Vögel, die am Abend singen - Darja Donzowa - E-Book

Vögel, die am Abend singen E-Book

Darja Donzowa

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Beschreibung

„Die russische Miss Marple.“ Brigitte.

Völlig überraschend begegnet Tanja ihrer Jugendliebe Edik. Damals am Moskauer Konservatorium sagte man ihm eine Weltkarriere als Geiger voraus. Heute ist er Friedhofsdirektor. Kurz nach ihrem Zusammentreffen wird er jedoch ermordet. Mit erlaubten und unerlaubten Tricks sucht Tanja nach dem Mörder und gerät in eine Welt geheimnisvoller Leidenschaften ...

„Ein sehr unterhaltsamer Krimi.“ Bunte.

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Informationen zum Buch

»Die russische Miss Marple.« Brigitte

Völlig überraschend begegnet Tanja ihrer Jugendliebe Edik. Damals am Moskauer Konservatorium sagte man ihm eine Weltkarriere als Geiger voraus. Heute ist er Friedhofsdirektor. Kurz nach ihrem Zusammentreffen wird er jedoch ermordet. Mit erlaubten und unerlaubten Tricks sucht Tanja nach dem Mörder und gerät in eine Welt geheimnisvoller Leidenschaften.

»Ein sehr unterhaltsamer Krimi.« Bunte

Darja Donzowa

Vögel, die am Abend singen

Kriminalroman

Aus dem Russischen von Helmut Ettinger

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Anmerkungen

Über Darja Donzowa

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

1. Kapitel

Wer kann mir erklären, warum auf einen schönen Abend so ein hässlicher Morgen folgt? Warum man nach einer schlaflosen Nacht, ohne jedes Make-up, mit roten Augen wie ein Angorahäschen und zerzaustem Haar ausgerechnet seiner Jugendliebe über den Weg läuft, die man ewig nicht gesehen hat? Einem Mann im feinen Zwirn, der, nach teurem Rasierwasser duftend, am Steuer eines dicken Mercedes sitzt, lächelnd die schneeweißen Zähne bleckt und dazu meint: »Na, jünger bist du ja nicht gerade geworden, meine Liebe. Weshalb lässt du dich so gehen?«

Sollte ich nun vor Wut kochen oder vor Selbstmitleid vergehen? Warum war ich ihm nicht gestern begegnet, als ich in meinem Mantel aus sibirischem Feh, sorgfältig frisiert und hergerichtet, auf eine Party ging? Warum musste es unbedingt heute sein, da ich, von Kopfschmerz geplagt, in meiner schäbigsten Jacke zur Apotheke lief? Das Schicksal ist schon ein arger Schalk, der zuweilen böse Scherze mit uns treibt …

Schon der Start in diesen Tag war eine einzige Katastrophe. Da die Kinder Kira und Lisa in der Schule saßen und ich nicht zur Arbeit musste, wollte ich die ruhige Stunde am Morgen nutzen und schaltete die Waschmaschine ein.

Der technische Fortschritt erleichtert uns Frauen das Leben ungemein. Heute müssen wir Laken und Bettbezüge nicht mehr mit übelriechender Kernseife bearbeiten und uns auf dem Waschbrett die Finger wund scheuern. Das erledigt die Maschine für uns.

Ich stopfte, was da schmutzig herumlag, in die Trommel und drückte den Knopf. Als ich hörte, wie das Wasser geräuschvoll in unsere Candy schoss, ließ ich mich, zufrieden, meine Pflicht getan zu haben, mit einer Tasse Tee vor dem Fernseher nieder.

Ein kalter, trüber Morgen schaute zum Fenster herein. In diesem Jahr brachte uns der Herbst schon strengen Frost – zehn Grad minus am 2. November! Aber in meiner Küche war es gemütlich warm und duftete nach frischem Toast. Alle unsere Vierbeiner – wir haben eine Menge davon: vier Hunde und drei Katzen – hatten sich auf ihre Lieblingsplätze zurückgezogen. Unsere drei Hunde mit kurzem, glattem Fell, die Möpsinnen Mulja und Ada, dazu die Staffordshire-Dame Rachel, verkriechen sich, wenn es kalt wird, gern unter eine Decke. Der vierte im Bunde, die Promenadenmischung Ramik mit dickem schwarzweißem Pelz, schläft einfach auf den Fliesen unter dem großen Küchentisch. Fressen ist seine Leidenschaft, weshalb er sich stets nahe bei seinem Napf aufhält. Es könnte ja jemand etwas hineinlegen. Damit hat er durchaus Erfolg. Beim Kochen fällt immer mal etwas herunter – eine halbe Möhre oder gar ein Stückchen Fleisch… Und auf dem Tisch lassen achtlose Hausbewohner gern ein paar Kekse oder Bonbons in einer Schale zurück. Zu offenem Raub lässt sich Ramik allerdings nicht hinreißen. Anders unsere dicke Mulja. Erblickt sie einen angeschnittenen Kuchen, der auf dem Küchentisch vergessen wurde, zögert sie keinen Augenblick. Vor Anstrengung schnaufend, klettert sie zunächst auf einen Stuhl und von dort mitten auf die Tischplatte, wo sie das Objekt der Begierde erwartet. Hat sie es dann verschlungen, schläft sie wie ein Stein und lässt sich von nichts und niemandem stören. Ihre Schwester Ada macht das wesentlich intelligenter. Sie würde nie ein Wurstbrot anrühren, das Kira achtlos auf dem Zeitungstischchen beim Fernseher ablegt. Sie starrt es nur mit traurigen Augen unverwandt an und seufzt dabei tief. Dafür ist Ada von morgens bis abends bellend in der Wohnung unterwegs und sucht nach einem Spielpartner. Vor ihr hat man Tag und Nacht keine Ruhe. Leider wohnt in unserer Nachbarwohnung eine Dame, die gern tief in die Flasche guckt. Wenn sie Gäste hat, und das passiert fast jeden Abend, dann gibt Ada überhaupt keine Ruhe.

Auch an diesem Morgen saß sie auf der Küchenschwelle und ließ alle paar Sekunden ein kurzes »Wau!« ertönen.

»Sei endlich still!«, fuhr ich sie an.

Aber die Möpsin gab keine Ruhe. Ich versuchte sie zu ignorieren und starrte auf das Fernsehbild. Ich wollte einen gemütlichen Tag mit Nutzen für uns alle verbringen. Zuerst einkaufen, dann für drei Tage im Voraus Mittagessen kochen, einen Napfkuchen backen, den Kira schon seit Tagen von mir verlangte, und die Wohnung putzen. Die Flusen in den Ecken konnte ich schon nicht mehr sehen.

Ada wollte sich einfach nicht beruhigen. Aufgeregt schaute sie immer wieder in Richtung Korridor und blaffte unentwegt weiter.

»Sei jetzt endlich still!«, rief ich schließlich wütend. »Was hast du denn?« In diesem Augenblick ertönte ein lautes Heulen. Ich stürzte aus der Küche. Das war Rachel. So reagierte sie nur bei höchster Gefahr.

Als ich in den Korridor trat, schrie ich vor Schreck auf. Ich stand mit beiden Füßen im Wasser, besser gesagt, in Seifenlauge, die heftig aus dem Bad strömte. Ada bellte nun wie wild und schaute mich vorwurfsvoll an, als wollte sie sagen: Das habe ich gemeint! Und du hast mich angefahren!

Als ich mich schimpfend und fluchend zum Bad durchgekämpft hatte, sah ich die Bescherung: Der Schlauch des Waschautomaten, durch den das Schmutzwasser ins Waschbecken fließen sollte, hing friedlich an der Wand. Ich hatte ihn schlichtweg vergessen.

Nun blieb mir nichts weiter übrig, als die Überschwemmung unter dem Geheul der Hunde mühsam zu beseitigen. Eine Stunde später schlich ich, völlig durchnässt und zerzaust, in die Küche zurück. Nach diesem Desaster glaubte ich mir eine Belohnung verdient zu haben. Ich steckte also eine Scheibe Brot in den Toaster und schaltete ihn ein …

Aus dem Gerät, das am frühen Morgen noch einwandfrei funktioniert hatte, schoss eine Stichflamme hervor. Ada heulte auf und verschwand unter dem Tisch. Zu Tode erschrocken, riss ich den Stecker aus der Dose und warf das Markengerät von Bosch auf den Balkon hinaus, wo es völlig ausbrannte. Zum Glück blieb als einzige Spur von dem Malheur nur ein schwarzer Fleck am Boden unserer Loggia übrig.

Nachdem ich den entfernt hatte, stopfte ich den Lappen in den Mülleimer, schaute kurz in den Spiegel und seufzte tief auf. Vor dem Einkaufen musste ich mich erst einmal selber in Ordnung bringen. Ich war noch nicht aus der Tür, als es hinter mir einen lauten Schlag tat, auf den nun alle vier Hunde mit Geheul reagierten.

Aus unerfindlichem Grund war einer der Hängeschränke in der Küche zu Boden gefallen. Davon haben wir in dem großen Raum mehrere und alle mit nützlichen Dingen vollgestopft: Töpfen, Lebensmitteln, Konserven … Jeder hätte herabfallen können, aber es hatte ausgerechnet den erwischt, in dem wir Tassen, Teller und Gläser aufbewahrten. Nun war der Küchenboden übersät von zerschlagenem Glas und Porzellan. Das Kristall schien förmlich zu Glaspulver zersprungen zu sein.

Als Erstes holte ich die vor Entsetzen wimmernde Ada aus dem Epizentrum des Bebens hervor und bugsierte sie auf den Korridor hinaus. Dann schüttelte ich Ramik die Glassplitter aus dem Fell und schickte ihn der Möpsin hinterher. Niedergeschlagen machte ich mich an die Beseitigung des Chaos. Dieser Tag, den ich so ruhig hatte angehen wollen, geriet allmählich zum Alptraum.

Als ich nach zwei Stunden wieder etwas zu mir gekommen war, griff ich nach dem Bohrer, um für den herabgefallenen Schrank neue Löcher zu bohren. Da stellte ich fest, dass keine Dübel mehr im Hause waren. Über den Jogginganzug, in dem ich zu Hause herumlaufe, warf ich rasch meine chinesische Daunenjacke, um ins nächste Eisenwarengeschäft zu laufen. Ich wusste eines ganz in der Nähe am breiten Prospekt bei der Metrostation. Eigentlich hatte ich große Lust auf Kaffee, aber nach allem, was schon passiert war, traute ich mich gar nicht mehr, den Wasserkocher einzuschalten.

Ich schlüpfte in Kiras älteste Stiefel, schlug die Kapuze hoch und lief auf die Straße. Bis die Kinder aus der Schule kamen, musste ich die Wohnung in Ordnung gebracht haben. Ich wollte nicht riskieren, dass sie sich auf meine Kosten lustig machten. Kira und Lisa sind in einem Alter, das die Fachleute mit dem rätselhaft schönen Begriff Pubertät bezeichnen. Wie man es auch nennen mag, sie hatten sich zu höchst anstrengenden, ewig miteinander im Streit liegenden, mit sich und der Welt unzufriedenen Subjekten gemausert.

Erst gestern hatte Kira einen Mann von intelligentem Äußeren als Esel beschimpft, nur weil der ihn im Geschäft ein wenig angestoßen hatte. Der rückte seine Brille zurecht und sagte friedlich: »Oh, entschuldigen Sie!«

»Esel!«, fuhr Kira ihn an. »Idiot, was trampelst du mir auf den Füßen rum!« Der so Beschimpfte maß mich und den wutschnaubenden Jungen mit einem vielsagenden Blick, wandte sich um und ging ohne ein Wort. Dafür warf uns die Verkäuferin den gewünschten Kefir hin und fragte giftig: »Ist das Kerlchen schon gegen Tollwut geimpft?«

Ich schob Kira auf die Straße hinaus und zischte ihn an: »Schämst du dich denn gar nicht?«

»Wieso?«, gab der zurück. »Soll er doch das nächste Mal gucken, wo er hintritt.«

»Du meine Güte«, murmelte ich, »eine Schande! Was wird der Mann jetzt von uns denken?«

Kira warf mir einen abschätzigen Blick zu und brummte: »Hör auf, Tanja, den sehen wir nie wieder! Kann mir doch egal sein, was der von uns denkt!«

Was sollte ich darauf sagen? Abends kam Lisa in mein Zimmer gestürzt. Sie riss den Kleiderschrank auf, griff nach einer Hose und wollte sie sich über das schon recht üppige Hinterteil zerren. Als das nicht ging, rief sie heulend: »Stell dir vor, Tanja, ich bin dicker als du! Was soll ich denn jetzt machen?«

Ich musste daran denken, wie oft sie sich nach der Schule eine Schachtel Pralinen griff und ohne Bedenken verputzte. Lisa heulte immer noch. »Ich bin die dickste, hässlichste Kuh in der ganzen Klasse! Und Mascha Gawrjuschkina bleibt schlank wie eine Tanne!«

»Vielleicht solltest du etwas weniger Süßes und Fettes essen?«, warf ich schüchtern ein. »Du könntest regelmäßig ins Fitness-Center gehen – zum Bodybuilding, zum Aerobic oder zum Schwimmen. Da sind ruck-zuck zehn Kilo runter!«

Lisa lief puterrot an, warf mir die Hose vor die Füße und zischte: »Na, vielen Dank auch! Du kannst einem vielleicht Trost spenden! Wenn ich ein bisschen Mitleid erwartet hätte – dann bestimmt nicht von dir!«

»Was habe ich denn Schlimmes gesagt? Weniger essen und Sport sind immer noch das beste Mittel!«

»Na klar!« Lisa konnte sich gar nicht beruhigen. »Und ich dachte, du sagst etwas in der Art: ›Liebe Lisa, du siehst doch hervorragend aus …‹ Na, schönen Dank auch! Dabei futterst du viel mehr Pralinen als ich! Und anderen Vorwürfe machen …«

»Ich wiege auch nur 48 Kilo und …«

»Lass mich in Ruhe!«, kreischte Lisa, aufs höchste erbost, rannte aus dem Zimmer und warf voller Wut die Tür hinter sich zu.

Im Eisenwarenladen hatte ich das erste Mal an diesem Morgen Glück. Die Dübel und Schrauben, die ich brauchte, waren im Angebot. Mit dem Tütchen in der Tasche trat ich auf die Straße, wo mir ein eisiger Wind entgegenschlug.

»Frossja!«, erklang es da plötzlich hinter mir.

Ich fuhr herum. So konnte nur jemand rufen, der mich aus meinem früheren Leben kannte.

Meine Biografie zerfällt exakt in zwei Teile – vor und nach meiner Bekanntschaft mit Katja Romanowa. Zum ersten Teil gehören eine Kindheit ohne Höhepunkte in der strengen Obhut meiner Mutter, einer Opernsängerin, und meines Vaters, der sich der Wissenschaft verschrieben hatte, das Studium der Harfe am Moskauer Konservatorium, eine nicht sehr erfolgreiche Künstlerlaufbahn, eine Ehe, aus der ich schließlich davonlief und die mit der Scheidung endete. Meine Eltern gaben mir den Namen Jefrossinja.1 Dann aber führte mich das Schicksal mit Katja und deren Familie zusammen. Von nun an verlief mein Leben völlig anders. Meine Familie – das sind jetzt Katja mit ihren beiden Söhnen Serjosha und Kira, Serjoshas Frau Julia und alle ihre Tiere. Katja ist Chirurgin. Serjosha arbeitet bei einer Werbeagentur, und Julia ist Journalistin. Lisa habe ich bei einem meiner Versuche aufgelesen, eigenes Geld zu verdienen. Sie können sich sicher vorstellen, dass eine Harfenistin heute kaum jemand braucht. Katja verdient sehr gut, denn sie ist für ihre Schilddrüsenoperationen berühmt, und die Patienten stehen bei ihr Schlange. Zwar hat sie trotz akademischen Grades ein miserables Gehalt, aber die dankbaren Patienten stecken ihr immer mal etwas zu. Für sie selbst macht es keinen Unterschied, ob einer arm oder reich ist. Jeder erhält bei ihr die notwendige Aufmerksamkeit und Zuwendung. Gewöhnliche Menschen halten sie deshalb für nicht ganz normal: Sie geht um acht Uhr morgens aus dem Haus und ist nie vor neun Uhr abends zurück.

Katja sagt mir immer wieder: »Lass die Komplexe, dass du kein eigenes Geld verdienst! Mach mir die Wirtschaft, mein Geld reicht für alle.«

Ich will aber nicht auf Kosten anderer leben. Daher bin ich ständig auf der Suche nach einer Arbeit. Einmal habe ich es in der Hauswirtschaft versucht. Der vielgelesene Schriftsteller Kondrat Rasumow stellte mich als Haushälterin ein. Aber es sollte wohl nicht sein. Ich war kaum zwei Wochen in seiner Familie, da wurde mein Arbeitgeber ermordet. Seine Tochter Lisa stand ganz allein da. Katja und ich nahmen sie zu uns.2

Bei Katja habe ich also eine neue Familie gefunden. Wir tragen übrigens zufällig den selben Familiennamen. Wer nicht weiß, wie wir zusammengekommen sind, glaubt, wir seien Schwestern. Mein alter Name Jefrossinja gefiel mir schon lange nicht mehr. Er erinnerte mich an die sinnlos verlebten Jahre. Als ich in die neue Familie eintrat, ließ ich meinen Namen ändern, und nun steht in meinem Pass Tatjana Romanowa. Für meine jetzigen Freunde und Bekannten bin ich Tanja.

»Frossja, bist du das?«, rief der samtene Bariton noch einmal.

Als ich ihn ansah, hätte ich mich beinahe verschluckt. Aus einer edlen Limousine blickte mir Eduard Malewitsch entgegen. Als ich seinen eleganten Flanellmantel und den vornehmen Anzug darunter sah, musste ich einen tiefen Seufzer unterdrücken. Warum begegnete ich ihm gerade jetzt, da ich zerzaust und ohne Make-up, mit Nägeln, von denen beim Kampf gegen die Überschwemmung der Lack abgeblättert war, in meiner ältesten Jacke über die Straße lief? Dabei hatte ich einen hübschen Pelzmantel im Schrank, den mir Serjosha zum Geburtstag geschenkt hatte. Das Schlimmste aber war, dass ich in diesem Aufzug ausgerechnet Eduard unter die Augen kam.

Wir hatten uns auf dem Konservatorium kennengelernt, Malewitsch studierte Geige. Man sagte ihm eine große Zukunft voraus. Schon im dritten Studienjahr gewann er einen internationalen Wettbewerb, ich glaube, es war im bulgarischen Varna. Er galt als die große Hoffnung seiner Lehrer. Zudem sah er auch noch gut aus. Mir war stets ein Rätsel, wie er es fertigbrachte, sich immer nach der letzten Mode zu kleiden, den teuersten Frisör zu besuchen und die damals begehrtesten Zigaretten zu rauchen. Dabei war er nicht einmal Moskauer und lebte wie die meisten Studenten aus der Provinz nur von seinem Stipendium.

Im vierten Studienjahr verliebten wir uns ineinander. Ich galt als sehr zurückgeblieben, denn meine höchst autoritär eingestellte Mutter hielt mich an der kurzen Leine. Es waren halt auch ganz andere Zeiten. Das höchste, was wir uns erlaubten: Wir schwänzten die Vorlesungen und streiften wochenlang Hand in Hand durch das frühlingshafte Moskau. Ein Rendezvous am Abend war völlig unmöglich. Meine Mutter hätte sofort verlangt, dass ich ihr den Kavalier vorstelle. Womit das enden würde, konnte ich mir denken.

Aber es ging auch so nicht gut aus. Meiner Mama kam bald zu Ohren, dass ihr Töchterlein das Studium vernachlässigte. Sie forderte Rechenschaft von mir. Als sie von dem Jungen ohne Moskauer Wohnrecht hörte, packte sie offenbar das blanke Entsetzen, denn sie schickte mich sofort den ganzen Sommer über zu einer entfernten Verwandten nach Sotschi. Dafür fand sie einen einfachen Grund. Unsere Wohnung wurde renoviert und ich, die ich angeblich an Allergien litt, wurde vorsichtshalber ans Schwarze Meer verfrachtet.

Schweren Herzens fügte ich mich. Als ich dann am 1. September ans Konservatorium zurückkehrte, hatte Eduard bereits geheiratet. Nicht irgendwen, sondern die Tochter von Professor Arbeni, die lustige Nina, wie er eine vielversprechende Geigerin. Mir war es ausgesprochen unangenehm, ihm jetzt auf dem Korridor oder in der Kantine zu begegnen, aber ich gab mir alle Mühe, so zu tun, als sei nichts geschehen. Nach dem Abschluss des Konservatoriums sah ich Eduard nicht wieder. Eine Zeitlang erschien sein Name auf Plakaten, aber eines Tages war er verschwunden. Ich glaubte, wie viele begabte Musiker sei er nach dem Westen gegangen. Und nun sah ich ihn plötzlich leibhaftig vor mir.

»Frossja!«, rief Eduard erfreut. »Steig ein! Wie geht es dir?«

Ich setzte mich zu ihm in den Wagen. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Meine Arbeit an einer privaten Musikschule war ich gerade losgeworden. Ich hatte die Eltern der Schüler nicht länger ertragen. Zur Zeit gab ich Musikunterricht in einer öffentlichen Schule ganz in der Nähe, für 200 Rubel im Monat. Mann und Kinder hatte ich nicht vorzuweisen.

Unter dem Eindruck von Eduards nobler Erscheinung, berauscht vom Duft seines teuren Parfüms, log ich, dass sich die Balken bogen: »Mir geht es super. Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne. Die Konzerte habe ich aufgegeben, denn für eine Frau mit zwei Kindern ist das etwas mühsam. Ich spiele jetzt in einem Orchester und mache vor allem Rundfunkaufnahmen. Im Moment bin ich gerade dabei, unsere Wohnung zu renovieren …«

Ich holte tief Luft und wies das Tütchen mit den Dübeln vor. »Ich habe rasch ein paar von diesen Dingern gebraucht, da bin ich eben losgelaufen, wie ich war. Und nun kommst ausgerechnet du!«

Eduard lachte laut auf. »Du renovierst deine Wohnung! Na, dann ist ja alles klar. Und ich dachte schon, du bist unter die Obdachlosen geraten …«

»Wenn du sehen würdest, wie es jetzt bei uns aussieht! Alle zwölf Zimmer in völligem Chaos! Und mein Mann hat sich nach Amerika verdrückt.«

»Du klebst selber Tapeten?«

»Nein! Wo denkst du hin? Ich habe eine Malerbrigade angeheuert, Italiener. Von unseren kann man doch keine Qualitätsarbeit erwarten.«

»Komm, Frossja«, fuhr Eduard fort, »lass uns irgendwo bei einem guten Kaffee ein Schwätzchen machen …«

»Aber ich muss nach Hause!«

»Ruf an und sag, du bist aufgehalten worden! Wie lange haben wir uns nicht gesehen!«

Verlegen wehrte ich ab. »In dem Aufzug?«

»Das spielt doch keine Rolle! Wir fahren zu McDonalds, da schaut keiner hin. Ein gemütliches Eckchen findet sich schon.«

Er ließ den Motor an. Unerwartet für mich selber, rief ich: »Na dann los! So eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder!«

»So gefällst du mir!«, rief Eduard und gab Gas.

Wahrscheinlich hielt mein Schutzengel gerade ein Nickerchen oder hatte sich zur Mittagspause davongemacht, denn er hinderte mich nicht an einem Schritt, dessen Folgen mich noch lange plagen sollten. Warum löste er kein Erdbeben aus oder wenigstens einen Brand? Warum sprang Eduards feiner Wagen problemlos an und brachte uns sicher ans Ziel? Warum bockte er nicht wie mein kleiner Lada? Konnte er nicht gerade eine leere Batterie oder feuchte Kerzen haben? Aber nein, er rollte schnurrend über den Prospekt und trug uns zuverlässig der Katastrophe entgegen.

2. Kapitel

Bei McDonalds fanden wir im chinesischen Saal tatsächlich in einer Ecke ein gemütliches Tischchen. Bald hatten wir jeder einen Big Mac vor uns stehen und redeten munter drauflos.

»Wo spielst du jetzt?«, fragte ich.

»Auf dem Friedhof«, antwortete Eduard in aller Ruhe und schlug die Zähne in den Big Mac.

Ich dachte, ich hätte mich verhört, und fragte zurück: »Sagtest du Friedhof? Gibt es einen neuen Konzertsaal mit diesem netten Namen?«

»Ein Friedhof ist ein Friedhof«, meinte Eduard grinsend. »Gräber, Steine, Kränze, untröstliche Verwandte …«

Mir blieb der Mund offen stehen. »Du spielt bei Beerdigungen? Direkt am Grab? Oder auf der Orgel in der Kirche?«

Jetzt lachte Malewitsch laut auf. »Ach, Frossja, du bist immer noch das kleine Dummchen. In russisch-orthodoxen Kirchen gibt es keine Orgel und keine Musiker. Dort wird ohne Begleitung gesungen. Du verwechselst das mit den Katholiken. Aber ich spiele überhaupt nicht mehr.«

»Was tust du dann dort?«

»Ich bin Direktor eines Friedhofes. Der ist nicht besonders groß und liegt auch nicht in Moskau.«

Ich war so überrascht, dass ich beinahe das Getränk umgestoßen hätte, das bei McDonalds für Capuccino ausgegeben wird. Ich konnte es nicht fassen.

»Du machst in Bestattungen?! Wo denn?«

»An einem ganz bezaubernden Ort«, gab Eduard lächelnd zurück. »In Belogorsk, 25 Minuten von der Hauptstadt entfernt. Ich wohne nach wie vor in Moskau, arbeite aber im Moskauer Gebiet. Mitten in der schönsten Natur.«

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Eduard Malewitsch, der Geiger mit der großen Zukunft – und nun das! Betrunkene Totengräber, Obdachlose …

Mein ehemaliger Kommilitone schien die Wirkung seiner Worte nicht zu bemerken. Unbekümmert pries er die Schönheiten von Belogorsk in den höchsten Tönen. Dann kam er auf seine Frau mit dem merkwürdigen Namen Gema zu sprechen.

Fünfzehn Minuten später – unsere Tabletts waren leer gegessen, wir waren schon beim Eis, entfuhr es Eduard plötzlich: »Ach, du meine Güte!«

»Was ist denn?«

»Ich habe mein Gelenktäschchen im Auto liegenlassen, mit dem Handy darin.« Bei diesen Worten hielt er mir die Schlüssel hin und bat: »Sei doch so lieb und hol sie mir.«

Die Aufforderung fand ich, gelinde gesagt, ziemlich dreist. Wofür hielt er mich? Oder hatte er auf seinem Friedhof völlig vergessen, wie man sich benimmt? Eine Dame nach seiner vergessenen Tasche zu schicken!

Offenbar sah man mir an, was ich dachte, denn Eduard fügte rasch hinzu: »Entschuldige, meine Liebe, ich weiß, das klingt wie eine Frechheit, aber meine Bandscheibe quält mich wieder mal, und ich komme so schlecht hoch. In dem Täschchen ist ein Medikament, das ich brauche.«

Ich lächelte ihn erleichtert an und nahm die Schlüssel. Ja, wir werden alle nicht jünger. Nun plagte schon meine ehemaligen Studienkollegen dieses und jenes Zipperlein. Aber an Wirbelsäulenproblemen kann man auch als junger Mensch leiden. Ich lief also auf die Straße hinaus und schloss Eduards Luxuslimousine auf. Tatsächlich, da lag es. Ein kleines Täschchen mit einer Lederschlaufe. Ich steckte es in meine große Jackentasche, schloss sorgfältig ab und ging ohne Eile ins Restaurant zurück.

Eduard saß tief über den Tisch gebeugt. Jetzt hatte es ihn wohl richtig krumm gezogen.

»Die fliegende Apotheke ist da!«, verkündete ich gutgelaunt und nahm wieder Platz.

Beinahe hätte ich laut aufgeschrien. Aber im letzten Moment fielen mir die vielen Kinder ein, die es sich an den Nachbartischen wohl sein ließen. Eduard bot einen schrecklichen Anblick. Riesige, weit aufgerissene Augen, die fast aus den Höhlen springen wollten, blickten starr über meinen Kopf hinweg. Die Lippen waren zu einer Grimasse verzerrt, und aus einem Mundwinkel lief Speichel.

Ein leichter Schwindel erfasste mich. Als ich genauer hinschaute, sah ich, dass in Eduards linker Seite tief bis zum Griff ein Messer steckte. Ich nahm meinen ganzen Willen zusammen, stand auf, ging zur Treppe und schaute mich noch einmal um. Eduard saß mit dem Rücken zum Saal und dem Gesicht zur Wand. Vor ihm stand noch das Tablett mit den Resten des Cheeseburgers, der Tüte mit kalten Pommes frites und anderen guten Sachen. Wir hatten absichtlich eine ruhige Ecke gesucht, und von weitem sah es so aus, als sei der Kavalier beim Warten darauf, dass seine Dame von der Toilette zurückkam, etwas eingenickt.

»Wer ist hier der Chef?«, fragte ich eine Angestellte mit dem McDonalds-Schild.

»Der Chef wofür?«, fragte sie zurück und verzog den Mund zu einem breiten Lächeln.

Als sie sah, wie verwirrt ich dreinschaute, erklärte sie: »Wir haben einen Direktor fürs Personal, einen für die Gastronomie …«

Sie brachte mich völlig durcheinander. Hätte Eduard sich vergiftet, dann wäre wohl letzterer zuständig gewesen, aber man hatte ihn mit einem Messer erstochen.

»Wo ist der Chef des Sicherheitsdienstes?«

»Dort am Haupteingang steht er«, erklärte die Angestellte bereitwillig und wies auf einen hochgewachsenen dunkelhaarigen Mann in gutsitzendem Anzug.

Ich lief auf ihn zu, schaute auf das Schildchen an seinem Revers und fragte: »Oleg Sergejewitsch?«

Er lächelte breit. »Worum geht es? Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes passiert?«

»Mir nicht.«

»Sehr schön, und was ist Ihr Problem?«

»Mein Begleiter ist soeben ermordet worden.«

Oleg Sergejewitsch schluckte. »Soll das ein Witz sein?«

»Keineswegs. Wahrscheinlich mit einem Messer, der Griff ist zu sehen. Ich habe noch nichts gesagt, um die Gäste nicht zu erschrecken.«

»Führen Sie mich unauffällig hin!«, stieß der Mann hervor.

Wir gingen in den chinesischen Saal zurück. Der Sicherheitschef musterte Eduard mit scharfem Blick und zischte im Befehlston: »Sie warten hier.«

»Also, wissen Sie«, gab ich aufgebracht zurück, »vielleicht sagen Sie erst einmal danke? Ich kann auch das ganze Restaurant zusammenschreien, wenn Sie wollen. In fünf Minuten sind dann alle Gäste weg!«

Oleg Sergejewitsch nahm meine Hand und erklärte gefühlvoll: »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie dankbar ich Ihnen bin. Aber seien Sie so lieb und harren Sie hier noch ein paar Minuten aus.«

Vorsichtig ließ ich mich wieder Eduard gegenüber nieder, krampfhaft bemüht, nicht zu ihm hinzusehen, der gerade noch fröhlich plaudernd einen Hamburger verspeist hatte.

Plötzlich verstummte die Musik, und eine Frauenstimme sagte: »Verehrte Gäste! McDonalds wertet jetzt seine heutige Tombola aus. Die Gewinner sind alle Besucher des chinesischen Saals. Als Preis können Sie Talons für einen kostenlosen Besuch in unserem Haus in Empfang nehmen. Bitte begeben Sie sich zu Kasse Nr. 2. Dieses Angebot gilt allerdings nur fünf Minuten. Beeilen Sie sich, die ersten drei erhalten zusätzlich ein T-Shirt mit unserem Firmenlogo.«

Der Raum leerte sich rasch. So schnell sie konnten, liefen die Gäste in den mittleren Saal mit den Kassen hinüber. Als der Letzte den Raum verlassen hatte, eilte Oleg Sergejewitsch mit zwei kräftigen Burschen herbei.

»Macht schnell, Jungs!«, rief er aufgeregt.

Die beiden packten Eduard unter den Achseln und verschwanden mit ihm durch eine kleine, kaum sichtbare Tapetentür.

»Kommen Sie bitte«, sagte der Sicherheitschef nun zu mir.

Eine halbe Stunde später traf die Miliz ein.

»Wir müssen den Tatort besichtigen«, erklärte einer der Männer in Pullover und zerknautschter Hose trocken.

Eine hochgewachsene schlanke Dame in blütenweißer Bluse, die mir gerade in ihrem Büro einen köstlichen Kaffee vorgesetzt hatte, nicht das Zeug, das man im Restaurant bekam, rief händeringend: »Meine Herren, ich flehe Sie an! Wir befinden uns hier mitten im Presseviertel. Viele Reporter essen regelmäßig bei uns, weil sie einen Rabatt erhalten. Werbung muss sein … Auch jetzt dürften einige unter den Gästen sein. Wenn die etwas mitbekommen … Ich bitte Sie um höchste Diskretion!«

Der Kerl in der zerknitterten Hose brummte mürrisch, schaute kurz auf das Schildchen, das die Dame an ihrer Bluse trug, und gab dann zurück: »Reporter? Du meine Güte! Sie werden in allen Zeitungen stehen, das ist doch die beste Werbung! Was stört Sie daran, Jelena Sergejewna?«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«, erwiderte die Dame erzürnt. »Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was mein Chef mit mir macht, wenn er erfährt, dass ich das nicht verhindert habe. Dies ist ein ausländisches Unternehmen! Die Amerikaner sind so auf ihr Image bedacht! Haben Sie nicht gehört, was kürzlich in einer anderen unserer Filialen passiert ist?«

»Was denn?«, fragte ein zweiter Beamter und lächelte ironisch. »Ist ein Gast an Ihrem Big Mac erstickt?«

Jelena Sergejewna schüttelte den Kopf. »Das nun gerade nicht. Ein junges Paar mit Baby saß nahe bei der Tür zu den Lagerräumen. Auf so etwas kommt man ja gar nicht! Aus dem Keller ist eine Ratte aufgetaucht und hat das Kind in das Füßchen gebissen! Den Aufstand hätten Sie erleben sollen! Die Eltern wollten die Firma vor Gericht zerren. Damit es keinen Skandal gibt, hat McDonalds ihnen schließlich eine Wohnung gekauft!«

Der Mann in der zerbeulten Hose musste grinsen. »Gibt es bei Ihnen überall Ratten? Oder nur in der einen Filiale? Können Sie mir nicht die Adresse sagen, ich hab’s nämlich satt, ewig mit der Schwiegermutter zusammenzuhocken …«

»He, Kostja«, meldete sich jetzt ein anderer, »Schluss mit dem Gequatsche! An die Arbeit!«

»Die Arbeit läuft uns schon nicht weg«, entgegnete Kostja und fuhr fort: »Journalisten kriegen hier also Rabatt. Dabei verdienen die nicht schlecht und könnten sich die hundert Rubel für ein Mittagessen durchaus leisten. Unsere Dienststelle ist auch gleich hier um die Ecke. Wir können nicht jeden Tag hierherkommen … Aber uns hat noch niemand von McDonalds eingeladen. Dabei sorgen wir für Ihre Sicherheit! Und jetzt sollen wir geheim halten, was hier passiert ist? Wie kämen wir dazu? Jetzt wird erst mal der Tatort abgesperrt und dann …«

»Liebe Leute«, flehte nun Jelena Sergejewna, »ich sehe ja ein, das war sehr gedankenlos von uns. Gebt uns Gelegenheit, die Scharte auszuwetzen! Sie können auf der Stelle zur Kasse Nr. 2 gehen! Wir haben eine Neuheit im Angebot: McCountry!«

Kostja musste lächeln. »In Ordnung, beruhigen Sie sich erst mal, wir erledigen das schon. Ich hoffe, Sie haben dafür gesorgt, dass sich niemand an den bewussten Tisch setzt?«

»Dort spielt unser Sicherheitschef Oleg Sergejewitsch gerade einen Gast«, antwortete Jelena Sergejewna mit zitternder Stimme.

»Sehr gut«, lobte der zweite Beamte. »Das machen wir jetzt auch. Ich habe eine Schwäche für Chicken Nuggets. Neun von diesen Dingen mit Currysoße wären nicht schlecht.«

»Und wo ist die Leiche?«, fragte Kostja.

»Im Séparée«, antwortete Jelena Sergejewna eifrig, »das ist ein kleinerer Raum, in dem wir Geburtstagsfeiern ausrichten.«

»Die Leiche hätten Sie besser nicht von der Stelle bewegt. Aber das ist nun auch egal«, meinte Kostja und schnarrte im Befehlston: »Also, an die Arbeit! Aljoscha und ich gehen zum Tatort, und du, Mischa, nimmst auf, was die Zeugin zu sagen hat.«

Der dritte Mann, der bisher geschwiegen hatte, tat nun auch den Mund auf. »Gibt es hier ein ruhiges Plätzchen?«

»Am besten in meinem Büro«, bot uns die Dame an.

»In Ordnung«, ließ Kostja hören. »Und Sie, Jelena Sergejewna, führen unsere Leute von der Spurensicherung zu dem Toten.«

Ich blieb mit dem maulfaulen Kerl allein. Der zückte ein Notizbuch, schnaufte schwer und begann mich auszufragen: Vorname, Name, Vatersname, Geburtstag, Adresse …

Ich antwortete gehorsam. Ja, den Verstorbenen kannte ich seit langem. Nein, in den letzten Jahren hatten wir uns nicht gesehen. Ja, es war eine zufällige Begegnung, und das McDonalds hatten wir spontan aufgesucht.

»Wie hat er Ihnen erklärt, warum er seine Geigerlaufbahn aufgegeben und sich dem Bestattungswesen zugewandt hat?«, fragte Mischa.

»Er ist vor einigen Jahren auf der Straße gestürzt und hat sich die Hand gebrochen. Mit dem Geigespielen war es nichts mehr, und er musste sich eine neue Arbeit suchen. Er konnte aber nichts anderes als Musik machen …«

»Merkwürdig«, murmelte Mischa vor sich hin, »er hätte doch Unterricht geben können. Wie ist er ausgerechnet auf den Friedhof verfallen?«

Jetzt musste ich lächeln. »Ich war auch auf dem Konservatorium. Und heute? Ich gebe Kindern in einer Grundschule Musikunterricht, die sich dafür überhaupt nicht interessieren. Das bringt mir zweihundert Rubel im Monat. Lehrer werden in unserem Lande mit Kopeken abgespeist.«

»Aber wenn ich Sie recht verstanden habe, war Malewitsch doch bereits richtig berühmt«, widersprach Mischa.

»Das schon, aber ein Oistrach war er natürlich nicht.«

»Was hat das mit Gosstrach, dieser Versicherung, zu tun?«, fragte der Milizbeamte verdutzt zurück.

Ich unterdrückte eine spitze Bemerkung. Dem Ignoranten zu erklären, wer der große Geiger David Oistrach, war, hatte ich keine Lust.

»Von einer Versicherung ist hier auch nicht die Rede.«

»Als der Mord geschah, wollen Sie draußen gewesen sein«, sagte der Milizionär jetzt. »Wo waren Sie denn?«

Mich überkam eine große Müdigkeit. Dieser Vormittag, den ich so ruhig hatte verbringen wollen, verdüsterte sich immer mehr. Und den Küchenschrank hatte ich auch noch nicht aufgehängt… Wenn ich ihm jetzt von dem Täschchen erzählte, ging die Fragerei von vorn los.

»Ich war auf der Toilette.«

»Wo sonst«, stellte Mischa fest. »Ich glaube, das war’s.«

Mir dröhnte der Kopf, als ich langsam zum Ausgang schlich. Zu McDonalds würden mich keine zehn Pferde wieder bringen.

»Tatjana, meine Liebe«, hörte ich hinter mir jemand rufen. Ich wandte mich um und sah, wie Jelena Sergejewna mit mehreren weiß-rot gestreiften Päckchen schwer atmend angelaufen kam.

»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll …«

»Das ist doch nicht der Rede wert.«

»Wo denken Sie hin! Ich möchte Ihnen sagen, dass Sie in unserem Hause immer ein besonders willkommener Gast sind. Nehmen Sie …«

»Was ist das?«

»Nichts Besonderes, nur ein paar kleine Souvenirs.«

»Danke«, sagte ich nur und machte mich auf den Heimweg.

Als ich in den Korridor trat, stolperte ich erst einmal über Kiras Schuhe, die wie immer da lagen, wo sie ihm von den Füßen gefallen waren. Ich wollte sie gerade aufheben und zur Seite stellen, da stürzte der Junge auch schon aus der Küche und brüllte mich an: »Was ist eigentlich bei uns los? Hat es einen Tornado gegeben? Das Geschirr ist weg, der Wandschrank liegt am Boden …«

»Er ist einfach heruntergefallen«, erklärte ich.

»Und wer zuletzt aus dem Haus gegangen ist, hat vergessen, das Gebäck abzuräumen!«, fuhr er im selben Tonfall fort. »Natürlich hat Mulja es gefressen! Das waren so schöne Plätzchen …«

»Die Verpackung hat sie auch gleich verputzt!«, fügte Lisa vom Bad her hinzu. »Morgen wird sie wohl Würstchen mit Plastikpelle kacken!«

»Und ich wollte Tee trinken und Plätzchen essen«, nörgelte Kira.

»Wo warst du überhaupt?«, fragte Lisa streng.

»Genau!«, pflichtete ihr Kira bei. »Vielleicht dürfen wir mal erfahren, wo du dich rumtreibst?«

Schweigend hängte ich meine Jacke an die Garderobe.

»Brauchst gar nichts zu sagen!«, wetterte Kira weiter. »Bei McDonalds bist du gewesen!«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Na, woher sind denn die Päckchen?«

»Einen Big Mac hat sie sich gegönnt, und wir hocken hier zu Hause!«, erklärte Lisa jetzt beleidigt. »Wir müssen Kohldampf schieben, kriegen kein Mittagessen, der Kühlschrank ist leer, aber Tanja isst auswärts. Wir Kinder sind dir wohl völlig egal!«

Jetzt wurde es richtig interessant. Erlaubte man sich neuerdings auch nur die geringste Ermahnung, zum Beispiel, dass die Schuhe in den Schrank gehören, dann hieß es sofort: Ich bin erwachsen und weiß selber, was ich zu tun habe. Aber wenn mal nichts zu essen im Haus war, dann wurden ganz schnell wieder Kinder aus ihnen.

»Was ist denn da drin?«, fragte Kira jetzt neugierig.

»Keine Ahnung«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

»He, Tanja«, rief Lisa jetzt lachend, »soll das eine Überraschung sein?«

Die Kinder griffen sich die Päckchen und liefen in die Küche. Bald tönte es von dort: »Klasse! Super!!«

Völlig benommen ließ ich mich auf die Couch fallen. Mein Kopf war vollkommen leer. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder klar denken konnte. Die Kinder hatten recht, der Kühlschrank konnte so leer nicht bleiben. Am nächsten Tag erwarteten mich Unterricht und danach der Pädagogische Rat. Was ich bei Letzterem sollte, war mir allerdings völlig unklar. Das Fach Musik nahm keiner der anderen Lehrer ernst. Ich hatte mich daran gewöhnt, den Kindern nur noch Einsen zu geben und auch nicht mehr einzugreifen, wenn sie ein wenig herumtobten. Dem Pädagogischen Rat konnte ich also keinen Nutzen bringen. Aber Anna Jewgenjewna, die gestrenge Schuldirektorin, erklärte kategorisch: »Für Ihr Gehalt müssen Sie schließlich etwas tun!«

Ich wollte schon zurückfragen: »Dieses klägliche Sümmchen nennen Sie Gehalt?«

»Tanja!«, rief Kira mit vollem Mund aus der Küche, »wie bist du denn zu der Torte gekommen?«

Als ich in die Küche trat, sah ich erst einmal, was ich da alles angeschleppt hatte: Hamburger, Cheeseburger, eine Schachtel Chicken Nuggets, verschiedene Dips und Kuchen. Außerdem zwei T-Shirts und eine Buttercremetorte im Karton.

»Toll!«, quietschte Lisa vergnügt, »mit Schlagsahne, besser geht’s nicht!«

»Warum steht hier drauf: ›Zum Geburtstag‹?«, wollte Kira jetzt wissen.

Da war ich überfragt. Die aufgeregte Jelena Sergejewna hatte offenbar alles zusammengepackt, was ihr gerade in die Hände gekommen war.

»Und was ist das?«, erkundigte sich Lisa und wedelte mit einem kleinen Büchlein.

»Gib her!«, forderte Kira. Er riss es ihr aus der Hand und schrie: »Ich werd verrückt! Das sind ja Talons für kostenloses Spachteln bei McDonalds! Und so viele!«

»Wo hast du die her?«, fragte mich Lisa unvermittelt und runzelte die Brauen.

Die Wahrheit konnte und wollte ich ihnen nicht sagen.

»Ich habe im Radio gehört, dass bei McDonalds eine Lotterie stattfindet. Da bin ich hingefahren und habe den ersten Preis gewonnen.«

»Das is ja’n Ding!«, riefen die Kinder im Chor. »Jetzt kannst du ein ganzes Jahr lang umsonst Hamburger futtern!«

Die Aussicht auf so viele pappige Brötchen mit langweiligen Buletten war so düster, dass mir unwillkürlich entfuhr: »Die Talons sind für euch!«

Fast zehn Minuten lang herrschte nun unbeschreiblicher Jubel. Als er sich langsam legte, meinte Lisa bedauernd: »Was hier liegt, können wir gar nicht alles essen. Aber morgen schmeckt es doch nicht mehr!«

»Ruft eure Freunde an«, riet ich.

»Gute Idee!«, rief Kira und griff sofort zum Telefon.

»Erst ich!«, forderte Lisa.

»Du kannst mich mal!«, gab Kira zurück.

»Esel!«

»Blödes Weib!«

Ich ließ sie streiten und wollte mich in mein Zimmer zurückziehen. Auf dem Flur sah ich, dass meine Jacke vom Haken gefallen war und nun von Mulja als Nest benutzt wurde.

»Schweinerei!«, rief ich empört und scheuchte die Möpsin fort, denn sie haarte schrecklich, und meine Jacke war dunkelblau. Ärmel, Rücken und Vorderteil zierten unzählige kleine helle Härchen. Da ich nicht als überlebensgroßer Mops herumlaufen wollte, ging ich mit der Jacke ins Bad und schüttelte sie kräftig über dem Waschbecken aus. Etwas plumpste heraus. Auf den Bodenfliesen lag Eduards ledernes Täschchen.

3. Kapitel

Mit aufgerissenen Augen starrte ich auf das elegante Herren-Accessoir. In meiner Jackentasche hatte ich es völlig vergessen. Hoffentlich war nichts Wichtiges darin.

Aufgeregt öffnete ich das kleine Ding. Beinahe wäre mir ein Schrei der Überraschung entfahren. Eines der Fächer war mit Geldscheinen vollgestopft. Als Erstes riegelte ich das Bad von innen zu. Dann kippte ich den Inhalt der Tasche auf die Waschmaschine. Es waren zehn Hundertdollarnoten, dazu 3 000 russische Rubel, eine Packung Aspirin, Kamm, Taschentuch und ein winziges, flaches Handy von Ericsson, das ich zunächst für ein Spielzeug hielt.

Ich nahm es in die Hand, da blinkte auch schon ein grünes Lämpchen. Zu hören war nichts. Offenbar hatte Eduard den Ton abgeschaltet. Ohne lange nachzudenken, klappte ich den Deckel auf, drückte auf den Knopf mit der Aufschrift Yes und hielt das Ding ans Ohr.

»Also, mein Lieber«, erklang da eine schlechtgelaunte Stimme, »wo treibst du dich eigentlich herum? Ich bimmle und bimmle, und kein Rückruf! Warum sagst du nichts? Bist du wieder besoffen?«

»Verzeihen Sie«, sagte ich leise, »Sie wollen Eduard Malewitsch sprechen?«

»Das wird ja immer schöner!«, kreischte die Stimme am anderen Ende. »Wer sind Sie denn? Und wieso gehen Sie an Eduards Telefon?«

Die Miliz hatte also der Frau den Tod ihres Mannes noch nicht mitgeteilt. Am liebsten hätte ich sofort aufgelegt. Aber ich musste ihr ja das Geld übergeben! Einen Ausweis hatte ich in der Tasche nicht gefunden, kannte daher Eduards Adresse nicht. Da musste ich wohl die Rolle der Unglücksbotin auf mich nehmen. Dazu fiel mir sehr unpassend ein, dass man in alter Zeit die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft hatte. Ich stammelte: »Eduard ist etwas zugestoßen, er kann nicht selber antworten. Aber ich habe seine Tasche. Da ist eine Menge Geld drin. Sagen Sie mir, wo Sie wohnen, und ich bringe sie Ihnen.«

»Alles klar«, stellte die Dame trocken fest. »Er hat sich wieder volllaufen lassen und muss ausnüchtern. Kommen Sie meinetwegen her. Retschnaja Uliza 9, Wohnung 17. Das ist …«

»Danke, ich kenne die Gegend.«

Aus dem Handy tutete es. Als ich aus dem Bad kam, wäre ich im Korridor beinahe über einen Haufen Schuhe und Stiefel gestolpert. Aus der Küche erklang fröhliches Gelächter. Kira und Lisa hatten ihre Freunde zusammengetrommelt.

Die Kinder einzuweihen schien mir nach wie vor nicht angebracht. So leise ich konnte, holte ich meinen Fehmantel und die neuen pelzgefütterten Stiefel aus dem Schrank. Das entsprach nicht ganz dem Wetter, aber Eduard war offenbar sehr wohlhabend gewesen, und seine Gattin passte in dieses Bild, wenn ich nach der launischen Stimme urteilte. Lieber wollte ich in meinem Pelz schwitzen.

In der Küche wurde wieder laut gelacht. Bestimmt waren die jungen Gäste schon bei der Torte angelangt. Geräuschlos zog ich die Wohnungstür hinter mir zu. Zur Retschnaja Uliza waren es nur ein paar Schritte. Ich musste bei der nächsten Ampel nach rechts abbiegen. Den Weg ging ich besser zu Fuß.

Nr. 9 erwies sich als Plattenbau, wie es in Moskau so viele gibt. Im Aufgang kein Wachmann und kein Fahrstuhlführer. Eduard war also gar nicht der Krösus, den er mir vorgespielt hatte. Oder er war erst kürzlich zu Geld gekommen. Denn wenn Leute ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreichen, dann legen sie sich als Erstes eine luxuriöse Wohnung zu. Dieses Haus aber hatte nicht einmal eine Wechselsprechanlage.

Die Frau, die auf mein Klingeln öffnete, sah allerdings umwerfend aus. Sie war groß, blond, hatte eine Wespentaille und einen üppigen Busen, der in einem knallroten Pullover steckte. Dieser endete direkt unter den appetitlichen Rundungen und ließ viel nackte Haut sowie einen Nabel mit einem goldenen Piercing sehen. Erst darunter saß eine hautenge schwarze Hose, die zehn Zentimeter über den Knöcheln endete.

»Geben Sie her«, sagte die Person unverfroren und streckte mir die Hand entgegen.

Ich maß ihr stark geschminktes Gesicht, das platinblonde Haar, dessen Wurzeln schwarz schimmerten, und reichte ihr das Täschchen. Frau Malewitsch öffnete es sofort, ließ einen Pfiff hören und sagte dann: »Ich hoffe, es ist alles drin. Ich weiß genau, wie viel Dollars Eduard bei sich hatte.«

Ich runzelte die Brauen und erwiderte in ziemlich scharfem Ton: »Wenn ich Sie hätte bestehlen wollen, wozu wäre ich dann überhaupt gekommen?«

»Na, mach dir nicht gleich ins Hemd«, gab die Blondine, schon friedfertiger, zurück.

Sie schien noch sehr jung zu sein, bestimmt nicht älter als zwanzig. Das konnte auch die Schminke – die getuschten Wimpern und Brauen, die von Rouge flammenden Wangen und die blutroten Lippen nicht verbergen. Mit widerlich langen Nägeln griff sie in das Täschchen, zog einen Hundertrubelschein hervor und hielt ihn mir mit königlicher Geste hin. »Für deine Mühe. Ich hoffe, das genügt.«

Wut stieg in mir auf und trübte meinen Blick.

»Hör mal«, zischte ich durch die Zähne, »du könntest dich wenigstens dafür interessieren, was mit Eduard passiert ist!«

»Du meine Güte!«, fauchte die liebende Gattin zurück. »Was denn noch? Der wird wieder blau gewesen sein und irgendwo seinen Rausch ausschlafen! Ein Glück, dass er nicht bei der Miliz gelandet ist!«

»Da irrst du dich«, sagte ich langsam. »Er ist, wie du dich ausdrückst, bei der Miliz gelandet!«

Jetzt zuckte das Weib doch zusammen. »Das is ja’n Ding! Wo steckt er denn? Da werde ich wohl wieder was hinblättern müssen!«

»Mit Geld wirst du nichts erreichen, die Sache ist ernster.«

»Er hat also richtig was angestellt?«, rief die Gattin jetzt. »Aber das ist bei ihm auch nichts Neues. Erst vor einer Woche hat er einem Bullen die Zähne eingeschlagen. Sie werden es nicht glauben, was die uns abgeknöpft haben! Ich bin jetzt noch nicht drüber hinweg!«

»Eduard ist tot«, sagte ich leise.

»Wie meinen Sie das?«, fragte das Weib begriffsstutzig.

»Er ist heute bei McDonalds ermordet worden. Merkwürdig, dass die Miliz dir das noch nicht mitgeteilt hat.«

»Ich verstehe nur Bahnhof«, stotterte Frau Malewitsch kopfschüttelnd. »Meinen Sie, er hat sich dort bis zur Leichenstarre volllaufen lassen?«

»Nein«, sagte ich jetzt hart. »Er ist eine Leiche.«

»Um Gottes willen!«, kreischte die Frau auf, verdrehte die Augen und sank in sich zusammen.

Ich trat ein, schloss die Tür hinter mir und suchte erst einmal nach der Küche. Die Wohnung war klein und ungemütlich. Sie hatte einen engen Korridor und eine Kochnische von höchstens fünf Quadratmetern. Eingerichtet war sie mit abgeschabten Möbeln, einem uralten Kühlschrank Marke Minsk und einer Kochplatte russischer Produktion.

Da ich keine Medikamente fand, füllte ich kaltes Wasser in eine Schüssel und bespritzte damit das Gesicht der Bewusstlosen. Die rührte und regte sich nicht. Besorgt rieb ich ihr mit einem feuchten Handtuch Stirn und Wangen. Dabei wischte ich die Schminke fort, und hervor kam ein blasses, etwas einfältiges, aber nicht unangenehmes Mädchengesicht mit einem Schmollmündchen, das gar keinen Lippenstift nötig hatte.

»Bitte nicht«, flüsterte Frau Malewitsch und versuchte sich aufzusetzen. »Nehmen Sie den Lappen von meinem Gesicht.«

Zehn Minuten später saßen wir in der winzigen Küche beisammen. Die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, jammerte die junge Witwe: »Mein Gott! Was wird denn jetzt aus mir? So ein Unglück! Die Miete ist nur bis Dezember bezahlt, und ich habe überhaupt kein Geld!«

»In dem Täschchen sind doch mindestens tausend Dollar und noch eine Menge Rubel«, sagte ich leise.

»Das reicht hinten und vorne nicht!«, barmte sie weiter. »Und wohin soll ich gehen, wenn es zu Ende ist? Vielleicht auf die Straße? Wovon kaufe ich Essen und Klamotten? Ach, Eduard, du Schwein!«

Meine Augen wurden vor Staunen immer größer. Es heißt, jedes Volk habe den Führer, den es verdient. Aber jeder Mann hat auch die Frau, die ihm gebührt. Für welche Sünden Gott wohl Eduard mit diesem Monster gestraft hatte?

»Vielleicht rufen Sie wenigstens bei der Miliz an?«, entfuhr es mir. »Hier ist die Nummer!«

»Wozu denn? Die Bullen können mir gestohlen bleiben!«

»Die werden sowieso bald hier sein.«

»Warum?«, fragte die Frau verständnislos.

»Die kommen bestimmt.«

»Was können die von mir wollen?«

Ja, was eigentlich?

»Die brauchen Ihre Aussage. Und Sie werden ihn doch begraben wollen.«

»Wozu soll das denn gut sein?«

Mir blieb das Wort im Halse stecken.

»Ich denke gar nicht daran!«, rief Eduards Frau empört. »Ein Begräbnis! Vielleicht auch noch einen Leichenschmaus! Wissen Sie, wie viel Geld für so was draufgeht? Als mein Großvater den Löffel abgegeben hat, hat unsere Mutter in ihrer Dummheit ihr ganzes Sparbuch für den Blödsinn leer gemacht. Im Handumdrehen war alles weg, was sie sich ein Leben lang zusammengespart hatte: für einen teuren Sarg, eine Kapelle und jede Menge Wodka! Sie hätte sich lieber um die Lebenden sorgen sollen. Der Alte hatte doch sowieso nichts mehr davon!«

Ich konnte nur staunen. So ein Exemplar war mir noch nicht begegnet. Jetzt verstand ich, warum der bedauernswerte Eduard sich dem Suff ergeben hatte. Ein Wunder, dass er nicht auch noch den Drogen verfallen war, wenn er mit einer solchen Harpyie zusammenleben musste.

Ohne sich darum zu kümmern, welchen Eindruck sie auf mich machte, wetterte das Frauenzimmer weiter: »Und wieso überhaupt ich? Soll ihn doch Gema verscharren, der hinterlässt er mehr als mir!«

Der merkwürdige Name ließ mich aufhorchen, und plötzlich dämmerte es mir.

»Moment mal, du bist gar nicht seine Frau?«

»Kein Stück!«, keifte das Weib.

»Wieso hast du mich dann mit der Tasche herkommen lassen?«

»Weil der Kerl die letzte Zeit hier gewohnt hat!«, gab sie giftig zurück. »Hat mir goldene Berge versprochen! Und jetzt? Kratzt einfach ab und lässt mich als Bettlerin zurück! Wegen ihm habe ich meine Arbeit aufgegeben! Und nun das!«

»Wie heißt du denn?«

»Lena«, antwortete die Person.

»Die Tasche steht dir also gar nicht zu!«

»Das wäre ja noch schöner!«, kreischte Lena wütend. »Er war mit mir zusammen! Die Dollars gehören mir!«

»Hast du die Telefonnummer seiner Frau?«

»Von Gema? Hab ich!«

»Gib sie mir.«

»Wozu?«

»Gib mir jetzt die Telefonnummer, sonst rufe ich auf der Stelle die Miliz. Dann kannst du sehen, wo du bleibst! Rechtlich stehst du in keinem Verhältnis zu Eduard. Seine Moneten nehmen sie dir sofort wieder ab!«

Lena presste die Lippen zusammen und zischte dann: »Auf dem Zettel da neben dem Telefon!«

Ich wählte die Nummer. »Hallo«, flüsterte es so leise aus dem Hörer, als ginge ein Lufthauch durch trockenes Herbstlaub.

»Verzeihen Sie, spreche ich mit Frau Malewitsch?«

»Ja«, kam es kaum hörbar von weit her.

»Ich bin Tatjana Romanowa. Eduard und ich haben zusammen am Konservatorium studiert. Hören Sie mich?«

In der Leitung knackte es.

»Hallo«, rief ich, »Gema, sind Sie noch dran?«

»Ja«, ertönte es kaum vernehmbar, »ja.«

»Sie wissen, was heute passiert ist?«

»Die Miliz hat es mir mitgeteilt.«

»Ist jemand bei Ihnen?«

»Nein.«

»Darf ich vorbeikommen?«

»Kommen Sie!«, rief die Frau. »Ich bitte Sie, ich flehe Sie an, ich fürchte mich so allein…«

»Wo wohnen Sie?«

»Sofronjewski Pereulok 18.«

«Wo ist denn das?«

»Von der Metrostation Prospekt Mira sind es nur ein paar Schritte.«

Ich schaute auf die Uhr. Sie zeigte Punkt sechs. Lena wirkte völlig ungerührt. Sie hatte sich eine Zigarette, Marke »Parlament«, angesteckt.

»Her mit dem Täschchen«, sagte ich im Befehlston.

»Noch was?«, gab sie zurück und lachte laut auf. »Mach, dass du rauskommst! Die Miliz will sie rufen! Das wollen wir doch mal sehen! Ich werde denen jetzt mitteilen, dass eine Verrückte bei mir eingedrungen ist!«

Mit diesem frechen Weib war wohl jeder Streit zwecklos. Ich ließ sie stehen und trat auf die Treppe hinaus. Da war Gema, nach dem kurzen Gespräch zu urteilen, wohl ein ganz anderer Mensch. Ich konnte mir vorstellen, wie sich die arme Frau jetzt fühlte. Zwar kannte ich sie nicht, aber mit Eduard verbanden mich Jahre gemeinsamen Studiums und eine kurze Liebesaffäre. Wenn wir uns auch lange nicht gesehen hatten, die Sympathie war geblieben.

Draußen war es schon dunkel und bitterkalt. Es fühlte sich an wie zum Dreikönigstag und nicht wie Anfang November. Der Verkehr rollte nur langsam. In Gedanken versunken, ging ich den kurzen Weg zu unserem Haus zurück. Aber die Fahrbahnen waren überfroren, da ließ ich mein Wägelchen doch lieber stehen. Ich bin keine besonders gute Fahrerin und wollte nichts riskieren. Außerdem hatte ich es zur Metro nicht weit, und auch Gema wohnte ja dicht bei einer Station.

4. Kapitel

Die Tür des Hauses bewachte ein höflicher, aber strenger Sicherheitsmann. Vestibül und Treppe waren aus Marmor, der riesige Fahrstuhl blitzte vor Sauberkeit und duftete nach gutem Parfüm. Alles deutete darauf hin, dass hier keine Säufer und Asozialen wohnten, sondern Menschen, die es im Leben zu etwas gebracht hatten.

Gema war das genaue Gegenteil der aufgeputzten Lena. Sie war nicht sehr groß und sorgfältig frisiert. Aus einem bleichen Gesicht mit blutleeren Lippen blickten mich trübe Augen mit fast erloschenem Blick an. Ich bin selbst kaum 1,60 Meter groß und wiege nicht einmal fünfzig Kilo, aber neben Gema kam ich mir dick und rund vor. Eduards Gattin war ein geradezu körperloses Wesen. Zum ersten Mal erblickte ich eine Frau, die noch weniger Busen hatte als ich. Dabei kann ich mich, wenn nachts unser Hoftor geschlossen ist, ohne Probleme durch die Gitterstäbe zwängen.

»Guten Tag«, sagte Gema kaum hörbar. »Legen Sie ab. Möchten Sie einen Kaffee?«

»Lieber Tee«, antwortete ich und hängte meinen Mantel in einen großen Garderobenschrank mit Spiegeltür.

Gema stand gramgebückt dabei und sagte kein Wort.

»Wie lange soll ich denn noch warten? Das Teewasser kocht!«, erklang plötzlich von irgendwoher Eduards samtene Baritonstimme. »Herein mit euch!«

Vor Schreck ließ ich den Mantel fallen. Kalter Schweiß brach mir aus. Eduard war am Leben? Sollte der Messerstich doch nicht tödlich gewesen sein?

»Wo bleibt ihr denn, Mädchen«, rief es wieder, »der Wodka wird warm, und die Kartoffeln werden kalt, kra, kra …«

Jetzt klang Eduard wie eine Krähe. Ich starrte Gema an und fragte schockiert: »Wer ist das?«

Die Frau seufzte tief auf. »Schrecklich, nicht?«

»Eduard lebt?!!«

Ohne ein Wort öffnete Gema die Küchentür. Von dort schritt ein großer Papagei hervor. Ja, er schritt und flog nicht etwa. Ein sehr eindrucksvolles Tier: grau wie ein Hase und ziemlich zerzaust.

»Das ist Archie«, erklärte mir Gema. »Er ist sehr klug und ein großer Stimmenimitator. Manchmal scheint mir, er sei gar kein Vogel, sondern ein verzaubertes Kind oder besser, ein Halbstarker.«

Als verstehe er ihre Worte, öffnete Archie den Schnabel und ließ ein Miauen hören, das bei einer Katze nicht echter hätte klingen können. Dann legte er den Kopf schief und fragte: »Und wer bist du?«

Mechanisch antwortete ich: »Tanja.«

Archie ließ einen Pfiff hören und machte sich davon.

»Schrecklich, nicht wahr?«, wiederholte Gema. Dann fragte sie: »Woher wissen Sie, dass Eduard tot ist?«

Ich seufzte und sagte: »Wollen wir uns nicht setzen?«

»Ja, natürlich«, antwortete Gema und wurde plötzlich hektisch. »Entschuldigen Sie schon, ich bin ziemlich durcheinander. Bitte hier herein.«

Wir traten in eine riesige Küche, die zugleich als Esszimmer diente. Gema setzte sich auf eine Couch, sprang aber sogleich wieder auf und goss mir Tee ein. Ihre Hände zitterten. Sie ließ einen Teelöffel fallen, dann verstreute sie etwas Zucker auf dem Tisch. Schließlich riss auch noch der Faden des Teebeutels. Aber sie nahm sich zusammen und vergoss keine Träne. Nur manchmal zitterte ihre Stimme verräterisch.

Ich bearbeitete den Teebeutel mit dem Löffelchen und berichtete, was bei McDonalds vorgefallen war.

»Was meinen Sie«, flüsterte die Witwe, »hat er sehr gelitten?«

Ich musste an sein verzerrtes Gesicht und die hervortretenden Augen denken, sagte aber rasch: »Nein, nein, er ist ganz ruhig gestorben, mit einem Lächeln auf den Lippen.«

»Wenigstens das«, murmelte Gema. »Eduard fürchtete sich so sehr vor Schmerzen.«

Wir schwiegen eine Weile. Dann legte Gema ihre Hand, leicht wie ein Herbstblatt, auf meine und sagte mit einem Lächeln: »Es ist gut, dass Sie in seiner letzten Stunde bei ihm waren. Sie haben sich einmal geliebt?«

Ich lächelte gequält zurück. »Das ist wohl zu viel gesagt. Während des Studiums am Konservatorium sind wir einige Male zusammen ins Kino gegangen. Aber ein Paar ist aus uns nicht geworden. Und dann hat Eduard Nina Arbeni geheiratet.«

»Die arme Nina«, seufzte Gema. »Sie wissen, was mit Nina geschehen ist?«

»Nein. Eine Zeitlang habe ich ihren Namen auf Plakaten gelesen. Aber als ich selbst Konzerte gab, sind wir uns nicht begegnet. Ich war nicht gerade berühmt, genauer gesagt, eher Lückenbüßerin in bunten Programmen. Sie wissen doch, wie das damals gemacht wurde. Zuerst ein Poem über Lenin, dann gab es ein Ballettsolo, danach klassische Musik und schließlich Schlagersänger, dressierte Hunde, Artisten und einen Komiker … Nina dagegen hatte eigene Soloabende in den besten Konzertsälen. Sie gehörte zur Elite, ich dagegen nur zum Fußvolk der Kunst …«

Gema lächelte versunken, dann aber fiel ein Schatten über ihr Gesicht.

»Nina ist tot.«

»O je«, sagte ich erschrocken. »Wann ist sie denn verstorben?«

»Schon vor neun Jahren. Im Grunde habe ich Eduard geheiratet, weil sie uns verlassen hat. Wir waren eng befreundet, verstehen Sie?«

»Ehrlich gesagt, nicht sehr«, murmelte ich.

»Haben Sie ein wenig Zeit?«

»Natürlich«, antwortete ich zuvorkommend.

»Soll ich Ihnen von Eduard und mir erzählen?«

Das hatte mir gerade noch gefehlt. Wenn ich etwas nicht mag, dann die Geständnisse fremder Leute. Aber die arme Gema musste das wohl loswerden. Ich blickte verstohlen auf die Uhr. Es war kurz nach sieben, noch nicht sehr spät. Sollte sie sich erst einmal bei mir ausheulen. Sicher hatte sie Freunde und Bekannte, die ich später anrufen konnte.

Nina Arbeni und Gema kannten sich schon als Kinder. Ihre Häuser umstanden denselben Hof, und sie spielten viel zusammen. Ihre Eltern hatten nichts dagegen. Ninas Vater war Professor am Konservatorium und Gemas Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Mit der Kunst hatte er nicht viel im Sinn. Er arbeitete in einem geheimen Forschungsinstitut der Medizin oder Biologie. Als Kind interessierte sich Gema nicht sehr dafür, was ihre Eltern trieben. Erst später erfuhr sie, dass ihr geliebter Vater eine internationale Berühmtheit im Bereich der medizinischen Forschung und ihre Mutter seine rechte Hand war. Nina und Gema besuchten gemeinsam die Musikschule. Nina lernte Geige, und Gema hatte eine angenehme Stimme. Später trennten sich ihre Wege. Nina wurde ins Konservatorium aufgenommen. Gema versuchte gar nicht erst, Opernsängerin zu werden. Ihre Stimme war hübsch, aber nicht stark genug. Sie konnte im Familienkreis wunderschöne Romanzen vortragen und sich selbst dabei am Klavier begleiten. Zu mehr reichte es nicht. Außerdem war Gema nicht ganz gesund. Sie schlug die medizinische Laufbahn ein. Nach dem Studium verschaffte ihr der einflussreiche Papa eine Aspirantur. Nun winkte ihr die Dissertation und eine Anstellung am Institut des Vaters. Doch Gema interessierten die Bandwürmer und Hautparasiten wenig, mit denen sich ihre Eltern befassten. Als Ärztin praktizieren wollte sie nicht. Davon hatte sie seit ihren klinischen Praktika genug. Die Kranken boten einen schrecklichen Anblick und rochen so abscheulich, dass ihr übel wurde. Daher entschied sie sich für die Wissenschaft. Aber schon der Anblick eines Mikroskops brachte sie zum Gähnen. So ein Leben war für sie ohne jeden Reiz. Auch im persönlichen Bereich ging es nicht voran. Die Männer machten um Gema einen Bogen. Nicht einmal ihre reiche Mitgift – Wohnung, Auto und Datsche – konnten sie reizen. Zu blass und farblos war die Braut.

Für Nina dagegen lief alles glänzend. Noch während des Studiums am Konservatorium heiratete sie Eduard Malewitsch, einen begabten Jungen aus der Provinz. Auch als Geigerin machte sie rasch Karriere. Bald hatte sie ihren eigenen Hörerkreis.

Die beiden Frauen blieben enge Freundinnen. Gema besuchte Nina häufig und freute sich über deren Erfolge. Sie trafen sich regelmäßig zum Abendessen. Sie fuhren auch zusammen in den Urlaub. Eduard behandelte Gema wie Ninas Schwester.

Dann geschah etwas Furchtbares. Nina wurde krank. Keine Frage, dass man sofort die besten Fachärzte, alle Leuchten der Medizin konsultierte. Einer nach dem anderen stellte seine Diagnose – Krebs, TBC, Asthma …, aber die Ärzte stocherten im Nebel. Nina hustete stark, hatte ständig leicht erhöhte Temperatur, und man konnte zusehen, wie sie immer weniger wurde. Dann kam sie ganz zum Liegen und spuckte Blut. Keine Heilmethode, weder Strahlen- noch Chemotherapie, schlug an. Schließlich schied die arme Nina still aus dem Leben. Eltern und Ehemann waren untröstlich.

Die Ärzte forderten eine Obduktion, denn sie wollten wissen, an welcher Krankheit die Patientin gestorben war. Aber Professor Arbeni weigerte sich kategorisch.

»Ich werde doch meine Tochter nicht von euch zerstückeln lassen!«

Ein Arzt wollte den alten Mann mit dem Argument überzeugen: »Wenn wir Ninas Todesursache finden, können wir vielleicht andere Menschen retten!«

Arbeni hielt dagegen: »Das fehlte noch! Nina ist nicht mehr zu helfen! Ich verbiete kategorisch, dass Sie sie für Ihre idiotische Wissenschaft missbrauchen!«

Um zu verhindern, dass die Ärzte seinem Willen zuwiderhandelten, ließ er den Leichnam seiner Tochter in der Wohnung aufbahren.

Einen Tag vor ihrem Ende hatte Nina zu Gema gesagt: »Ich glaube, mit mir ist es bald vorbei.«

»Sag doch nicht so was«, entgegnete Gema und trocknete sich die feuchten Augen. »In einer Woche kommt mein Vater aus Afrika zurück, der hilft dir bestimmt!«