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Anna genießt ihr neues Leben in Fontenaia, nur mit dem Commissario hat sie ihre liebe Mühe. Bei einem Besuch im Café »Giallo Papagaio« lernt sie drei ältere Damen aus dem Dorf kennen. Doch kurz darauf wird eine der Frauen tot aufgefunden. War es Mord? Noch während Anna und der Commissario über ein mögliches Motiv grübeln, wimmelt es in Fontenaia plötzlich vor vermeintlichen Verdächtigen und geständigen Mördern!
ÜBER DIE SERIE
»Vino, Mord und Bella Italia!« ist eine gemütliche Italien-Krimi-Serie mit Schauplatz Toskana. In dem malerischen Städtchen Fontenaia erbt Anna Wagner nicht nur die alte Villa ihrer Nonna, sondern stolpert auch über den ein oder anderen Mord. Sehr zum Missfallen des Commissario Vico Martinelli, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich eine Amateurin in seine Fälle einmischt. Doch schon bald hat Anna viele neue Freunde in dem Ort gefunden, die ihr bei der Spurensuchen und der Jagd auf Verbrecher tapfer zur Seite stehen.
Wer Italien und die Toskana liebt, bei Krimis gerne selbst miträtselt und La Dolce Vita zu genießen weiß, wird von dieser Serie begeistert sein.
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Seitenzahl: 176
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Anna genießt ihr neues Leben in Fontenaia, nur mit dem Commissario hat sie ihre liebe Mühe. Bei einem Besuch im Café Giallo Papagaio lernt sie drei ältere Damen aus dem Dorf kennen. Doch kurz darauf wird eine der Frauen tot aufgefunden. War es Mord? Noch während Anna und der Commissario über ein mögliches Motiv grübeln, wimmelt es in Fontenaia plötzlich vor vermeintlichen Verdächtigen und geständigen Mördern!
»Vino, Mord und Bella Italia!« ist eine gemütliche Italien-Krimi-Serie mit Schauplatz Toskana. In dem malerischen Städtchen Fontenaia erbt Anna Wagner nicht nur die alte Villa ihrer Nonna, sondern stolpert auch über den ein oder anderen Mord. Sehr zum Missfallen des Commissario Vico Martinelli, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn sich eine Amateurin in seine Fälle einmischt. Doch schon bald hat Anna viele neue Freunde in dem Ort gefunden, die ihr bei der Spurensuchen und der Jagd auf Verbrecher tapfer zur Seite stehen.
Ein tödlicher Autounfall mit Fahrerflucht, ein Blitzschlagopfer auf einem Bauernhof, ein Treppensturz nach einer wilden Party. Anna gähnte. So hatte sie sich ihre neue Aufgabe als Polizeireporterin wahrlich nicht vorgestellt. Commissario Vico Martinelli hatte ihr einen Stapel alter Akten auf den Tisch geklatscht und durch den Dunst aus niederrieselndem Staub erklärt, dass sie diese bitte durcharbeiten und alles, was ihr unstimmig vorkam, aufschreiben möge. Dann war er gegangen und hatte sie in dem winzigen Büro am Ende des Flurs zurückgelassen. Abgestellt in einem menschenleeren Raum voller alter Möbel.
Die Fälle kamen Anna alle sehr eigenartig vor, aber »unstimmig« erschien ihr nichts daran. Sie war fest davon überzeugt, Martinelli wollte sie nur ruhigstellen, zumal die Akten mehr als zehn Jahre alt waren. Schluss! Sie brauchte eine Pause. Anna ging nach draußen auf den Flur. Aus einem Büro hörte sie die Stimmen von Martinelli, Flavia und Marco. Rasch blickte sie sich um und drückte dann ihr Ohr gegen die Tür, doch mehr als Wortfetzen konnte sie nicht vernehmen.
Sie ging enttäuscht die Treppe hinunter, verließ die stazione di polizia und steuerte das Café Giallo Papagaio auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit dem namengebenden Vogel auf der Fassade an. Ein bisschen Nervennahrung würde ihr guttun. An einem runden Tisch unterhielten sich drei ältere Herren in den wärmenden Sonnenstrahlen des frühen Tages, etwas abseits kehrte ein Straßenfeger den Staub zusammen. Ein idyllischer Frühsommertag in Fontenaia. Anna betrat das Café und sog lächelnd die nach frisch gebackenen Teilchen riechende Luft ein.
»Ciao, Anna«, sagte die Bedienung freundlich. Sie war vielleicht Mitte zwanzig, einen Kopf kleiner als Anna und trug helle Strähnen in ihren schwarzen Haaren.
Anna hob die Brauen. »Woher weißt du meinen Namen?«
»Seit dem großen Artikel im Gazzettino Fontenaia kennt dich doch jeder. Gratulation zur neuen Stelle bei der Polizia di Stato.«
Anna verzog das Gesicht. »Danke, bisher ist es ziemlich öde. Ich weiß immer noch nicht, was sich unser Bürgermeister Massimo Franco dabei gedacht hat, mir diesen Job zu verschaffen.«
»Das war doch wohl das Mindeste, was Il Ciccione für dich tun konnte.«
»Im Moment frage ich mich, ob mein Job in Hamburg nicht das kleinere Übel gewesen wäre.« Anna winkte ab. »Aber egal. Jetzt brauche ich auf jeden Fall einen belebenden Cappuccino und eine frische Brioche.«
»Va bene. Kommt sofort.«
Mit Tasse und Teller in den Händen blickte sich Anna in dem Café mit der großen geöffneten Glasfront um. Es standen nur fünf Tische in dem kleinen Gastraum. An einem schwatzten drei grauhaarige Damen miteinander, an einem anderen saß ein junger Mann und tippte auf seinem Laptop. Anna setzte sich an den Tisch in der Mitte und genoss die heimelige Atmosphäre. Sie brauchte Menschen um sich. Für die Arbeit in diesem dunklen Kämmerchen war sie wahrlich nicht geboren. Ob Martinelli auf diese Weise versuchte, sie möglichst rasch wieder loszuwerden? Aber das würde ihm nicht gelingen. So schnell gab Anna nicht auf. Mit dem ersten Schluck ließ ihre Anspannung nach. Sie zerbrach die Brioche und steckte mit geschlossenen Augen einen Bissen des süßen Gebäcks in den Mund.
»Scusi, Signora.«
Anna hielt im Kauen inne und blickte auf. Die alte Dame, deren schlohweißes Haar hochtoupiert war, lächelte sie an. »Setzen Sie sich doch zu uns.« Sie deutete in Richtung ihrer Freundinnen, die einladend nickten. »Niemand muss in Fontenaia allein seinen Kaffee trinken.«
»Danke für das Angebot. Aber ich bleibe nicht lang.«
»Wer keine Zeit hat, ist ärmer als der ärmste Bettler«, sagte die Frau ohne Anstalten zu machen, zu gehen.
Dieser Satz weckte wunderbare Erinnerungen. Ihre Oma hatte ihn so manches Mal verwendet, wenn Anna wieder einmal voller Ungeduld von einem Bein aufs andere gehüpft war. Ob die alten Damen ihre Nonna kannten? Anna nahm ihr Geschirr und rückte ihren Stuhl an den Nachbartisch. »Danke für die freundliche Einladung.«
»Ich heiße Loretta, das sind Fabrizia und Marcella.«
»Freut mich. Ich bin Anna.«
Fabrizia, deren weißes Haar von lila Strähnen durchzogen war, kicherte. »Das wissen wir doch. Sie sind die Deutsche, die das Haus ihrer Großeltern renoviert.«
»Kannten Sie meine Großeltern?«, fragte Anna hoffnungsvoll.
»Ma certo, aus der Kirche«, sagte Loretta. »Wir hoffen, es gefällt auch Ihnen in Fontenaia? Es ist zwar nur ein kleines Städtchen, aber es lässt sich hier gut leben.«
»Auf jeden Fall besser als in Castel Bianco«, pflichtete ihr Fabrizia mit vor Stolz geschwellter Brust bei. Sie strich sich eine lila Locke aus dem Gesicht.
»Wer würde freiwillig dort wohnen wollen, Fabrizia?«, entgegnete Marcella und zog die Mundwinkel nach unten. Sie war die Eleganteste der drei und trug auffallenden Goldschmuck um Hals, Handgelenke und an den Fingern.
Anna lachte. »Ich kenne den Wettstreit zwischen den beiden Städten. Und unser Bürgermeister spielt auf jeden Fall besser Golf als der von Castel Bianco.« Sie erntete strahlende Gesichter. »Aber mal ehrlich: Sie haben mich nicht nur aus Höflichkeit an Ihren Tisch gebeten, nicht wahr?«
Loretta kräuselte die Lippen. Ertappt. Rasch wechselte die alte Dame einen Blick mit ihren Freundinnen. »Wir …«
Marcella übernahm die Führung. »Sie arbeiten doch auch als Journalistin für die Zeitung. Wir wollten Sie fragen, ob Sie nicht einmal einen Artikel über unsere außergewöhnliche Freundschaft schreiben könnten.«
»Wie lange kennen Sie sich denn schon?«
»Seit unserer Kindheit«, sagte Loretta eifrig. »Marcella stand viele Jahre in Verona auf der Bühne und jetzt sind wir alle wieder hier im schönen Fontenaia und halten zusammen wie eh und je. Solche Beziehungen findet man nur bei uns. Da können sich die Leute in Castel Bianco mal ein Scheibchen abschneiden.«
Die Gesichter der drei alten Damen leuchteten. Anna musste unwillkürlich lachen. »Na schön, ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Vielen Dank. An Signor Rossi beißt man sich ja die Zähne aus.« Fabrizia wedelte mit einem angebissenen Cornetto in der Luft.
»Unser Redakteur ist manchmal nicht ganz einfach«, gab Anna grinsend zu. »Er würde eher darauf anspringen, wenn Sie drei durch eine tiefe Feindschaft verbunden wären, voll mit Mord und Totschlag.« Sie blickte auf die Uhr. »Jetzt muss ich aber wirklich zurück.«
»Wir sind jeden Tag hier«, sagte Loretta. »Kommen Sie einfach vorbei, wenn Sie mal mehr Zeit haben.« Die Damen winkten ihr zum Abschied.
»Ich finde, du solltest ihr einen Platz in unserem Büro geben«, sagte Agente Flavia Passerini, die kaugummikauend auf ihrem Schreibtisch saß und mit den Beinen baumelte.
Commissario Vico Martinelli schüttelte den Kopf. »Ich habe euch schon gesagt, dass sie als Zivilistin – und noch viel mehr als Journalistin – keine Informationen über laufende Ermittlungen aufschnappen darf.«
»Aber du vergeudest Annas Fähigkeiten. Wieso hast du ihr aufgetragen, das italienische Gesetz durchzuarbeiten?« Marco Simonetti spreizte die Hände.
Vico zögerte. Er musste genau überlegen, was er nun sagte. »Signora Wagner ist als Polizeireporterin angestellt, und das Codice Penale ist die Grundlage unserer Arbeit, basta.« Der Bürgermeister hatte ihm ungefragt die nervige Deutsche als Kollegin zugeteilt. Vicos oberstes Ziel war es, dass sie so wenig Schaden wie möglich anrichten konnte. Aber warum nicht aus der Not eine Tugend machen? Vielleicht würde ihr journalistischer Spürsinn Beweise für das Gerücht finden, in der stazione di polizia de Fontenaia seien Ermittlungen gegen die Bezahlung von Schmiergeldern eingestellt worden. Da Marco bereits seit drei Jahrzehnten hier arbeitete und seine Beteiligung nicht auszuschließen war, hatte Vico kurzerhand die Tarngeschichte mit dem Gesetz erfunden.
Seine Kollegen schauten ihn herausfordernd an. »Was ist? Habt ihr eine bessere Idee?«
Flavia sprang vom Tisch. »Naturalmente. Sie könnte mit mir abends durch die Straßen patrouillieren oder undercover nach verdächtigen Personen Ausschau halten. Sie ist echt clever. Wir könnten sogar einen Plan erarbeiten, wie wir das organisierte Verbrechen …«
»Es gibt kein organisiertes Verbrechen in Fontenaia.« Vico seufzte und wünschte sich zum wer weiß wievielten Mal nach Rom zurück. »Du solltest weniger Agententhriller schauen und deine Kreativität lieber nutzen, um den Unfall mit Fahrerflucht vom Wochenende aufzuklären. A dopo – bis später.«
Er öffnete schwungvoll die Bürotür seiner Kollegen und rempelte draußen unsanft mit Anna Wagner zusammen. »Uffa«, entfuhr es ihm.
»He«, sagte Anna. »Ich hoffe, Sie passen besser auf, wenn Sie die Autotür öffnen.«
»Wo kommen Sie denn her?« Er deutete auf seine Uhr. »Mittagspause ist doch erst in zweieinhalb Stunden.«
Sie blickte ihn aus zusammengekniffenen grünbraunen Augen an. »Da ich von Auto spreche: Es könnte sein, dass ich auf dem Parkplatz gerade zwei Jugendliche gesehen habe, die sehr verdächtig um den alten Sportoldtimer herumgeschlichen sind. Das ist doch Ihr Wagen? Ich hoffe, die beiden hatten die Schraubenzieher nur dabei, um ihre Fahrräder zu reparieren.«
Vico zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde und spurtete los. Auf der Treppe nahm er zwei Stufen auf einmal. Er lief am Eingangsbereich vorbei und stürzte nach draußen. Der dunkelgrüne Lack seines Wagens schimmerte unversehrt in der klaren warmen Morgenluft. Von Randalierern war nichts zu sehen. Zur Sicherheit ging er dennoch einmal um das Auto herum. Tutto bene. Natürlich.
Diese Journalistin konnte was erleben.
»Und seitdem herrscht Funkstille zwischen uns.« Anna saß Giovanna am Bartresen gegenüber. Die Wirtin polierte Weingläser und hielt eines prüfend gegen das Licht. Es war früher Abend und das Restaurant hatte gerade wieder geöffnet.
»Mia cara, du solltest ihn nicht auch noch reizen. Unser Commissario ist ein guter Kerl, aber er hat seine Macken – vor allem, wenn es nicht geordnet nach seinen Regeln geht.«
»Pah«, rief Anna. »Auf meine Weise ginge es …«
Giovanna legte den Kopf schief.
»Na schön.« Anna ließ ihre Stirn auf das Holz knallen und nuschelte: »Ich versuche, ihm entgegenzukommen.«
»Nachdem das geklärt ist, kannst du ja aufhören, Trübsal zu blasen. Wir haben für heute Abend immerhin zwei Reservierungen. Wenn wir Glück haben, werden es mit Laufkundschaft sogar vier oder mehr Tische.«
Anna sah auf, doch das Lächeln auf Giovannas Gesicht konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahlen mal wieder viel zu niedrig waren.
Zwei Stunden später waren immerhin sechs Tische besetzt und der Gastraum von Gelächter und Geschichten erfüllt, die mit jedem Glas Chianti munterer wurden. Die Türen zur Terrasse standen offen und trugen die angenehme Wärme des lauen Sommerabends herein. Anna nahm gut gelaunt Bestellungen entgegen und brachte Pizza, Pasta und Risotto beschwingt zu den hungrigen Gästen, wobei sie jedem Tisch ein charmantes »Buon appetito« zuwarf. Und mit jedem neuen Gericht, das der Koch Luca zubereitete, zog eine weitere Wolke köstlicher Aromen durch das Restaurant: scharfer Knoblauch, frisches Basilikum und würziger Parmesan.
Es war etwa zweiundzwanzig Uhr, als Anna bemerkte, wie sich eine junge Frau zum Nachbartisch herüberbeugte, wo eine angeregte Diskussion entstanden war. Binnen Minuten änderte sich die Stimmung unter den Gästen und nur noch ein Thema beherrschte das Restaurant: Offenbar war eine stadtbekannte Persönlichkeit gestorben und die Leute überboten sich mit Theorien, wer nun ihr Vermögen erben würde. Anna grinste. Nichts verbreitete sich in dem beschaulichen Ort so schnell wie Klatsch und Tratsch. Und nichts lockte mehr Leser für den Gazzettino Fontenaia an. Allerdings waren die wilden Spekulationen der Gäste vage und Anna bekam wenig stichhaltige Informationen. Vielleicht konnten die Damen aus dem Café, die Land und Leute seit ihrer Kindheit kannten, ein paar Zutaten zur Gerüchteküche beisteuern. Ein guter Aufhänger für einen Artikel über deren alte Freundschaft gewürzt mit einem Hauch von Geheimnis, wie ein perfekt abgeschmecktes Ragù.
»Du schaust ja aus wie das blühende Leben«, sagte die Bedienung des Cafés lachend und goss geschickt Milchschaum in Form einer kleinen Blüte auf Annas Cappuccino.
Anna lächelte müde und nahm wortlos die Tasse. Sie hatte sich in der Nacht mal wieder hin und her gewälzt und gegrübelt, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Noch vor eine paar Tagen hatte es sich wunderbar angefühlt, ihren Job in Hamburg zu kündigen und hier in der warmen und lebensfrohen Toskana ein neues Leben zu beginnen. Aber die Realität hatte einen faden Beigeschmack entwickelt: Um sich über Wasser zu halten, brauchte sie mehrere Jobs, und für die notwendigen Renovierungen am Haus blieb kaum Zeit – geschweige denn für Annas kreative Ideen, mit denen sie das in die Jahre gekommenen Bauwerk in ein einladendes buntes Heim verwandeln wollte. Immerhin hatte sie die erste Rate der Strom- und Wasserwerke bezahlt und konnte wieder duschen und Handy und Laptop laden.
Mit der Tasse in der Hand ließ Anna ihren Blick durch das Papagaio wandern. Um diese Uhrzeit war nur wenig los. Aber die alten Damen saßen schon an ihrem Tisch, als gehörten sie zur Inneneinrichtung. Zumindest zwei von ihnen. Loretta mit den toupierten Haaren brütete mit hängenden Schultern vor sich hin, und die andere – Wie war noch gleich ihr Name? Francesca? Nein, Fabrizia – rührte abwesend in ihrer Tasse. Als sich ihre Blicke trafen, wandte Fabrizia rasch den Kopf.
Anna ging auf die beiden zu. »Entschuldigung, wenn ich Sie störe. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?« Sie lächelte aufmunternd. »Ich sehe Ihre Freundin gar nicht.«
Loretta blickte sie aus geröteten Augen an. »Dio mio.« Sie zog die Nase hoch. »Sie ist gestern von uns gegangen.« Loretta reckte schwerfällig die Hände in die Höhe und blickte zur Decke. »Ich hoffe, sie findet jetzt endlich Frieden.«
»Loretta, sei still.« Fabrizia winkte sie zur Ordnung. Ein paar Tröpfchen Kaffee lösten sich vom Löffel in ihrer Hand und spritzen auf den Tisch.
»Aber es stimmt doch.« Loretta holte ein Tuch aus der Tasche, wischte über die Holzplatte und schnäuzte sich dann.
»Sincere condoglianze – mein herzliches Beileid. Kann ich irgendetwas für Sie tun?« Anna widerstand dem Impuls, der alten Dame ihre Hand auf den Arm zu legen. Ihr taten die beiden leid. Sollte es der Zufall wollen und ihre verstorbene Freundin war die stadtbekannte Persönlichkeit, von der gestern im Da Giovanna die Rede war?
»Nein, meine Liebe, es ist alles in Ordnung. Sie sollten Ihren Kaffee nicht kalt werden lassen.«
Anna verstand die Aufforderung. Die Frauen wollten allein sein. Sie nickte, setzte sich an den freien Nebentisch und stellte die Tasse vor sich ab. Sie würde die beiden in ihrer Trauer sicher nicht mit Fragen für einen Zeitungsartikel stören. Auf ihrem Handy waren zwei neue Nachrichten eingegangen. Sie beantwortete die ihrer Studienfreundin und wischte den Text ihrer Mutter weg. Natürlich musste sie mit ihr reden, ihr sagen, dass sie nicht mehr für die Alsterpost arbeitete und wenn möglich für immer im Haus der Großeltern in der Toskana wohnen wollte. Aber sie wusste nicht, wie sie es ihr beibringen sollte. Außerdem schwebte weiterhin das Damoklesschwert des Verkaufs über ihr. Und ein unbedachtes Wort würde ihrer Mutter womöglich den letzten Schubs geben, das Angebot des unbekannten Investors anzunehmen.
»Du darfst es niemandem verraten. Niemals.« Loretta war etwas lauter geworden. Anna tat so, als würde sie weiterhin Nachrichten lesen, aber sie konnte einfach nicht anders, als das Gespräch der alten Damen zu belauschen.
»Sei leise. Außer uns beiden weiß niemand davon. Und wenn wir nichts sagen, wird keiner etwas darüber erfahren.«
»Wie kannst du dir so sicher sein?« Die andere schluchzte leise auf. »Der Herrgott wird uns das nie vergeben.«
»Non cade foglia che Dio non voglia – Es fällt kein Blatt, außer Gott will es. Er war die ganze Zeit bei uns.«
»Oh Fabrizia, ich halte das nicht aus.«
»Marcella ist tot. Und egal, was du dem Padre oder der Polizei erzählst, es wird sie nicht mehr lebendig machen.«
Bei diesen Worten konnte Anna nicht mehr länger schweigend dasitzen. Sie stand auf und baute sich vor dem Tisch der beiden auf. »Meine Damen, wenn es irgendetwas gibt, dass am Tod Ihrer Freundin unstimmig ist, müssen Sie es Commissario Martinelli sagen.« Sie stemmte die Hände in die Hüften.
Die beiden Frauen starrten sie entsetzt an. War sie zu weit gegangen?
Loretta nahm ihre Handtasche und erhob sich. »Siehst du? Ich habe dir ja gesagt, dass es so kommt.« Die Frau, die gut einen Kopf kleiner war als Anna, wedelte mit dem Zeigefinger vor der Nase ihrer Freundin herum.
Fabrizia warf die Hände in die Höhe. »Hättest du nicht so laut herumgejammert, wäre das nie passiert. Nun geh schon voraus.«
Die Damen trotteten zeternd aus dem Café, überquerten die Straße und gingen in die stazione di polizia. Das Zusammentreffen mit den beiden und die Art und Weise, wie sie über den Tod ihrer Freundin gesprochen hatten, weckten Annas Neugier. Etwas stimmte hier nicht. Unwillkürlich grinste sie. Polizeiarbeit fühlte sich gar nicht schlecht an. Und da sie dem Commissario aufs Auge gedrückt worden war, würde sie ihm nun zeigen, was für eine gute Ermittlerin sie war und weitere Informationen zu den Damen herausfinden. Dann würde sie einen richtigen Platz im Team bekommen und in einem Büro mit Fenster an neuen Fällen arbeiten, anstatt ominösen Schatten der Vergangenheit nachzujagen.
Anna verließ gut gelaunt das Café und machte sich mit ihrem Rad auf den Weg zum Marktplatz. Wenn jemand mehr über das besondere Dreiergespann wusste, dann die Gemüsehändlerin Amalia. Martinelli würde staunen.
Flavias Augen leuchteten, als sie mit Marco und Vico vor dem großen Whiteboard stand. Ausnahmsweise waren darauf keine Fotos und Fakten zu einem Fall befestigt, sondern ein detaillierter Zeitplan. »Ich werde den bambini von unseren spannendsten Fällen erzählen, wie Geschichten aus einem alten Märchenbuch.«
Vico schüttelte den Kopf, als würde er eine lästige Fliege verscheuchen. »Nein, wirst du nicht, liebe Flavia. Unser Auftrag ist es, den Schülern die seriösen Tätigkeitsbereiche der Polizia di Stato näherzubringen.«
Flavia streckte die Zunge heraus. »Wie öde. Dann wirst du mir vermutlich sogar das Schießtraining mit den Kleinen verbieten?«
Vico öffnete den Mund, doch Flavia winkte ab. »Scherzo. Ich weiß ja, dass die Munition viel zu teuer dafür ist.«
Vico wandte sich an Marco. »Kann ich wenigstens mit dir vernünftig reden?«
»Certo.« Marco nahm den Zahnstocher aus seinem Mund. »Ich bin die Seriosität in Person. Ich trage meine Uniform mit Stolz. Und ich werde den Kindern erklären, wie man für Recht und Ordnung in der Gemeinde sorgt.« Er klopfte sich auf die Brust, entspannte sich aber gleich wieder. »Ach, Vico, sei doch nicht immer so ernst wie ein Kellner, der den Weinkorken prüft. Ich mach das jetzt schon seit zehn Jahren. Die Kinder lieben es, wenn wir in die Scuola kommen.«
»Weil sie eine Stunde nicht lernen müssen«, sagte Vico.
»Es ist die letzte Woche vor den Ferien. Da wird nicht mehr gelernt.« Marcos Stimme wurde ungewohnt sanft. »Die meisten haben noch nie selbst mit einem Polizisten gesprochen. Für die sind wir so etwas wie Helden.«
»Meine Eltern sehen das anders«, murmelte Flavia unvermittelt.
Marco schnalzte mit der Zunge. »Du kannst stolz auf dich sein, Flavia. Lass den Rest deiner Familie in irgendwelchen großen Banken und Firmen Zahlen herumschubsen und viel Geld machen. Von denen hat noch keiner einen Verbrecher geschnappt und für Gerechtigkeit gesorgt. Irgendjemand muss sich schließlich um das richtige Leben kümmern.«
Flavia verzog den Mund zu einem scheuen Lächeln und schaute abwechselnd Marco und Vico an. »Dann darf ich die eine oder andere Schurkengeschichte erzählen?«
»Solange ihr keine Interna preisgebt, von mir aus«, lenkte Vico ein.
Flavia klatschte in die Hände.
Vico räusperte sich. »Allora