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Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Deutsches Seminar), Veranstaltung: Thomas Mann in Kaiserzeit und Republik, Sprache: Deutsch, Abstract: So wie im Eingangszitat dieser Arbeit, stellt sich in Thomas Manns „Zauberberg“ häufig die Frage nach der Zeit. Bereits im Vorsatz spricht der Erzähler die Zeitthematik an und berührt dabei bereits mehrere Ebenen, von denen aus sie sich betrachten lässt. Vom Imperfekt als die Zeitform, in der die Geschichte erzählt wird, kommt er auf die historische Zeit zu sprechen, in der sie spielt. Dann diskutiert er kurz die Abhängigkeit von Zeit und Raum in Zusammenhang mit Kurz- und Langweiligkeit, bevor er sich schließlich der erzählten Zeit zuwendet, also den sieben Jahren, die Hans Castorp auf dem Zauberberg verbringen wird. (...) In der Forschung wurde diese Klassifizierung oft übernommen, doch ist sie in Bezug auf den „Zauberberg“ wirklich gerechtfertigt? Hermann Kurzke gibt in „Thomas Mann. Epoche-Werk-Wirkung“ eine Definition des Begriffs, die daran zweifeln lässt, ob er den Zauberberg auf passende Weise bezeichnet. „Unter ‚Zeitroman‘ wird hier ein Roman verstanden, der ein Abbild einer Epoche zu geben versucht, also mehr oder minder dem Postulat ‚Realismus‘ unterworfen ist.“ Nach seiner Definition ist die Bezeichnung „Zeitroman“ in Bezug auf den „Zauberberg“ problematisch. Ist die Rückkehr ins „Flachland“ für Hans Castorp jedoch wirklich eine „Befreiung“, wie es der Text hier vorgibt? Dieses Ende ist vom Autor und in der Forschung sehr unterschiedlich bewertet worden. Die Deutungsansätze reichen von einer „Romantisierung des Krieges“ bis zum „Schreckliche(n) als des Schönen Ende“ Wie auch immer das Ende nun zu deuten ist, die Zeitthematik lässt sich auch hier nicht umgehen, wie sich am Ende dieser Arbeit noch zeigen wird. Auch wenn der Begriff des „Zeitromans“ laut Kurzke problematisch ist, so lässt sich der „Zauberberg“ abweichend von seiner Definition dennoch als solchen bezeichnen und zwar in dem zweiten Sinne, den Thomas Mann anspricht, nämlich „die reine Zeit selbst sein Gegenstand ist.“ Bevor deshalb ein Blick auf das Ende des Romans geworfen werden kann, muss der Focus zunächst auf die Besonderheiten der Zauberbergsphäre und ihr ganz spezifisches Zeitsystem gerichtet werden.
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Eberhard-Karls-Universität Tübingen Deutsches Seminar HS: Thomas Mann in Kaiserzeit und Republik WS 04/05 01. 04. 2005
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Was ist die Zeit? Ein Geheimnis, - wesenlos und allmächtig. Eine Bedingung der Erscheinungswelt, eine Bewegung, verkoppelt und vermengt dem Dasein der Körper im Raum und ihrer Bewegung.1
1Thomas Mann: Der Zauberberg, Frankfurt am Main 2002. Seite 474.
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So wie im Eingangszitat dieser Arbeit, stellt sich in Thomas Manns „Zauberberg“ häufig die Frage nach der Zeit. Bereits im Vorsatz spricht der Erzähler die Zeitthematik an und berührt dabei bereits mehrere Ebenen, von denen aus sie sich betrachten lässt. Vom Imperfekt als die Zeitform, in der die Geschichte erzählt wird, kommt er auf die historische Zeit zu sprechen, in der sie spielt. Dann diskutiert er kurz die Abhängigkeit von Zeit und Raum in Zusammenhang mit Kurz- und Langweiligkeit, bevor er sich schließlich der erzählten Zeit zuwendet, also den sieben Jahren, die Hans Castorp auf dem Zauberberg verbringen wird.
Schon zu Beginn wird die Zeit also als zentrale Problematik des Textes eingeführt, wobei die wesentlichen Gesichtspunkte, unter denen Zeit im Roman betrachtet wird, bereits angesprochen werden. Der Erzähler bezeichnet den „Zauberberg“ aufgrund dieser umfassenden Betrachtung der Zeitthematik innerhalb des Romangeschehens als „Zeitroman“2und auch Thomas Mann gebraucht diesen Begriff in Bezug auf die Geschichte von Hans Castorp.
Er ist ein Zeitroman in doppeltem Sinn: historisch, indem er das innere Bild einer Epoche, der europäischen Vorkriegszeit, zu entwerfen sucht, dann aber, weil die reine Zeit selbst sein Gegenstand ist. Das Buch ist selbst das, wovon es erzählt; denn indem es die hermetische Verzauberung seines jungen Helden ins Zeitlose schildert, strebt es selbst durch seine künstlerischen Mittel die Aufhebung der Zeit an durch den Versuch, der musikalisch-ideellen Gesamtwelt, die es umfasst, in jedem Augenblick volle Präsenz zu verleihen und ein magisches »nunc stans« herzustellen.3