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Rosi Holzwurm, Putzfrau in Limone sul Garda, findet bei ihrem Kunden Otto Simon eine Bratsche von einem Geigenbauer namens Gasparo da Saló. Simon bittet Rosi in einem beiliegenden Brief, sie möge das Instrument einer alten Dame zurückbringen, doch die alte Dame liegt nach einem brutalen Unfall im Krankenhaus. Wenig später wird Simon tot aus dem Gardasee gefischt. Warum musste er sterben? Und weshalb wird Rosi von einem dubiosen Hausmeister und einem undurchsichtigen Antiquitätenhändler aus Malcesine verfolgt? Als Rosi erkennt, dass gewisse Leute für diese Bratsche über Leichen gehen, ist es fast zu spät …
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Seitenzahl: 260
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Roswitha Wildgans, Jahrgang 1963, studierte an der Musikhochschule München Gesang. Sie trat als Solistin auf, war Mitglied in verschiedenen Profichören und arbeitete mehrere Jahre als Gesangspädagogin an einer Musikschule. Sie lebt mit Mann und Tochter in der Nähe von Freising. Im Emons Verlag erschienen »Finale Furioso«, »Solo Mortale«, »Concerto Fatale«, »Chorale Criminale« und »Canone Vocale«.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.
© 2014 Emons Verlag GmbH Alle Rechte vorbehalten Umschlagfoto: iStockphoto.com/clu Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI books GmbH, LeckISBN 978-3-86358-369-9 Originalausgabe
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Für meinen Papa
1
»Putzagentur Rosi Holzwurm«, meldete ich mich geschäftsmäßig am Handy.
»Spreche ich mit der Chefin?«, fragte eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
»So ist es. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich brauche eine Putzfrau für meine Wochenendwohnung in Limone. Ich erwarte Zuverlässigkeit und deutsche Gründlichkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Selbstverständlich. Ich überprüfe die Sauberkeit in unseren Objekten immer höchstpersönlich«, versicherte ich.
»Wann können Sie vorbeikommen, damit ich Sie einweisen kann?«, fragte der Herr.
»Frühestens um vierzehn Uhr«, antwortete ich.
»Vierzehn Uhr ist gut, aber seien Sie pünktlich. Ich muss heute noch zurück nach München. Mein Name ist Otto Simon, Via Tamas 22.«
»In Ordnung, Herr Simon, also dann bis später«, verabschiedete ich mich und steckte das Handy zurück in die Rocktasche meines lila-blassblau geblümten Putzkittels. Der Besen, den ich während des Gesprächs zur Hälfte unter dem Kinderbett der Ferienwohnung hatte liegen lassen, brachte einen halben Pfannkuchen, zwei angebissene Schokoriegel und eine benutzte Windel zutage. Gut gelaunt packte ich den Abfall in den großen Müllsack und marschierte mit schwingendem Putzlappen in das kleine Badezimmer. Der Tag hatte optimal begonnen, ich hatte soeben den Auftrag für meine vierte Privatwohnung ergattert. Die meist gehoben ausgestatteten Zweitwohnsitze wohlhabender Münchner waren mir entschieden lieber als die mit Eis und Nutella beschmierten Ferienwohnungen, in denen ich nach Abreise der Urlauber die Endreinigung durchführte, aber irgendwie musste man sich ja über Wasser halten. Wenn das Geschäft weiter so florierte, würde ich bald nur noch luxuriöse Zweitwohnungen putzen. Rosi, sagte ich mir, du bist auf der Erfolgsspur.
Vor drei Monaten hatte ich kurz nach meinem Umzug von München nach Limone meine eigene Firma gegründet. Ich hatte überall Werbe-Flyer ausgelegt und eine große Anzeige in die deutschsprachige Gardaseezeitung gesetzt. Bereits zwei Wochen später engagierte mich ein Musikkritiker der Süddeutschen Zeitung zur regelmäßigen Reinigung seiner noblen Zweitwohnung in Limone. Wenige Tage darauf nahm mich eine Ärztin aus Starnberg für ihr Luxusapartment in ihre Dienste, und noch am selben Tag stellte mich ein Münchner Professoren-Ehepaar an, das eine wunderschöne Wohnung in Malcesine besaß. Leider blieb es erst einmal bei den drei Privatkunden, sodass ich bis jetzt nicht ohne meinen Job bei der Ferienwohnungsvermietung ausgekommen war. Das würde sich alles noch ändern!
Ich säuberte die verschmierte Küchenzeile, öffnete die Terrassentür und wischte anschließend den Boden. Das warme Putzwasser sorgte für ein subtropisches Klima in der Wohnung, die Tageshöchsttemperatur an diesem Junitag würde die Dreißig-Grad-Marke mit Sicherheit noch überschreiten.
Nach getaner Arbeit ließ ich mich zur Erholung ein paar Minuten auf dem Liegestuhl der kleinen Terrasse nieder und schloss die Augen in der Sonne. Was wohl Adriano gerade tat? Wahrscheinlich schlang er in der Küche seines Ristorante schnell einen Teller Pasta in sich hinein und kümmerte sich anschließend sofort wieder um seine Gäste. Das Ristorante »Da Adriano« an der Uferpromenade von Limone war von April bis Oktober fast durchgehend rappelvoll. Mittags kamen die Leute zum Essen und am Nachmittag auf ein Eis oder auf einen Cappuccino. Später traf man sich dort zum Aperitivo, natürlich gefolgt vom Abendessen. Zu fortgeschrittener Stunde konnte man seinen Schlummertrunk bei Adriano einnehmen, die vorbeiflanierenden Leute beobachten oder den romantischen Blick auf die sich spiegelnden Lichter im See genießen. Mein armer Adriano war immer am Arbeiten.
Von der Sonne geblendet schaute ich auf meine Armbanduhr. Ausgeträumt, Rosi, dein neuer Kunde erwartete dich in einer Viertelstunde. Ich holte eine Bürste aus meiner Handtasche, frisierte meine vom Schweiß feuchten Haare und band sie vor dem großen Schrankspiegel zu einem strengen Zopf zusammen. Skeptisch blickte ich nach unten. Entweder ich hatte den Putzkittel zu heiß gewaschen oder meine achtzig Kilo hatten sich heute irgendwie ungünstig verteilt, jedenfalls spannte der Kittel etwas um die Hüften. Was soll’s, Adriano würde mir auf dem Weg in die Via Tamas sicher nicht begegnen, er musste ja arbeiten.
Ich räumte die Putzsachen auf, brachte die Schlüssel zur Hausverwaltung und schwang mich auf meine hellblaue Vespa, dann knatterte ich den Berg hoch zur Via Tamas 22. Die Sonne knallte erbarmungslos auf den Teer, sodass die Luft leicht flimmerte. Ich musste mich zur Konzentration auf die Straße zwingen, um mich nicht in dem immer atemberaubenden Blick auf den tiefblauen Gardasee zu verlieren. Die Schönheit dieser mediterranen Landschaft zu Fuße des Monte Baldo zog mich auch noch nach drei Monaten unvermindert in ihren Bann.
Das weiß getünchte, zweistöckige Haus mit der Nummer 22 lag fast am Ende der Via Tamas und schien neueren Baujahres zu sein. Ich stellte die Vespa neben der Haustür ab und drückte auf den Klingelknopf neben dem obersten rechten Namensschild.
»Frau Holzwurm?«, erklang eine Stimme aus der Gegensprechanlage.
»Jawohl«, antwortete ich, und sofort ertönte der Summer. Ich drückte die Haustür auf und fuhr mit einem kleinen Lift in den zweiten Stock.
Herr Simon stand vor seiner Wohnung und erwartete mich.
»Pünktlich auf die Minute«, bemerkte er zufrieden und gab mir die Hand. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig, also etwa in meinem Alter. Der gepflegte Mann mit dem kurzen dunkelblonden Haar trug bei dieser Affenhitze tatsächlich einen hellgrauen Anzug, die oberen Knöpfe seines Hemdes waren jedoch geöffnet.
»Die Handwerker haben am Vormittag die Schrankwand im Schlafzimmer eingebaut und eine Menge Dreck hinterlassen«, kam Herr Simon gleich zur Sache und führte mich durch einen kleinen hellen Flur ins Schlafzimmer. »Ich bin Weinhändler und komme am Donnerstag nach Limone zurück. Können Sie dafür sorgen, dass die Wohnung bis dahin wieder in einem bewohnbaren Zustand ist?«
»Kein Problem, Herr Simon«, antwortete ich souverän, während ich überrascht zur Kenntnis nahm, dass Herr Simon ein breites Wasserbett in seinem Schlafzimmer hatte. Er führte mich weiter in das geräumige Wohnzimmer, das ziemlich mondän möbliert war. Eine runde, champagnerfarbene Ledercouch wand sich um einen Tisch aus Milchglas, daneben stand eine große Designerstehlampe aus glänzendem Chrom.
»Es fehlen noch Bücher und einige andere Kleinigkeiten«, erklärte er, als er meinen Blick auf die leeren Regale bemerkte. »Kommen Sie mit, Frau Holzwurm, ich zeige Ihnen, weswegen ich diese Wohnung gekauft habe«, sagte er mit fast kindlicher Freude im Gesicht, dann öffnete er die zwei großen Fenstertüren am Ende des Wohnzimmers und trat mit mir auf den Balkon.
»Ist das nicht überwältigend?« Stolz präsentierte er die grandiose Aussicht über die Dächer von Limone auf den See. »Als Kind bin ich jedes Jahr mit meinen Eltern am Gardasee gewesen, etwas südlicher, in Salò«, fuhr er fort. »Es kommt mir fast so vor, als wäre ich hier schon lange zu Hause. Die Luft ist ganz anders als in München, weich und voller Blumenduft, man fühlt sich leicht und beschwingt. Nach dreieinhalb Autostunden ist man in einer anderen Welt.«
Das habe ich auch immer so empfunden, dachte ich bei mir. Herr Simon führte mich weiter in die große Küche mit nigelnagelneuer weißer Einbauküche. Nicht schlecht, war mein erster Eindruck, aber an die Küche von meinem Musikkritiker in Limone kam sie nicht heran.
»Dann hätten wir noch das Badezimmer, wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Herr Simon öffnete eine weitere Tür, die vom kleinen Flur ausging. Großer Gott, das war ja gigantisch! Mitten im Raum stand eine überdimensional große Whirlpoolwanne, zu deren Einstieg eine helle Marmortreppe führte. Das gesamte Bad war im selben hellen Marmor gehalten, die durch das runde Fenster hereinscheinende Sonne ließ die goldenen Armaturen funkeln.
»Sehr schön«, sagte ich mit unterdrückter Begeisterung.
»Im Keller steht eine Waschmaschine für alle Hausbewohner, ich erwarte, dass Sie sich auch um die Handtücher und um die Bettwäsche kümmern, Frau Holzwurm. Am besten gehen wir gleich einmal hinunter«, schlug Herr Simon vor.
»Wie sind Sie eigentlich auf meine Putzagentur gekommen, wenn ich fragen darf?«, erkundigte ich mich auf dem Weg ins Untergeschoss.
»Der Wirt von ›Da Adriano‹ hat Sie empfohlen«, entgegnete Herr Simon.
Adriano! Er hatte tatsächlich an mich gedacht.
»Der Schlüssel für die Haustür passt auch im Keller«, erklärte mir mein neuer Kunde weiter, während er eine schwere weiße Tür aufsperrte. »Hier stehen Waschmaschine und Trockner, und da vorne ist mein Kellerabteil, in dem Sie Ihre Putzsachen deponieren können. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich diese Dinge nicht in der Wohnung haben will.«
»Natürlich, Herr Simon«, antwortete ich eifrig.
»Der Schlüssel im Vorhängeschloss steckt, es ist ja auch noch nichts drin. Ich dachte, dass es Ihnen vielleicht lieber wäre, wenn Sie Ihre Putzutensilien selbst besorgen«, fuhr er fort.
»Sehr vernünftig.« Ich nickte.
»Dann gehen wir wieder nach oben und regeln das Geschäftliche. Ich möchte, dass Sie mir einmal pro Woche jemanden schicken, aber bitte nur zwischen Montagmorgen und Mittwochnachmittag«, instruierte er mich.
Im Lift überreichte ich ihm eine Visitenkarte meiner Putzagentur. »Gehobene Objekte wie das Ihre übernehme ich selbst, Herr Simon. Wenn ich Ihnen Lebensmittel einkaufen soll, brauchen Sie mich nur anzurufen.«
»Das nenne ich Service, Frau Holzwurm«, erwiderte er angetan.
Herr Simon machte zwar einen etwas gestressten Eindruck, trotzdem war er sehr höflich und eigentlich nicht unsympathisch. Wieder zurück in seiner Wohnung unterschrieb er meinen Geschäftsvertrag, den ich stets gewappnet seit Wochen in meiner Handtasche spazieren getragen hatte, und übergab mir einen Haus- und einen Wohnungsschlüssel. Alles lief perfekt, endlich ging es aufwärts mit meinem Unternehmen.
2
Ich nahm die Abkürzung über die steile Via Tovo, vorbei an der grasgrünen modernen Mehrsporthalle, und hielt schließlich an der Hauptstraße für einen kurzen Imbiss in der Bar Limone. Nach zwei herrlich weichen Tramezzini mit Thunfisch, einem leckeren Panino mit Schinken, Tomate und Mozzarella, einer erfrischenden Granita di Limone und einem abschließenden Espresso war mein kleiner Anflug von Hunger gestillt, dann besorgte ich im Supermarkt Conad schräg gegenüber die Putzgrundausstattung für die Wohnung von Otto Simon. Damit der dünne Geschäftsmann gleich etwas zum Beißen hatte, wenn er ausgehungert von der anstrengenden Autofahrt in seiner Wohnung ankommen würde, nahm ich im Obstgeschäft daneben noch ein Pfund Äpfel für ihn mit. Den mit einer Tüte Äpfel, Putzmittel, Lappen und Teleskop-Wischmob gefüllten Kübel auf dem Gepäckträger zockelte ich vorsichtig auf meiner schwer kämpfenden Vespa die Via Tovo wieder nach oben und bog rechts in die Via Tamas ein. Ich stellte die Vespa ab und läutete zur Sicherheit bei »Simon«.
Niemand reagierte, Herr Simon war wohl bereits auf dem Weg nach München. Ich sperrte die Haustür auf und fuhr im Lift nach oben. Bevor ich die Wohnungstür öffnete, klingelte ich abermals, aber es rührte sich nichts. Im ganzen Haus war es totenstill, vielleicht waren die anderen Wohnungen ebenfalls nur Wochenenddomizile, die heute am Montag alle verlassen waren. Ich trat ein, stellte den Putzkübel ab und marschierte sofort ins Schlafzimmer, wo ich mich mit einem Riesensatz rücklings aufs edle Wasserbett warf. Die Wellen kämpften heftig mit meinem Gewicht. Ich war noch nie auf einem Wasserbett gelegen, aber genauso hatte ich es mir vorgestellt. Nachdem sich die Wogen wieder beruhigt hatten, experimentierte ich noch ein Weilchen mit verschiedenen Lagen und Bewegungen, bevor ich aufstand und ins Wohnzimmer ging.
Herr Simon hatte meine Visitenkarte auf dem Tisch liegen lassen, den Vertrag hatte er offenbar mitgenommen. Natürlich wollte ich mir gleich einen Überblick über den Musikgeschmack meines neuen Kunden verschaffen und etwas Hübsches in den CD-Player einlegen, aber die Schublade unter der Stereoanlage war leider noch leer. Auf Radio hatte ich irgendwie keine Lust, also würde ich heute ohne Musik arbeiten. Ich begann mit der Küche, in der es vorn und hinten an allem fehlte. Du liebe Güte, außer Salz und Pfeffer hatte der Mann nicht ein einziges Gewürz im Schrank. Im Kühlschrank befanden sich nur eine Flasche Cola Light, ein Wasser und eine angebrochene Flasche Rotwein. Die Vorratsschublade enthielt zwei Packungen Pasta, zwei Büchsen geschälte Tomaten, das war’s. Überhaupt machte die Küche den Eindruck, als sei hier noch nie gekocht worden. Wer weiß, vielleicht wollte Herr Simon ja am Wochenende eine Frau mitbringen, die die Küche auf Vordermann brachte. Einen Ehering trug er allerdings nicht, das hatte ich natürlich sofort bemerkt. Ich legte die Äpfel in einen tiefen Teller und stellte ihn auf den Wohnzimmertisch, dann machte ich mich an die Arbeit. Nachdem die Küche sauber glänzte, inspizierte ich die Schubladen im Wohnzimmer. Alles leer und offensichtlich nach dem Einbau nicht einmal ausgewischt. Schublade für Schublade arbeitete ich mich mit dem Putzlappen vor, bis ich doch noch etwas fand: ein kleines Sterbebildchen. Auf dem Foto war ein alter Mann abgebildet, darunter stand der Name Paolo Bertolotti, die Beerdigung hatte vor zwei Wochen in Salò stattgefunden. Hatte Herr Simon nicht erwähnt, dass er als Kind die Ferien mit seinen Eltern immer in Salò verbracht hatte? Vielleicht handelte es sich bei Paolo Bertolotti um einen Bekannten aus dieser Zeit. Ich legte das Bildchen zurück in die gesäuberte Schublade, putzte die restliche Wohnung einschließlich Luxusbad und machte mich zum Abschluss noch über die Küchen- und Wohnzimmerfenster her. Geschafft, alles blitzte.
So, Rosi, dann gehen wir zum gemütlichen Teil über. Mit großer Vorfreude drehte ich den Wasserhahn der Whirlpoolwanne auf und entledigte mich meiner Kleidung. Bereits beim Putzen hatte ich wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass wenigstens die Schränke im Bad gefüllt waren. Weiße Handtücher lagen sauber gestapelt aufeinander, es gab mehrere verpackte Zahnbürsten, Shampoon, Rasierzeug, mehrere edle Seifen und Schaumbäder, sowohl für Damen als auch für Herren. Nachdem ich mich für einen Badezusatz mit Lavendel entschieden hatte, goss ich etwas davon in die Wanne und stieg hinein. Als die Wanne mit Wasser gefüllt war, drückte ich auf den Knopf für den Whirlpool. Ich lag umhüllt von angenehmem Lavendelduft im sprudelnden, schäumenden Wasser und genoss das Leben in meiner neuen Welt.
Mit Genugtuung dachte ich an meinen ätzend langweiligen Job als Rechtsanwaltfachangestellte in München zurück. Nachdem ich zweimal durchs Juraexamen gefallen war, hatte mich eine ehemalige Kommilitonin aus Mitleid in ihrer Kanzlei aufgenommen. Sie hatte mich gut behandelt, aber ein Tag lief ab wie der andere, mein Arbeitsleben war genauso einschläfernd gewesen wie mein Liebesleben. Das öde Schreiben von diktierten Briefen oder das stupide Einordnen von Akten machten mich träger und träger.
Bis ich Adriano kennenlernte.
Nanu, der Whirlpool hatte sich von allein abgestellt. Ich drehte mich zum Zeitzähler um, der nur auf fünf Minuten eingestellt war. Gerade, als ich den Einschaltknopf wieder betätigen wollte, sperrte jemand die Wohnungstür auf. Ich erstarrte vor Schreck. Obwohl ich die Badtür zugemacht hatte, konnte ich deutlich hören, wie die Tür wieder ins Schloss fiel. Verdammt, wenn mich Herr Simon hier in seiner Wanne vorfinden würde, wäre es aus und vorbei mit meinem neuen Job. Das hatte ja mal passieren müssen. Als ich es vor zweieinhalb Monaten zum ersten Mal gewagt hatte, in der Luxusküche meines Zeitungsschreiberlings zu kochen, war mir vor Aufregung so schlecht geworden, dass ich hinterher keinen Bissen des leckeren Essens hinuntergebracht hatte. Ich beruhigte mein schlechtes Gewissen damit, dass ich ja niemanden geschädigt und schließlich alles picobello zurückgelassen hatte. Also tat ich es wieder. Mittlerweile war es für mich völlig normal, dass ich gewisse Annehmlichkeiten in den Wohnungen meiner Kunden mitbenutzte, dafür revanchierte ich mich mit kleinen Geschenken wie frischem Obst oder Schokolade, was meine Kunden ganz reizend fanden. Natürlich hatte ich den Gedanken völlig verdrängt, dass meine Kunden mit meiner speziellen Art Arrangement nicht einverstanden sein könnten.
Nun würde ich gleich erfahren, was Herr Simon dazu sagen würde. Wie versteinert saß ich im Wasser und wagte nicht, mich zu bewegen. Dumpfe Schritte gingen Richtung Wohnzimmer, dann hörte ich, wie Schubladen und Schranktüren geöffnet und geschlossen wurden. Hatte Herr Simon vielleicht etwas vergessen, das er nun suchte? Die Geräusche wurden leiser, wahrscheinlich war er jetzt in der Küche. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er endlich finden möge, was er suchte. Die Schritte kamen zurück, und die Türklinke der Badezimmertür ging nach unten. In Panik erwartete ich einen der peinlichsten Momente meines Lebens, doch in der Tür stand nicht Herr Simon, sondern ein untersetzter dunkelhaariger Mann, der mindestens ebenso erschrocken auf mich blickte wie ich auf ihn.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte ich empört.
»Scusi, Signora, ich nicht wissen, dass Sie nehmen ein Bagno. Waren Probleme mit die Strom, habe ich kontrolliert.«
»Wer sind Sie?« Ich wunderte mich, dass der Mann offensichtlich über einen Wohnungsschlüssel verfügte.
»Aldo Farelli, Hausmeister. Ist alles in Ordnung, Signora, scusi«, entschuldigte er sich abermals und verschwand wie der Blitz.
Erleichtert atmete ich auf, das war noch mal gut gegangen. In Zukunft würde ich den Schlüssel immer von innen stecken lassen.
Während ich mich im blubbernden Wasser entspannte, dachte ich über den merkwürdigen Besuch nach. Seit wann kontrollierte man Strom in Schubladen? Dieser Farelli hatte irgendetwas gesucht, da war ich mir sicher. Wie auch immer, die Schubladen und Schränke im Wohnzimmer waren leer, und die Küche war lediglich mit Dingen ausgestattet, die dort hingehörten. Ich wusch mir die Haare, stieg aus der Wanne und hüllte mich in ein großes weiches Handtuch. Dann kontrollierte ich in der Küche, ob Herr Farelli nicht doch silberne Löffel geklaut hatte. Nein, es war alles an seinem Platz. Auf dem Weg zurück ins Bad öffnete ich noch die Schublade mit dem Sterbebildchen. Es war verschwunden! Merkwürdig, weshalb hatte Herr Farelli dieses Bildchen mitgehen lassen? Und war es wirklich das, wonach er gesucht hatte? Eher nicht, sonst hätte er wohl nicht im Badezimmer weitersuchen wollen. Ich zog mich an, föhnte meine Haare, säuberte die Wanne und fuhr im Lift mitsamt dem benutzten Handtuch und Putz-Utensilien zum Keller. Dort räumte ich alles in Herrn Simons Kellerabteil und hängte das feuchte Handtuch über den Stiel des Wischmobs. Den Schlüssel des Vorhängeschlosses ließ ich stecken, da mir Herr Simon nicht gesagt hatte, was ich damit machen sollte. Nachdem ich das Haus verlassen hatte, warf ich einen Blick auf die Namensschilder neben der Haustür. Tatsächlich, ein Aldo Farelli wohnte im Erdgeschoss auf der linken Seite.
3
Ich sperrte die Haustür zu meiner Wohnung in der Via Castello auf und trat in das schmale, dunkle Treppenhaus. Ein köstlicher Duft von vor sich hin köchelnden Tomaten, Knoblauch und brutzelndem Fleisch stieg mir in die Nase. Meine Vermieterin, Signora Bruna, war eine ausgezeichnete Köchin, die mir bisher jedoch nichts, aber auch gar nichts von ihren vorzüglichen Rezepten verraten hatte. Familiengeheimnis, hieß es jedes Mal, wenn ich sie danach fragte.
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