Völkers Schlacht - Joachim Anlauf - E-Book

Völkers Schlacht E-Book

Joachim Anlauf

4,9

Beschreibung

In Leipzig tobt der OB-Wahlkampf Oberbürgermeister Clemens Völker sieht schon wie der sichere Sieger aus. Da erhält PR-Profi Michael Lenk den Auftrag, heimlich zugunsten des Gegenkandidaten für einen Umschwung in der Wählermeinung zu sorgen. Lenks Plan sieht vor, mithilfe eines Doppelgängers das Stadtoberhaupt innerhalb seiner Partei, der Stadtverwaltung und in den Medien in Misskredit zu bringen. Der Stern Völkers sinkt. Er spürt die Gefahr, kann aber lange Zeit keinen Gegner erkennen. Die zufällige Begegnung mit seinem Double nimmt einen dramatischen Verlauf. Macht, Verrat und Intrigen – diese Elemente verwebt Joachim Anlauf zu einem realitätsnahen und spannenden Politkrimi. In seinem beeindruckenden Romandebüt zeigt der Kommunikationsexperte mit Augenzwinkern und sanfter Ironie, wie das Zusammenspiel zwischen Politik, Verwaltung und Medien funktioniert. Der Roman „Völkers Schlacht“ wurde 2012 mit dem Publikumspreis des Leipziger Krimipreises ausgezeichnet.

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Inhalt

Titelseite

Impressum

Widmung

Über den Autor

Erster Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Zweiter Teil

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Dritter Teil

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Epilog

Danksagung

Joachim Anlauf

Völkers Schlacht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.ddb.de

© 2013 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hameln

www.niemeyer-buch.de

Alle Rechte vorbehalten

Der Umschlag verwendet ein Motiv von shutterstock.com.

Portrait tommaso lizzul 2013

eISBN: 978-3-8271-9840-2

ePub Produktion durch INTEC/ANSENSO

www.inteconline.com

Der Roman „Völkers Schlacht“ enthält viele Details über Leipzig und bietet einen aktuellen und lebendigen Blick auf die Messestadt und deren politische Verhältnisse. Gleichzeitig fließen auch viele historische Ereignisse in die Handlung ein und erinnern an bedeutende Persönlichkeiten und Aspekte der Leipziger Geschichte. In einem Fall wurde ein Familienname geändert. Dies führte dazu, dass im weiteren Verlauf der Handlung die Namen eines Denkmals und eines Unternehmens entsprechend angepasst werden mussten.

Die konkreten Handlungen und Charaktere in diesem Roman sind jedoch frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Für Gerlind

Über den Autor:

Joachim Anlauf wurde 1967 in Bielefeld geboren. Seine Schulzeit absolvierte der Diplom-Volkswirt und Medienmanager (VWA) in Minden. Nach seinem Studium in Osnabrück und Berufsstart in Herford trat er 1996 in Dresden in die Dienste des Freistaates Sachsen ein.

Das Zusammenspiel zwischen Politik, Verwaltung und Medien konnte er in seinen beruflichen Tätigkeiten als Pressesprecher der Polizei Sachsen, im Sächsischen Staatsministerium des Innern, in der Sächsischen Staatskanzlei und der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag sowie in der Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, als Referent für Haushaltsrecht sowie für Raumordnung und Stadtentwicklung unmittelbar erleben.

Joachim Anlauf lebt mit seiner Frau seit 2008 in Leipzig, der Geburtsstadt seiner Mutter.

Sein Romandebüt „Völkers Schlacht“ wurde 2012 mit dem Publikumspreis des Leipziger Krimipreises ausgezeichnet.

Siehe auch: www.joachim-anlauf.de

„Es ist wie ein Sturz durch den Spiegel, mehr weiß einer nicht, wenn er wieder erwacht, ein Sturz wie durch alle Spiegel, und nachher, kurz darauf, setzt die Welt sich wieder zusammen, als wäre nichts geschehen. Es ist auch nichts geschehen.“

Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein

ERSTER TEIL

1

Lenk tanzte innerlich. Slow – quick – quick. Äußerlich hingegen saß er still, nahezu reglos im „Falco“ an der lang gezogenen Fensterreihe und schaute fasziniert 27 Stockwerke hinab in die Nacht. Flankiert von dem Uniriesen und dem Rathausturm breitete sich die Leipziger City vor ihm aus – das wahre Herz der Großstadt. Sein inneres Ohr hörte ganz präzise seinen all-time-favorite-song „New York New York“ und ließ sich von der unvermeidlichen und konturlosen Loungemusik nicht beirren. Auch Leipzig schlief niemals. Dies war deutlich an der hohen Anzahl der standhaften, flackernden oder umherirrenden Lichtquellen unter ihm zu erkennen. Er spürte: Wenn er es hier schafft, dann schafft er es wieder überall. Eine weitere Parallele zu New York.

Michael Lenk agierte beruflich an Schnittstellen. Als Journalist hatte er gelernt, der Öffentlichkeit Nachrichten zu vermitteln. Dabei erlag er mit zunehmendem Alter mehr und mehr seinem Ehrgeiz, Ereignisse nicht nur beobachten, ergründen, erklären oder kommentieren zu wollen, sondern er versuchte, Einfluss auf Prozesse zu nehmen. Lenk stellte Zusammenhänge her, bildete Szenarien und zeigte seinen Gesprächspartnern Konsequenzen auf. Oft wies er schon bei der Frage auf die denkbaren Schlagzeilen hin. Diese Angewohnheit steigerte zwar den Respekt seiner Gesprächspartner vor ihm, aber nicht unbedingt seinen Beliebtheitsgrad. Nicht zuletzt wegen dieser Vorliebe wechselte Lenk alsbald die Seiten, verließ seinen Redaktionsschreibtisch, um fortan in und für Ministerien, Parteizentralen und Agenturen zu arbeiten. Schon vor der Zeit, als der Begriff des „spin doctors“ in Mode kam, stieg er zum gefragten PR- und Wahlkampfberater auf. Lenks Auftraggeber schätzten vor allem seinen nüchternen und pragmatischen Realitätssinn sowie sein ausgeprägtes Gespür für verständliche und plakative Botschaften.

Die Kehrseite dieses Erfolgs machte dem Mittfünfziger zu schaffen. Lenk hatte nach objektiven Maßstäben seine politische Unabhängigkeit eingebüßt. Nach seinem ersten Einsatz für eine Partei war er gekennzeichnet, spätestens nach dem dritten Engagement für dieselbe gebrandmarkt. Damit konnte er umgehen, solange die Ergebnisse gut ausfielen. Als die Siegesserie irgendwann riss – so wie es nun mal in einer intakten Demokratie üblich ist –, tauchten Zweifel an seiner Analysefähigkeit, an seinem Stil, an seiner Kreativität auf. Lenk entsprach nicht dem typischen PR-Beraterbild eines Machers. Wenn andere den Degen als Waffe wählten, zog er allemal das Florett vor. Es war wie beim Tanzen. Er schwärmte für die raumgreifenden und wellenförmigen Schrittfolgen des Slow Fox. Und so sollte für ihn auch gute Public Relations funktionieren: Gleichmäßig, fließend, harmonisch, anspruchsvoll und nicht langweilig. Cool mit einem gehörigen Schuss „britischem Understatement“. Wie sagte sein früherer Tanzlehrer: „Mit lässiger Eleganz lang gestreckte Schwünge tanzen und durch schnelle Drehungen und überraschende Posen verzaubern.“ Slow – quick – quick.

Nach 1998 war sein Engagement auf Bundesebene nicht mehr gefragt. Um die Jahrtausendwende kümmerte er sich daher verstärkt um die Wahlkämpfe in den Bundesländern und Stadtstaaten, heuerte für einzelne Kampagnen und Projekte auch bei Wirtschaftsunternehmen an und verschwand so immer mehr von der großen politischen Bühne. Seine ihm nahestehende Partei setzte ohnehin seit dem Ende der großen Koalition auf jüngere PR-Berater, die neben einem Studium der Kommunikationswissenschaften insbesondere über eine größere Affinität zu den neuen Medien verfügten. Social Networks, Twitter, Blogs, Foren – das waren die neuen Standards, die er nicht ausreichend genug kannte und die er deshalb zu halbherzig in seine Pläne einbezog. Das alte Schlachtross war zum Auslaufmodell geworden. Hin und wieder trat er als Experte für politische Magazine im Fernsehen auf. Auch für das Verfassen von Kolumnen für Tages- und Wochenzeitungen war er sich nicht zu schade. Aber auf seinen Rat hatte schon lang niemand mehr gehört.

Ein Anruf hatte Lenk aus seinem unfreiwilligen Vorruhestand zurückgeholt. Und es war die Chance für sein Comeback. So wie es Frank Sinatra 1979 mit der Interpretation des Titelsongs aus dem Film „New York, New York“ geschafft hatte. Ich fange ganz neu an.

Lenk erinnerte sich.

„Pronto!“

„Michele! Wie gehts, wie stehts?“

Lenk erkannte sofort die Stimme des Anrufers. Henning Sieveking, der angesehene und hochdekorierte Hamburger PR-Guru, einst ein wichtiger Auftraggeber, der jeden in der Branche nötigte, ihn „Capitano“ zu nennen. Lenk erlaubte sich den Luxus, diesem Wunsch mit einer persönlichen Note zu entsprechen.

„Mon Capitan, was verschafft mir die Ehre?“

„Nun, die Ehre ist ganz meinerseits. An welcher Stelle auf unserem Globus habe ich dich gerade erwischt?“ Lenk verbrachte nach Ostern einige Tage auf Sylt und war zum Frühstück in das Jugendstilhotel Miramar in Westerland eingekehrt. Mit einem Stoß Tageszeitungen bewaffnet wollte er auf der Terrasse die Frühlingssonne und die Meeresbrise genießen, danach vielleicht einen ausgedehnten Strandspaziergang unternehmen und am Nachmittag, sofern er noch einen Partner auftreiben konnte, eine Partie Golf im Club Gut Glinde spielen. Auf Sylt wurde ihm nie langweilig.

„Ich bin auf Sylt, frühstücke im Miramar und schaue aufs Meer.“

„Das ist vortrefflich, mein lieber Michele“, Lenk meinte ein Lächeln auf der anderen Seite des Gesprächs hören zu können. „Ich hoffe, du genießt die Zeit. Wie lange bleibst du noch auf Sylt?“

„Mindestens bis zum Wochenende. Ich bin flexibel.“

„Ausgezeichnet. Was hältst du davon, wenn wir uns heute noch treffen? Ich nehme den Flug um halb sieben. Dann bin ich eine Stunde später auf der Insel. Holst du mich ab?“ Das war keine Frage, sondern ein Befehl.

„Oui, avec grand plaisir, mon Capitan!“

Der Capitano war der geschäftsführende Inhaber der SAM - Senator-Marketing-Agentur in Hamburg. Sein Unternehmen hatte erst kürzlich bei einem mehrstufigen Pitch das Mandat für den werblichen und kommunikativen Gesamtauftritt der CDU Deutschlands gewonnen. Als sogenannte Leadagentur koordinierte sie somit sämtliche PR-Aktivitäten der Bundespartei, beauftragte andere Agenturen für spezielle Projekte, übernahm die Termin- und Kostenkontrolle und achtete auch bei den CDU-Landesverbänden peinlich genau auf einen stimmigen Gesamteindruck sowie die Einhaltung des Corporate Designs. Darüber hinaus beschäftigte der Capitano mehrere Meinungsforschungsinstitute und ließ die deutsche Bevölkerung nahezu rund um die Uhr zu ihrer Meinung in politischen oder gesellschaftlichen Angelegenheiten befragen. Diese Ergebnisse flossen regelmäßig in die Vorlagen der Agentur zu Kampagnen ein, manchmal auch in die Vorlagen der Union und der unionsgeführten Ministerien. Lenk war sich nicht sicher, wer mehr den Kurs der CDU oder der Bundesrepublik bestimmte: Der Capitano oder die Bundeskanzlerin?

Die Cessna 501 der Fluglinie Sylt Air landete pünktlich auf dem Flughafen in Tinnum. Lenk erwartete den Capitano im Ankunftsbereich des Terminals 2. Beide Männer umarmten sich kurz und klopften sich auf die Schulter. Lenk lud das Gepäck in seinen BMW-Mietwagen und fuhr den Capitano zu Söl’rings Hof nach Rantum. Nachdem sich der geschäftsführende Agenturinhaber in seiner Meeres-Maisonette frisch gemacht hatte, trafen sich die beiden PR-Profis zum 5-Gänge-Menü mit kleiner Weinreise im hoteleigenen Restaurant. Und der Capitano kam schnell zur Sache.

„Michele“, so wie der Capitano betonte und sein Weinglas in den Fingern drehte, wusste Lenk, dass es nun „geschäftlich“ wurde, „mir bereitet Leipzig Kummer.“ Der Capitano legte eine bedeutungsvolle Pause ein und schaute sein Gegenüber prüfend an, inwieweit dieser schon erahnen konnte, was ihn bewegte.

„Wie du sicherlich weißt, betreuen wir die Kommunikation der Bundes-CDU“, fuhr der Agenturchef fort, „da ich diese Aufgabe sehr ernst nehme, achte ich natürlich auch darauf, was sich so in den Ländern tut. Denn es gilt das Nutella-Prinzip: Überall, wo CDU draufsteht, muss auch CDU drin sein.“ Der Capitano legte seine Stirn in Falten, die nach oben hin viel Platz hatten sich auszuweiten.

„Jeder regionale Erfolg ist gut für die gesamte Partei. Das gilt auch umgekehrt: Misserfolge und Skandale an der Spitze belasten die ganze Union. Deshalb beobachte ich das Geschehen in Leipzig rund um die Oberbürgermeisterwahl, die im nächsten Monat stattfindet, sehr genau.“ Und dann berichtete der Capitano von dem Bündnis aus CDU, FDP und freien Wählergruppen, das sich in Leipzig gebildet hatte, um mit einem „bürgerlichen Kandidaten“ den Amtsinhaber, der der SPD angehörte, abzulösen. Die Kampagne sei jedoch schon in einem frühen Stadium ins Stocken geraten. Der Bündnis-Kandidat kam nicht an die Bekanntheits- und Kompetenzwerte des Oberbürgermeisters heran. Der von der Leipziger Werbeagentur Kommunikado konzipierte Wahlkampf zog einfach nicht.

„Das ist ein Problem, das nicht nur in der Heldenstadt manchem Kopfschmerzen bereitet. Diese Wahl hat eine erhebliche landes- und bundespolitische Bedeutung“, sagte der Capitano mit verschwörerischer Miene. „Vor der Landtagswahl in Sachsen 2014 ist es neben der Oberbürgermeisterwahl in Chemnitz der letzte politische Stimmungstest im Freistaat. Und, wie du weißt, ein erfolgreicher SPD-Oberbürgermeister in Leipzig wird auch immer als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl gehandelt. So wie damals unser Olympionike …“

„Er spielte Cello“. Lenk stimmte einen Lindenberg-Klassiker an, und beide mussten lachen.

„Spaß beiseite. Der Wähler ist unberechenbar geworden. Geißlers Lagertheorie ist leider im 5- oder 6-Parteiensystem total überholt. Und wir können beim besten Willen keine Persönlichkeit mit Siegeserfahrung als SPD-Spitzenkandidat gebrauchen“, der Capitano senkte die Stimme und schaute sich vorsichtig um, „das bringt nur bad vibrations. Sachsen ist für die CDU von strategischer Bedeutung. Eine Aufbruchsstimmung der SPD im Freistaat wäre Gift für uns – auch für die diesjährige Bundestagswahl.“

Und dann ließ der Geschäftsführer die Katze aus dem Sack und fragte Lenk, ob dieser bereit sei, in diesem scheinbar aussichtslosen Rennen noch einmal – und zwar hinter den Kulissen in inoffizieller Mission – die Strippen zu ziehen. Und Lenk war bereit.

Und nun war der reaktivierte PR- und Wahlkampfberater in Leipzig und schaute auf die erleuchtete Stadt. Die Falco-Bar, die sich im Vorraum des gleichnamigen, mit zwei Michelin-Sternen geadelten Restaurants befand, füllte sich. Anscheinend fand gerade eine Reisegesellschaft den Weg unters Dach. Es wurde laut und aufgeregt. Die Tische waren besetzt, sodass die Leute bereits im schmalen Gang standen. Lenk löste sich von diesem grandiosen Ausblick und griff zu seinem Glas. Der Kleinstadt-Trübsinn war von ihm gewichen. Der heutige Tag hatte ihm eine Lösung aufgezeigt, einen Weg zurück in die Erfolgsspur. Es war ein gefährlicher Weg, den er betrat – dessen war er sich bewusst. Aber er musste mehr riskieren als jemals zuvor. Und er musste mit Prinzipien brechen, die ihm sein ganzes Journalisten- und PR-Leben lang eine verlässliche Richtschnur gewesen waren: Glaubwürdigkeit, Fairness und Anstand. Bei diesem Gedanken blickte Lenk wieder in die dunkle Weite, allerdings nur kurz, denn seine Augen stellten sich auf die Nähe ein, und so betrachtete er sein schemenhaftes Spiegelbild in der Glasscheibe. Sicherlich schmeichelte ihm das gedämpfte Licht in der Bar, und sein Konterfei war nicht so unbarmherzig deutlich und scharf zu sehen wie vor seinem heimatlichen Alibert. Er sah jedoch unabhängig von den beiden genannten Reflektionsflächen jünger aus, als es sein Alter vermuten ließ. Dazu trug maßgeblich sein volles, silbrig schimmerndes Haar sowie sein bewusster Lebenswandel und seine gepflegte Gesamterscheinung bei. Lenk konzentrierte sich: Sah er Zweifel oder Schatten von Furcht in seinem Gesicht? Oder wies es Züge der Entschlossenheit für seinen Plan auf? Konnte er sich fest in die Augen schauen?

Als Rechtfertigung oder vielmehr vielleicht noch als Selbstbetrug besann er sich einer Eigenart der chinesischen Schriftzeichen. Diese sahen für das Wort „Krise“ zwei Teile vor: der eine symbolisierte Gefahr, der andere Chance. Beide Teile zusammen bedeuteten, dass eine Krise nichts anderes als eine gefährliche Chance ist, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb war er überzeugt, dass es nur noch diese eine Lösung geben konnte, denn schließlich zählte nur der Erfolg. Für den Herausforderer, für das Bündnis, für den Capitano – und nicht zuletzt auch für ihn.

Lenk drehte sich mit seinem weißen Sessel zur Seite und beobachtete die in die Bar einfallenden Massen. Darunter litt die Exklusivität dieses Ortes enorm. Ebenso machte ihm das seit wenigen Minuten aufgehobene Rauchverbot zu schaffen. Lenk schaute auf das Zifferblatt seiner „Frecce Tricolori“-Chronomat-Uhr, die für ihn nach dem ersten Honorarscheck vom Springer-Verlag ein Lustkauf war und mit der die Schweizer Firma Breitling mitten in der „Quarzkrise“ die Renaissance der mechanischen Armbanduhren einläutete. Es war kurz nach 23.00 Uhr, und Lenk entschied, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, um aus dem „Falco“ zu flüchten. Er setzte das Glas mit dem zehn Jahre alten Laphroaig, den er aus mindestens 80 Whiskysorten ausgewählt hatte, an seine Lippen und leerte den Rest mit einem Zug. Ein letzter Blick galt dem Rathausturm, in dem sich der Amtsinhaber verschanzt haben mochte. So wie im Mittelalter ein Fürst in der an gleicher Stelle stehenden Pleißenburg. Das würde ihm aber nichts nützen. Der Plan war zu gut. Ich bin die Nummer eins, an der Spitze der Liste, König des Bergs.

2

Es war kein Zufall. Es war die Fähigkeit, Eindrücke zu speichern, Erinnerungen abzurufen, Eindrücke und Erinnerungen zu verbinden, Assoziationen zu entwickeln und Ideen zu generieren. Lenk war die verblüffende Ähnlichkeit sofort aufgefallen.

Nach seinem Treffen mit dem Capitano beschäftigte er sich umgehend mit dem Leipziger Oberbürgermeister-Wahlkampf. Und da war er: Der Eindruck, der sich mit einer Erinnerung verband. Das Gesicht kannte er. Lenk war überzeugt, dass es nur eine begrenzte Anzahl von unterschiedlichen Gesichtstypen gab und alle Menschen sich in ein bestimmtes Raster einsortieren ließen. Kopfform, Haaransatz, Nase, Augen, Brauen, Lippen, Ohren, Kinn, Mimik – die Ähnlichkeit war nur eine Frage der Mathematik, das Aufeinandertreffen eine spezielle Frage der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Lenks Vorteil war sein gutes Personengedächtnis. Es gehörte als Journalist zum kleinen Einmaleins, Gesprächspartner wiederzuerkennen, Kontakte zu halten, niemand Wichtigen zu übersehen und neue Kontakte gezielt anzubahnen. Und er erinnerte sich: Das Gesicht des Oberbürgermeisters kannte er. Er hatte es in eine Schublade einsortiert und musste es nur herausholen.

Und in dieser Schublade lag obenauf das Portrait des Alexander Sewing. Wie hieß es doch scherzhaft in einer Zeitschriften-Rubrik: „Nach der Geburt getrennt“. Dies hätte auch auf Sewing und den Oberbürgermeister Völker zutreffen können. Beide zeichneten sich durch ein markant hervorstehendes Kinn, ein scharf geschnittenes Gesicht, dessen strenger Ausdruck von den freundlich auseinanderliegenden Augen überlagert wurde, sowie ein gewinnendes Lächeln aus, das von der geraden und unspektakulären Nase nicht beeinträchtigt wurde. Die Haare konzentrierten sich auf dem Oberkopf und waren jeweils schwarz und voll. Geheimratsecken blieben – wenn überhaupt welche da waren – geheim. Der Oberbürgermeister trug sein Haar etwas länger als es gerade modern war, sodass die Ohrläppchen nicht immer auf den Fotos zu sehen waren. An manchen Tagen brachte er es wohl mit Gel in Form.

Alexander Sewing bestritt seinen Lebensunterhalt als Schauspieler und bewies dabei durchaus Talent, das übrigens auch dem Oberbürgermeister weniger freundlich nachgesagt wurde. Als PR-Berater hatte Michael Lenk hin und wieder auf die Dienste Sewings zurückgegriffen. Dieser zeichnete sich nicht durch eine übermäßig hohe Zahl an gelungenen Arbeitsproben aus, selbst in Zeiten täglicher Dokusoaps. Sewing hatte aber die Gabe, sich intuitiv in Situationen einzufinden. Und so konnte er in PR-Seminaren perfekt in unterschiedlichste Rollen schlüpfen und den Teilnehmern als Übungspartner dienen. Darüber hinaus hatte Sewing für Lenk gelegentlich in Werbefilmen sowie bei Fotoshootings für Imagebilder mitgewirkt.

Von der Feststellung der Ähnlichkeit bis zur rettenden Idee waren es nur wenige Gedankengänge. Lenk war klar, dass die Möglichkeiten, den Herausforderer in ein besseres Licht zu stellen, nahezu ausgereizt waren. Es gab auch keine Zeit mehr, das Image oder die Inhalte grundlegend zu verändern.

Lenk setzte vielmehr auf die Disziplin des „negative campaigning“. Dabei ging es vor allem darum, die Pleiten, Pech und Pannen des jeweiligen Konkurrenten aufzudecken und über die Medien zu verbreiten. So konnten YouTube-User 2008 verwundert feststellen, dass der SPD-Spitzenkandidat zur Hamburger Bürgerschaft, Michael Naumann, bei einer Veranstaltung zum Tag der Arbeit den Text des Arbeiterliedes „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ verschämt ablesen musste. Damit war die Glaubwürdigkeit dieses Kandidaten erst mal beschädigt. Ein gefundenes Fressen für den Boulevard! Lenk hatte bislang auf solche Gemeinheiten bewusst verzichtet und stets auf den Wettkampf der Argumente gesetzt. Nun würde der Zweck die Mittel heiligen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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