Von der Muse geküsst - J. M. Summer - E-Book

Von der Muse geküsst E-Book

J. M. Summer

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Beschreibung

Bethany Green ist verzweifelt. Seit Monaten fehlen ihr die guten Ideen. Ihre Kuchen und Torten – so findet sie – schmecken nur mehr fade und langweilig. Als sie eines Tages beschließt, jemanden einzustellen, um mehr Zeit für ihre Leidenschaft aufbringen zu können, da weiß sie noch nicht, dass der Mann, den sie in ihrer Küche K. O. schlägt, alles andere ist, als eine ganz normale Aushilfe.

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Von der Muse geküsst

 

Ein göttlicher Kurzroman

 

J. M. Summer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Deutsche Erstausgabe November 2020

© 2020 J. M. Summer

Umschlaggestaltung: Schattmaier Design, https://www.schattmaier-design.com

unter Verwendung von Motiven von shutterstock

 

Alle Rechte, einschließlich die des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

 

c/o Jacqueline Lukovnjak,

Alois-Schrott-Str. 27,6020 Innsbruck

 

Instagram: jmsummer_autorin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nichts ist mächtiger als eine Idee zur richtigen Zeit.

(Victor Hugo)

 

 

 

 

 

INHALT

 

 

DANKSAGUNG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

EPILOG

ÜBER DIE AUTORIN

 

 

 

 

DANKSAGUNG

 

Es mag für manche etwas ungewöhnlich wirken, die Danksagung am Beginn eines Buches zu finden. Doch das soll eine zusätzliche Wertschätzung für alle sein, die mir geholfen haben, diesen Band zu veröffentlichen. Ihr sollt nicht übersehen werden, denn ihr seid Teil meiner Geschichte.

Dazu gehören meine wundervollen Testleser, die mir tolles, aber auch kritisches Feedback gegeben haben. Ich bin froh, dass ihr Bethany und Nate begleitet und sie zu denen gemacht habt, die sie heute sind.

Dann natürlich auch wieder einen besonderen Dank an meinen Schatz. Die Tage sind nicht immer leicht, aber ich bin froh, dass du mich stetig zum Lachen bringst und aufmunterst, das Beste aus allem zu machen.

Natürlich auch wieder ein Dank an Jennifer Schattmaier, die mir dieses wunderhübsche Cover designt hat. Ist es nicht einfach toll?

Und wie immer gilt der größte Dank meinen Lesern. Ihr habt euch für mein Buch entschieden. Ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich mich das macht. Möge euch die Muse küssen, damit all eure Ideen einen Platz finden.

 

 

 

 

 

 

 

KAPITEL 1

„Verflixt nochmal“, fluchte Bethany Green und schleuderte ihr Geschirrtuch auf die Arbeitsplatte. Seit Monaten kriegte sie nichts mehr gebacken und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Torten und ihr Gebäck, so fand sie, schmeckten nur noch fade, und auch ihr Anblick langweilten sie mehr als gut war. Monatelange nächtliche Backversuche blieben erfolglos und der Frust, der dabei entstand und immer größer wurde, blockierte ihre Kreativität nur noch weiter.

Sie blickte auf die gelbliche Pampe, welches ein Passionsfruchttörtchen hätte werden sollen. Doch so, wie sie es sich vorgestellt hatte, sah es nicht einmal annähernd aus. Der Teig war vollgesogen mit der Creme, die, wie sie dachte, ein Erfolg werden würde und wie ein Törtchen sah es ebenfalls nicht mehr aus. Wieso das passiert war, konnte sie sich nicht erklären.

Es war zum Verzweifeln.

Angeekelt beförderte sie den Brei in den Müll und fühlte sich dabei in ihre Ausbildungsjahre zurückversetzt. Auch dort gab es Tage, an denen absolut nichts funktionieren wollte. Nur damals konnte sie es noch auf ihre Unerfahrenheit schieben, heute allerdings wusste sie selbst nicht, woran es lag.

War sie etwa in den letzten Jahren eingerostet?

Wenn ihr Ausbildner, Cedric Conticini, der Leiter einer der besten Pâtissier-Schulen in Frankreich, das sehen würde, hätte er erst einen Tobsuchtsanfall und dann wahrscheinlich auch noch einen Ohnmachtsanfall. Er war zwar einer der besten Pâtissiers in Frankreich, aber auch eine cholerische Diva, der ihr das Leben ganz schön zur Hölle gemacht hatte. Allerdings war es auch ihm zu verdanken, dass sie sich mit ihren Kreationen einen Namen machen konnte. Obwohl es in diesem Moment nicht danach aussah.

Vor mehr als zwei Jahren war sie nach Ausbildungsschluss, unzähligen Wettbewerben und einigen verschiedenen Arbeitsstellen auf der ganzen Welt, zurück nach Norfolk gekommen und hatte ihren Traum von einem kleinen Café erfüllt: das Bettys.

Hier gab es nicht nur leckeren Kaffee, sondern auch ihre eigenen Backkreationen, die sie tagtäglich mit Liebe backte. Seit Beginn an war es ein voller Erfolg gewesen. Die Einwohner der Kleinstadt liebten ihr Gebäck und ihr Café hätte nicht besser laufen können.

Und doch war sie seit geraumer Zeit nicht mehr zufrieden. Seit vielen Monaten hatte sie nichts Neues kreiert. Erst war sie zu beschäftigt gewesen, das Café zu eröffnen, dann war es der Stress, es zu leiten und nachdem endlich der Alltag eingekehrt war, wollte nichts mehr funktionieren. Nicht nur das, sie hatte einfach keine guten Ideen mehr. Ihr Kopf fühlte sich leer an und wenn sie meinte eine Idee zu haben, dann ließ sie sich nicht umsetzen.

Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und stöhnte. Es war halb vier Uhr morgens und die Müdigkeit saß tief in ihren Knochen. Für nichts auf der Welt würde sie das Bettys aufgeben wollen, aber seit Anfang an bekam sie jede Nacht nicht mehr als vier Stunden Schlaf. Nicht einmal Kaffee verhalf ihr mehr wach zu werden. Die Müdigkeit war zu ihrem ständigen Begleiter geworden.

Vielleicht war es an der Zeit, jemanden anzustellen. Jemanden, der ihr tagsüber im Café half, damit sie nicht nur Schlaf nachholen konnte, sondern auch mehr Zeit hatte, sich auf ihre Backkunst zu konzentrieren.

Sie sprang auf, als sie den hohen Piepston ihres Backofens hörte. Ihre Kirschplundertaschen für den heutigen Tag waren fertig. Während sie auskühlten, nahm sie gleich zwei davon vom Blech und legte sie auf die Seite. Ihre engste Freundin Eva und ihr Ehemann Aiden wollten heute noch vorbeischauen, bevor sie einige Wochen nach London reisten, damit sich Eva Kunststücke für ihre Galerie ansehen konnte.

Zusammen mit Aiden hatte sie vor einigen Monaten eine kleine Galerie in der Stadt eröffnet. Und auch wenn Bethany keine Ahnung von Kunst hatte, musste sie zugeben, dass es wirklich außergewöhnliche Stücke waren, die sie verkaufte. Manche von ihnen waren atemberaubend und sie überlegte sich bereits, Eva nach einem passenden Kunstwerk für ihr Café zu fragen.

Sie nahm die Füllung für die Erdbeertorte aus dem Kühlschrank. Der Kuchenboden war mittlerweile abgekühlt und nun musste sie die einzelnen Teile für die Torte nur noch zusammensetzen. Die Schritte beherrschte sie im Schlaf und wirklich viel darüber nachdenken musste sie schon lange nicht mehr.

Alles, was sie verkaufte, machte sie selbst und darauf war sie stolz. Dennoch liebte sie die Herausforderung, die ihr jedoch seit Monaten fehlte. Bethany arbeitete gerne neue Kompositionen aus, die allein im Geschmack nicht zusammenzupassen schienen, aber gemeinsam eine Geschmacksexplosion auslösen konnten.

Doch wann war das letzte Mal gewesen, dass sie etwas erschaffen hatte, das ihr Konditorherz höherschlagen ließ? Daran konnte sie sich nicht erinnern.

Etwas mehr als zwei Stunden arbeitete sie noch in der Küche. Ihr Café öffnete um halb sieben und Bethany wusste, dass einige ihrer Stammgäste, um diese Uhrzeit bereits auf sie warteten.

Und damit hatte sie recht.

Als sie die Tür aufsperrte, lachten ihr die ersten Morgenmenschen entgegen. Unter anderem auch Eva und Aiden, die so glücklich wirkten, dass Bethany kurz Neid in sich aufflackern spürte. Wie sehr sie sich auch jemanden wünschte, der sein Leben mit ihr verbringen wollte. Einen Mann wie Aiden, dem die ganze Liebe, die er für Eva hegte, ins Gesicht geschrieben stand. Jeder, der die beiden betrachtete, wusste sofort, wie sehr sie sich liebten. Vor einem halben Jahr hatten die beiden geheiratet und seitdem waren sie noch verliebter als zuvor.

„Ihr seid heute früh dran“, sagte Bethany und ging dann hinter die Kuchentheke.

„Ja, wir haben noch einige Besorgungen zu erledigen, bis wir losmüssen“, antwortete Eva gähnend.

„Glaub ihr kein Wort! Sie wollte nur früh genug hier sein, um eine von deinen Plundertaschen abzubekommen“, sagte Aiden lachend.

„Ja, ich gebe es zu. Das war auch einer der Gründe. Ich habe bereits Entzugserscheinungen.“

Bethany spürte, wie sie rot wurde. Mit Komplimenten umgehen hatte sie noch nie gekonnt.

„Ich habe euch welche auf die Seite gelegt.“

„Du bist ein Schatz. Können wir auch zwei Spezialkaffees haben? Wir setzen uns dort hinten hin“, sagte Eva und zeigte an den Tisch neben der Leseecke. Bethany nickte und machte sich an die Arbeit.

Das Bettys war mit fünf Tischen nicht sonderlich groß, aber die Ausstattung spiegelte ihren Charakter wider. Sie liebte Farben und auch das Café hatte sie bunt eingerichtet. Sogar jeder Stuhl und Tisch hatte eine andere Farbe. Für manche mochte es infantil erscheinen, doch jedem, der das Café betrat, zauberten die vielen Farben ein Lächeln ins Gesicht.

Und das war genau das, was sie wollte: fröhliche und zufriedene Gäste.

Sie bediente noch die anderen Kunden, die das Bettys betreten hatten, und gesellte sich dann zu Eva und Aiden.

„Du siehst müde aus. Bist du krank?“, fragte Aiden und musterte sie. Sie schüttelte den Kopf.

„Nein. Mir fehlt nur etwas Schlaf.“

„Wieso? Was ist los? Kennen wir ihn?“, fragte Eva und biss genüsslich von ihrer Kirschplundertasche ab. Bethany lachte.

„Es gibt kein ‚ihn‘. Ein Café zu leiten ist nur sehr anstrengend. Mehr als vier Stunden Schlaf sind eben nicht drin.“ Eva klappte die Kinnlade herunter.

„Nur vier Stunden? Seit wann geht das denn so?“ Bethany zuckte mit den Achseln.

„Seit Anfang an?“

„Du meinst, du hast seit zwei Jahren nicht mehr als vier Stunden jede Nacht geschlafen?“ Sie nickte.

„Wieso hast du nie etwas gesagt? Ich hätte dir doch ausgeholfen.“

Ihr wurde warm ums Herz. Die Freundschaft zu Eva war in den letzten zwei Jahren stärker geworden und Bethany war für jeden Tag dankbar. Seit Kindheit an kannten sie sich bereits, doch Jahre lang hatten sie keinen Kontakt mehr zueinander gehabt. Erst als Eva zurückkam und ihre Tante, die sich ein Bein gebrochen hatte, pflegte, war auch ihre Freundschaft wieder aufgeblüht.

„Es ist nichts, mit dem ich nicht klarkomme.“

„Wieso stellst du niemanden ein? Das Geschäft läuft doch gut, oder?“

„Ja, das habe ich mir bereits überlegt. Ich glaube, es wird Zeit. Es ist nur ...“

„Es ist nur was?“, fragte jetzt Aiden.

„Ich weiß auch nicht. Seit einigen Monaten versuche ich mich an neuen Rezepten, aber es scheint nichts funktionieren zu wollen. Mir sind die Ideen ausgegangen und egal, wie sehr ich mich anstrenge, es kommt nichts dabei raus. Es ist lächerlich, aber das beschäftigt mich mehr als der fehlende Schlaf.“

„Du meinst, du hast so etwas wie ein Kreativitätstief?“

„Ja. Ich weiß, es könnte davon kommen, dass ich zu wenig Schlaf abbekomme, oder dass es hier auch mal ganz schön stressig werden kann, aber all die Jahre hatte ich damit überhaupt keine Probleme. Meine Ausbildungszeit war die Hölle, geschlafen habe ich so gut wie nie und trotzdem hatte ich eine Idee nach der anderen. Doch jetzt herrscht absolute Leere.“

„Können wir dir irgendwie helfen?“, fragte der Mann mit goldblonden Haaren. Die Einwohner der Stadt nannten ihn einen Engel und auch wenn er das nicht gerne hörte, musste sie zugeben, dass er mit seinen blauen Augen, blonden Haaren und weichen Gesichtszügen tatsächlich wie einer aussah.

„Mir fällt sicher bald etwas ein. Besucht mich nur weiterhin, wann immer ihr Zeit habt. Ich bin froh über ein paar Minuten Auszeit.“

„Das weißt du doch. Solange du uns mit deinen Köstlichkeiten versorgst, musst du nichts befürchten“, antwortete Eva grinsend und stöhnend gleichzeitig, als sie noch einen weiteren Bissen nahm.

„Wisst ihr jemanden, den ich anstellen könnte?“

Beide schwiegen. Evas Augen wurden glasig und sie schien darüber nachzudenken. Doch als eine ganze Weile keine Antwort kam, wurde sie stutzig.

„Ähm, Leute?“

Das schien Eva aus ihren Gedanken zu reißen und sie wechselte einen Blick mit Aiden.

„Was ist los?“

Eva schüttelte den Kopf und eine Haarsträhne verirrte sich in ihr Gesicht. Wieso Eva sich für eine unscheinbare Brünette hielt, war Bethany ein Rätsel, denn ihre Freundin war alles andere als das. Bethany beneidete ihre olivfarbene Haut, haselnussbraunen Augen und schulterlangen Haare. Und zusammen mit einem Körper, für den viele Frauen töten würden, konnte sie einigen Models Konkurrenz machen. Sie und Aiden gaben das bestaussehendste Paar ab, das Bethany kannte.

„Entschuldige“, sagte sie und rieb sich über die Augen, „ich weiß vielleicht jemanden, der dir helfen könnte. Er ist sozusagen ... verwandt mit Aiden.“

„Wirklich?“

„Ja, ich kann ihn ja mal fragen.“

„Das wäre toll. Die Hilfe könnte ich gut gebrauchen.“

Sogleich fühlte sie sich etwas leichter. Sie hätte bereits früher nach Hilfe suchen sollen, aber der Gedanke daran, dass jemand ihre Arbeit übernahm, machte sie nervös.

„Wie geht es Martha?“

„So gut wie noch nie“, antwortete Aiden, „sie und Bert sind glücklich. Erst gestern hat sie uns den Vorwurf gemacht, dass wir sie früher überreden hätten müssen, ins Seniorenheim zu gehen.“

Bethany lachte. Denn Martha, Evas Tante, war kurz nach Evas und Aidens Hochzeit freiwillig ins Seniorenheim gegangen. Bis dahin hatte sie zusammen mit den beiden im selben Haus gelebt. Doch Martha wollte einerseits näher bei Bert, der auch im Seniorenheim wohnte, leben und andererseits war das Haus ihr Hochzeitsgeschenk an das junge Paar. Obwohl Aiden und Eva darauf beharrten, Martha solle im Haus wohnen bleiben, hatte sie ihren Entschluss gefasst. Sie war nicht mehr davon abzubringen.

„Sie sagte, sie kommt heute mit Bert vorbei. Ich hoffe, du hast noch genug Erdbeertorte da.“

Bethany schmunzelte. Genau wie Eva war auch Martha süchtig nach Süßem.

„Für die beiden doch immer, das weißt du doch.“

Als Aiden und Eva das Bettys verließen, fing ihr Tag erst an. Sie servierte einen Kaffee nach dem anderen, sah dabei zu, wie ihr Kuchen und Gebäck weniger wurden, und unterhielt sich dabei mit bekannten und einigen unbekannten Gesichtern.

Sie atmete erleichtert auf, als sie die Tür zum Bettys schloss. Der Tag war wieder ein voller Erfolg gewesen. Ihre Kuchen waren ausverkauft und ihre Gäste waren zufrieden nach Hause gegangen. Mit ihrer Hand massierte sie sich ihren Nacken. Ihr rotes, lockiges Haar klebte an ihrem Hals. Sie hatte dringend eine Dusche nötig, doch davor war noch einiges zu tun.

Verschwitzt und mit schmerzenden Beinen machte sie sich ans Aufräumen. Eine Stunde später dann kontrollierte sie die Türen. Norfolk war ein sicheres Städtchen, aber das hieß nicht, dass sie Diebe mit offenen Türen ins Bettys einladen wollte.

Zufrieden machte sie sich auf den Weg in die Küche und stockte.

Dort auf der Arbeitsplatte lag etwas in der Größe ihrer Handfläche.

Verwirrt ging sie darauf zu und bestaunte ein kleines in weißen Marmor gehauenes Bild. Darauf abgebildet war eine junge, wunderschöne schlanke Frau. Sie war umhüllt in lockeren Gewändern, die ihren Körper umschmeichelten und bis zum Boden reichten. Auf ihrem Kopf trug sie einen Blumenkranz und in ihren Händen hielt sie eine Harfe, auf der sie zu spielen schien. Es wirkte so lebensecht, dass Bethany sogar glaubte, die Melodie der Harfe hören zu können.

Das Bild erinnerte sie an Evas Ausstellungsstücke in der Galerie.

Ob sie es hier vergessen hatte? Aber wie konnte das sein?

Sie hatte doch soeben noch geputzt und da war es ihr nicht aufgefallen. Außerdem war Eva überhaupt nicht in der Küche gewesen. Also woher kam es? Sie sah sich um. War jemand hier drin?

„Hallo“, rief sie mit einem flauen Gefühl in der Magengegend.

Ja, Bethany, begrüße die Einbrecher auch noch und verrate ihnen, wo du bist. Vielleicht backst du ihnen auch noch einen Kuchen.

Sie schnaubte über Einfältigkeit. Als sie jedoch kein Geräusch hören konnte und sich ihr Herzklopfen etwas beruhigt hatte, nahm sie allen Mut zusammen und sah sich noch einmal um.

Um ganz sicher zu gehen, öffnete sie sogar die Schränke, aber es war niemand zu finden.

Wieder betrachtete sie das wunderschöne und detailgetreue Bild. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wie es in ihrer Küche gelandet war, oder wie sie es hatte übersehen können. Sie hätte um das Bild herum putzen müssen. Also wie war das möglich?

Ein Gähnen kam ihr über die Lippen. Sie legte das Bild ab und warf ihm einen letzten Blick zu, bevor sie das Bettys verließ. Jetzt war es erst einmal Zeit für eine Dusche und dann für das Bett. Morgen konnte sie sich auch noch darum kümmern.

 

 

 

 

 

 

 

KAPITEL 2

Wieder gähnte sie. Und das unaufhörlich. Heute war sie ausgesprochen müde. Nachdem sie gestern gegangen war, hatte sie nur noch dieses kleine Bild der Frau im Kopf. Woher es kam, war ihr schleierhaft und das bereitete ihr Kopfzerbrechen. Nie hätte sie es übersehen können, während sie die Küche aufräumte. Das hieß aber, jemand musste es ihr hingelegt haben, während sie beschäftigt gewesen war.

Aber wieso? Und wie war dieser jemand in die Küche gekommen?

Obwohl sie müde war, hatte sie nicht richtig einschlafen können und entschied sich daher, noch früher als sonst ihre Arbeit zu beginnen. Sie benutzte den Hintereingang, der in die Küche führte und als sie die Tür öffnete, stach ihr das weiße Bild sofort ins Auge. Immer noch lag es dort, wo sie es liegen gelassen hatte. Sofort steuerte sie darauf zu und nahm es in die Hand. Der weiße Marmor fühlte sich kühl in ihren Fingern an und das Bild war leichter, als es aussah. Sie betrachtete es genauer und hoffte, etwas finden zu können, das verriet, wem es gehörte.

Doch da war nichts. Nur die wunderschöne Frau, die Harfe spielte.

„Ich weiß zwar nicht, was du hier tust oder wem du gehörst, aber solange du hier bist, wäre ich froh, wenn du mir so etwas wie Glück bringen könntest. Oder vielleicht sogar neue Ideen? Im Moment wäre ich für alles dankbar“, flüsterte sie und schnitt eine Grimasse, als ihr bewusst wurde, dass sie mit einem Bild sprach.

Seufzend legte sie es wieder hin. Im Laufe des Tages würde sie mit Sicherheit herausfinden können, wem es gehörte. Bis dahin hatte sie Wichtigeres zu tun.

Als Erstes holte sie sich eine große Tasse Kaffee. Dann fing sie an, ihre Kuchenteige zuzubereiten und in den Ofen zu schieben. Währenddessen sie wartete und die Teige abkühlten, versuchte sie sich noch einmal an dem Passionsfruchttörtchen, welches allerdings genauso aus dem Ofen kam, wie die einigen Male zuvor.

„Das darf doch wirklich nicht wahr sein“, stöhnte sie aufgebracht, als sie den Ofen öffnete. Wieder war alles zerronnen und es machte sie rasend, dass sie nicht herausfand, woran es lag.

Was lief denn nur falsch? Sie schmiss das misslungene Törtchen in den Müll und dachte nach. Brauchte sie mehr Mehl oder war es die Füllung, die ihr Schwierigkeiten machte? Sollte sie vielleicht besser ein anderes Rezept versuchen? Irritiert holte sie sich einen kleinen Stieltopf aus dem Schrank.

„Hallo.“

Erschrocken fuhr sie mit dem Topf herum und schlug zu. Ein dumpfes Geräusch hallte durch die Küche und entsetzt beobachtete sie, wie eine Gestalt zu Boden ging. Geschockt darüber, was soeben passiert war, starrte sie auf den leblosen Körper zu ihren Füßen.

Oh. Mein. Gott. Sie hatte soeben jemanden mit ihrem Topf K. O. geschlagen.

Als sie nach einigen Sekunden den ersten Schock überwand, stellte sie den Topf auf die Küchentheke und sah auf die Gestalt hinab. Der Körper gehörte zu einem Mann und er rührte sich nicht mehr.

Was wollte er denn um diese Uhrzeit hier? Hatte er vorgehabt, sie zu überfallen? Dann wieso hatte er sie angesprochen? Sollte sie die Polizei rufen?

Sie war mehr als nur überfordert. Hier war Norfolk, Herrgott nochmal. Noch nie hatte es hier einen Einbruch gegeben. Und Mordopfer schon gar nicht.

Aber es gibt immer ein erstes Mal.

Es war eine kleine Stimme in ihrem Kopf, die sie hörte. Nervös starrte sie auf den Mann.

Hatte sie ihn umgebracht? Vielleicht sollte sie erstmal nach seinem Puls fühlen. So schwer konnte das nicht sein. Vorsichtig kniete sie sich zu ihm auf den Boden und fühlte seinen Hals. Einen sehr kräftigen und muskulösen Hals.

Doch sie spürte ... nichts.

Kein Puls. Keine Bewegung.

Langsam kroch die Panik in ihr hoch. Sie hatte einen Mann in ihrer Küche umgebracht. Dafür kam sie ins Gefängnis. Sie war nicht der Typ dafür. Gefängnisse waren farblos, langweilig und wie um Himmels willen sollte sie ohne ihre Süßigkeiten überleben? Dort gab es mit Sicherheit niemanden, der Oreos, Gummibärchen oder Eis schmuggelte.

Schnell beugte sie sich über ihn und legte ihr Ohr auf seine Brust. Dabei stieg ihr sein Duft in die Nase, eine Mischung aus Aftershave und Zitrusfrüchten. Sie atmete tief ein.

„Bitte, wach auf. Ich kann doch jetzt nicht ins Gefängnis gehen. Ich bin doch zu jung dafür. Wie soll ich denn dort drin überleben?“, murmelte sie und versuchte, einen Herzschlag zu hören.

Erleichtert atmete sie auf, als sie einen fand. Er lebte. Die Gedanken an das Gefängnis verpufften augenblicklich.

Heilfroh atmete sie aus und zog sich zurück. Doch weit kam sie nicht, denn als sie eine Hand auf ihrem Arm spürte, stoppte sie. Geschockt hielt sie inne und sah dem Mann vor ihr ins Gesicht. Und sein Anblick raubte ihr den Atem.

Er war wunderschön. Leuchtende hellgrüne Augen funkelten ihr entgegen. Sie konnte nicht anders, als seinen markanten Kiefer und seinen Dreitagebart zu betrachten. Durch seine gebräunte Haut strahlten seine Augen noch heller.

---ENDE DER LESEPROBE---