Vom Kochen und Leben auf dem Land - Julius Roberts - E-Book

Vom Kochen und Leben auf dem Land E-Book

Julius Roberts

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Beschreibung

Die neue Landlust Kochen und genießen mit saisonalen Produkten aus dem eigenen Garten: Newcomer Julius Roberts erzählt vom Leben auf seinem Bauernhof und präsentiert einfache und bodenständige Gerichte. Von herzhaften Mahlzeiten im Winter über Gerichte voll frischer Aromen im Frühling, leichter Sommerküche aus selbst angebauten Zutaten bis hin zu herbstlicher Wohlfühlküche. Über 100 unkomplizierte Rezepte mit frisch geernteten Zutaten – so gut schmeckt saisonale Landküche! Köstliche Selbstversorger-Küche • Ein neuer Stern am Kochhimmel: Profikoch und Farmer Julius Roberts begeistert auf Instagram, TikTok und im TV als junger Koch zum Thema neue Landlust. • Kochen im Einklang mit der Natur: Über 100 bodenständige saisonale Rezepte. • Nachhaltig und natürlich: Das perfekte Kochbuch für Menschen, die sich nach einem naturnahen Leben auf dem Land sehnen. • Leckere Jahreszeiten-Küche: Lammbraten mit Bohnenpüree, Kürbisblüten-Ravioli und Rhabarber-Tarteletts machen Lust auf Natur und Genuss. • Leben auf dem Land: Julius Roberts erzählt in stimmungsvollen Essays über den Alltag auf einer Farm. Ob herzhaft-wärmender Wursteintopf, gebackener Fisch mit Kräutern und Spargel oder feine Aprikosen-Tarte-Tatin – mit seiner Leidenschaft für Naturküche und Saisonalität zeigt Julius Roberts, wie man bewusst mit Lebensmitteln umgeht und dabei das Beste aus den Produkten herausholt. Abgerundet wird das Buch mit inspirierenden Geschichten über das bodenständige Leben auf einem Bauernhof im Rhythmus der Jahreszeiten. Leckeres vom Land: Das Homefarming-Kochbuch mit köstlichen Rezepten und wunderbaren Geschichten von TV-Koch Julius Roberts.

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Seitenzahl: 280

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EINLEITUNG

WINTER

FRÜHLING

SOMMER

HERBST

GRUNDREZEPTE

DANK

Für Oma: Deine Liebe zum Kochen hat diese Reise inspiriert.Jede Prise aus dem Salztopf, jedes Öffnen der Gewürzschublade undjeder eingepackte Waldpilz erinnern mich an dich.Du fehlst uns allen sehr. Ich hoffe, das Essen dort oben ist gut!

EINLEITUNG

Ein klirrend kalter Wintermorgen. Es ist die Mitte einer eiskalten Woche, und die Wiesen, die sich vor meinem Fenster erstrecken, sind mit silbrig glitzerndem Frost überzogen. Ich kann die Ziegen sehen, wie sie sich auf einem Sonnenfleck zusammendrängen und versuchen, das bisschen Wärme des Lichts aufzusaugen. Nicht der Hauch eines Lüftchens, nur der Schrei eines wagemutigen Rotkehlchens durchstößt die Stille wie splitterndes Glas. Vom Fenster geht mein Blick zum Eingang des Hofs, ein Viehgitter mit einem morschen, von Wildrosen umrankten Zaun, drei Feldahorne. Es gibt das übliche Hof-Durcheinander, ein beladener Container, einige rostige Fahrräder und ein Stapel Zaunpfähle, die gegen eine alte Schweinehütte geschichtet sind, nun Heimat einer streunenden Katze. Meine Hühner scharren auf dem gefrorenen Boden, mit gegen die Kälte aufgeplustertem Federkleid. Und durch ein paar Zweige hindurch sehe ich meine Schafe auf der vorderen Weide grasen, ihre schwarzen wollenen Mäntel wie Kohletupfer auf dem kurzen Gras. Ein Tag voller Arbeit wartet: eine humpelnde Ziege, die Raufen wollen mit Heu gefüllt werden, ein Kaninchen, das im Folientunnel für Chaos sorgt, dazu noch die Samenbestellung fürs ganze Jahr.

Alles begann mit vier Schweinen … Snap, Crackle, Pop und Alby. Nach einem knappen Jahr im Londoner Restaurant Noble Rot wurde mir klar, dass dieser Restaurantbetrieb nicht meins war. Ich liebte das Lernen, den Zusammenhalt der Küchenmannschaft und die Aufregung, doch die grässlichen Arbeitszeiten, der Schlafmangel und der Stress waren nicht lange erträglich. Noble Rot ist eines dieser grandiosen Restaurants, in denen man einfach kocht und die Zutaten ins Rampenlicht stellt. Die stetige Suche unseres Chefkochs nach neuen Lieferanten und besten Produkten faszinierte mich von Beginn an: tagesfrischer Fisch aus Cornwall, noch in Leichenstarre, die Gemüselieferantin beackerte ihre Felder nur mit alten Maschinen und stämmigen Pferden, der Sammler fand stets die besten Pilze. Jeden Morgen versammelten sich die Erzeuger mit strahlenden Augen und einem Lächeln im Gesicht samt ihren Kisten und Stiegen mit glänzenden Produkten bei uns. Die saftigsten Tomaten, die man sich vorstellen kann, dornige Artischocken, Kürbisse mit bläulicher Schale, geschützt von rotem Wachs, und Lämmer, die umhegt auf weitläufigen Weiden aufwuchsen. Eine Erkenntnis keimte in mir auf: Sie sind den ganzen Tag draußen, sonnengebräunt und gesund, während ich hier gelb-gräulich im Gesicht von Kaffee lebe und meinen Tag bis in die Haarspitzen gestresst in einer fensterlosen Küche verbringe.

Mein Plan reifte, ich wollte die Stadt verlassen, mich selbst versorgen, mich wieder mit der Natur verbinden. Einen Großteil meiner Kindheit hatte ich auf dem Land mit dem Erkunden von Wäldern, der Jagd nach Kaninchen und dem Aufschichten von Lagerfeuern verbracht. Doch anfangs hatte ich Angst vor dem großen Schritt, lungerte nach der Kündigung im Restaurant noch eine Weile in London herum und konnte meine Freunde sowie das bekannte Stadtleben nicht hinter mir lassen. Schließlich und mit viel Ermutigung packte ich meine Sachen und zog mit meinem Hund Loki los.

Ich ging zurück zu meinen Eltern, die in einem Cottage in Suffolk, östlich von London lebten. Dort startete ich ein Catering für private Feiern, um Geld zu verdienen. Ich wollte das Land in einen kleinen Hof umwandeln. Da ich mitten im Januar zurückkam, war der Boden gefroren und machte ein Umgraben oder gar Einpflanzen unmöglich. Hühner legen im Winter nicht regelmäßig Eier, und sie waren auch noch nicht genug Verantwortung. Doch ich hatte gehört, dass Schweinehaltung ganz erfreulich sein sollte. Das erschien mir wie ein kühner Schritt, der mich jedoch lange genug bei der Stange halten würde. Also begann ich die Onlinesuche und besuchte eine Dame, die Mangalicas hielt, eine seltene Schweinerasse mit wolligen Borsten, die berühmt für ihr dunkles, marmoriertes Fleisch ist, das sich besonders gut zum Pökeln eignet. Ich hinterlegte eine Anzahlung auf vier lustige Ferkel, die in ein paar Wochen bereit für den Umzug sein würden. So konnte ich im Wald einen Pferch errichten und alles für ihre Ankunft vorbereiten.

Sie kam ohne Anhänger an, die Ferkel einfach in Hundeboxen, die in den Kofferraum ihres verbeulten Subarus gepfercht waren. Niemals werde ich diesen Schweinemief vergessen oder ihr Lächeln, als ich ihr das schiefe, neue Heim der Ferkel zeigte. Wir konnten das Auto nicht nah genug bis zur Hütte fahren, denn die lag tief im Wald am Fuße eines dornigen, steilen Abhangs. Sie packte die Ferkel kurzum eins nach dem anderen an ihren Hinterläufen und fuhr sie auf einer Schubkarre hinunter zum Pferch. Solch ein Geschrei machten sie und quiekten sich die Lunge aus dem Leib, unglaublich, wie laut sie sein konnten. Doch sobald die Ferkel frei waren und sie Erde schnüffelten, überkam sie Ruhe. Sie schienen sich sofort wie zu Hause zu fühlen. Mit einem Lächeln im Auge und springenden, wolligen Hinterteilen gruben die starken Nasen tief in den reichhaltigen Boden, um tief geschwärzt mit knackigen Eicheln wieder aufzutauchen. Sie pflügten nebeneinander den knietiefen Teppich aus roten Eichenblättern um und gruben dabei alles Mögliche aus.

Den ersten Monat wich ich kaum von der Seite dieser Schweine – wenn es nicht so kalt gewesen wäre, hätte ich draußen mit ihnen im Zelt übernachtet. Sie waren wie Teenager, voller Macken und Charakter. Häufig überraschte ich sie im Tiefschlaf, aus dem sie mit einem erschrockenen Grunzen erwachten, wenn ich morgens einen Eimer Äpfel in ihr Gehege kippte. Sie spielten mit Loki, jagten ihn im Pferch herum, wollten auch Zuneigung erbetteln und gekrault werden, lagen stundenlang mit geschlossenen Augen und ihren langen, dunklen, vor Glück zitternden Wimpern neben mir.

Mit diesen wunderbaren Schweinen fügte sich der Beginn ganz von selbst, von einer Idee, die sich auf die Suche nach guten Produkten im Restaurant und jenen Geschichten der Lieferanten gründete. Warum sind wir so entwurzelt von den Ursprüngen unserer Nahrung, von den Tieren, für die wir verantwortlich sind? Wir alle kennen Kinderlieder über das Hofleben und die Liebe zu den Tieren dort – das fühlt sich allseits bekannt an, doch in Wahrheit werden Cleverness, Einfühlsamkeit und Charakterstärke der Tiere vertuscht. Da saß ich im Schweinepferch mit einer überwältigenden Zuneigung für diese Tiere, erstaunt von ihrer Individualität und Intelligenz, schockiert darüber, wie ähnlich sie meinem Hund waren, und besorgt wegen ihre Todes, in den ich sie eines Tages würde führen müssen.

Ich kämpfte stets mit diesem Wissen. Man sagt, man solle seinen Schweinen keine Namen geben – man hänge zu sehr an ihnen und das Ende werde nur schwerer. Doch ich halte das für Nonsens. Baut eine Beziehung auf, liebt sie, schätzt sie und lasst sie das bestmögliche Leben genießen. Ich bin nicht gegen Fleischverzehr, denn es gibt eine Nahrungskette auf Erden, doch ich bin absolut gegen Tierleid, nur damit wir Fleisch essen können. Jahrelang schob ich den gefürchteten Tag der Schlachtung hinaus. Was mich in der Tat am traurigsten machte, war der Gedanke daran, wie genial diese Tiere sind und wie schrecklich die meisten von ihnen litten. Das wurde zu meiner Mission. Ich will aber nicht predigen oder drängeln, mich einem bestimmten Lager anschließen oder online streiten. Ich will diese Tiere als das zeigen, was sie sind: empfindsame, intelligente und wunderschöne Lebewesen. Ich halte hier fest, wie sehr ich diese Schweine liebte, weil ich hoffe, dass dies einen Einfluss auf das Einkaufsverhalten und eine Konsequenz für die Viehzucht bietet. Jemanden zu überzeugen, kein Fleisch mehr zu essen, kann schwer sein. Aufzucht und Herkunft zu hinterfragen geht einfacher. Es ist eine Frage der Qualität, nicht Quantität – weniger konsumieren und das Gesparte in Fleisch guter Herkunft investieren. Würden wir alle weniger essen, wäre unsere Natur weniger gestresst, es bliebe mehr Platz für Bauernhöfe mit weitläufiger Aufzucht und einem ganzheitlichen Ansatz, wo man sich um einen Einklang mit der Umwelt bemüht.

Die Liebe zu diesen Schweinen und meine Erkenntnisse festigten meinen Weg. Die Schweine wurden zu Hühnern, Gemüseanbau, ersten Ziegen und einer kleinen Schafherde. Mit jedem dieser Schritte kamen harte Rückschläge, Fehler, aber auch erfreuliche Erkenntnisse. Ich war bei meinen ersten Geburten dabei, sah meine Lieblingsziege um ihr tot geborenes Kitz trauern und machte den Fehler, günstige Komposterde zu kaufen. Zum Haareraufen, denn die Beete versanken in Unkraut. Während ich anfangs da draußen allein dastand, färbten mit der Zeit diese wertvollen Lektionen über traditionelles, naturverbundenes Leben auf meine Freunde und Familie ab. Bald halfen sie fröhlich beim Unkrautjäten oder Ausmisten mit und genossen die frischen Frühstückseier. Meine Tiere hatten bald unser Grundstück übervölkert. Wir wollten mit der Familie schon seit Längerem in den idyllischen, grünen Westen umsiedeln, und nun hatten wir den nötigen Anschubser erhalten.

DER HOF

Wir verkauften unser Cottage und kauften einen verwilderten, heruntergekommenen Hof im Südwesten Englands, nahe der Küste. Ich zog Ende Mai dorthin um, meine Lieblingszeit im Jahr, denn die Wiesen zeigen sich dann strahlend grün mit wogenden Blütenwolken in jeder Hecke. Scharen von Grashüpfern sprangen vor mir her, als ich durch die vor Bestäubern brummenden Wildblumenwiesen streifte. Einen Monat verbrachte ich dort, zeltete mit ein paar Zicklein, die flaschengefüttert werden mussten, erkundete das Land und arbeitete rasch an einem elektrischen Zaun sowie Wasseranschlüssen auf den Weiden, damit der Rest unseres Viehs nachziehen konnte.

Der Umzug von drei Bienenstöcken, zwölf Hühnern, 20 Ziegen und 30 Schafen brachte ein hysterisches Chaos mit sich, wir fuhren acht Stunden quer durchs Land mit einigen Tierschuppen, einem kleinen Traktor und dem Hühnerstall auf dem Anhänger. Nach einer langen, holprigen Fahrt öffneten wir die Türen zum Anhänger mit den Bienenstöcken, die fest in Decken gewickelt und deren Bewohner voll angestauter Wut waren. Die Hühner explodierten in einer Federwolke aus ihren Körben und machten sich sofort auf dem Rasen an die scharrende Arbeit, ein paar Käfer schnappten sie sich gleich aus der Luft. Dann fuhren wir den Anhänger hoch bis ins mittlere Feld und ließen Schafe und Ziegen frei. Ihren ungläubigen Blick, während sie die Rampe herunterkletterten, angesichts einer Wiese in voller Blüte, werde ich nie vergessen. Schmetterlinge umflatterten sie, während sie durch das saftige Gras wateten, das sie bis zum Kinn verschluckte. Sie knabberten die Brombeersträucher an, dösten im fahlen Licht unter riesigen Eichen in 30 Meter breiten Hecken, die seit Jahrzehnten niemand gestutzt hatte. Als ich dort auf dem Hügel saß und ihnen beim Grasen im neuen, wilden Habitat zusah, mit den zwitschernden Vögeln und dem Duft von Holunder im Hintergrund, der sich den Hügel entlangzog – in diesem Moment fühlte ich mich angekommen. Es war das Paradies.

Unser Hügel liegt an einem versteckten, tränenförmigen Tal. Das Hofland ist unfassbar steil und wild an den Rändern, verstrickt in einen Flickenteppich aus verzweigten Hecken, dornigem Gestrüpp und dichtem Stechginster. Das Haus liegt am Fuße des Hügels und ist schützend von ein paar Bäumen umgeben: mächtige Eichen, eine Trauerweide und ein verwilderter Obstgarten mit knorrigen, flechtenbedeckten Apfel-, Pflaumen- und Quittenbäumen. Ein unordentlicher Grenzgraben (um den Garten vom Weideland zu trennen) soll die Schafe vom Sprung in den Gemüsegarten abhalten, bietet jedoch nun ein gutes Heim für Nördliche Kammmolche. Die darin liegende Leiter hilft den Schafen, in der Morgendämmerung in den Garten zu kommen und die Blüten abzuknabbern. Dahinter liegt eine Reihe von kleinen Feldern, die von einem wunderschönen Netz aus Hecke und Wald umgeben sind. Die Dame, die vor uns hier wohnte, war eine strenge Verfechterin der Natur und ließ den Hof vom örtlichen Wildlife Trust verwalten. Auf den Feldern wurden seit mehr als 30 Jahren keine chemischen oder künstlichen Düngemittel verwendet. Man zählte 160 Tierarten, und die Wiesen bieten einen wichtigen Lebensraum für viele Insekten, Vögel, Füchse, Wühlmäuse und mehr. Nachts rufen Eulen von allen Ecken des Landes, wo die Vorbesitzerin 2000 Bäume pflanzen ließ, die nun zu einer dichtblättrigen Waldheimat von Waldschnepfen, Spechten, Falken, Bussarden, Dachsen und einer Nachtschwalbe geworden sind. Es ist ein besonderer Ort, und von den höhergelegenen Feldern aus blickt man über das mit Bauernhöfen durchwobene Tal, wo man zwischen den Küstenhügeln das Meer erahnen kann. Wir wollen auf diesem Vermächtnis aufbauen.

Unser Land ist größtenteils umgeben von intensiver Milchviehwirtschaft, wobei die Natur meist verdrängt wird und kaum andere Lebewesen Platz haben. Hier wollen wir einen Rückzugsort für die Natur bieten, eine Oase in der Wüste, aber auch Nahrung produzieren. Wir haben drei weitere Felder mit einem Wildblumenmix als Renaturierungsprojekt besät und werden bald mehr Bäume pflanzen für ein dynamisches Waldland, das es immer seltener gibt. Dort werden sich zahlreiche Tierarten ansiedeln, und mein Vieh kann dort vor Dürren geschützt grasen. Meine Herden stammen sämtlich von alten, seltenen Rassen, die kleiner sind und langsamer wachsen als moderne. Sie beeinflussen die Umwelt weniger, da sie weniger zum Überleben brauchen, und leben eher im Einklang statt im Wettbewerb mit der Natur. Wir halten sie in geringer Anzahl, setzen sie sorgsam auf den verschiedenen Feldern ein, damit die Wildblumen so lange wie möglich blühen und sich fortpflanzen können. Genau dabei helfen meine Schafe und Ziegen, denn sie trampeln die Samen in den Boden, verhindern den Graswuchs über den Winter, sodass die Wildblumen im folgenden Frühling die besten Bedingungen erwartet.

Das Ganze sieht von fern wie ein Traum aus, und häufig ist es auch einer. An einem guten Tag ist es einzigartig, mit der Sonne aufzuwachen, der Tag von den Jahreszeiten bestimmt, draußen mit den Naturelementen und eins mit ihnen zu sein. Sogar an einem schlechten Tag bleibt die zugrunde liegende Wahrheit, eine Schönheit der harten Augenblicke. Natur vergibt nicht. Das bedeutet, dass ich Hunderte von Hufen im schlammigen Dauerregen kappen muss, Zicklein und Lämmern im Frühling auf die Welt helfe, und richtig zupacke, wenn sie feststecken. Traurige Tage kommen, wenn eine Geburt mit dem Tod endet, eine Krankheit sich verbreitet oder gar der große Vertrauensbruch am Schlachttag wartet. Das alles fiel nicht vom Himmel, es war eine langwierige Reise im Laufe von acht Jahren, in denen ich den Hof und seine Elemente Stück für Stück aufgebaut habe. Ich lernte durch eine Reihe von Rückschlägen und hart erkämpften Lektionen. Dabei erhielt ich auch genialen Rat und lernte tolle Vorbilder kennen, doch das Wichtigste erkannte ich im Grunde, weil ich furchtbare Fehler durchlebte.

Den Großteil stemmte ich allein, manchmal halfen Familie und Freunde beim Einfangen oder Unkrautjäten, wobei ich meine Brüder mit Chicken Pie und Lammeintopf lockte. Doch bei dem heutigen Ausmaß brauche ich mehr Unterstützung, und mein Bruder Joss arbeitet als meine rechte Hand. Er kümmert sich hauptsächlich um das Gemüse, füllt die Raufen mit Heu und ist ein Meister darin, zu jeder Zeit die lüsternen Ziegenböcke einzufangen, die im Herbst vom Damenduft verführt werden. Aus den zehn Ziegen vom Anfang sind nun 40 geworden. Die seltene British Primitive Goat halte ich zum Erhalt ihrer Art und weil sie ein herrlich neugieriges und charakterstarkes Gemüt hat. Elf Hebridean-Schafe wurden zu 100 … mit 30 Mutterschafen, die etwa 50 Lämmer pro Jahr haben, ein wichtiger Umsatz für den Hof. Wie erwähnt handelt es sich um eine langsam wachsende alte Rasse, sodass ich diese Lämmer wiederum 15 Monate aufziehe (kommerzielle Lämmer werden vier bis sechs Monate nach Geburt geschlachtet). Sie weiden dabei auf wechselnden Wiesen und werden dann zwischen Entwöhnung und erster Schur direkt an Freunde, Familienmitglieder und örtliche Metzger verkauft. Der Schlachter tröstet mich, es werde leichter, ich gewöhne mich schon daran … aber das stimmt nicht, und ich will es auch nicht. Ich fühle eine tiefgehende Verbindung und Liebe zu meinen Tieren und der Tag der Einlieferung hängt Wochen vor- und nachher dunkel über mir. Es fühlt sich wie der ultimative Verrat an, stets am Abgrund. Doch es ist auch ein grandioses Privileg, die Herkunft der eigenen Nahrung und den wahren Preis zu kennen: Die stundenlange Pflege und sorgsame Viehhaltung, die Verbindung zu ihrer Heimat, der moralische Tribut an den Tod und was das wirklich bedeutet.

Eigentlich wollte ich mit dem Hof so autark wie möglich werden. Diese schöne Idee leitet mich, ich werde jedoch erst einmal noch mehr lernen und sehen, wo ich lande. Ich hatte noch nie Kühe und träume von meinem selbst gemachten Käse. Gern hätte ich wieder Schweine und würde dafür ein bisschen Gestrüpp im Wald für sie roden, sodass Möglichkeiten für biodynamische Biodiversität entstehen und eine Heimat für ein Tier, das früher unumstößlicher Teil dieser Umwelt war. Häufig träume ich davon, einen kleinen Flecken mit Weizen zu besäen, einfach um herauszufinden, was es bedeutet, etwas anzupflanzen, zu mahlen und als Brot zu verbacken. Nichts ist sicher im Leben, aber eines weiß ich: Ich liebe die Verwurzelung in den Jahreszeiten und die Verbundenheit zur Natur. Diese Art zu leben und lernen ist ein großes Privileg, und mein größter Traum wäre es, einen eigenen Ort zu gestalten, an dem Menschen diese Erlebnisse mit mir teilen würden, wo sie sich zu Hause fühlen könnten, während sie mir bei den Tieren helfen oder beim Kochen, Gärtnern und Imkern.

DAS ESSEN

Die Hofarbeit und der Gemüseanbau gehen natürlich einher mit einer riesigen Liebe zum Essen. Während meiner Reise war das Kochen immer das Herzstück, denn so interagiere ich mit meiner Umwelt, ich teile und gebe. Die Küche war immer schon Herz unseres Hauses, dort sprechen, diskutieren und beraten wir. Umgeben von Hunden, kranken Hühnern, endlosen Wäschemengen, die am Herd trocknen, Ziegen, die mit der Flasche gefüttert werden müssen, und durchnässten Lämmern, die etwas Wärme vertragen können. In jeder Ecke stapeln sich Bücher, Pflanzen und eine stets wachsende Tellersammlung. Dort verbringe ich Tage und Nächte, mit blubbernden Töpfen und brutzelnden Pfannen, und meine Spur aus Chaos und Zerstörung bringt mir häufig Ärger ein. Doch … kann man seine Liebe auf eine bessere Art zeigen? Als einfach einen dampfenden Topf an den Tisch zu bringen, in dem die gesamte Leidenschaft des Herzens mitgekocht wurde. Schüsseln werden verteilt, Brote zerrupft und gebuttert. Das gemeinsame Vergnügen nach dem ersten Löffel und die murmelnden Gespräche, die von gutem, einfachem Essen angespornt werden. Kochen macht uns zu Menschen.

Es folgen rund 100 Rezepte – einige sind eher Herangehensweisen – mit inspirierenden Ideen statt strengen Regeln. Sortiert habe ich das Ganze nach Jahreszeiten, denn ich glaube, so sollten wir uns ernähren. Zwar bringe ich ein bisschen Restauranterfahrung mit, doch im Grunde meines Herzens bin ich ein Hobbykoch, der gern isst, und meine Rezepte sind herrlich einfach. Sich nach den Jahreszeiten zu richten, bedeutet, dass die Produkte schön reif und so gut wie nie sind, voller Aromen. Als Koch muss man nicht so viel tun, nur alles einfach halten und den Aromen die Bühne überlassen. Größtenteils handelt es sich um ein paar gute Zutaten, die clever gewürzt werden.

Für jede Jahreszeit gibt es eine Mischung von kleineren Gerichten, Vegetarischem, Fisch- und Fleischgerichten, mit einigen gehaltvollen, aber leicht zuzubereitenden Desserts zum Abschluss. Diese Rezepte sind jedoch nicht in ihren Jahreszeiten verhaftet. Wenn ihr etwas mögt, dann bitte, experimentiert mit den gerade erhältlichen Produkten. So ist der Frühlingsteller – ein köstlicher Mix aus Ofengemüse im Frühling auf cremigem Ricotta (s. S. 118) – eines meiner Lieblingsrezepte in diesem Buch. Grandios im Frühling, doch ihr könnt auch einfach den Mix saisonal anpassen. Versucht mal Zucchini und Tomaten im Sommer, geröstete Maiskolben oder Kürbis im Herbst sowie erdigen Mangold und Schwarzkohl im Winter. Dementsprechend gilt für Vegetarier: Fleisch einfach weglassen. Kochen sollte ein Spiel sein, instinktiv und befreiend!

Wenn man Rezepte als Geschichten betrachtet, so versammeln sich hier Erlebnisse meiner ersten drei Jahre auf unserem kleinen Hof. Es war eine Zeit der Entdeckungen und Inspirationen, in der ich die Verbundenheit mit dem Ort schuf, den ich nun mein Zuhause nenne. Ich hoffe, dass meine Rezepte einen Einblick in unser Leben hier geben und zu neuer Saisonalität inspirieren können. Hausmannskost mit viel Liebe, nicht nur für die Gäste, sondern auch für das Land, von dem die Zutaten stammen. Es sind schnelle Rezepte, die entstanden, während Zicklein auf den Küchentisch kletterten und die Tapete abknabberten. Dampfende Suppen- und Eintopfschüsseln, die in den Garten gebracht wurden, während wir die Gemüsebeete umpflügten und den fruchtbaren Boden entdeckten, der uns durch das Jahr ernährt. Es ist eine Sammlung von Rezepten, die mit erdigen Fingernägeln und viel Arbeit im Hinterkopf entstand. Doch sie enthält auch Essen, das an stilleren Tagen entstand, nach langen Spaziergängen, an denen ich das Kochen, das mich auf den Boden der Tatsachen zurückbringt, wirklich genieße, sowie den methodischen Vorgang und das Hinzufügen der Zutaten in den Topf.

SAISONALE KÜCHE & DAS ABSCHMECKEN

Meine Zeit in der Gastronomie lehrte mich vieles. Es war faszinierend, ich lernte alle möglichen Techniken, die Bedeutung von harter Arbeit und wie man als Team zusammenfindet. Dieser Zusammenhalt wird mir immer bleiben, und ein kleiner Teil von mir wünscht, ich wäre länger geblieben. Wie schnell man in diesen Küchen lernt, ist unglaublich, und ich wollte zwei essenzielle Lektionen hervorheben, die ich aus dieser Welt mitgenommen habe und die sich immer in meinem Essen widerspiegeln werden: die Kunst des Abschmeckens und das saisonale Kochen.

Saisonale Küche

Bei Einkauf und Genuss bestimmt die Jahreszeit den Weg. So kann man Spargel im Frühling genießen, am besten jeden Tag, denn er hat nur eine kurze Saison, bis man für das ganze Jahr genug davon hat und sich nach den ersten Tomaten und Zucchini im Sommer sehnt. Dann kommt das geduldige Warten, eine Zeit der Enthaltsamkeit, bis der Zyklus uns wieder aus den Vollen schöpfen lässt. Welch eine Freude, etwas zu vermissen, die Vorfreude zu genießen und auf die Rückkehr zu warten. Das macht Gemüse zu etwas Aufregendem. Ich freue mich auf den ersten Kürbis im Jahr, knipse den ersten Maiskolben ab und pflücke wilde Kirschen, während ihr Saft an meinen Armen herabläuft. Die Jahreszeitenküche sorgt dafür, dass alle Zutaten vollreif und so gut wie nie sind, mit ihren höchsten Nährwerten und besten Aromen. Das macht einen großen Unterschied beim Kochen! Denn dabei kann man Geschmack nur verstärken, aber nicht kreieren, wenn er gar nicht vorhanden war. Wenn ihr mit hochwertigen Zutaten beginnt, ist schon die halbe Arbeit getan und ihr müsst nur noch besonders Köstliches damit zubereiten.

Nehmen wir eine vollreife Tomate, eine dicke, fette Ochsenherztomate, perfekt im Wuchs und voller Saft. Es grenzt schon an ein Verbrechen, sie nicht mit gutem Olivenöl, Meersalzflocken und einem Basilikumblatt oder zweien zu genießen. Wie traurig ist es dagegen, eine geschmacklose Tomate mitten im Winter zu verzehren, die unter künstlichem Licht in einem beheizten Gewächshaus gezogen und kilometerweit eingeflogen wurd? Weder Olivenöl noch Salz können das wettmachen, also warte ich lieber und esse im Winter stattdessen Saisongemüse wie Schwarzkohl, der naturgegeben im Freien wächst und auch voller Geschmack steckt.

Saisonale Küche wird eure Ernährung verändern, aber auch die Umwelt schonen, denn regional Angebautes hat weniger (wenn überhaupt) Strecke hinter sich, produziert somit viel weniger Kohlenstoffdioxid, weniger Chemikalien und schädigt die Natur weniger. Und es ist günstiger! Saisonale Produkte können leichter angebaut und reichlich geerntet werden.

Jahreszeiten hängen immer von der jeweiligen Region ab, also solltet ihr meine Rezepte frei eben jenen Produkten anpassen, die gerade bei euch wachsen. In meinem vom Golfstrom beeinflussten milderen Klima kommen Tomaten als Sommergemüse bis in den Herbst auf den Tisch, wenn es zum ersten Mal friert. Wenn ihr weiter im Süden wohnt, könnt ihr sie schon früher (in meinem Frühling) genießen. Im Großen und Ganzen halte ich mich an die europäischen Jahreszeiten. Wenn italienische Dicke Bohnen im Hofladen auftauchen, obwohl sie bei mir noch nicht reif sind, kaufe ich sie trotzdem. Und dementsprechend verwende ich auch so wunderbare Früchte wie Blutorangen oder Aprikosen gern, die sich bei uns in England doch sehr schwertun. Grenzen ziehe ich bei den Produkten, die mitten im Winter durch die Welt geflogen werden, nachdem sie im Gewächshaus geerntet wurden. Es fühlt sich bei unserer krisengebeutelten Umwelt verrückt an, Produkte mit Hunderten Flugkilometern auf dem Ticket zu kaufen, und dann auch noch außerhalb ihrer natürlichen Jahreszeit. Seht euch also die Angaben zu den Produkten gründlich an und findet heraus, was regional angebaut wurde. Kauft so nachhaltig wie möglich ein!

Abschmecken

Bei meiner Ausbildung stand unser Chefkoch Paul am Pass, wo er jeden Teller vorkostete und anrichtete. Alles, was ich je zubereitet habe, ob es Linsenpfanne, Mangold, Romesco-Dip oder Aioli war, ging erst zu ihm. An guten Tagen ermunterte er mich freundlich zu etwas mehr Senf an den Linsen, mehr Zitrone am Mangold oder Salz in der Aioli. An schlechten tadelte er mich für das zu grob gemahlene Salz, die nicht gleichmäßig karamellisierten Kürbisstücke oder den vergessenen Schuss Zitrone an der Burrata. Durch dieses stete Feedback lernte ich die Kunst des Abschmeckens.

In meinen Rezepten habe ich häufig vermerkt »probieren und abschmecken«. Hier will ich erklären, was das wirklich bedeutet. Aromaten und Salz bringen das Beste aus den Zutaten hervor. Es geht dabei um Harmonie zwischen, meistens, Salz, Fett und Säure. Kochen ohne zu probieren ist wie Malen mit verbundenen Augen und dann ein Meisterwerk erwarten. Schaut einem Meisterkoch bei der Arbeit zu, und ihr werdet sehen, wie er gar nicht anders kann, als zwischendurch mit Fingern oder Löffeln zu probieren, ob es nun um Konfitüre, Kuchenteig oder einen langsam gegarten Eintopf geht. Viele kochen Rezepte vielleicht ganz genau zu Hause nach, machen aber den essenziellen Fehler und probieren nicht oder würzen erst ganz zum Schluss. Aus diesem Grund habe ich Salz und Pfeffer meist nicht extra aufgeführt – es muss wie ein Reflex werden.

Salz verstärkt Aromen, weil es natürliche Zucker intensiviert, während es sehr Bitteres mindert. Beispielsweise lilafarbener Sprossenbrokkoli: Kocht den mal in Wasser und probiert. Wie erklärt, ist das Resultat von der Qualität des Produkts abhängig. Mit gut gezogenem Brokkoli ist der Anfang gemacht. Doch wenn ihr ins kochende Wasser Salz streut, sodass es tatsächlich salzig schmeckt (eine winzige Prise ist hier sinnlos), dann wird dem Brokkoli Leben eingehaucht. Ob man viel Salz über fertiges Essen streut oder es beim Kochen hinzufügt, ist ein Riesenunterschied. Für den besten Geschmack sollte das Salz bereits mitkochen; eine große Prise zum Ende des Garens macht das Gericht nur salzig, nicht aromatischer.

Salz ist eine eigene Zutat, und welches verwendet wird, hat eine immense Auswirkung auf den Geschmack. Ich verwende hauptsächlich Meersalzflocken, würde aber niemals solch hochwertiges Salz für Nudelwasser verschwenden – dafür nehme ich günstigeres Steinsalz. Da ich immer das gleiche Salz verwende, haben meine Finger anscheinend schon das richtige Gefühl für die benötigte Menge gelernt. Salzen ist wie ein Muskel, den man trainieren muss, es braucht Übung. Kochen mit den immer gleichen Hilfsmitteln hilft dabei. Koche ich woanders und verwende dann unbekanntes Salz, erwische ich öfter mal schnell zu viel davon.

Schließlich muss man beim Salz verstehen, dass es nicht nur den Geschmack unterstützt, sondern auch einen grundlegenden Anteil am Garprozess hat. Wenn man Zucchini oder Zwiebeln in Olivenöl ohne Salz brät, verbrennen sie leicht und brauchen länger zum Garen. Mit einer kleinen Prise Salz jedoch verstärken sich nicht nur die Aromen und das Gebratene wird weicher, sondern das Salz bindet auch Feuchtigkeit, während das Fleisch gart, wodurch es saftiger und aromatischer wird.

Fett ist ein weiterer Grundpfeiler des Abschmeckens und trägt den Geschmack, sodass ein Gericht rund wird. Es ist hilfreich in Form von Olivenöl, Burrata, Joghurt, Butter, Pancetta, Speck und Guanciale. Dazu in Form von Crème fraîche, Kokosmilch, Rapsöl oder Ghee. Fett sorgt für ein rundes Mundgefühl und Sämigkeit, während es auch unglaublich hilfreich bei einigen Garprozessen ist, wo es Aromen saftig verbindet.

Und schließlich gibt es Säure, unerlässlich im Zusammenspiel mit Salz. Denn sie klärt und rundet die Aromen ab. Säure bietet einen Gegenpol zum Fett, indem sie etwas Lebhaftes zur Reichhaltigkeit bietet, während sie selbst auch viel Geschmack in sich trägt, der beim Kochen eine tolle Ergänzung sein kann. Säuren sind stark und sollten sorgsam eingesetzt werden, denn sie können ein Gericht leicht überwältigen. Beispielsweise eine Bolognese, bei der die zarte Säure der Tomaten das fettreiche Ragù auflockert – ein Spritzer Zitronensaft zusätzlich würde diese subtile Paarung ins Ungleichgewicht bringen. Doch ein Spritzer Zitronensaft auf einem buttrigen Brokkoliröschen oder einem Fischfilet ist pure Freude. Fett und Säure sind wie das Yin und Yang des Kochens, während Salz konstant die Aromen hervorlockt. Nicht immer werden alle drei benötigt. Eine Carbonara ist ein gutes Beispiel dafür, denn sie vereint verschiedene Fette und Salze gemeinsam zu einer reichhaltigen, cremigen Sauce, die Säure nicht einmal in ihrer Nähe braucht.

Abschmecken ist unglaublich komplex zu erklären, doch Übung macht den Meister. Ich finde, man kann es recht einfach lernen. Der Schlüssel liegt darin, seine Instinkte zu nutzen, durchgängig zu probieren und kleine, aber häufige Anpassungen vorzunehmen. Wie schon erwähnt, ist dabei das Abschmecken zwar unerlässlich, man kann aber nur einen schon vorhandenen Geschmack verstärken. Ein sorgsames Abschmecken sollte also immer mit der Verwendung von Saisonprodukten Hand in Hand gehen, wenn ihr die Qualität eurer Küche verbessern wollt.

KLEINER HINWEIS ZU DEN REZEPTEN

Ich koche spielerisch und intuitiv. Das gleiche Gericht wird bei mir selten identisch. Kochen ist eine Adaption von Vorhandenem. Zwar habe ich diese Rezepte häufig getestet und noch mal getestet, um sie so zu verfeinern, dass ihr sie bestmöglich nachkochen könnt. Doch denkt daran, dass Zutaten variieren, eure Pfannen anders als meine sind, genau wie euer Olivenöl, euer Ofen, eure Prise Salz und, vor allem, eure Geschmacksknospen! Verwendet meine Rezepte als Leitfaden, aber folgt ihnen bitte nicht blind. Ihr müsst mit euren Sinnen und eurer Intuition kochen. Da es beim Schreiben und Befolgen eines Rezepts so viele Variablen gibt, wollte ich noch erwähnen:

ERSTENS, lest euch, um Fehler zu vermeiden, das gesamte Rezept vor dem Kochen durch. Ihr solltet alle Schritte verstehen, bevor ihr loslegt.

OLIVENÖL: Zum Abmessen von Olivenöl habe ich noch nie einen Löffel benutzt, und das wird auch nie vorkommen. Ich gieße es reichlich in meine Pfanne oder über das Gericht und schätze die Menge intuitiv ab. Für dieses Buch habe ich jedoch eine grobe Angabe dort gemacht, wo sie vielleicht hilfreich ist. Oder ihr seid selbst gefragt. Bitte seht dies nur als Richtwert an; wenn ihr das Gefühl habt, eure Zubereitung braucht einen Schuss mehr, dann los! Außerdem kaufe ich mein Olivenöl immer in großen Kanistern (à 5 l), sodass ich hochwertiges Öl zu einem guten Preis bekomme. Dazu rate ich euch auch.

CHILISCHOTEN: Ich liebe sie und verwende viel. Bei mir liegt der Trick darin, dass ich erst die Aromen und dann eine milde Schärfe hinzufüge. Bitte überschwemmt euer Essen nicht mit zu viel feurigem Aromakiller. Ihr solltet die Schärfe eurer Chili gut kennen und sie nach und nach hinzufügen, für euch passend und ausgewogen. Beim Anbraten darauf achten, dass sie nicht verbrennen, was schnell geschieht.

GEMÜSE: Auch beim Gemüse gibt es große Unterschieden in puncto Geschmack und Intensität je nach Qualität, Sorte und Jahreszeit des Anbaus. Ingwer kann stark in der Intensität variieren, ebenso die Säure von Zitrone und die Schärfe von Knoblauchzehen … Je nach Angebot müsst ihr eure Küche den Produkten anpassen. Träufelt nicht gleich eine halbe Zitrone übers Gericht, nur weil es im Rezept steht – vielleicht wird es zu zitronig. Lieber wenig nach und nach hinzufügen und probieren, um euren Geschmack zu treffen.

ÖFEN: Sie heizen an bestimmten Stellen mehr oder weniger, die Temperaturanzeige passt nie ganz, das Gerät ist größer oder kleiner, sodass der Kuchen näher oder weiter weg vom Grill oder dem Ventilator steht. Ihr kennt euren Ofen, ich nicht, also beobachtet Kuchen oder Fleisch beim Bräunen und justiert die Temperatur. Das gilt auch für meine Zeitangaben. Beim Backen solltet ihr die Ofentür nicht zu früh öffnen.

FLEISCH: Euer Hähnchen ist dicker oder kleiner als meines, euer Lammfleisch fettreicher, euer Steak dicker geschnitten, eure Pfanne hat einen dünneren Boden oder ist heißer. Garzeiten für Fleisch oder Fisch sind schwer anzugeben, denn es gibt so viele Variablen. Ihr müsst wissen, wie es aussehen soll. Bratenthermometer sind auch gute Hilfsmittel, ich empfehle euch die Anschaffung. Doch verlasst euch ebenso auf eure Instinkte, ihr könnt immer zwischendurch mal testen. Lasst euer Fleisch ruhen, damit es die Säfte wieder aufnehmen kann. Nicht vergessen: Auch außerhalb des Ofens gart es nach. Idealerweise nehmt ihr es heraus, kurz bevor es eigentlich fertig ist, und lasst es beim Ruhen zu Ende garen. Gelingt euch das, erwartet euch ein Festmahl.

ZWIEBELN: Meine sind mittlerer Größe, wenn ihr kleine verwendet, solltet ihr zwei statt der einen angegebenen einrechnen.

BOHNEN: Dosenbohnen sind wunderbar und unschlagbar günstig, doch ich mag Gläser lieber, denn diese Bohnen sind weicher und schmecken intensiver. Bei Dosenbohnen zwei Dosen statt einem Glas verwenden. Bohnen in einem Topf salzen und mit Wasser bedecken. Bei geschlossenem Deckel 15–20 Minuten garen, bis man die Bohnen zwischen zwei Fingern zerdrücken kann.

KRÄUTER: Verwende ich händeweise und reichlich. Sie ziehe ich am liebsten selbst, und ich rate euch sehr, auch welche in eurem Garten oder auf dem Fensterbrett zu säen. Vor allem die winterharten Sorten, denn wenn sie einmal etabliert sind, kommen sie Jahr für Jahr wieder.

Schlussendlich das vielleicht Wichtigste: Diese Rezepte entsprechen meinen Vorlieben. Ich bereite sie gern und häufig zu und hoffe, dass sie auch bei euch zu Hause zu Standardgerichten werden. Doch bitte passt sie eurem Geschmack an. Arbeitet an der Würze, verwendet euer saisonales Gemüse. Rezepte sind nicht in Stein gemeißelt, sondern Wegweiser, die euch Freude machen sollen.

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