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Anwältin Kate Lange ist nicht sehr begeistert, als die Tattookünstlerin Kenzie Sloane sie um Hilfe bittet. Schließlich war Kenzie in den tödlichen Autounfall von Kates Schwester verwickelt. Doch Kenzie ist in Gefahr, seit in Halifax die Leiche einer jungen Frau gefunden wurde. Kenzie und die Tote tragen dasselbe Tattoo und teilen ein Geheimnis, das niemals ans Licht kommen sollte ...
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Seitenzahl: 486
Veröffentlichungsjahr: 2015
Titel
Über dieses Buch
Widmung
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Danksagung
Über die Autorin
Die Romane von Pamela Callow bei LYX
Impressum
PAMELA CALLOW
Vom Tod gezeichnet
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Anne-Marie Wachs
Als Anwältin Kate Lange von ihrer neuen Mandantin Frances Sloane gebeten wird, für sie das Recht auf aktive Sterbehilfe einzuklagen, ist es keineswegs das brisante Thema, das Kate Magenschmerzen verursacht. Vielmehr weckt Frances in ihr längst verdrängte Erinnerungen, denn Kate und Frances’ Tochter Kenzie verbindet ein dunkles Geheimnis, das für immer im Verborgenen bleiben sollte: Kenzie brachte Kates Schwester Imogen als Jugendliche auf die schiefe Bahn, und Kates verzweifelter Versuch, ihre Schwester zu retten, endete in einem tragischen Unfall. Noch immer quälen Kate deswegen schwere Schuldgefühle. Als im Sumpfgebiet vor Halifax die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, die jahrelang als vermisst galt, wird Kate endgültig von ihrer Vergangenheit eingeholt. Alle Spuren führen zu Kenzie Sloane, und Kate beginnt im Umfeld ihrer Schwester nach Antworten zu suchen – ohne zu ahnen, dass sie damit in das Blickfeld eines Mörders gerät, der noch eine alte Rechnung zu begleichen hat …
Für Dan, meinen geliebten Mann Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier.
William Shakespeare, Der Sturm 1,2
Zehn.
Römisch X.
Das X kennzeichnet den Ort.
In John McNallys Fall das Gefängnis.
Am zehnten Tag seiner zehnjährigen Haftstrafe wegen Totschlags hatte John McNally sich ein X auf die Brust tätowiert.
Zehn Jahre. Sieben plus Bewährung.
Er kannte sich mit dem Gefängnissystem aus. In den letzten Jahren hatte er damit ausgiebig Bekanntschaft gemacht. Davor war er schon öfter in der Jugendfürsorge hängen geblieben. Verdammt noch mal, ja, er kannte sich aus.
Nach sieben Jahren war er wirklich auf Bewährung rausgekommen. Zwei Monate hatte er draußen durchgehalten. Wenn dieser Idiot im White Elephant sich nicht über seine Knasttattoos lustig gemacht hätte, säße er längst nicht mehr in diesem Loch. Obwohl er den Kerl kaum angefasst hatte, war er wegen seiner gewalttätigen Vorgeschichte zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, die er direkt im Anschluss an die erste Strafe ableisten musste.
Diesmal hatte er keine Bewährung bekommen. Aber das war ihm scheißegal. Bewährung kotzte ihn sowieso an. Einem Bewährungshelfer berichten zu müssen und gesagt zu bekommen, was man tun und lassen sollte, war höllisch frustrierend. Er hatte seine Pläne, und mit so einem verdammten Bewährungshelfer im Nacken ließen sich die nicht durchführen.
Also saß er seine Zeit im Knast ab.
Bis heute. Dem 19. Mai. Heute war seine zweite Haftstrafe abgegolten. Die wegen Totschlags hatte er schon seit zwei Jahren hinter sich.
Ab heute würde er frei sein.
Keine Einschränkungen, kein Bewährungshelfer, nichts.
McNally saß auf seiner Pritsche und wartete auf den Schließer. Er spürte Druck auf den Ohren, als stünde er in einem Windkanal. Das Gefühl war ihm noch von seiner Zeit mit der Band vertraut, den Momenten, wenn er vorn auf der Bühne stand und die dröhnenden Lautsprecher die Luft zum Vibrieren brachten.
Sein Bett war gemacht, sein Spind geräumt. Seine wenigen Besitztümer hatte er gestern Abend denjenigen Jungs vermacht, die ihm während der letzten Jahre mal einen Gefallen getan hatten.
Er verschränkte die Hände und betrachtete die Tätowierungen, die sein Leben bestimmt hatten: »LOVE« auf den Fingern seiner Linken, »HATE« auf den Knöcheln der Rechten.
Mit diesen Worten war alles gesagt.
Liebe wie Hass waren nie gestorben, nie verblasst. Sie hatten sich kein bisschen verändert.
Er hatte Kenzie Sloane sein halbes Leben lang geliebt.
Und sein halbes Leben lang hatte er sie dafür gehasst, was sie ihm angetan hatte.
Aber er hatte einen Plan.
Einen Plan, durch den sich der Kreis schließen würde.
Der zu dem Punkt zurückführen würde, an dem alles begonnen hatte. Dem Tag, an dem sie beschlossen hatten, dass Imogen Lange ihr erstes Opfer sein würde. Imogen hätte der Schlüssel sein sollen, der Katalysator, das blutige Band, das Kenzie an ihn gefesselt hätte. Kenzie und er hatten alles bis auf das letzte Detail geplant …
Und dann war Imogen gestorben. Durch die Schuld ihrer Schwester Kate Lange.
Bei dem idiotischen Versuch, Imogen vor dem Koksen »zu bewahren«, hatte Kate Lange sie von Kenzies Party weggeholt – und sie auf der Heimfahrt durch einen Autounfall getötet.
Nach jener Nacht hatte er gemerkt, wie Kenzie ihm entglitt. Er war nicht sicher, ob ihr Imogens Tod Angst machte oder ob sie einfach genug von ihm hatte. Sie warf ihm vor, zu besitzergreifend zu sein. In seiner Verzweiflung sorgte er dafür, dass an Imogens Stelle eine andere junge Frau – Heather Rigby hieß sie – in der Mardi-Gras-Nacht zu den Bunkern herauskam. Aber es war nicht dasselbe. Es war schon zu viel Zeit vergangen. Die günstige Gelegenheit war vorbei.
Wenn Kate Lange sich nicht eingemischt hätte, wäre Kenzie heute noch mit ihm zusammen. Und er hätte inzwischen sein eigenes Tattoo-Studio, gemeinsam mit Kenzie.
All seine Pläne, all seine Träume waren von Kate Lange vereitelt worden, weil sie in jener Nacht ihre Schwester getötet hatte.
Aber jetzt, siebzehn Jahre danach, würde er für Gerechtigkeit sorgen.
Zuallererst musste er Kenzie ausfindig machen.
Dann würde er Kate Lange aufspüren.
Er streckte die Finger und beobachtete, wie sich rings um die Knöchel Falten bildeten. Dann ballte er die Hände zu Fäusten, sodass sich die eintätowierten Buchstaben über den Knöcheln dehnten.
Er fragte sich, wo Kenzie jetzt war. Wie sie aussah. Hatte sie immer noch lange rote Haare? Hatte sie sich weitere Tattoos stechen lassen?
Hatte sie einen Freund?
Er schwitzte plötzlich und stellte sich vor, wie das Spinnennetz-Tattoo auf seinem Hinterkopf zu glänzen begann.
Ob Kenzie einen Freund hatte, war egal. Oder ob sie verheiratet war. Sie gehörte zu ihm. Das wusste er. Und sie wusste es auch. Sie würde den anderen Typen halt wegschicken müssen. Sonst würde er das übernehmen.
Er sprang auf und blickte durchs Zellengitter.
Der Flur war leer.
Aus der Zelle gegenüber schaute Roberts zu ihm herüber und zuckte mit den Schultern.
McNally wandte sich ab.
Wo zur Hölle blieb der Schließer?
Digger, auf der oberen Pritsche, verschränkte die Arme und lehnte den Kopf an die Wand. Es sah aus, als wären seine Augen geschlossen, doch McNally wusste, dass sie einen Spalt weit geöffnet waren und dass Digger nichts entging. Er wartete. Alle warteten sie. Es war schließlich der Tag von McNallys Entlassung.
Aber der Schließer, der heute Dienst hatte, war Aucoin. McNally fragte sich, ob Aucoin um diese Schicht gebeten hat- te.
Jeder wusste, dass Aucoin McNally nicht leiden konnte. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Aucoin hatte ihn ständig wegen irgendwelcher Vergehen gemeldet und ihn mindestens achtmal ins Loch geschickt.
Um 7:20 Uhr kam Aucoin den Flur entlanggeschlendert und schloss McNallys Zelle auf. »Los.«
McNally warf Digger einen Blick zu. Sie hatten dreizehn Monate lang die Zelle geteilt. »Wir sehen uns draußen.«
Digger hatte noch fünf Jahre vor sich.
Er nickte und schloss die Augen.
Aucoin führte McNally zur Aufnahme- und Entlassungsstelle. Es war ein unpersönlicher Raum mit Postern an den Wänden, die ihn aufforderten, sich auf sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen, darauf hinwiesen, dass Telefonate nur mit Nummern auf der Freigabeliste erlaubt waren, und einen Überblick über die wöchentlichen Gottesdienste gaben, für den Fall, dass jemand auf die Idee verfiel, Jesus könne ausgerechnet in diesem Knast auf ihn warten.
Aucoin ließ einen versiegelten Beutel auf den Tisch fallen. »Hoffentlich riechen die nicht allzu schlimm«, sagte er trocken.
McNally nahm den Beutel. Er wusste, dass Aucoins Bemerkung spöttisch gemeint war. Die meisten Häftlinge hatten Angehörige, die ihnen vor der Entlassung frische Kleidung brachten. Dass auf McNallys Telefonliste lediglich die Nummern seines Anwalts und seines Sozialarbeiters standen, war nicht unbemerkt geblieben. Mit seinem Bruder Matt war McNally zerstritten, seit er diese junge Frau in der Bar umgebracht hatte. Und seine Pflegemutter hatte er vor ungefähr acht Jahren von der Liste gestrichen. In letzter Zeit hatte es nur eine Änderung gegeben: Rick Lovett war hinzugekommen, sein alter Kumpel aus der Band.
Mit klopfendem Herzen riss McNally den Beutel auf.
Seine Finger berührten den weichen Stoff seines T-Shirts.
»Kommen Sie schon, McNally. Bewegung. Man sollte doch meinen, Sie hätten es eilig, hier rauszukommen.« Aucoin verschränkte die Arme vor der Brust.
McNally zerrte das Hemd aus dem Beutel. Dabei fiel ein Gürtel vor ihm auf den Boden. Den hatte er schon ganz vergessen …
Er schlang den Gürtel um Aucoins Hals, enger, fester, dass ihm die Augen aus den Höhlen traten. Aucoin schnappte nach Luft und fasste sich an den Hals. McNally grinste. Der Schließer sah aus wie ein Fisch.
Rasch hob Aucoin den Gürtel auf. »Geben Sie mir Ihre Anstaltskleidung und ziehen Sie Ihre eigenen Sachen an.«
Wären sie beide Hunde gewesen, hätte jetzt ein Kampf auf Leben und Tod begonnen.
McNally zog sich das gefängniseigene Polohemd über den Kopf, und dabei genoss er das Spiel seiner Muskeln. Er warf das Hemd auf den Fußboden. Das kannst du auch aufheben, Aucoin. Seine Hemdgröße war im Knast kontinuierlich gestiegen, weil er so viele Stunden im Fitnessraum zugebracht hatte.
Aucoin ließ seinen Blick über die Tätowierungen auf McNallys Oberarmen wandern. Jeder wusste, dass McNally der hiesige Tattoo-Spezialist war. Normalerweise drückte das Wachpersonal in solchen Dingen ein Auge zu, es sei denn, ein Insasse sollte ohnehin diszipliniert werden. Nur Aucoin hatte sich streng an die Vorschriften gehalten und McNally alle Vergünstigungen gestrichen, wann immer er nachweisen konnte, dass McNally ein Tattoo angefertigt hatte.
Aber wenn Aucoin keinen Dienst hatte … Im Gefängnis galt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Wer etwas anzubieten hatte, konnte auf Nachfrage zählen. Und als McNally vor zwölf Jahren hier angekommen war, war der Bedarf an Tätowierungen gewaltig gewesen. Die anderen Insassen seiner Abteilung hatten nicht einmal vierundzwanzig Stunden gebraucht, um herauszufinden, dass er Tattoos stechen konnte. Es fehlte nur das passende Werkzeug. Als die anderen Jungs nach der dreißigtägigen Aufnahmephase begriffen, dass McNally draußen niemanden hatte, der ihm Material schicken konnte, machten sie sich daran, die Einzelteile für eine Tätowiermaschine einzuschmuggeln.
Nach nur einer Woche besaß McNally eine leere Stifthülse, die Saite einer E-Gitarre und einen Radiergummi. Aus der Werkstatt wurden Isolierband und Schmirgelleinen beschafft. Er brauchte aber auch einen Motor. Also machte Hodder – der Lebenslängliche, der die heimlichen Versorgungswege innerhalb der Abteilung kontrollierte – ein wenig Druck, und der junge Typ zwei Zellen weiter stiftete mehr oder weniger freiwillig das Rumble Pak seiner Videokonsole. »Dabei erlaubt mir meine Freundin gar kein Knasttattoo«, murrte er.
McNally feilte das Ende der Gitarrensaite mit einem Stück Schmirgelleinen zurecht und steckte es in das Plastikröhrchen. Sein Zellengenosse Billy Lyman sah ihm fasziniert, aber auch ängstlich dabei zu. »Ich kann nicht noch mehr Ärger gebrauchen«, sagte er. »Seit dem Sommer war ich schon dreimal im Loch.«
McNally schob das andere Ende der Gitarrensaite durch das obere Loch des Röhrchens und drückte es in den Radiergummi.
»Siehst du? So macht man das. Der Radiergummi dient als Nocke«, erklärte er Kenzie.
Er schaute sie an, während sie das Gerät musterte. »Nocke?«
Auf ihrem Gesicht lag kaltes, unbarmherziges Winterlicht. Trotzdem war sie wunderschön. Ihre Haut, immer blass und glatt, erinnerte an Marmor. Wie wunderbar musste es für Michelangelo gewesen sein, Kunstwerke aus so reinem Material zu erschaffen.
»Die Nocke verbindet die Gitarrensaite mit dem Motor. Sie funktioniert wie ein Rad, das sich dreht. Sie bewegt die Nadel.«
Er konnte es kaum erwarten, auf ihrer Haut Meisterwerke zu erschaffen.
Ein Meisterwerk hatte er tatsächlich auf Kenzies Haut erschaffen.
Bald danach hatte sie sich aus dem Staub gemacht – und es ihm überlassen, Heather Rigbys Leiche zu beseitigen.
Fünf Jahre später hatte er eine junge Frau aus der Bar getötet, in der er arbeitete. Dafür bekam er zehn Jahre. Und jetzt, am zehnten Tag dieser Haftstrafe wegen Totschlags, sorgte er dafür, dass er Kenzie niemals vergessen würde. Oder das, was sie ihm schuldig war.
Er konzentrierte sich darauf, die Nocke genau richtig zu positionieren. Nach ein paar Korrekturen bewegte sich die »Nadel« im richtigen Maß auf und ab. War die Bewegung zu kurz, würde an der Nadel nicht genug Tinte haften, war sie zu lang, zerfetzte sie die Haut.
Hodder hatte ihm unter der Hand zwei Einwegrasierer zukommen lassen. McNally steckte sie in die Mikrowelle der Abteilung. Die Rasierer verkohlten und sonderten Ruß ab, den McNally mit Seife und Wasser vermischte.
Dann saß er auf seiner Pritsche, saugte die Tinte ins Röhrchen und tätowierte sich über dem Herzen ein X auf die Brust. Es tat höllisch weh. Das Blut pochte in seinen Adern. Wären seine Augen geschlossen gewesen, hätte er sich vermutlich vorgestellt, dass seine Haut im Takt seiner Herzschläge pulsierte.
Aus irgendeinem Grund waren die Linien des Tattoos leicht verlaufen. Billy Lyman lachte ihn aus. »Und du willst Straight- Edger sein? Du kriegst ja nicht mal gerade Linien hin.«
McNally fuhr ihm mit der Tätowiermaschine über die Wange. Aus der Schnittwunde quoll Blut. »Du Arsch.« Er legte die Maschine auf seine Pritsche. »Ich bin kein Straight-Edger.« Er ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er Lyman seinen hässlichen Adamsapfel eingedrückt, damit er nicht mehr so blöd lachen konnte. McNally deutete auf das große Spinnennetz-Tattoo auf seinem Hinterkopf. In der Mitte saß ein Totenkopf. »Hier, sieh dir das an, verdammt noch mal. Glaubst du, das ist Straight-Edge?«
Lyman wich zurück. »Ich hab’s nicht so gemeint. Ist doch nichts Schlimmes dabei, wenn man sich nichts aus Drogen und Alk macht.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich werde auch nichts von der Tätowiermaschine sagen. Oder hiervon …« Er berührte den Schnitt auf seiner Wange. »Das war ein Versehen. Beim Rasieren passiert. Glaub mir, du willst nicht ins Loch.«
Wie recht Lyman damit hatte, sollte McNally acht Monate später herausfinden. Doch jetzt, an seinem zehnten Tag im Knast, zuckte er nur mit den Schultern und ließ sich auf seine Matratze fallen. Von dort blickte er auf die Unterseite von Lymans Pritsche. Er hasste Lyman dafür, dass er lügen wollte, um ihn vor der Einzelhaft zu bewahren. Er wollte niemandem etwas schuldig sein.
Ich sollte ihn einfach umbringen. Er könnte ihn auf die gleiche Weise töten wie die junge Frau, die sich in der Bar über ihn lustig gemacht hatte. Ihn am Hals packen und seinen Kopf auf den Boden knallen.
Danach hatte McNally sich keine Tätowierungen am Oberkörper mehr gestochen. Teils um dem X nicht die Wirkung zu nehmen, teils weil der Winkel schwierig war, wenn man keinen Spiegel benutzte. Auch als er noch einmal zwei Jahre aufgebrummt bekam, weil er diesen Depp in der Bar angegriffen hatte, hatte er die Tätowierung nicht verändert. Sie symbolisierte für ihn nicht nur die Anzahl der Jahre, die er im Gefängnis verbringen musste. Sondern auch seine Entschlossenheit, seinen Willen, alles zu tun, um Kenzie zurückzubekommen.
Aucoin ließ den locker aufgerollten Gürtel gegen seinen Oberschenkel klatschen. »Ich verstehe Sie nicht, McNally. Sie könnten schon längst draußen sein. Stattdessen stehen Sie rum und träumen.«
Bist du von der Gestapo, verdammt noch mal? McNally zog sich das T-Shirt über. Obwohl es viele Jahre in einem versiegelten Beutel gesteckt hatte, roch es gar nicht schlecht. Der weiche, abgetragene Stoff glitt angenehm über seine Haut. McNally hätte gern die Augen geschlossen und das Gefühl ausgekostet, wieder eigene Kleidung zu tragen. Das Hemd spannte an den Schultern und hing am Bauch locker herunter, aber das war egal. Es fühlte sich verdammt gut an. Am liebsten hätte er es nie mehr ausgezogen.
Der Schließer ließ wieder den Gürtel klatschen.
Sobald McNally angezogen war, würde er diesen Ort verlassen können. Damit würde er etwas erreichen, was lange nur ein Traum gewesen war. McNally griff in den Plastikbeutel und nahm Boxershorts und Hosen heraus. Er stieg aus den Gefängnisjeans, riss sich die Unterwäsche herunter und kickte sie weg. Morgen würde ein anderer die frisch gewaschenen Sachen tragen.
Er zog die neongelben Boxershorts an, die er bei seiner Verhaftung getragen hatte. Im Licht der Neonröhren sahen sie grell und billig aus. Die Hose saß an der Taille locker, an den Oberschenkeln eng. Er streckte die Hand nach dem Gürtel aus.
Aucoin reichte ihn McNally und sah zu, wie dieser ihn umlegte. McNally steckte das T-Shirt in den Hosenbund und griff nach dem Beutel. Seine Brieftasche und die Schlüssel lagen noch darin. Erstere war leer, Letztere nutzlos. Als er auf Bewährung draußen war, hatte er in einem Resozialisierungsheim gewohnt. Das Haus, in dem er vor seiner Verurteilung immer gepennt hatte, hatte sein alter Kumpel Lovett inzwischen verkauft. Er fragte sich, ob die neuen Besitzer wohl die Schlösser ausgetauscht hatten …
Er schloss die Hand fester um den Beutel und nickte Aucoin barsch zu.
Der Schließer führte ihn aus dem Sicherheitsbereich und öffnete per Knopfdruck das Tor zum Parkplatz.
McNally trat durch das Tor.
Morgennebel lag über den kleinen Rasenflächen, die dem Parkplatz wohl einen Hauch von Natur geben sollten. McNally atmete tief durch. Es tat gut, die kühle, feuchte Luft auf den Wangen zu spüren.
Wo war Lovetts Mercedes? Die Strafanstalt selbst hätte Lovett nie betreten. In den zwölf Jahren, die McNally dort verbracht hatte, war Lovett nicht ein einziges Mal zu Besuch gekommen. Während McNally drinnen versauerte, hatte er sich ein Immobilienimperium aufgebaut. Sich mit jemand wie McNally abzugeben würde seinem Ruf als ehrlicher Geschäftsmann schaden, hatte Lovett ihm erklärt. McNally wusste zwar, dass das nicht der eigentliche Grund war, fand es aber sinnlos, darüber zu streiten. Wenigstens hatte Lovett – widerwillig – versprochen, McNally bei der Rückkehr nach Halifax zu unterstützen.
McNally schaute noch einmal suchend über den Parkplatz, wobei er den Kopf so drehte, dass der Schließer sein Gesicht nicht sah. Lovetts glänzender schwarzer Geländewagen war nirgendwo zu entdecken. Scheiße. Hatte Lovett etwa vergessen, dass er heute entlassen wurde?
Er kauerte draußen vor der Schule unter einem Schutzdach. Fünf Zentimeter vor seiner Nase rauschte der Regen vom Himmel. Ab und zu streckte er seine Zunge in den Regen hinaus, malte Muster oder beobachtete die Wassertropfen. Seine Mutter hatte gesagt, sie würde nach Schulschluss kommen. Sie hatte ihn fest umarmt und es versprochen.
Er hatte verlangt, dass sie es gleich noch einmal versprach. Das hatte sie getan. Aber als er ein drittes Mal darum gebeten hatte – in der Hoffnung, dass drei Versprechen besser waren als zwei –, war sie ungeduldig geworden und hatte die Umarmung gelöst.
Er steckte die Hände in die Hosentaschen. Sie waren von der feuchten, kalten Luft ganz taub. Wenn er eine Uhr hätte, könnte er nachschauen, wie lange er schon wartete. Andererseits kam er mit dem kleinen Zeiger sowieso immer durcheinander, also hätte es wahrscheinlich gar nichts genutzt. Auf jeden Fall waren alle Lehrer längst weg. Seit dem Läuten musste also viel Zeit vergangen sein.
Er sah zu, wie das Wasser in langen silbrigen Kaskaden vom Himmel fiel. Er war ein Entdecker und versteckte sich hinter einem Wasserfall vor den Bösen. In der Hosentasche spreizte er Daumen und Zeigefinger. Wenn sie ihn fanden, würde er schießen. Jawohl. Er würde sie totschießen. Er blickte starr geradeaus in den Regen. Das Schulgebäude wirkte immer düsterer, der Regen hatte sich auf rätselhafte Weise von silbern zu schwarz verfärbt. Er musste so dringend pinkeln. Und seine Turnschuhe waren völlig durchweicht. Die Hosenbeine waren auch ganz nass. Und wenn er einfach jetzt ein kleines bisschen pinkelte? Niemand würde es je erfahren …
Ein Taxi fuhr auf den Parkplatz.
McNally holte tief Luft. Warum hatte er angenommen, Lovett würde ihn persönlich abholen? Er hätte es besser wissen müssen. Vor Besorgnis wurde ihm eng um die Brust. Er hatte nicht genug Geld, um die lange Fahrt bis nach Halifax zu bezahlen.
Aucoin winkte das Taxi heran. Es kam näher. Der Fahrer musterte sie durch die Windschutzscheibe. Gleich würde er es sich anders überlegen, das spürte McNally. Er wünschte, er hätte eine Baseballmütze und könnte sein Totenkopf-Tattoo verdecken.
»Ach, übrigens, Sie haben Post bekommen.« Aucoin hielt ihm einen FedEx-Umschlag hin.
Erleichtert griff McNally danach, auch wenn es ihn ärgerte, dass Aucoin ihm den Umschlag nicht zusammen mit seinen persönlichen Gegenständen ausgehändigt hatte. Er riss den Umschlag auf und schaute hinein.
Lovett schickte ihm einen Gutschein für das Taxi, eine Zugfahrkarte und etwas Bargeld als Starthilfe.
McNally ging zum Taxi – und schaute dabei unwillkürlich zurück. Als er dem Blick des Schließers begegnete, wurde er rot.
Du wirst dich dein Leben lang nach uns umsehen, besagte Aucoins Blick.
McNallys Herz pochte. Er war wütend auf sich, weil er sich umgeschaut hatte, weil er die Autorität des Schließers so tief verinnerlicht hatte. Leck mich am Arsch.
Aucoin salutierte spöttisch. »Wir halten Ihnen die Pritsche warm, McNally.«
McNally biss die Zähne zusammen. Wart nur ab, Aucoin.
Er stieg eilig ins Taxi und warf den Plastikbeutel in den Fußbereich. »Zum Bahnhof.«
Dann lehnte er den Kopf an die Rücklehne. Alles erschien ihm düster: der aufgeplatzte Asphalt, die bescheidenen Häuser, die links und rechts der Straße immer zahlreicher wurden, je weiter sie die Strafanstalt hinter sich ließen. An einem Zaunpfahl war ein großer sandfarbener Hund angebunden und bellte. McNally lächelte.
Die Wolken sahen nach Regen aus. Aber noch hielt das Wetter den Atem an. Und die Luft war voller Versprechen. Frühling. Freiheit.
Kenzie.
Sein Herz klopfte so heftig, dass er fühlen konnte, wie sich das X unter seinem T-Shirt auf und ab bewegte.
Zwölf Jahre hatte er verloren.
Endlich war es so weit. Jetzt würde nichts mehr zwischen ihnen stehen.
Dafür würde er sorgen. Kenzie und er waren verwandte Seelen, sie trugen die gleiche Dunkelheit in sich. Und diesmal würde er darauf achten, dass Kenzie sich nicht wieder davonstahl.
Mit Kate Lange würde sich der Kreis schließen. Alles würde genauso sein wie in der Nacht, als sie Kates Schwester Imogen zu ihrem ersten Opfer auserkoren hatten. Eine Lange war schließlich so gut wie die andere.
Das X kennzeichnet den Ort.
Nach zwei Begegnungen mit dem Tod innerhalb eines einzigen Jahres sollte man eigentlich gewappnet sein, wenn der Tod erneut vor der Tür stand.
Das behauptete zumindest der optimistische Teil von Kate Lange. Ihr Verstand wusste es allerdings besser. Auch wenn sie als die Frau bekannt war, die einen Serienkiller zur Strecke gebracht hatte, war ihr sehr klar, wie beliebig und unerklärbar der Tod zuschlagen konnte. Nur eines begriff sie nicht – und wollte es vielleicht auch gar nicht wissen: warum der Tod ihr so hartnäckig auf den Fersen blieb.
Diesmal schien der Grund allerdings sonnenklar. Ihre Mandantin Frances Sloane litt an einer tödlichen Krankheit: Amyotrophe Lateralsklerose. Die Krankheit war durch den Baseballspieler Lou Gehrig weithin bekannt geworden. Sie schädigte die motorischen Nerven. Bei Frances Sloane war offenbar der ganze Körper betroffen. Sie war nur noch eine schlaffe Hülle aus Knochen und Gewebe. Wem nicht klar war, wie wichtig Motoneuronen waren, müsste nur einen Blick auf sie werfen.
Doch auch wenn Frances Sloanes Körper verfiel, ihre himmelblauen Augen blickten unverändert scharf und durchdringend in die Welt. Kate fühlte sich von ihnen gebannt, genau wie in ihrer Jugend. Wenn sie Frances in die Augen sah, vergaß sie fast – aber nur fast – den komplizierten Rollstuhl mit Motor und Handsteuerung, in dem Frances sich mühsam aufrecht hielt.
Kate versuchte, sich ihr Mitgefühl nicht anmerken zu lassen. Wie sie Frances Sloane kannte, war Mitleid das Letzte, was sie wollte. Oder auch brauchte.
Frances’ Begleiterin Phyllis war eine Frau mittleren Alters, die wie eine professionelle Pflegekraft gekleidet war. Sie stellte die Bremsen am Rollstuhl fest, nickte Kates Mandantin kurz zu und verließ das Büro.
»Mrs Sloane, schön, Sie wiederzusehen.« Dem Treffen war eine komplizierte Kette von Ereignissen – und Emotionen –vorausgegangen.
»Hallo, Kate.« Die früher so klare Stimme ihrer Mandantin klang undeutlich und eigentümlich nasal. »Bitte nennen Sie mich doch Frances.«
Kate lächelte. »Das fällt mir nicht leicht. Für mich waren Sie immer Mrs Sloane.«
An Frances’ Mundwinkel hatte sich ein Speicheltropfen gebildet. Sie hob die Hand, mit der sie ihr Taschentuch umklammert hielt. Die Bewegung erinnerte Kate an einen Vogel, der trotz rauer Winde aufzufliegen versucht.
Zu beobachten, welche Anstrengung diese kleine Bewegung erforderte, schnürte Kate die Kehle zu. Frances Sloane war immer eine so vitale und unabhängige Frau gewesen. Sie hatte sich ein eigenes Architekturbüro aufgebaut und zahlreiche Preise gewonnen, in einem Beruf, der immer noch von Männern dominiert wurde. Wenn Kate richtig informiert war, stand sie jetzt völlig allein da. Sie hatte nur ihre Pflegerin und ihren Rollstuhl. Und sie sah einem schrecklichen Ende entgegen.
Kate musste an ihre älteren Nachbarinnen Enid und Muriel Richardson denken. Es waren ebenfalls starke Menschen, deren Leben sich dem Ende näherte. Mit der jüngeren Schwester ging es wegen ihrer Alzheimererkrankung langsam bergab, aber anders als Kates Mandantin hatte Muriel das Glück, dass Enid liebevoll für sie sorgte. Ich habe seit einer Woche nicht mit Enid und Muriel gesprochen. Heute Abend muss ich sie anrufen.
Frances wischte sich über den Mund und sah Kate prüfend an. »Sie haben eine Menge durchgemacht. Ich habe es in der Zeitung gelesen.«
»Wie es scheint, haben wir beide viel durchgemacht«, sagte Kate. »Das mit Ihrer Krankheit tut mir leid …«
Frances ließ ihre Hand langsam in den Schoß zurücksinken. »Kate, ich brauche Ihre Hilfe.«
Kate war sich bewusst, welche Ironie in diesen Worten lag. Vermutlich war es auch Frances nicht entgangen. Sicher dachte sie jetzt an ihre letzte Begegnung. Auf der Beerdigung von Kates Schwester Imogen.
Imogen war im Alter von fünfzehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die siebzehnjährige Kate hatte am Steuer gesessen.
Als Frances Sloane nach dem Trauergottesdienst in der Reihe der Kondolierenden vor ihr auftauchte, hatte Kate ihr kaum ins Gesicht blicken können. Nicht weil sie sich schämte oder Schuldgefühle hatte. Oder weil sie zu traurig war.
Sondern aus Wut.
Vielleicht war das ungerecht gewesen. Schließlich war Frances im Ausland gewesen, als ihre Tochter Kenzie ihre Party gab und Imogen starb.
Aber sie hatte doch sicherlich gewusst, dass ihre Tochter eine Party veranstalten würde, wenn sie fort war?
Also hätte sie sich auch denken können, dass dabei auf der Gartenveranda wieder ausgiebig Drogen herumgehen würden und dass Imogen – die Kenzie seit einiger Zeit mit rührendem Eifer umschwärmte – in das Gelage hineingezogen werden könnte.
Frances schien Kate die Fragen am Gesicht abzulesen. Vielleicht fragte sie sich seit Imogens Tod das Gleiche. Jedenfalls sagte sie: »Kate, es tut mir so leid. Ich wusste nichts von der Party. Sonst hätte ich es verhindert.«
Kates Augen wurden feucht. Frances’ Worte erteilten ihr Absolution; sie bewiesen, dass Kate nicht allein an Imogens Tod schuld war. Ihre Wut löste sich auf, und die Tränen liefen ihr warm über die Wangen.
Sie brachte kein Wort heraus und nickte Frances nur stumm zu.
Frances ging weiter und kondolierte Kates Mutter, die vom Schock noch wie betäubt war. Die Nächste in der Reihe der Kondolierenden war Kenzie Sloane.
Kenzie wich ihrem Blick aus.
Sie eilte an Kate vorbei zum Ausgang.
Frances Sloane hatte sich noch einmal zu Kate umgeschaut und war dann ihrer Tochter gefolgt. Aufrecht, aber langsamen Schrittes hatte sie die Kirche verlassen.
Ob die Krankheit damals schon in ihr geschlummert hatte?
Konzentrier dich, Kate.
Sie blickte auf die Aktenmappe auf ihrem Schreibtisch. Darin fanden sich sämtliche juristischen Gründe, warum ihre Mandantin niemanden bitten durfte, ihr beim Suizid zu helfen.
»Mrs … ich meine, Frances«, begann Kate. »Sie möchten mit mir besprechen, inwieweit Sterbehilfe in Kanada legal ist, nicht wahr?«
So einfach war es, und so kompliziert.
»Ja.«
In Frances Sloanes Augen lag so viel Hoffnung, Entschlossenheit und – schlimmer noch – Verzweiflung, dass es Kate schwerfiel, ihrem Blick standzuhalten. »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, Frances, aber es ist unter keinen Umständen legal. Das ist durch das Urteil im Fall Sue Rodriguez eindeutig klargestellt worden.«
Sue Rodriguez war 1993 bis vor den Supreme Court gezogen und hatte damit sowohl der Krankheit ALS als auch dem Thema Sterbehilfe ein Gesicht gegeben.
»Das Urteil liegt lange zurück«, sagte Frances. »Und es ist knapp ausgefallen.« Fünf zu vier, wie Kate wusste. Eine einzige Stimme hätte genügt, damit die Entscheidung in dem Präzedenzfall anders lautete und damit vollkommen neue Regeln dafür galten, wie und wann das Leben eines Menschen legal beendet werden durfte.
In der Haut dieser Richter hätte Kate nicht stecken mö- gen.
»Hat sich seitdem denn nichts geändert?«, fragte Frances.
Kate schüttelte den Kopf. »Die Entscheidung stützt sich auf die grundlegenden Prinzipien unserer Charta der Rechte und Freiheiten. Und die haben sich nicht geändert.«
»Aber warum darf ich nicht entscheiden, wie ich sterben möchte?«
»Das dürfen Sie ja.«
Über das Gesicht von Kates Mandantin huschte ein Lächeln. »Ich dürfte es, wenn ich nicht behindert wäre. Aber das bin ich leider. Es ist diskriminierend, dass ich mir nicht das Leben nehmen kann, nur weil ich behindert bin.«
»Die Entscheidung des Supreme Court von Kanada war tatsächlich knapp.« Und wenn man sich Kates Mandantin anschaute, wie zusammengesackt sie in ihrem Rollstuhl saß, wie sie kaum den Kopf aufrecht halten konnte, wie mühsam sie sprach, wie sie um jede Bewegung kämpfen musste, kam einem die Entscheidung sehr ungerecht vor. Aber Kate durfte sich nicht von Gefühlen leiten lassen. »Dem Supreme Court ging es darum, die Schwachen zu schützen. Und er wollte die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens wahren.« Ihre Mandantin lächelte bitter. »Aus diesem Grund hat er entschieden, dass Sterbehilfe weiterhin strafbar ist.«
»Das alte Argument vom Dammbruch …« Frances verzog das Gesicht. »Sue Rodriguez hat die richtige Frage gestellt: Wer bestimmt über mein Leben? Der Staat oder ich? Leider hat das Gericht die falsche Antwort gegeben.«
Kate beugte sich vor. »Sie sind nicht die Einzige, die so empfindet. Ich denke, dass sich die öffentliche Meinung in dem Punkt allmählich wandelt. Momentan stehen bereits zwei Anfechtungen an. Beide Kläger argumentieren damit, dass Sterbehilfe in anderen Ländern erlaubt ist. Auch in mehreren Bundesstaaten der USA. Die Frage ist: Möchten Sie den langen und mühsamen Rechtsweg gehen und den Urteilsspruch ebenfalls anfechten?« Würden Sie das Ende überhaupt noch erleben?
»Wie lange würde das dauern?«, fragte Frances.
»Wir würden bei den regionalen Gerichten beginnen müssen und uns von da hocharbeiten. Aufgrund Ihres gesundheitlichen Zustands könnten wir die Gerichte um zügige Bearbeitung bitten. Aber auch dann würde bis zur ersten mündlichen Verhandlung ein halbes bis ein ganzes Jahr vergehen.«
Frances blickte auf ihre Hände. Sie lagen schlaff auf der Armlehne.
Früher hatte Frances immer einen Bleistift in der Hand gehalten, wenn Kate sie sah. Um eine Idee zu notieren oder ein Gebäude zu skizzieren, das sie gerade entwarf.
»Bis die Gerichte fertig sind, bin ich tot.«
Dagegen ließ sich kaum etwas sagen. Wer an ALS erkrankt war, taugte nicht zum Aktivisten. Er lebte nicht lange genug. »Und ich frage mich, ob Sie die letzten Tage Ihres Lebens im Gerichtssaal verbringen möchten.«
Frances lachte bitter. »Natürlich nicht. Ich hatte gehofft, Sie würden mir sagen, dass es irgendeine Hintertür gibt. Meistens gibt es eine. Zumindest für Kriminelle.«
Kate schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so.«
Frances schwieg. Schließlich sagte sie: »Wenn ich schon niemanden bitten kann, mir beim Freitod zu helfen, ohne ihn in Schwierigkeiten zu bringen, darf ich dann wenigstens meinen Arzt anweisen, mir mehr Schmerzmittel zu geben, wenn es so weit ist?«
»Das müssen Sie mit Ihrem Arzt abmachen, Frances. Die meisten Ärzte dürften dafür Verständnis haben …« Achten Sie auf die Botschaft zwischen den Zeilen, Frances.
Ihre Mandantin schien nachzudenken. »Aber genau deswegen ist Dr. Clarkson vor ein paar Jahren in Schwierigkeiten geraten. Deshalb habe ich mich ja an Randall gewandt, als ich Rat brauchte. Er hat dann gesagt, er habe eine Auszeit genommen und sei derzeit in New York …«
»Ja«, sagte Kate in neutralem Tonfall. »Er betreut dort eine Unternehmensfusion. Aber über den Fall Clarkson hat er mich informiert.«
Der Fall war in Halifax legendär. Ein prominenter Herzchirurg war beschuldigt worden, einer von Schmerzen gequälten unheilbar kranken Patientin einen tödlichen Medikamentencocktail gespritzt zu haben, um ihr Leiden zu beenden. Detective Ethan Drake, Kates Exverlobter, hatte damals die Ermittlungen des Morddezernats geleitet. Eine ganz zentrale Rolle spielte dabei der Sohn des Opfers. Er hatte bei der Polizei – und vor Gericht – ausgesagt, Dr. Clarkson habe ihm versichert, seine Mutter würde nicht mehr lange leiden müssen.
Dr. Clarkson hatte sein gesamtes Vermögen in seine Verteidigung gesteckt, war aber dennoch verurteilt worden. Um seinem alten Freund zu helfen, war Randall Barrett nach Halifax gekommen, was zur Auflösung seiner Ehe, zu seinem Abschied von der Anwaltskanzlei in Toronto und seinem endgültigen Umzug nach Halifax geführt hatte. Er hatte Clarksons Berufungsverfahren geleitet – und mitfinanziert. »Fußballkumpel legt Berufung ein«, so hatte eine der Schlagzeilen gelautet. In der Verhandlung wurde die Zeugenaussage des Sohnes angezweifelt. Detective Ethan Drake wurde vorgeworfen, er habe den Teenager ungebührlich beeinflusst.
»Wie Sie vielleicht noch wissen, wurde Dr. Clarkson wegen Mordes verurteilt, Frances. Seine Berufung wurde mit zwei zu eins Stimmen abgewiesen.«
Randall und Ethan hatten einander bis heute nicht vergeben.
»Wie kann ich verhindern, dass meinem Arzt das Gleiche passiert?«, fragte Frances.
»Juristisch gesehen können Sie sie nur eins tun, nämlich Ihrem Arzt mitteilen, dass Sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschen.« Kate schloss die Aktenmappe. »Es tut mir leid, Frances. Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.«
Frances begann laut zu lachen.
Kate starrte sie verwundert an. Denkt sie etwa, das wäre ein Scherz?
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Frances hastig. »Das liegt am ALS. Wenn ich mich aufrege, muss ich lachen.« Sie schluckte. »Es ist frustrierend«, fügte sie hinzu, als könnte sie Kates Gedanken lesen. »Wer mit mir redet, denkt sofort, ich wäre betrunken oder verrückt.« Ihre Hand zuckte.
Nach dem Ausbruch eben konnte Kate es nachvollziehen, wenn manche Menschen glaubten, Frances sei auch geistig nicht ganz fit. Sie wusste jedoch, dass bei ALS der Verstand selten nachließ. Das machte es ja so schrecklich. Zu wissen, dass der eigene Körper langsam seine Funktionsfähigkeit einbüßte, bis man sogar fürs Atmen eine Maschine brauchte. Während der Geist unerträglich klar blieb und man genau wusste, was einem genommen wurde.
Das war ein Unterschied zur Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die möglicherweise in Kate schlummerte. Diese Krankheit raubte den Betroffenen alle kognitiven Fähigkeiten.
Hör auf, Kate.
Sie hatte seit Monaten nicht mehr daran gedacht, hatte sich nicht erlaubt, darüber nachzugrübeln. Wobei es schwer war, nicht an die eigene Sterblichkeit zu denken, wenn man einer Mandantin gegenübersaß, die den Kampf ganz offensichtlich bald verlieren würde. Und die juristischen Beistand suchte, weil sie ihren eigenen Tod beschleunigen wollte.
Frances blickte Kate an. »Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich mir nicht das Leben genommen habe, als ich es noch konnte.« In ihrem dick gepolsterten Rollstuhl sah sie zwergenhaft klein aus. Ihre Augen, in denen noch Tränen von ihrem Lachanfall standen, blickten derart trotzig drein, dass es Kate eng ums Herz wurde. Weshalb musste sich jemand dafür rechtfertigen, leben zu wollen? Oder sterben zu wollen?
»Ich wollte weiterleben«, sagte Frances leise.
Sie blickte erneut auf ihre Hände. Ihre Augenlider wirkten zart und durchscheinend. Wie bei einem Embryo. Der Kreislauf des Lebens: Anfang und Ende trafen sich.
»Ich würde gerne weiterleben.« Sie versuchte gar nicht erst, ihre Verzweiflung zu verbergen. Oder ihre Entschlossenheit. »Aber nicht so.«
»Es tut mir leid.« Kate hatte das Gefühl, versagt zu haben. Einen Moment lang wünschte sie sich feige, sie hätte Frances nie als Mandantin angenommen. Dann müsste sie sich jetzt nicht mit ihrer Unfähigkeit auseinandersetzen, ihr zu helfen.
Eine Entscheidung des Supreme Court kannst du nicht aufheben, Kate.
Sie konnte sie nur anfechten. Sofern ihre Mandantin das wollte.
Und Frances Sloane wollte nicht.
»Mehr kann ich leider nicht für Sie tun.« Kate erhob sich. Wie schaffen das die Ärzte eigentlich dauernd?
Frances holte zitternd Luft. »Ich verstehe. Können Sie bitte Phyllis holen?«
Kate nickte. »Selbstverständlich.«
Sie eilte ins Foyer. Die kühle Luft auf dem Flur war erfrischend. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie drückend die Atmosphäre in ihrem Büro geworden war.
Wartend blieb sie im Gang stehen, während Phyllis den Rollstuhl Richtung Foyer lenkte. Zum Abschied hob Kate die Hand. »Machen Sie es gut, Frances.« Es klang schrecklich unangemessen. Aber was sollte sie sonst sagen? »Einen schönen Tod noch«, oder »Wir sehen uns dann auf Ihrer Beerdigung«?
Frances nuschelte: »Alles Gute.« In ihren Augen standen Tränen.
Oh nein.
Phyllis schob den Rollstuhl zu den Fahrstühlen. Kate schaute ihnen nach.
Wahrscheinlich siehst du sie gerade zum letzten Mal.
Ihr Magen zog sich zusammen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und schloss ihre Bürotür schwungvoller als nötig. Mehr kannst du nicht für sie tun, Kate. Gesetz ist Gesetz. Und sie wollte ja nicht vor Gericht gehen.
Sie ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl nieder, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken.
Vor ihrem inneren Auge sah sie Frances Sloane zusammengesunken im Rollstuhl sitzen und ihr unverwandt ins Gesicht blicken.
»Verdammt!«
Sie stand auf, um das Bild abzuschütteln. Dann eilte sie aus dem Büro. Frances und ihre Pflegerin warteten noch vor dem Fahrstuhl.
»Frances!« Kate stellte sich zwischen ihre Mandantin und die Fahrstuhltüren. »Mir ist da eben etwas eingefallen …«
»Gibt es doch eine Hintertür?«
»Nein. Aber es gibt eine andere Möglichkeit, die juristische Lage zu ändern. Sie könnten Ihren Abgeordneten durch Lobbyarbeit dazu bringen, für eine Gesetzesänderung einzutreten.«
Frances sah sie interessiert an.
Kate sprach nun etwas leiser. »Wenn Sie es schaffen, sie zu überzeugen, werden sie sich im Parlament dafür einsetzen. Das erspart Ihnen den langwierigen Kampf vor Gericht.«
Der Fahrstuhl klingelte. Frances’ Pflegerin wollte den Rollstuhl in den Aufzug schieben, aber Frances streckte die Hand aus und fasste Kate am Ärmel. Ihre Finger konnten den Stoff nicht halten. Sie ließ die Hand wieder auf die Armlehne sinken.
Der Fahrstuhl fuhr ohne Kates Mandantin nach unten.
»Würden Sie mir helfen?« Frances streckte erneut die Hand aus. Kate konnte sich nicht erinnern, dass Frances Sloane früher auch so viel Körperkontakt gesucht hatte. Vielleicht tat sie es jetzt, weil sie spürte, wie ihr diese Fähigkeit verloren ging. »Würden Sie eine juristische Begründung für meinen Abgeordneten schreiben?«
Kate verzog bedauernd den Mund. »Ich bin keine Lobbyistin, Frances.«
»Aber Sie kennen die Rechtslage. Sie könnten das.«
Kate schüttelte den Kopf. »Frances … Es tut mir leid«, sagte sie sanft. »Sie müssen sich einen professionellen Lobbyisten suchen. Sicher finden Sie jemanden mit juristischer Vorbildung.«
»Ich möchte Sie.« Frances’ Blick wurde flehend.
Kate wurde es schwer ums Herz. »Weshalb?«
»Sie haben sich gegen den Halifax-Schlächter gewehrt, um nicht auf schreckliche Art zu sterben.«
Im Foyer war es plötzlich ganz still. Kate fühlte ein Kribbeln im Nacken. Sie war sicher, dass die Empfangsdame Melissa genau zuhörte. Während sie zugleich überall hinschaute, bloß nicht zu ihr und ihrer Mandantin.
Sie bringen alles durcheinander, Frances. Das war reiner Überlebenswille. Ich habe mir nicht vorher überlegt, wie ich diese Welt gern verlassen würde. Kate rieb sich die Arme. »Ich habe ihn umgebracht, um zu überleben, Frances.«
»Aber es ging Ihnen auch darum, nicht auf diese Art zu sterben, oder?«
Kate merkte genau, worauf Frances mit ihrer Frage abzielte. Aber sie konnte sie nicht belügen. »Ja.« Der Wunsch zu leben hatte ihr die Kraft gegeben, den ersten Serienmörder von Halifax zu besiegen. Aber Frances hatte recht: Sie hatte sich auch deshalb so erbittert gegen den Halifax-Schlächter gewehrt, weil sie Angst hatte. Angst, auf die grausame Art und Weise ermordet zu werden, die dem Täter seinen Beinamen eingebracht hatte.
»Und Ihr Ruhm wäre für mich ein Pluspunkt, Kate.«
Himmel. Sie lachte nervös. »Frances, ich bin nicht so berühmt, wie Sie denken.«
»Sie sind eine Heldin. Sie haben andere junge Frauen vor dem Tod bewahrt. Bei mir ist die Krankheit der Mörder, Kate.« Frances schluckte. »Im Kampf gegen sie gibt es keine Hilfe. Keine Pillen, keine Operationen. Sie ist unheilbar und unbesiegbar. Also möchte ich wenigstens entscheiden dürfen, wie ich sterbe. Nämlich nicht so, wie es die Krankheit mit sich bringt.« Sie schwieg einen Moment. »Sie können sich noch frei entscheiden. Ich nicht.«
Sie könnten sich entschließen, mir zu helfen. Frances brauchte es nicht auszusprechen – sie beide wussten, was sie meinte.
Ihr bittender Blick war schwer zu ertragen. Aber Kate würde ihr keinen Gefallen tun, wenn sie einwilligte.
Und sich selbst würde sie auch keinen Gefallen tun. Seit ihrem Kampf mit dem Halifax-Schlächter litt sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie wollte nicht erneut mit den Erlebnissen von damals konfrontiert werden.
»Ich verstehe nichts von Lobbyarbeit, Frances.« Kate ging um den Rollstuhl herum. »Aber ich finde jemanden, der Ihnen hilft. Der dabei Aussicht auf Erfolg hat. Sobald ich jemanden habe, rufe ich Sie an.«
Man sah ihrer Mandantin die Enttäuschung an. »Wenn das Ihre Entscheidung ist …«
Kate zwang sich zu einem ermutigenden Lächeln. »Ich rufe Sie an.« Es klang schrecklich unzureichend.
Der Fahrstuhl klingelte und die Türen öffneten sich. Ihre Mandantin rollte in den Aufzug. »Alles Gute.« Ihr Tonfall hatte etwas Endgültiges.
Wahrscheinlich sprach sie den Abschiedsgruß immer so aus. Sie wusste ja nicht, wann der Tod sie ereilen würde.
Kate kehrte in ihr Büro zurück. Frances’ Rollstuhl hatte Radspuren auf dem Teppich hinterlassen.
Du kannst nicht jedem helfen, Kate.
Allerdings bat auch nicht jeder darum.
Sondern nur diese eine Frau.
Eine sehr kranke, hilflose Frau.
Kate ließ sich auf ihren Stuhl sinken und schloss die Augen.
Rebecca Chen hockte vor einem seichten und erstaunlich klaren Tümpel im Torfmoor und betrachtete zufrieden das Exemplar Sarracenia purpurea – auch als rote Schlauchpflanze bekannt. Jetzt tütest du die ein, und dann nichts wie weg.
Es war eine schöne Pflanze, wenngleich sie nach Rebeccas Notizen aus dem Biologiekurs zu den Fleischfressern gehörte und ihre Blütenblätter benutzte, um Beutetiere zu fangen. Rebecca steckte ihre Hand in den Schlamm, strich am Pflanzenstängel entlang abwärts und tastete nach dem Wurzelballen. Der Stängel bog sich zur Seite weg und verschwand unter einem überwucherten Torfbuckel. Rebecca seufzte auf. Schweiß trat ihr auf die Stirn.
Hinter dem Hang und den Klippen verborgen lag die Hafenausfahrt von Halifax. Am Horizont hing Nebel über dem tiefblauen Ozean, wie ein düsterer Wasserfall. Doch die kühle feuchte Brise, die der Nebel stets mit sich brachte, drang nicht bis zu Rebecca vor.
Ächzend versuchte sie die Hand unter den Buckel zu schieben. Ihre Finger trafen auf einen Stein. Der Stängel schien um ihn herumzulaufen.
Scheiße. Rebecca richtete sich ein wenig auf. Ringsum erstreckte sich das weite Torfmoor mit seinen zahllosen blauen Tümpeln und dem niedrigen Buschwerk auf den Torfbuckeln. Sie war zum ersten Mal am Chebucto Head, und das nur, weil ihr Biologielehrer sich dieses Praktikum für ihre Klasse ausgedacht hatte. Dafür hatte sie ihn bereits heimlich verflucht, zumal sie die gemeinsame Exkursion der Klasse verpasst hatte und jetzt allein hatte herkommen müssen. Es waren fünfundzwanzig Minuten Fahrt bis zu der Straße, die auf die Landzunge hinausführte. Sie lief durch ein Naturschutzgebiet und endete bei einer kleinen Gruppe von Häusern, die bunt durcheinander auf den Granitfelsen kauerten, als hielten sie den Atem an.
Das Moor lag weiter draußen auf der Landzunge, zwanzig Minuten Fußweg entfernt. »Du musst die alten Bunker ansteuern«, hatte ihr der Lehrer gesagt. »Es sind zwei. Du kannst sie nicht übersehen. Das Moor liegt gleich unterhalb.«
Und wirklich, nachdem sie zwanzig Minuten lang einem holprigen, matschigen Pfad gefolgt war, hatte sie die Bunker am Rand der Klippen entdeckt. Der eine stand direkt am Meer, der andere etwas versetzt dahinter. Sie waren vor achtzig Jahren als äußere Verteidigungsanlage für den Hafen gebaut worden. Der untere Bunker stand am Hang, sein flaches Dach hob sich hart und schief gegen den Himmel ab. Rings um die plumpen Betonquader wuchsen hohe Sträucher und ein paar verkrüppelte Nadelbäume. Doch das wuchernde Gestrüpp und dichte Astwerk ließen diese Relikte aus Kriegszeiten nicht freundlicher erscheinen, sondern unterstrichen noch ihre rohe Zweckmäßigkeit.
Sogar jetzt im Mai und bei hellem Sonnenschein wirkten die Bunker unheimlich. Rebecca ging an ihnen vorbei und weiter den Hügel hinab zum Torfmoor, einem weiten, unbewaldeten Sumpf, dessen Tümpel in der Sonne funkelten und in dem es angenehm nach Harz roch. Die Pflanzen für den Biologieunterricht zu finden hatte nicht lange gedauert.
Bis jetzt.
Letztes Praktikum des Schuljahrs, letztes Praktikum in der Highschool, Rebecca. Grund genug, ganz besonders eifrig in der Erde herumzuwühlen. Sie umfasste den Stein, an dem die Pflanze festsaß, die Rebecca bereits als ihr Eigentum betrachtete. Sie zerrte Stein und Pflanze unter dem Buckel hervor, wobei sie nach hinten kippte. Taumelnd stand sie auf, das Objekt der Begierde in der Hand.
Ihr Hintern war bei der Aktion ziemlich nass geworden. Mist.
Sie löste das Wurzelgewirr vom Stein.
Und erstarrte.
Unter den Pflanzenteilen und dem Schlamm sah etwas hervor, das mit Kalk überzogen schien. Es war ganz glatt.
Oh Gott. Das fühlte sich verdächtig nach einem Knochen an.
Rebecca, das ist kein Knochen.
Aber es war ein Knochen. Mit klopfendem Herzen entfernte Rebecca die Wurzeln.
Die sanfte Rundung und die kalkartige Oberfläche waren nun gut zu erkennen.
Es ist ein Tierknochen. Wahrscheinlich von einem Hirsch.
Sie schaute zu dem Torfbuckel und suchte nach dem Loch, das sie gegraben hatte.
Ihr stockte der Atem.
Sie konnte sich nicht bewegen.
Nicht blinzeln.
Nicht schreien.
Fassungslos blickte sie in zwei vorquellende farblose Augen, die sie böse anstarrten. Dann sah sie die Hakennase, das zahnlose Lächeln, das Haar oben auf dem Kopf. Alles war im gleichen bräunlichen Ton eingefärbt.
Ein Horrorfilm in Sepia.
Zuerst konnte ihr Gehirn gar nicht verarbeiten, was sie da sah. Dann aber holte sie tief Luft. Und ihr Gehirn suchte nach einer Erklärung.
Die Glubschaugen gehörten natürlich zu einer Maske. Jemand hatte eine Halloweenmaske aus Gummi ins Moor geworfen. Vor Erleichterung wurde ihr ganz flau. Aber dann fiel ihr wieder der kalte, glatte Knochen ein, der noch immer auf ihrer Handfläche lag.
Sie hatte nicht nur eine Maske freigelegt. Die Maske gehörte zu einem Toten.
Den Beweis dafür hielt sie buchstäblich in der Hand.
Sie wollte schreien.
Da lag eine Leiche unter dem Torfbuckel. Unter ihr.
Oh Herr im Himmel. Sie hielt den Knochen von einem Toten in der Hand!
Sie warf den Knochen so heftig ins Wasser, dass es überallhin spritzte. Auf ihren Körper, ihr Gesicht, sogar in ihren Mund. Sie schmeckte etwas Erdiges und Fauliges auf der Zunge. Moorwasser.
Wasser, in dem eine verweste Leiche lag.
Sie wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. An der Hand klebte Schlamm.
Schlamm, der einen Toten bedeckt hatte.
Das war zu viel für ihren Magen. Sie übergab sich auf ihre Gummistiefel.
Dann begann sie laut zu schreien.
Das ziellose Gewimmel der Menschen auf den Gehwegen machte McNally nervös. Ebenso die endlosen Reihen von Brotsorten im Lebensmittelladen … Neunkorn, Vollkorn, Vital, Soja, Weizenschrot. Bio hier, Vegan da. Alles war so … kompliziert.
Und überall Mädchen und Frauen …
Seine ersten Tage in Freiheit waren wie in Trance vergangen. Rick Lovett, der früher an seinen Lippen gehangen hatte, war jetzt sein Chef. Sein alter Freund hatte ihn mit Warnungen begrüßt: »Halt dich von mir fern. Und keine Drogen. Keine Polizei.« Zugleich hatte Lovett die leer stehende Hausmeisterwohnung in einem schäbigen Mietshaus im Norden der Stadt aufgeschlossen. »Du musst rund um die Uhr erreichbar sein. Die Wochenenden hast du frei. Dafür wohnst du mietfrei. Erschreck die anderen Mieter nicht.« Er hatte McNally die Schlüssel zugeworfen, wobei seine Miene verriet, dass er seine Großzügigkeit schon bereute. »Und setz gefälligst ein Basecap auf, bis deine Haare nachgewachsen sind. Mit dem Tattoo siehst du aus, als wärst du Mitglied in einer Gang.«
McNally spürte Hitze im Nacken, aber er steckte die Schlüssel ein und betrat die Wohnung.
Sie war klein. Sie war leer. Sie gehörte ihm.
Hier konnte er tun und lassen, was er wollte.
Sein Herz begann schneller zu schlagen.
»Wird gemacht, Chef«, sagte er lässig und schlug Lovett die Tür vor der hässlichen Visage zu.
Am nächsten Morgen wachte er um 5:04 Uhr auf. Er verzog das Gesicht. Selbst im Gefängnis wäre das früh gewesen.
Er vergrub das Gesicht im Kissen. Eigentlich hatte er den ersten Tag seines neuen Lebens damit feiern wollen, dass er so richtig ausschlief.
Aber Körper und Geist hatten sich noch nicht umgestellt.
Unfähig, noch länger still zu liegen, sprang er auf. Er würde sich erst einmal einen Kaffee machen und eine Liste mit Dingen aufstellen, die er beschaffen musste.
Eine halbe Stunde später war die Liste zwei Seiten lang, und McNally war frustriert. Bei dem Lohn, den Lovett ihm zahlte, würde es mindestens ein Jahr dauern, bevor er sich all das kaufen konnte, was er brauchte.
Und wollte. Wie zum Beispiel eine professionelle Tätowierausrüstung.
Er zog die Laufschuhe an. Sportkleidung besaß er nicht, also mussten die Jeans genügen. Er trat in den Hausflur und verschloss die Wohnungstür, wobei er die Erinnerung an die tausend Male, die ein Schließer ihn eingesperrt hatte, ganz, ganz weit beiseiteschob. Dann machte er sich auf den Weg in die Tiefgarage.
Lovett hatte ihm die Schlüssel zu einem Firmenwagen überlassen. Der marineblaue Transporter stand in einer Ecke des Parkdecks, leicht zu erkennen an dem großen goldenen Logo von Lovetts Immobilienfirma: Lovett Group Limited.
McNally fuhr über die Brücke Richtung Cole Harbour. Er genoss das Vibrieren des Achtzylinder-V-Motors. Fünfzehn Minuten später bog er in die Bissett Road ein – wobei er über die Ermahnungen auf den Plakatwänden einer fundamentalistischen Kirche die Nase rümpfte – und steuerte die Zufahrt zum Strand von Rainbow Haven an. Noch konnte er das Meer nicht sehen, aber er spürte es schon in der Ferne. Er fuhr auf den Parkplatz. Die Reifen knirschten, der Motor brummte leise, sonst war es still.
Er war der einzige Besucher. Er sprang aus dem Wagen.
Meeresluft strich über sein Gesicht, feucht, nach Seetang riechend und belebend.
Er rannte los. Es tat gut, die Luft auf der Haut zu spüren und von Weite umgeben zu sein.
Er joggte an der Cafeteria und den Umkleidekabinen vorbei. Seine Turnschuhe erzeugten auf den Holzplanken ein dumpfes Geräusch. Wenig später war er am Strand.
Er blieb stehen. Die großartige Weite von Sand, Wasser, Himmel weckte in ihm ein Gefühl von Leere. Sein Herz hämmerte.
Stille.
Wann war er das letzte Mal von Stille umgeben gewesen?
Hier gab es nur das sanfte Rauschen der Brandung, den gedämpften Schrei eines Seevogels und den flüsternden Wind.
Die Wellen waren heute niedrig. Als Teenager hatte er hier auf weißen, schäumenden Brechern gesurft, in denen die Kraft von Milliarden Wassertropfen gebündelt war. Das waren mit die besten Tage seines Lebens gewesen.
Er ließ den Blick über den weiten Strand schweifen.
Meeresschaum, eine tote Krabbe und Kiesel, die von Hunderttausenden von Wellen rund geschliffen worden waren.
Die Morgendämmerung tauchte den Himmel in strahlendes Gold. Es floss ihm unter die Haut, durchströmte seine Zellen und erfüllte ihn auch dort mit Licht, wo sein Leben lang nichts als Grau gewesen war. Auf einmal erblühten Farben in ihm.
Zum ersten Mal seit seiner Inhaftierung vor zwölf Jahren war ihm nach Weinen zumute.
Er wandte sich dem Wind entgegen und rannte los, den Strand entlang. Nach einer Weile fiel er in ein gleichmäßiges Lauftempo und blieb erst stehen, als der wilde Überschuss an Energie in seinem Körper zu einem erträglichen Summen abgeklungen war.
Eine gute Stunde später stieg er schweißüberströmt in den Transporter. Was er jetzt brauchte, war eine weitere Tasse Kaffee. Er schaltete das Radio ein und fand einen Sender, der klassischen Rock spielte. Als er die Brücke nach Halifax erreichte, sang er bereits laut mit.
Die hoffnungsvolle Stimmung war jedoch von kurzer Dauer. Sobald er die Spring Garden Road entlangspazierte, um sich in eins der geschäftigsten Einkaufsviertel von Halifax zu stürzen, wurde er wieder nervös und angespannt.
Ständig fühlte er Blicke auf sich. Er stand an einer Kreuzung und wartete darauf, dass die Ampel umsprang, wandte sich um und schaute die junge Frau an, die direkt hinter ihm stand. Sie trug ein winziges Tanktop und knappe Shorts. Er wollte ihr zulächeln. Sie wich einen Schritt zurück.
Eilig betrat er einen Drugstore. Er brauchte einen Rasierer und Aftershave. Beim Aussuchen ließ er sich Zeit, damit sein Verstand das überwältigende Angebot verarbeiten konnte. Dabei spürte er ein Kribbeln im Nacken. Der Wachmann behielt ihn im Auge. Er nahm eine Fünferpackung Einwegrasierer und klemmte sie sich unter den Arm, während er an mehreren Aftershave-Gels roch. Eines duftete besonders frisch und sauber.
»Hm … Du riechst so gut«, murmelte Kenzie ihm ins Ohr. »Nach Citrus oder so.«
Dieses Gel roch auch nach Citrus. Er klemmte es sich ebenfalls unter den Arm und stellte sich in die Schlange vor der Kasse. Beim Warten überflog er die Titelseiten der Zeitschriften.
Die Kassiererin warf einen prüfenden Blick auf seine Jackentaschen.
Er ließ seine Einkäufe auf den Tresen fallen, freute sich am Zusammenzucken der Kassiererin und bezahlte. Aber kaum marschierte er wieder an den Schaufenstern der Geschäfte vorbei, spürte er erneut dieses Kribbeln im Nacken. Jeder starrte ihn an. Er steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans und zog sich in einen Zeitungsladen zurück.
Hier war es kühl. Ruhig. Er ging an den Auslagen entlang. Die Titelbilder der Zeitschriften sprangen ihn regelrecht an. Jahrelang hatte er beim Zeichnen nur schwarze und blaue Stifte verwenden dürfen. Die satten Farben und die Bilder schöner Frauen weckten in ihm das Verlangen, mit Tinte zu zeichnen. Am liebsten auf Haut.
Die Tattoo-Zeitschriften lagen im unteren Regalfach in der hinteren Ladenecke. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Tattoo-Zeitschriften waren im Gefängnis verboten gewesen. Die wenigen, die dort zirkulierten, stammten noch aus der Zeit vor seiner Ankunft. Er bückte sich und schaute sich die Titelbilder an. Da er sich nicht entscheiden konnte, nahm er von jeder Zeitschrift ein Exemplar und ging zur Kasse. Sie kosteten mehr als erwartet – mehr, als er sich leisten konnte –, aber er kaufte sie trotzdem.
Eine halbe Stunde später lag er auf seiner Matratze und blätterte in den Heften. Mitten in einem besonders populären Magazin hielt er inne. Er starrte auf die aufgeschlagene Seite.
Kenzie Sloane, Göttin japanischer Tattoos. So lautete die Überschrift. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Schlag versetzt.
Nur einen halben Meter entfernt schaute Kenzie ihm entgegen, scharf umrissen und in Hochglanz. So sah sie jetzt also aus, nach siebzehn Jahren.
Sie sah gut aus.
Sehr gut.
Ihre himmelblauen Augen waren mit schwarzem Eyeliner umrahmt. Durch die Jahre hatte ihr Gesichtsausdruck an Sicherheit gewonnen. Das einfache schwarze Tanktop bildete einen scharfen Kontrast zu dem Gewimmel japanischer Motive auf ihren Armen, ihrer Brust, ihrem Nacken.
Ihrem Nacken.
Sein Blick sprang zwischen dem Artikel und den knalligen Fotos hin und her.
Je mehr er sah, desto gieriger wurde er.
Je mehr er las, desto wütender wurde er.
Hatte Kenzie jemals anerkannt, dass er sie ans Tätowieren herangeführt hatte?
Nein.
Sie hatte ihn benutzt.
Und ihn dann verlassen. »Diese Schlampe!« Er warf das Magazin auf den Fußboden und sprang wütend auf. Sein Herz klopfte wie wild.
Er hatte gewusst, dass sie mit dem Tätowieren Erfolg hatte, aber wie berühmt sie inzwischen war, hatte er nicht geahnt.
War er zu naiv gewesen? Hatte er bewusst die Augen verschlossen?
War er zu dumm?
Er hob die Zeitschrift auf und betrachtete noch einmal Kenzies Gesicht.
Sein Herz hing seit siebzehn Jahren an ihr. Das hatte nie nachgelassen, und jetzt spürte er es stärker denn je.
Er musste sie sehen. Mit ihr sprechen. Ihr deutlich machen, was für einen schweren Fehler sie begangen hatte.
Es sollte ihr leidtun, dass sie ihn kein einziges Mal angerufen hatte. Oder besucht. Dass sie nie gesagt hatte, sie bereue es sehr, in jener Nacht davongelaufen zu sein.
Stattdessen hatte sie sich jemanden gesucht, der sie als Lehrling in seinem Laden in Montreal arbeiten ließ. Danach war sie in die Staaten gezogen. Und nun – er biss die Zähne zusammen – hatte sie ihre eigene Rubrik in der Zeitschrift und beantwortete Leserfragen, unter der Überschrift »KOI – Kenzie On Ink«.
Du hältst dich wohl für clever, dachte er. Aber ich wette, was du da an Ratschlägen in die Welt hinausposaunst, hast du alles von mir gelernt, als du siebzehn warst.
»Kenzie freut sich über jede Frage, ob von Anfängern oder Profis«, hieß es in dem Artikel. Dazu war Kenzies Homepage angegeben, wo man auch »einen Überblick über Kenzies Gastauftritte in Tattoo-Studios« finden könne.
Er steckte das Magazin in die Jackentasche, griff nach dem Bund mit den Generalschlüsseln und ging durch die Eingangshalle zum Hausmeisterbüro. Einer der Mieter stand vor den Briefkästen, die links und rechts von der Bürotür angebracht waren. »Sie sind der neue Hausmeister, oder?«, fragte der kleine rundliche Typ und lächelte arschkriecherisch.
McNally suchte an seinem Bund nach dem Büroschlüssel. »Ja.« Er erwiderte den Blick des Mannes auf eine Weise, mit der er im Gefängnis mehr als eine Unterhaltung beendet hatte.
Der Typ stopfte seine Post in eine Einkaufstasche. McNally hoffte, dass er sich jetzt in seine Wohnung verziehen würde, aber er fischte den Prospekt eines Discounters aus der Post und fing an, darin zu blättern.
McNally schluckte seine Wut hinunter.
Dieser Schlüssel hier sah so aus, als könnte er passen. Er steckte ihn ins Schloss und drehte am Türknauf.
Bingo.
Er betrat das Büro. Dabei fühlte er den Blick des Mieters im Rücken. Sicher betrachtete er jetzt das Spinnennetz-Tattoo auf seinem Hinterkopf und fragte sich, ob er sich weiter einschleimen oder besser auf Distanz gehen sollte.
Er schlug dem Mann die Tür vor der Nase zu und verriegelte sie.
Das diente nur der Sicherheit des Mieters, fand McNally. Wenn der Typ ihn weiter genervt hätte, hätte er ihm noch die Fresse poliert.
McNally ging zum Rechner. Im Knast hatte er wenig Zugang zu Computern gehabt, aber während seiner kurzen Zeit auf Bewährung hatte er an einem Kurs teilgenommen. Dieses Gerät war alt und langsam. Bis es hochgefahren war, trommelte McNally nervös auf der Tischplatte herum. Dann tippte er die Adresse von Kenzies Homepage ein und wartete darauf, dass die Seite geladen wurde.
Es wollte ihm glatt den Hals zuschnüren. An den senkrechten Bildschirmrändern schwammen Kois hinauf. Den Hintergrund bildete ein blasser Wasserfall. McNally klickte darauf, und Kenzie füllte den Bildschirm.
Ihm wurde heiß, als er ihre schlanken, tätowierten Glieder sah. Ihre vollen Brüste. Ihr spöttisches Lächeln.
Hatte sie jemals versucht, ihn ausfindig zu machen? Hatte sie jemals seine Telefonnummer nachgeschlagen oder im Internet nach ihm gesucht?
Sie seien Seelenverwandte, hatte sie einmal gesagt. Und er hatte ihr geglaubt. Er hatte ihr unbedingt glauben wollen. Nachdem er jahrelang von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht worden war und nie, wirklich nie von seiner leiblichen Mutter gehört hatte, war Kenzie der erste Mensch gewesen, der wirklich zu ihm gehörte. Er hatte ihr die dunkle Seite seiner Seele gezeigt – und sie hatte es genossen.
Er hatte ihr alles gegeben.
Er hatte alles getan, worum sie ihn bat.
Sie hatten sich durch Blut, Schuld und Komplizenschaft aneinander binden wollen.
Und dann hatte er nichts mehr von ihr gehört.
Es war, als hätte ihm jemand einen Stich ins Herz versetzt.