonders gut.
Anspruchsvoller ist die sogenannte isometrische Kontraktion, wie sie für Haltearbeit benötigt wird: Der Muskel muss Spannung aufbauen, ohne dass sich seine Länge ändert. Dies erreicht er, indem sich ein Teil der motorischen Einheiten anspannt (also verkürzt), andere Einheiten dagegen nachgeben und so die Gesamtlänge konstant halten. Die Arbeit wird dabei im Team „herumgereicht“, das heißt, die verschiedenen motorischen Einheiten spannen sich abwechselnd an und machen dann wieder eine Pause, um sich auszuruhen und neue Energie zu tanken. Bei einer isometrischen Kontraktion kann ein Muskel deswegen höchstens 30 Prozent seiner Maximalkraft aufbringen. Wird ihm eine größere Last zugemutet, beginnt er zu zittern, da es dem Nervensystem nicht mehr gelingt, Anspannung und Entspannung unbemerkt zwischen den einzelnen motorischen Einheiten hin und her zu schieben.
Die größte Anforderung an die intramuskuläre Koordination stellt die sogenannte exzentrische Muskelarbeit oder Bremsarbeit dar, wenn ein Muskel Spannung aufbauen und sich gleichzeitig verlängern muss. Auf diese Weise muss etwa der Oberschenkelstreckmuskel arbeiten, wenn Sie bergab gehen. Die Aufteilung der Aufgaben „Festhalten“ und „Loslassen“ im Team der motorischen Einheiten ist hier noch schwieriger als bei der isometrischen Muskelarbeit. Dadurch wird ein untrainierter Muskel viel schneller überfordert, und das kann einen bösen Muskelkater zur Folge haben.
Das Wort „Kondition“ wird auch von Laien gerne gebraucht. Eine gute Kondition zu haben ist gleichbedeutend damit, dass die Muskulatur hohen Anforderungen gewachsen ist. Trainingswissenschaftler sind da gerne noch etwas genauer. Sie unterscheiden folgende Kategorien:
• Kraft
• Ausdauer
• Koordination
• Dehnfähigkeit
• Schnelligkeit
Die verschiedenen konditionellen Grundeigenschaften eines Muskels stehen dabei in einer engen Wechselbeziehung. Ein Muskel, dem es an Kraft mangelt, wird leichter überfordert. Bei fehlender Ausdauer gerät der Muskel leichter in eine Energiekrise. Beides führt zu Schmerzen und Verspannungen, dadurch verliert der Muskel seine Dehnfähigkeit. Gute Koordination ist die Voraussetzung dafür, dass die Muskeln effizient und ökonomisch eingesetzt werden können. Schlechte Koordination dagegen erhöht die Gefahr von kleinen Muskelfaserrissen bei komplexen Bewegungsanforderungen. Die dadurch verursachten Schmerzen wirken wiederum negativ auf die Dehnfähigkeit. Auch Schnelligkeit ist für manche Koordinationsaufgaben unerlässlich, denn nur wenn die Muskeln schnell reagieren, können sie zum Beispiel einen Sturz verhindern, wenn Sie stolpern. Die Liste der Wechselwirkungen ließe sich noch lange fortsetzen.
Woher kommt der Muskelkater?
Es ist wissenschaftlich belegt, dass Muskelkater nach körperlicher Anstrengung nicht nur durch Stoffwechselprodukte wie Milchsäure verursacht wird, sondern dass er auf mikroskopisch kleine Risse in den Muskelfasern und dem sie umhüllenden Bindegewebe zurückzuführen ist. Der Schmerz ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Muskulatur überfordert wurde – was nicht zur Verbesserung der Kondition beiträgt.
Absolut schmerzfrei und entspannt kann ein Muskel also auf Dauer nur dann sein, wenn er in Bezug auf alle konditionellen Grundeigenschaften gut abschneidet. Andererseits ist die Schmerzfreiheit immer die Voraussetzung dafür, dass Sie sinnvoll trainieren und so die gesamte Kondition Ihrer Muskulatur verbessern können. Denn der Körper vermeidet Schmerzen instinktiv. Wenn ein Muskel schmerzt, wird reflexartig verhindert, dass Sie ihn kraftvoll anspannen oder intensiver dehnen. Es entwickeln sich ganz schnell unbewusste Ausweichbewegungen und Ersatzstrategien. Diese können sich tief in das Bewegungsgedächtnis einschleifen – bisweilen so tief, dass es sehr schwer ist, wieder in einen normalen Bewegungsablauf zurückzufinden, auch wenn der Muskel gar nicht mehr wehtut.
So verbessern Sie Ihre Kondition
Ein Muskel kann seine Leistungsfähigkeit nicht sprunghaft steigern, sondern nur langsam und kontinuierlich – und durch systematisches Training. Trainieren heißt, die Muskeln bis an ihre Leistungsgrenze zu fordern und ihnen im Anschluss eine Regenerationsphase zu gönnen. In dieser Phase können verschiedene Anpassungsleistungen erbracht werden. Wollen Sie Ihre Kraft verbessern, muss der Muskel zusätzliche Myofibrillen einbauen. Für eine bessere Ausdauer müssen zusätzliche Gefäße einsprossen, die den Muskel mit Sauerstoff und Energie versorgen, und die sogenannten Enzyme (winzige Verbrennungsmotoren in den Muskelzellen) müssen in größerer Menge bereitgestellt werden. Für eine Verbesserung von Koordination und Schnelligkeit müssen die beteiligten Nervenzellen schneller und differenzierter reagieren lernen.
Krafttraining Um seine Kraft zu verbessern, sollte ein Muskel mit 60 bis 80 Prozent seiner Maximalkraft gefordert werden. Die Bewegung wird dabei so oft wiederholt, bis der Bewegungsablauf beginnt, unrund zu werden. Dann sind die beteiligten Muskeln allmählich erschöpft. Im Reha- oder Fitnessbereich stehen für das Krafttraining viele Geräte zur Verfügung. Wer lieber zu Hause übt, kann auf Hanteln oder Gewichtsmanschetten zurückgreifen. Auch isometrisches Training (Anspannung des Muskels gegen einen unbeweglichen Widerstand) verbessert die Maximalkraft.
Ausdauertraining Laufen, Walken, Schwimmen und Radfahren sind die Klassiker unter den sanften Ausdauersportarten. In Fitnessstudios stehen zudem Geräte wie Crosstrainer oder Rudergeräte zur Verfügung, die den Vorteil haben, dass – anders als bei den Einzelsportarten – mehrere Muskelgruppen gefordert werden.
Wenn Sie aus medizinischen Gründen mit einem Ausdauertraining beginnen, sollten Sie während des Trainings unbedingt Ihren Puls kontrollieren. Nur so können Sie Ihre Belastungsgrenze korrekt erkennen und eine Überforderung vermeiden, die nur zu mehr Schmerzen führt und keine Verbesserung der Kondition mit sich bringt. Als Faustformel gilt: Trainieren Sie bei einer Herzfrequenz von 180 minus Lebensalter oder so, dass Sie sich nebenher noch unterhalten können.
Koordinationstraining In der medizinischen Rehabilitation gilt die Koordination, also die genaue Abstimmung der Aktivität der motorischen Einheiten innerhalb jedes einzelnen Muskels (= intramuskuläre Koordination) und der verschiedenen Muskelgruppen im Bewegungsablauf (= intermuskuläre Koordination), als die „Königsdisziplin“. Nur bei einer gut koordinierten Bewegung werden genau die benötigten Muskeln zum gewünschten Zeitpunkt mit der notwendigen Intensität angespannt. Und erst dann werden durch weiterführende Übungen auch Kraft und Ausdauer der jeweiligen Muskeln verbessert.
Gehen Sie doch mal wieder auf den Spielplatz und wippen, schaukeln, balancieren und klettern Sie. Das ist ein hervorragendes Koordinationstraining.