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In Fontenaia lädt der Bürgermeister zum Tag der Offenen Tür in seine Imkerei: Anna kann es kaum abwarten, den süßen Honig zu probieren, als plötzlich ein Stein durch die Luft fliegt und die aufgestapelten Honiggläser zertrümmert. Commissario Vico Martinelli muss die Täterin zunächst freilassen, nur um sie kurz darauf tot im Bienenhaus zu finden.
Wollte die Umweltschützerin die Imkerei sabotieren und wurde dabei von den Bienen zu Tode gestochen? Oder war es Mord? Als ein Freund der Toten Anna gesteht, nach einem Streit eine große Dummheit begangen zu haben, kann Anna sich nicht mehr aus den Ermittlungen heraushalten. Dabei steht sie selbst gerade vor einer der schwersten Entscheidungen ihres Lebens ...
ÜBER DIE SERIE
»Vino, Mord und Bella Italia!« ist eine gemütliche Italien-Krimi-Serie mit Schauplatz Toskana. In dem malerischen Städtchen Fontenaia erbt Anna Wagner nicht nur die alte Villa ihrer Nonna, sondern stolpert auch über den ein oder anderen Mord. Sehr zum Missfallen des Commissario Vico Martinelli, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich eine Amateurin in seine Fälle einmischt. Doch schon bald hat Anna viele neue Freunde in dem Ort gefunden, die ihr bei der Spurensuchen und der Jagd auf Verbrecher tapfer zur Seite stehen.
Wer Italien und die Toskana liebt, bei Krimis gerne selbst miträtselt und La Dolce Vita zu genießen weiß, wird von dieser Serie begeistert sein.
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Seitenzahl: 209
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In Fontenaia lädt der Bürgermeister zum Tag der Offenen Tür in seine Imkerei: Anna kann es kaum abwarten, den süßen Honig zu probieren, als plötzlich ein Stein durch die Luft fliegt und die aufgestapelten Honiggläser zertrümmert. Commissario Vico Martinelli muss die Täterin zunächst freilassen, nur um sie kurz darauf tot im Bienenhaus zu finden.
Wollte die Umweltschützerin die Imkerei sabotieren und wurde dabei von den Bienen zu Tode gestochen? Oder war es Mord? Als ein Freund der Toten Anna gesteht, nach einem Streit eine große Dummheit begangen zu haben, kann Anna sich nicht mehr aus den Ermittlungen heraushalten. Dabei steht sie selbst gerade vor einer der schwersten Entscheidungen ihres Lebens …
»Vino, Mord und Bella Italia!« ist eine gemütliche Italien-Krimi-Serie mit Schauplatz Toskana. In dem malerischen Städtchen Fontenaia erbt Anna Wagner nicht nur die alte Villa ihrer Nonna, sondern stolpert auch über den ein oder anderen Mord. Sehr zum Missfallen des Commissario Vico Martinelli, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich eine Amateurin in seine Fälle einmischt. Doch schon bald hat Anna viele neue Freunde in dem Ort gefunden, die ihr bei der Spurensuchen und der Jagd auf Verbrecher tapfer zur Seite stehen.
Anna spürte, wie jemand an ihrem Kleid zupfte. »Mir ist langweilig, fata mia. Wann passiert denn endlich etwas?«
Tameo hielt seinen Mischlingshund Peppo auf dem Arm und schaute sie aus großen Augen an.
Anna wuschelte dem kleinen Jungen durch das schwarze Haar. »Wir dürfen den Honig bestimmt bald probieren. Con la pazienza si vince tutto – Mit Geduld schafft man alles.«
»Das sagt mein Onkel Christiano auch immer.« Tameo rollte demonstrativ die Augen, aber hörte wieder brav zu.
Es war ein wunderschöner Samstagnachmittag und eine stattliche Zahl von Bewohnern Fontenaias hatte sich beim Tag der offenen Tür der Imkerei eingefunden. Ein sanfter Windhauch ließ die Blütenblätter der Wildblumen tanzen, in der Luft lag der Duft von Lavendel und Thymian – und das Summen von Bienen. Anna würde diese sonnige Idylle vermissen, wenn sie nächste Woche nach Hamburg zurückfahren musste.
Isabella Franco, die Tochter des Bürgermeisters Massimo Franco, stand stolz neben den beiden Häuschen mit bunten Anflugbrettern, die von emsigen Insekten umschwärmt wurden. »Hier wird eine Bio-Imkerei entstehen, die Apicoltura biologica Franco«, erzählte sie voller Begeisterung. »Wir werden damit sowohl den Bienen als auch der Umwelt etwas Gutes tun. Die Tiere sammeln Pollen und Nektar in ganz Fontenaia, aber vor allem von unseren eigenen Apfelbäumen und eigens angelegten Blühwiesen.« Sie machte eine ausholende Handbewegung. »So produzieren wir den besten Honig der Toskana.«
»Auf jeden Fall besseren als die Leute in Castel Bianco«, rief jemand aus dem Publikum.
Anna machte sich amüsiert eine Notiz. Eine Anspielung auf die andauernde Fehde der beiden Nachbarstädte durfte bei keiner Veranstaltung fehlen.
»Darauf gebe ich Ihnen mein Wort«, bestätigte Isabella staatsmännisch. Sie hatte eindeutig das Talent ihres selbstverliebten Vaters für schwülstige Reden geerbt.
»Werden Sie außer Honig noch andere Produkte anbieten?«, fragte Anna.
»Certo!« Isabella Franco strahlte. »Wir werden auch Propolis, Bienenwachs und Gelée Royale verkaufen. Und vielleicht können wir sogar …«
Bürgermeisters Massimo Franco legte seiner Tochter die Hand auf die Schulter. »Nun ja, wir werden sehen, was wirtschaftlich sinnvoll ist. Senza soldi non si fa nulla – ohne Geld erreicht man nichts, nicht wahr?« Er warf einen Seitenblick auf einen schlanken Mann mit grauer Hose und Weste, der bisher unbeteiligt am Rand gestanden hatte.
Anna kniff die Augen zusammen. Sie war bereits mehrfach mit dem wegen seiner Leibesfülle bei den Bewohnern auch gern Il Ciccione genannten Bürgermeister aneinandergeraten. Sein ausgesprochen starkes Ego gepaart mit nationalistischen Tendenzen machte ihn zu einem komplizierten Mitmenschen. Sie beschloss, ihn etwas aus der Reserve zu locken. »Signor Franco, Ihre Tochter hat wirklich großartige Pläne. Ich werde Ihre persönliche Unterstützung natürlich lobend in meinem Artikel erwähnen.«
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Bürgermeisters. Der Mann mit Weste trat vor und schob Isabella regelrecht von der Bühne. »Signora Giornalista, ich heiße Riccardo Vannucci und Sie können gern auch meinen Beitrag am zukünftigen Erfolg erwähnen. Als Berater bin ich darauf spezialisiert …«
Isabella Franco zog die Aufmerksamkeit mit einem lauten Räuspern wieder auf sich. »Ich denke, es ist nun Zeit für die Verkostung. Bitte folgen Sie mir.«
Anna hob die Augenbrauen. Wenn Blicke töten könnten, hätte Isabella Franco gerade diesen Riccardo Vannucci ermordet und ihren Vater zumindest mit einem Streifschuss versehen. Hinter der Fassade des scheinbar so harmonischen Familienunternehmens gab es offenbar so einige Unstimmigkeiten. Annas journalistische Neugierde war entfacht: Sie würde später mit Signora Franco unter vier Augen sprechen und versuchen, ihr weitere Informationen zu entlocken. Auch wenn Anna lieber eine tiefgründige Geschichte geschrieben hätte – ihr Redakteur Adriano Rossi, bei dem sie sich mit Artikeln für die lokale Gazzetino Fontenaia ein paar Euro dazuverdiente, liebte Skandale.
Im Hof vor dem Anwesen der Francos standen lange, mit weißem Tuch bedeckte Tische, auf denen mehrere Pyramiden aus Honiggläsern sorgfältig aufgeschichtet waren. Vor jedem der Türme waren mindestens zwei Dutzend Schälchen mit goldgelber Flüssigkeit, die in der Sonne schimmerte, aufgereiht.
Tameo schlüpfte zwischen den Gästen nach vorne und tauchte als Erster einen der bereitliegenden Holzspatel in die zähe Masse. Als er ihn abschleckte, sprang er summend von einem Bein aufs andere. »So lecker. Mia fata, den musst du probieren. Und du natürlich auch, Peppo.« Er schnappte sich eines der Schälchen und hielt es seinem schwanzwedelnden Hund unter die Schnauze.
Anna lachte und machte ein Foto von dem ungleichen Paar. Wenn Tameos Onkel einer Veröffentlichung zustimmte, wäre das ein schöner Aufmacher für ihren Artikel. VonMensch bis Hund – Jeder liebt Franco-Honig.
Isabella Franco gesellte sich zu ihnen und streichelte Peppo. »Che bello, wie schön, wenn es allen schmeckt.«
»Grandios, was Sie hier aufziehen, Signora Franco«, sagte Anna ehrlich angetan. »Wie viele Bienen haben Sie?«
»Tanti grazie, nenn mich gern Isabella. Hier am Haus haben wir vierundzwanzig Völker, aber ich bin auch mit mobilen Stöcken unterwegs, die ich je nach Blütezeit umsetze.« Sie deutete auf einen Anhänger, der etwas abseits stand und auf dem mehrere hölzerne Kisten gestapelt waren.
»Und in einem Volk sind über tausend Bienen und eine Königin«, rief Tameo eifrig. »Das haben wir in der Schule gelernt.«
Isabella lachte. »Ein paar mehr sind es schon. Du darfst noch einmal raten.«
»Fünftausend?«
»Mehr«, sagte Isabella.
»Zehntausend?« Tameos Augen wurden immer größer.
»Es können bis zu achtzigtausend sein«, sagte Isabella stolz.
Tameo senkte die Schüssel in seiner Hand und Peppo strampelte, um seine Zunge wieder in den Honig hängen zu können. »Und die hast du alle gezählt?«
Isabella lachte. »Ma no! Dafür gibt es ganz wunderbare Wissenschaftler. Die erforschen so etwas. Ein guter Freund von mir ist auch einer. Aber jetzt muss ich weiter. Da hinten ist Amalia. Ich will sie überzeugen, dass mein Honig perfekt in den Gemüseladen ihres Sohns passt.«
Wie ein Wirbelwind schlängelte sie sich händeschüttelnd durch die Anwesenden. Anna knippste weitere Bilder. Schließlich nahm sie sich eine Probierportion und führte den gold glänzenden Löffel voll freudiger Vorahnung an die Lippen. Der süße Geruch, der ihr in die Nase stieg, und der zuckrige Honig, der an ihrem Gaumen klebte, schmeckten nach Kindheit. Sie schloss die Augen und erinnerte sich daran, wie sie mit ihrer vor einigen Jahren verstorbenen Nonna auf einer schattigen Bank im Garten gesessen hatte, ein Tellerchen mit frischem Honig auf dem Schoß. Immer wieder hatte sie ihren kleinen Finger hineingetaucht und ihn anschließend genüsslich abgeleckt. Sie drehte ihren Kopf zur Sonne und spürte die Wärme auf ihrer Haut. Zusammen mit der süßen Masse schluckte sie auch einen Hauch Wehmut hinunter.
Das laute Klirren von zerberstendem Glas zerstörte jäh die schöne Erinnerung. Anna riss ihre Augen auf und sah sich verwirrt um. In einem Haufen aus umgefallenen Gläsern, Scherben und vom Tisch tropfenden Honig lag ein Ziegelstein.
»Was für ein schönes Bild!«, rief eine vor Sarkasmus triefende Stimme hinter Anna. Mehrere Köpfe drehten sich gemeinsam mit Annas um. Peppo knurrte laut und versteckte sich zwischen Annas Füßen. »Leider aufgebaut auf Lügen und Vertuschungen. Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt. Und hier stinkt es ganz gewaltig.« Eine spindeldürre Frau hatte sich auf einen Findling im Garten gestellt. Ihr T-Shirt und ihre Kappe zierten ein grüner Schwan und der Schriftzug VitaVerde Toscana – Grünes Leben der Toskana. In der Hand wog sie einen weiteren Ziegelstein. Der junge Mann neben ihr schaute so, als würde er am liebsten im Boden versinken.
»Ist es heute nicht herrlich ruhig in Fontenaia?«, frohlockte Marco Simonetti.
Commissario Vico Martinelli seufzte. »Eher langweilig. Wir sind hier, um für Recht und Ordnung zu sorgen.«
»Das haben wir mehr als genug in letzter Zeit«, sagte Marco, legte die Füße auf den Schreibtisch und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. »Es ist endlich mal wieder ein friedlicher Samstagvormittag, und von mir aus darf das gerne so bleiben.«
»Marco, was könnte schöner sein als eine spannende Verbrecherjagd?«, mischte sich Flavia Passerini ein und startete den Drucker. »Ich bringe dir den Bericht gleich in dein Büro, Vic.«
»Und danach können wir für heute Schluss machen und endlich das Wochenende genießen.« Marco schaltete seinen Computer aus.
Das Telefon klingelte. »Pronto?«, antwortete Flavia begeistert.
»Ich will sofort Commissario Martinelli sprechen, hier ist Massimo Franco.« Vico konnte Il Ciccone aus dem Hörer brüllen hören. »Sie müssen umgehend herkommen. Wir werden überfallen!«
Flavia war alarmiert. »Wie viele sind es? Womit sind sie bewaffnet? Gibt es Geiseln?«
Vico riss ihr das Telefon aus der Hand. »Signor Cicc…, Scusi, Signor Franco. Was ist passiert?«
»Es sind zwei, aber vielleicht kommen noch mehr. Avanti!«, schrie der Bürgermeister und beendete die Verbindung.
»Einfach aufgelegt. Scheint so, als ob die Langeweile ein Ende hat, Marco.« Vico warf seinem Kollegen die Dienstmütze zu und eilte zur Tür. Allerdings hatte sich Flavia wieder einmal den Autoschlüssel vor ihm geschnappt.
Während Vico die Carabinieri informierte, jagte die quirlige Polizistin den Wagen über die Straße. Hinter einer Kurve tauchte urplötzlich ein Esel auf. »Attenzione!«, brüllte Vico, doch Flavia hatte das Steuer schon herumgerissen und der Wagen sauste um Haaresbreite an der Pinie auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorbei. In Formel-1-tauglichen acht Minuten erreichten sie das Anwesen der Francos. Die sattgrünen Zypressen und Olivenbäume entlang der Einfahrt, die von der Fruchtbarkeit der Erde und dem Vermögen der Francos zeugten, würden ihnen gute Deckung geben. Flavia bremste den Wagen scharf ab und alle sprangen heraus.
»Wir teilen uns auf, sobald wir auf dem Gelände sind«, befahl Vico. »Ich gehe direkt und ihr kommt von den Seiten. Die Carabinieri werden gleich mit einem eigenen Wagen zur Unterstützung anrücken. Schlagstöcke bereithalten.«
Wie bei einer militärischen Übung schlichen sie sich durch das Tor und gingen in gebückter Haltung weiter. Aufgeregtes Stimmengemurmel erklang, das beim Näherkommen immer lauter wurde. Vico erkannte Il Ciccione, der sich, einen Spaten schwingend, über eine Person beugte, die auf dem Boden kauerte. Wer zum Teufel bedrohte da wen? Vico blies kräftig in seine Trillerpfeife. »Was ist hier los?«, rief er, als die Menge verstummt war.
»Gut, dass Sie kommen, Martinelli. Dieses … Subjekt hat sich Zutritt verschafft. Das ist Hausfriedensbruch.« Er deutete auf einen jungen Mann, der gefesselt auf dem Boden kniete.
Vico steckte die Pistole weg. »Signor Franco. Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie doch sogar eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Tag der offenen Tür in der Imkerei.«
»Ach, was hat das damit zu tun?« Der Bürgermeister winkte ab. »Diese Leute waren jedenfalls nicht eingeladen.«
Vico blickte in die verunsicherten Gesichter der Umstehenden.
»Martinelli, Sie verstehen mich falsch. Das sind rechtschaffene Bürger und Wähler Fontenaias.« Franco machte eine gönnerhaft ausholende Handbewegung und schloss die Besucher ein. »Aber diese beiden« – er deutete auf die armselige Figur auf dem Boden – »sind Verbrecher und gehören verhaftet.«
Flavia räusperte sich. »Ich sehe nur einen.«
»Brava, Signora Passerini, gut erkannt. Weil sich die andere Person aus dem Staub gemacht hat, während Sie mir hier Fragen stellen. Wenn Sie also nicht noch länger herumstehen würden, können Sie sie vielleicht einholen. Na los, avanti!«
Vico nickte seiner Kollegin zu. Flavia ließ sich eine knappe Personenbeschreibung geben und machte sich davon.
»Hat nun endlich jemand die Güte, mir zu erklären, was vorgefallen ist?« Vicos Stimme war laut und er schaute bewusst nicht in Francos Richtung.
Eine junge Frau, etwa Ende zwanzig, trat vor. »Ich bin Isabella Franco, die Tochter des Bürgermeisters und Inhaberin der Imkerei. Der Mann am Boden heißt Guiseppe Grassi. Er und Manuela Lopez sind Umweltschützer. Dieses Mal sind sie leider etwas zu weit gegangen.«
»Etwas zu weit?«, blaffte ihr Vater. »Sie haben einen Anschlag auf mich verübt.«
Vico folgte dem ausgestreckten Finger des Bürgermeisters und sah den Ziegelstein in einem Haufen von zerbrochenen Honiggläsern.
»Papà, du warst nicht Mal in der Nähe.«
Vico ignorierte den Streit. »Sie kennen die beiden also?«, fragte er verblüfft.
Die Imkerin nickte.
»Woher?«
»Ich war selbst bei der VitaVerde Toscana.« Sie schüttelte den Kopf.
»Eine eigenartige Vereinigung, in der sich die Mitglieder gegenseitig mit Steinen bewerfen«, bemerkte Vico
»Das tut doch gar nichts zur Sache!«, rief Il Ciccione lautstark dazwischen. »Dieser Mann ist widerrechtlich auf mein Grundstück eingedrungen und wollte mich niederstrecken. Sie müssen ihn auf der Stelle festnehmen, bevor er mein Haus anzündet oder noch Schlimmeres anstellt.«
Vico half dem Umweltschützer hoch. »Ich nehme Sie vorläufig fest. Hat sonst jemand etwas beizutragen?«
Sein Blick wanderte an den Dutzenden stummen Gästen vorbei, als er plötzlich an einem bekannten Gesicht unter ihnen hängen blieb. Anna Wagner. Wieso tauchte sie immer da auf, wo es Unruhe gab? Sie fing seinen Blick auf, hob die Hand und drängelte sich nach vorn. Zeit wegzukommen, bevor er der Presse nervtötende Fragen beantworten musste. »Allora, wir werden Signor Grassi auf der Wache befragen. Und falls meine Kollegin die Frau erwischt, auch sie. Marco, avanti, du hast genug Honig genascht.«
Dank einer Familienfeier war das Da Giovanna an diesem Abend endlich wieder gut gefüllt. Anna mochte die lebendige Atmosphäre im Restaurant und den Ausgleich als Kellnerin zu ihrem schreibenden Job. Sie arbeitete gerne für Giovanna Cappelli und konnte hier ganz ungezwungen mit den Leuten reden und dabei mit etwas Glück auf eine neue Story für die Zeitung stoßen. Und heute roch es nicht nur verführerisch nach frischem Basilikum und Knoblauch, sondern auch nach einem handfesten Knüller: In einer dunklen Ecke, halb verborgen von einem Paravent, der die Gesellschaften vom Rest der Gäste trennte, saßen die beiden Umweltschützer vom Vormittag. Offensichtlich hatte Martinelli den von Il Ciccione niedergerungenen Mann wieder laufen lassen. Hatten sie die Frau auch geschnappt? Und wieso trauten sich die zwei einfach hierher?
Bisher hatte es Anna noch nicht geschafft, in die Nähe der beiden zu kommen. Sie und die neue Kellnerin Raffaela hatten alle Hände voll zu tun. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, jammerte Raffaela und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Alle wollen gleichzeitig etwas.«
»Und jeder wird bedient, wenn er an der Reihe ist«, sagte Anna und legte die Hand auf den zitternden Arm ihrer Kollegin. »Servier einfach die Primi. Ich nehme neue Bestellungen auf und Giovanna kümmert sich weiter um die Getränke.« Anna nickte zu der korpulenten Besitzerin des Restaurants, die hinter der Bar stand und ein Glas nach dem anderen einschenkte. Sicher waren darunter auch einige mit Monti-Wein – das Weingut, bei dem Giovanna kürzlich als Geschäftsführerin eingestiegen war.
Raffaela nickte dankbar lächelnd, nahm einen der Vorspeisenteller und wäre beim Umdrehen fast mit einem Gast zusammengeprallt, der auf dem Weg zur Toilette war. Anna zog Raffaela gerade noch zur Seite und verhinderte ein Malheur. Sie erinnerte sich gut, wie sie selbst als Neuling zu kämpfen hatte. Kaum zu glauben, dass das nur wenige Woche zurücklag.
Anna überblickte den Gastraum. Als sich einige Arme hoben, steuerte sie zielstrebig einen Tisch in der Nähe der Umweltschützer an. Mit klopfendem Herzen schnappte sie ein paar Sätze auf.
»… kannst du überhaupt nicht beurteilen«, zischte die Frau.
»Ich habe ja nur gesagt, wir sollten vorsichtig sein. Die Aktion heute Vormittag war …«
»Scusi, Signora, kann ich endlich bestellen?«, fragte der ältere Herr vor Anna.
Sie zuckte zusammen und hob den Blick von dem Bestellblock, auf dem sie sich unwillkürlich Notizen gemacht hatte. Rasch riss sie das Blatt ab und stopfte es in die Tasche ihrer hautengen Jeans. »Natürlich, was darf es sein?« Während sie die Bestellung notierte, nahm sie nur noch Wortfetzen hinter sich wahr, die aber keinen Sinn ergaben.
Zehn Minuten später bat Giovanna sie zur Seite. »Anna, was ist denn heute los? Du bedienst ja nur die Leute dort hinten. Hier vorne sitzen auch noch Gäste.«
Anna verzog den Mund zu einem entschuldigenden Lächeln und wandte sich einem Tisch in der Nähe der Theke zu, behielt dabei aber die beiden Umweltschützer im Auge. Solange sie nicht aufbrachen, war alles in Ordnung.
In der nächsten Stunde ging sie immer wieder zu ihnen und fragte, ob sie noch etwas bestellen wollten. Doch jedes Mal wurde sie weggeschickt. Und stets hatte Anna das Gefühl, die beiden bei einem heftigen Wortgefecht unterbrochen zu haben.
Während einer Verschnaufpause, in der sich Anna mit einem Glas Sprudel an der Theke erfrischte, konnte sie das ungleiche Paar ungestört beobachten. Mimik und Gestik sprachen Bände – sie stritten tatsächlich heftig. Da sprang die Frau plötzlich wutentbrannt auf. Anna musste etwas unternehmen. Sie nahm die erstbesten Getränke, die Giovanna auf den Tresen gestellt hatte und bahnte sich schnellen Schrittes einen Weg durch den Gastraum.
»Hier, bitte sehr, das geht aufs Haus.«
Die Umweltschützerin runzelte die Stirn. »Zwei Gläser Wasser?«
»Ja … nein …« Anna lachte verlegen. »Ich …«
»Sparen Sie sich die Mühe«, blaffte die Frau. »Sie sind doch die Reporterin von heute Vormittag. Warum haben Sie noch nicht die Polizei gerufen?« Sie funkelte Anna böse an. »Ich weiß schon, was Sie wollen: einen Skandal! Dann bohren Sie ruhig mal in der Vergangenheit von dieser Isabella. Wer einmal betrügt, tut es wieder.«
»Manuela, bitte …«
Die Frau wirbelte herum. »Mit dir bin ich fertig, Guiseppe.« Sie nahm das Glas Wasser und schüttete es ihm ins Gesicht.
»Merde.« Er sprang auf. »Das wirst du noch bereuen«, rief er der davonstürmenden Manuela nach und schickte einen gepfefferten Fluch hinterher.
Anna nahm eine Serviette vom Tisch und tupfte ihm über das Hemd.
»Ah, hören Sie auf.« Er riss ihr das Papier aus der Hand und fuhr sich damit übers Gesicht.
Ein Mann am Nebentisch lachte. »Das würde ich mir von meiner Frau nicht gefallen lassen.«
Der Umweltschützer griff nach seiner Jacke. »Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck«, blaffte er den Mann an. Er wandte sich an Anna. »Was bin ich schuldig?«
Anna hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. »Hören Sie, es geht mir nicht um Skandale, sondern um die Wahrheit.«
»Natürlich«, erwiderte er und rollte mit den Augen.
Anna kritzelte ihre Telefonnummer auf die Rechnung. »Rufen Sie mich an, falls Sie es sich anders überlegen.«
Er legte einen Schein auf den Tisch, nahm den Zettel und zerknüllte ihn in seiner Faust. »Ihr Frauen glaubt, dass ihr tun könnt, was ihr wollt, und wir immer nach eurer Pfeife tanzen. Aber diesmal ist sie zu weit gegangen.«
Er stieß Anna zur Seite und verließ das Restaurant im Stechschritt.
»Wir sollen schon wieder zu den Francos ausrücken? Ist Il Ciccione der Fingernagel abgebrochen?« Vico stand auf seiner Terrasse in der milden Morgenluft und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Immerhin hatte er vor Flavias Anruf schon einen ersten Espresso genossen. »Er soll an einem Sonntag lieber Golfspielen gehen, anstatt uns zu tyrannisieren.«
»Es gibt eine Leiche«, sagte Flavia tonlos.
»Ma sei sicuro? – Ist das sein Ernst. Ich komme sofort!« Vico spurtete zu seinem Sport-Oldtimer und düste los.
Kurze Zeit später stand er mit seinen Kollegen erneut auf der Wiese des Franco-Anwesens. Die Ausschwärmöffnungen der Bienenhäuser waren geschlossen. Ob das an einem Sonntagmorgen normal oder zum Schutz der Polizei erfolgt war, wusste Vico nicht. Das aggressive Summen der eingesperrten Insekten irritierte ihn jedenfalls fast so sehr wie das andauernde Bellen des vor dem Haus angeleinten Hundes.
»Comissarii«, sagte die bleiche Ehefrau des Bürgermeisters, Francesca Franco. Sie tupfte sich den Schweiß mit einem Tuch von der Stirn. »Ich … zeige Ihnen, wo sie liegt. Kommen Sie bitte.« Francesca Franco führte die Polizisten den gemähten Streifen, der durch die Blühwiese führte, entlang und streckte eine zitternde Hand nach der Tür auf der Stirnseite einer Holzhütte aus.
»Nicht anfassen«, rief Vico schroff und die Frau zog mit einem leisen Aufschrei ihren Arm zurück. »Es könnten Fingerabdrücke daran sein«, ergänzte Vico etwas sanfter.
»Na… natürlich«, sagte sie mit zitternder Stimme.
Vico zog sich Handschuhe an und öffnete die Tür. Marco blickte ihm über die Schulter. Im Innern des düsteren Holzhauses erklang das Summen noch lauter. Je fünf Bienenstöcke waren auf zwei Regalen an der Außenwand aufgereiht. Einer davon lag zersplittert auf dem Boden. Vico zuckte zurück, als eine Biene an ihm vorbei nach draußen flog. Aus den zerbrochenen Waben war glänzender Honig ausgelaufen und hatte sich wie ein schimmernder Teppich um die junge Frau auf dem Boden gelegt. Etliche Bienen krochen auf der Leiche herum. Deren verquollene Augen starrten ausdruckslos zur Decke des Bienenhauses.
»Scusi, Commissario«, erklang eine Stimme hinter ihm. »Wenn Sie uns bitte zuerst an den Tatort lassen.«
Vico drehte sich um und machte dem Beamten von der Spurensicherung Platz. »Fotografieren Sie jeden Winkel und sammeln sie alles ein, was Rückschlüsse auf Todeszeitpunkt und -ursache geben kann«, sagte Vico.
»Naturalmente«, erwiderte der Mann indigniert. »Wir machen das nicht zum ersten Mal. Wobei …«, er kratzte sich am Kopf, der von der weißen Kapuze seines Overalls bedeckt war, »… so etwas habe ich noch nicht gesehen. Sie scheint von den Bienen totgestochen worden zu sein.«
»Dass es so scheint, ist unerheblich. Wir müssen es beweisen«, sagte Vico lapidar. Er deutete mit einem Kopfnicken Flavia und Marco an, ihm zu folgen. In einigen Metern Abstand drehte er sich zu ihnen um. »Was meint ihr?«
»Die Tote ist vermutlich Manuela Lopez«, stellte Marco fest. »Mit den vielen Stichen ist sie schwer zu erkennen, aber die Baseballmütze mit dem Schriftzug VitaVerde kommt mir von gestern bekannt vor.«
»Dann können wir die Suche nach ihr wohl einstellen.« Flavia rieb sich übers Kinn. »Seltsam. Ich kenne die Organisation. Sie klärt zu Umweltthemen auf und unterstützt wissenschaftliche Arbeiten. Ihre Mitglieder sind eigentlich nicht gewalttätig.«
Vico schnalzte mit der Zunge. »Es genügt ja, wenn wenige übertreiben. Also, was hatte Manuela Lopez vor?«
Flavia hob die Hand wie in der Schule. »Vermutlich ist sie hier eingedrungen und wollte den Stock beschädigen. Aber da hat sie die Rechnung ohne die Bienen gemacht.«
»Flavia, du musst aufhören, voreilige Schlüsse zu ziehen«, widersprach Vico ihr aus Gewohnheit. Denn eigentlich sah er die Sache ganz genauso. Trotzdem fuhr er fort. »Vielleicht wurde sie auch erschlagen. Oder sie ist woanders zu Tode gekommen und jemand hat sie hergeschleppt.«
»Das wird uns ja sicherlich deine liebe Freundin Silvana verraten.« Flavia grinste ihn herausfordernd an.
Vico biss die Backenzähne zusammen. Sein privates Interesse an der Gerichtsmedizinerin war leider kein Geheimnis geblieben. »Und bis dahin wird meine liebe Kollegin Flavia die Wiese vor der Hütte akribisch auf weitere Spuren untersuchen.« Er nahm ein leeres Beweismitteltütchen und hielt es ihr hin.
»Komm schon Vic, das war doch nur ein Scherz.«
»Wenn der Scherz am besten ist, soll man aufhören, sagte einmal ein weiser Mann. Und ich habe genug gelacht. Also, an die Arbeit.«
Flavia nahm seufzend das Beutelchen entgegen und gesellte sich zu den Leuten der Spurensicherung.
»Commissario Martinelli, das ist eine Ungeheuerlichkeit.«
Vico drehte sich um und sah Il Ciccione mit schwingenden Armen auf ihn zueilen.
»Sehr wohl, Signor Franco.« Vico nickte höflich.