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Das Backen gehört zur Weihnachtszeit dazu, wie die Lichterkette zum Tannenbaum. Doch was, wenn einer der Kekse plötzlich lebendig wird? Als Kacki-Keks hat man es wirklich nicht leicht. Erst recht nicht, wenn man Weihnachten nicht gemütlich unter dem Tannenbaum sitzt, sondern vor dem Familienhund flüchten muss.
*** absurd, turbulent und doch zuckersüß ***
Die Kurzgeschichte umfasst ca. 30 Taschenbuchseiten
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Feiner Glitzerstaub legte sich auf den braunen Teig und die großen runden Augen. Hatschi. Auch wenn Kekse keine richtigen Nasen hatten (zumindest wusste er im Moment nichts Gegenteiliges), das Glitzerzeug juckte doch gewaltig. Wo kam das überhaupt her? Neugierig huschten die dunklen Pupillen nach oben, spähten nach unten und verrenkten sich schließlich in jegliche Richtung. Niemand zu sehen. Lediglich ein gutes Dutzend Kekse, die auf dem gleichen Blech wie er hockten.
„Pssst“, zischte der Keks seinem Nachbarn zu. Keine Reaktion. „Ey du!“ Der Angesprochene starrte ins Leere. Seine Augen waren helle runde Kugeln mit Pupillen. Leblos und hart wie der Teig, aus dem sie bestanden.
„Mama, Mama, sind die Kekse jetzt abgekühlt?“
Die schrille Stimme erschreckte den Keks zu Tode. Er kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu ducken. Es knirschte leise. Wer auch immer Mama war, derjenige antwortete nicht.
Der Keks öffnete vorsichtig erst wieder ein Auge, dann das zweite. Wie gut, dass er bereits auf dem Blech lag, da hatte es seine Kinnlade beim Herunterklappen nicht so weit. Es war ein Wunder, dass es nicht laut schepperte, als sie auf dem Blech aufschlug.
Der Grund für sein Entsetzen? Ein riesengroßes Gesicht tauchte plötzlich vor dem Herd auf. Rund, umrahmt von blonden Locken und mit roten Wangen. Auf der Stupsnase des Mädchens saß ein komisches Ding. Was war das? Ein Begriff schwirrte in seinem teigigen Gehirn herum … eine Brille! Eine Brille, die in der Mitte mit einem bunten Pflaster repariert war.
Dem Keks wollte der vorfreudige Blick der Kleinen aber gar nicht gefallen!
Ein fünfgliedriges Ungeheuer grabschte nach seinem Kollegen und führte ihn zu dem schwarzen gähnenden Loch, das sich plötzlich im Gesicht des Mädchens auftat. Gerade eben hatte sie noch wie ein Engel ausgesehen, jetzt lugte sein teigiger Freund nur noch zur Hälfte aus dem Schlund. Er schien ihn vorwurfsvoll anzusehen, bevor ein mahlendes Geräusch einsetzte und das Mädchen das Opfer verspeiste.
„Mhm … “, schmatzte das Monster.
Sie drehte den Kopf zur Tür, schien zu lauschen, bevor sich ihr Blick wieder auf das Blech senkte. Genauer gesagt: auf ihn! Langsam, aber beständig, schob sich die Hand in seine Richtung.
Keks begann haltlos zu zittern. Nein, nein, nein! Er wollte nicht gegessen werden! Wer auch immer ihn lebendig werden ließ, dann doch nicht, damit sein Leben zwischen den ungeputzten Zähnen dieses verfressenen Kindes endete!
Das Blech klapperte, der Keks bebte so heftig, dass auch alles andere in Bewegung geriet. Seine leblosen Kollegen zitterten im gleichen Takt, auch wenn es ihnen gewiss gleichgültig war, ob sie nun hier herumlagen oder zerbissen wurden.
Das Rumpeln schien das Mädchen zu irritieren. „Mama?“
Was würde er nicht für ein Paar Beine und Arme geben? Alles! Aber was hatte er als Keks schon zu bieten? Nur sich selbst – süß, köstlich und herrlich duftend. Er roch wirklich gut! Probeweise ließ er seine Zunge hervorschnellen (Oh, er hatte eine Zunge?) und leckte sich selbst ab. Mhm … kein Wunder, dass man ihn zum Anbeißen fand! Andere schmeckten unter der Achselhöhle bestimmt nicht so köstlich. Wäre es nicht sein Ende, würde er sich selbst vernaschen wollen.
Erst das Gefühl beobachtet zu werden, riss den Keks aus dem gedankenverlorenen Genuss seiner Selbst.
Mit großen Augen starrte ihn das Mädchen an. Ihre Hand schwebte noch immer über ihm, ballte sich und nun streckte sie einen der Finger nach ihm aus. Starr vor Angst wartete der Keks auf das Unvermeidliche. So ein kurzes Leben hatte er doch nicht verdient. Er war immer artig gewesen. Er hatte nur ein wenig mit seinem Nachbarn sprechen wollen. Und jetzt war der Nachbar aufgegessen und er selbst an der Reihe. Hätte er ein Herz, so wäre es nun gewiss stehen geblieben. Vielleicht hatte er sogar eines, aber er würde nicht mehr lang genug leben, um es herauszufinden.
Der Finger kam unaufhaltsam näher. Er hätte gern die Augen zusammengekniffen, doch er war schlichtweg unfähig, auch nur einen Krümel zu bewegen. Er spürte, wie sie ihn sachte berührte.
Die Schockstarre wich blanker Panik. Ein Brüllen dröhnte ohrenbetäubend durch die Küche und er brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass er diesen Ton von sich gab. Das Mädchen schreckte zurück und verschwand aus seinem Blickfeld, bevor ein dumpfer Knall, gepaart mit einem kleinen Beben folgte.
„Mamaaaaaaaaaaaaaaaaa!“
Erschrocken hüpfte Keks und stellte fest, dass ihm jemand Beine geschenkt hatte. Gelobt war die Keksgöttin! Sie hatte ihm Oberschenkel, Waden und Füße gegeben! Seine Beine waren sehr dünn. Aber er wollte sich nicht beschweren, auch wenn er nun gefährlich vor und zurück schwankte. Jeder Krümel schmerzte an seinem Hinterteil als er genau auf selbiges krachte.
„Mamiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii“
Dieses Kriegsgeheul war unerträglich und es verlieh ihm Bärenkräfte. Nun ja, braun wie ein Bär war er ja schon. Brüllen konnte er auch und wie er gerade feststellte, durchbrachen Ärmchen seine harte Schale und fuchtelten nun hilflos in der Luft. Da wo andere nach Schweiß rochen, verströmte er nun das Aroma feinstem Kakaos. Ächzend und ein bisschen fluchend („So ein blöder Keksmist!“) schaffte es Keks, sich herumzurollen. Wenn er das überlebte, würde er unbedingt abnehmen. Mit diesem Rettungsring konnte doch auch kein Keks vernünftig flüchten.